Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. Januar 2021 - 6 Sa 29/19 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger wegen einer Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung zur Zahlung einer Entschädigung nach
§ 15 Abs. 2 AGG verpflichtet ist.
Der Beklagte ist Inhaber eines Gebäudeservice-Unternehmens. Der Kläger war bei ihm aufgrund Arbeitsvertrags vom 1. Juni 2012, zuletzt geändert durch Vertrag vom 1. Januar 2015, als Hausarbeiter zu einem regelmäßigen Bruttomonatsentgelt iHv. 1.037,23 Euro beschäftigt. Auf der Grundlage eines zwischen dem Beklagten und der Stadt L geschlossenen "Vertrags über eine Personalgestellung" für Hausmeisterleistungen wurde der Kläger an der Grundschule K in P eingesetzt.
Der Kläger war ab dem 11. Februar 2018 arbeitsunfähig erkrankt. Die spätere vorläufige Betreuerin des Klägers S setzte Beschäftigte des Beklagten hierüber am 12. Februar 2018 telefonisch in Kenntnis.
Mit Schreiben vom 15. Februar 2018 kündigte die Stadt L den og. "Vertrag über eine Personalgestellung" für Hausmeisterleistungen zum 30. April 2018.
Mit Schreiben vom 29. März 2018, das dem Kläger am 31. März 2018 zuging, erklärte der Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. In dem an Herrn "St" gerichteten Kündigungsschreiben heißt es ua.:
"Die H kündigt das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30.04.2018, da uns der Auftraggeber den Hausmeisterauftrag gekündigt hat."
Nachdem die nunmehrige vorläufige Betreuerin des Klägers S den Beklagten darauf hingewiesen hatte, dass dieser den Namen des Klägers falsch, nämlich mit "t", anstelle mit "d" geschrieben hatte, ging ihr am 4. April 2018 ein nunmehr zutreffend adressiertes, im Übrigen aber gleichlautendes, ebenfalls auf den 29. März 2018 datiertes Kündigungsschreiben zu.
Der Kläger hat die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen; das Verfahren wurde durch einen Vergleich vor dem Arbeitsgericht erledigt.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 23. April 2018 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten erfolglos einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz
bzw. Entschädigung nach § 15
AGG geltend.
In der Folgezeit beantragte er beim zuständigen Landesverwaltungsamt die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch. Sein Antrag ging dort am 17. Oktober 2018 ein. Er wurde sodann ab dem 17. Oktober 2018 und zunächst mit Wirkung bis Oktober 2020 als schwerbehinderter Mensch anerkannt.
Mit seiner beim Arbeitsgericht am 23. Juli 2018 eingegangenen Klage hat der Kläger den Beklagten auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG in Anspruch genommen. Er hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe ihn wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert. Dies ergebe sich daraus, dass der Beklagte bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegen Vorschriften verstoßen habe, die Verfahrens-
bzw. Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthielten. Insbesondere habe er nach
§ 168 SGB IX nicht ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamts kündigen dürfen. Zwar habe zum Kündigungszeitpunkt noch kein Nachweis seiner Schwerbehinderung durch eine behördliche Feststellung vorgelegen, auch sei ein Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch noch nicht gestellt gewesen, allerdings sei seine Schwerbehinderung im Zeitpunkt der Kündigung offenkundig gewesen. Er habe am 11. Februar 2018 einen Schlaganfall erlitten und mit halbseitiger Lähmung auf der Intensivstation gelegen. Dies sei dem Beklagten am 12. Februar 2018 mitgeteilt worden. Weiter sei mitgeteilt worden, dass nicht absehbar sei, wann und ob er, der Kläger, aufgrund der Schwere der Lähmung wieder arbeiten könne. Zudem habe der Beklagte gegen
§ 167 SGB IX verstoßen, denn vor einer Kündigung seien Maßnahmen der Prävention erforderlich gewesen. Darüber hinaus habe der Beklagte nicht nur durch die Kündigung vom 29. März 2018, sondern auch durch die weitere Kündigung vom 29. März 2018 sowie das Festhalten an der zunächst zugegangenen Kündigung gegen das
AGG verstoßen. Er habe nicht erklärt, aus der ersten Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten. Auch habe er bei Ausspruch der zweiten Kündigung nicht lediglich einen Schreibfehler korrigiert, sondern sich in Kenntnis der offenkundigen Schwerbehinderung des Klägers zu einer erneuten Kündigungserklärung entschlossen. Auch dadurch sei der Kausalzusammenhang zwischen seiner Behinderung und der Kündigung belegt.
Die Beendigung des zwischen dem Beklagten und der Stadt L geschlossenen "Vertrags über eine Personalgestellung" habe nicht zur Kündigung führen müssen, da er nach seinem Arbeitsvertrag auch mit anderen Aufgaben hätte beschäftigt werden können. Ein Arbeitgeber, der behinderte und nicht-behinderte Menschen gleichbehandle, hätte zunächst abgewartet und ihm, dem Kläger,
ggf. eine andere Arbeit zugewiesen, sobald er wieder arbeitsfähig gewesen wäre.
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens 3.500,00 Euro betragen sollte, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. März 2018 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Er hat die Auffassung vertreten, dem Kläger unter keinem Gesichtspunkt eine Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG zu schulden. Es werde bestritten, dass der Kläger am 11. Februar 2018 einen Schlaganfall mit der Folge rechtsseitiger Lähmung erlitten habe. Gleiches gelte für den Inhalt des Telefongesprächs vom 12. Februar 2018. Die spätere vorläufige Betreuerin S habe lediglich mitgeteilt, dass der Kläger im Krankenhaus liege. Sie habe sich auch nicht als Betreuerin legitimiert. Im Zeitpunkt der Kündigung habe er keine Kenntnis von einer Schwerbehinderung des Klägers oder von Tatsachen gehabt, die eine solche offenkundig erscheinen ließen. Deshalb habe er insbesondere nicht nach § 168
SGB IX vor der Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Zustimmung des Integrationsamts einholen müssen. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger sei allein wegen der Kündigung des mit der Stadt L bestehenden Vertrags erfolgt. Der Arbeitsplatz des Klägers sei infolge dieser Kündigung dauerhaft entfallen, eine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger habe nicht bestanden. Das zweite Kündigungsschreiben sei ausschließlich dem Hinweis auf den Schreibfehler beim Namen des Klägers geschuldet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die zulässige Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat - keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG.
A.
Die auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG gerichtete Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253
Abs. 2
Nr. 2
ZPO. Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen.
§ 15
Abs. 2
AGG räumt dem Gericht bei der Bestimmung der Höhe der Entschädigung einen Ermessensspielraum ein (
vgl. BAG 28. Mai 2020 -
8 AZR 170/19 - Rn. 27, BAGE 170, 340), weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Der Kläger hat auch Tatsachen benannt, die das Gericht dabei heranziehen soll und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angegeben (zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags:
vgl. etwa
BAG 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 16; 13. Oktober 2011 -
8 AZR 608/10 - Rn. 16). Der Kläger hat sich auf sein regelmäßiges Bruttomonatsentgelt bei dem Beklagten iHv. 1.037,23 Euro bezogen und 3.500,00 Euro als nicht zu unterschreitenden Mindestbetrag angegeben.
B.
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat - keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG.
I. Zwar ist der persönliche Anwendungsbereich des
AGG eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
AGG. Der Beklagte ist Arbeitgeber iSv. § 6
Abs. 2
AGG.
II. Auch der sachliche Anwendungsbereich des
AGG ist gegeben. Unter Entlassungsbedingungen iSv.
§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG fallen Kündigungen und alle anderen Beendigungstatbestände (zur Richtlinie 2000/78/
EG bezogen auf Kündigungen:
vgl. etwa EuGH 14. März 2017 - C-157/15 - [G4S Secure Solutions]; 14. März 2017 - C-188/15 - [Bougnaoui und ADDH]; 11. Juli 2006 -
C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 36 f.;
vgl. im Übrigen etwa
BAG 20. Februar 2019 - 2 AZR 746/14 - Rn. 12, BAGE 166, 1; 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 26; 6. April 2011 - 7 AZR 524/09 - Rn. 14). Dies gilt für Kündigungen unbeschadet der Sonderregelung des § 2
Abs. 4
AGG (
vgl. BAG 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - aaO). Dem Anspruch auf Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG steht § 2
Abs. 4
AGG nicht entgegen (
vgl. etwa
BAG 12. Dezember 2013 - 8 AZR 838/12 - Rn. 18 f., BAGE 147, 50; 19. Dezember 2013 -
6 AZR 190/12 - Rn. 38, BAGE 147, 60).
III. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch auch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15
Abs. 4
AGG, § 61b
Abs. 1
ArbGG). Darüber streiten die Parteien auch nicht.
IV. Der Kläger hat gegen den Beklagten jedoch keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG.
1. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG setzt einen Verstoß gegen das in
§ 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus, wobei § 7
Abs. 1
AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen (
§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG) verbietet. Das Benachteiligungsverbot in § 7
Abs. 1
AGG, das einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus den Antidiskriminierungsrichtlinien des Unionsrechts hergeleiteten Rechte - hier die der Richtlinie 2000/78/
EG - zu gewährleisten hat, untersagt im Anwendungsbereich des
AGG eine Benachteiligung wegen eines in
§ 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach
§ 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Diese Bestimmung findet - ebenso wie alle anderen Bestimmungen des Teils 3 des
SGB IX - nach
§ 151 Abs. 1 SGB IX auch auf gleichgestellte behinderte Menschen Anwendung. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 164
Abs. 2 Satz 2
SGB IX die Regelungen des
AGG.
2. Zwar wurde der Kläger durch die Kündigung des Beklagten vom 29. März 2018 unmittelbar iSv. § 3
Abs. 1
AGG benachteiligt, denn er hat eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Darauf, ob gleichzeitig anderen Beschäftigten des Beklagten gekündigt wurde, kommt es demnach nicht an.
3. Allerdings hat der Kläger - wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3
Abs. 1
AGG nicht wegen seiner (Schwer)Behinderung erfahren. Der Kläger hat keine hinreichenden Indizien iSv.
§ 22 AGG vorgetragen
bzw. unter Beweis gestellt, die eine Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung vermuten ließen.
a) Das Benachteiligungsverbot des § 7
Abs. 1
AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes. Das spezielle Benachteiligungsverbot des
§ 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nF verbietet eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung. Zwischen der Benachteiligung und einem in § 1
AGG genannten Grund
bzw. zwischen der Benachteiligung und der Schwerbehinderung muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen (st. Rspr.,
vgl. etwa
BAG 25. November 2021 -
8 AZR 313/20 - Rn. 22).
aa) Soweit es - wie hier - um eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3
Abs. 1
AGG geht, ist hierfür nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1
AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung iSv. § 3
Abs. 1
AGG an einen Grund iSv. § 1
AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt (
vgl. etwa
BAG 1. Juli 2021 -
8 AZR 297/20 - Rn. 18; 23. November 2017 - 8 AZR 372/16 - Rn. 20 mwN).
bb) § 22
AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (
BAG 25. November 2021 - 8 AZR 313/20 - Rn. 24; 25. Oktober 2018 - 8 AZR 501/14 - Rn. 51, BAGE 164, 117).
(1) Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes erfolgt ist. Dabei sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (
BAG 1. Juli 2021 - 8 AZR 297/20 - Rn. 20; 17. Dezember 2020 -
8 AZR 171/20 - Rn. 26 mwN, BAGE 173, 288).
(2) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats begründet der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, ua. der Verstoß des Arbeitgebers gegen die in § 168
SGB IX geregelte Pflicht, vor Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen, regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung. Diese Pflichtverletzungen sind nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (
vgl. etwa
BAG 25. November 2021 - 8 AZR 313/20 - Rn. 26; 27. August 2020 -
8 AZR 45/19 - Rn. 29, BAGE 172, 78; 23. Januar 2020 -
8 AZR 484/18 - Rn. 37, BAGE 169, 302; 16. Mai 2019 - 8 AZR 315/18 - Rn. 22 mwN, BAGE 167, 1; 11. August 2016 -
8 AZR 375/15 - Rn. 25, BAGE 156, 107; 22. Oktober 2015 -
8 AZR 384/14 - Rn. 35; 26. Juni 2014 -
8 AZR 547/13 - Rn. 45 mwN).
b) Danach hat der Kläger die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3
Abs. 1
AGG nicht wegen seiner (Schwer)Behinderung erfahren. Er hat keine hinreichenden Indizien iSv. § 22
AGG vorgetragen
bzw. unter Beweis gestellt, die eine Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung vermuten ließen.
aa) Der Kläger hat einen Verstoß des Beklagten gegen § 168
SGB IX nicht schlüssig dargetan
bzw. unter Beweis gestellt.
(1) Nach § 168
SGB IX, der zu den zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Verfahrensbestimmungen gehört, bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Diese Bestimmung findet - ebenso wie alle anderen Bestimmungen des Teils 3 des
SGB IX - nach § 151
Abs. 1
SGB IX auch auf gleichgestellte behinderte Menschen Anwendung. Ob ein Mensch iSv. § 168
SGB IX schwerbehindert ist, richtet sich nach
§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IX. Nach § 2
Abs. 1 Satz 1
SGB IX sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, § 2
Abs. 1 Satz 2
SGB IX. Nach § 2
Abs. 2
SGB IX sind Menschen im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt. Für die Frage, ob ein Mensch diese Voraussetzungen erfüllt, bedarf es keiner behördlichen Anerkennung. Der Status als schwerbehinderter Mensch beginnt grundsätzlich im Zeitpunkt der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen (
BVerwG 12. Juli 2012 -
5 C 16/11 - Rn. 20 mwN, BVerwGE 143, 325).
(2) Der Beklagte war vor Ausspruch der Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht nach § 168
SGB IX verpflichtet, die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen. Im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten fand § 168
SGB IX keine Anwendung.
(a) Nach
§ 173 Abs. 3 SGB IX findet ua. § 168
SGB IX keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist (1. Alternative) oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 152
Abs. 1 Satz 3
SGB IX eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte (2. Alternative). § 173
Abs. 3
SGB IX gilt nicht nur für schwerbehinderte Menschen, sondern auch für ihnen gleichgestellte behinderte Menschen. Das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes setzt damit grundsätzlich voraus, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung entweder die Schwerbehinderung bereits festgestellt (oder eine Gleichstellung erfolgt) ist oder die Stellung des Antrags auf Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch (
bzw. auf Gleichstellung) mindestens drei Wochen zurückliegt (
vgl. BAG 22. Januar 2020 -
7 ABR 18/18 - Rn. 33 mwN, BAGE 169, 267;
vgl. im Einzelnen Düwell in LPK-SGB IX 6. Aufl. § 168 Rn. 8 und § 173 Rn. 36
ff.). Letzteres dient der Missbrauchsbekämpfung (
vgl. zu den Hintergründen Düwell aaO § 173 Rn. 36).
(b) § 168
SGB IX fand auf die Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 29. März 2018, das dem Kläger sowohl am 31. März 2018 als auch - nunmehr zutreffend adressiert - am 4. April 2018 zugegangen ist, keine Anwendung.
(aa) Im Zeitpunkt des Ausspruchs dieser Kündigung war weder die Eigenschaft des Klägers als schwerbehinderter Mensch festgestellt - der Kläger wurde erst ab dem 17. Oktober 2018 als schwerbehinderter Mensch anerkannt -, noch war eine Gleichstellung erfolgt (1. Alternative). Auch ein Antrag auf Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch (
bzw. auf Gleichstellung) war zu diesem Zeitpunkt noch nicht gestellt (2. Alternative).
(bb) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers fand das Zustimmungserfordernis des § 168
SGB IX auch nicht deshalb Anwendung, weil seine Schwerbehinderung im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 29. März 2018 offensichtlich
bzw. offenkundig gewesen wäre.
(aaa) Der Erbringung des Nachweises der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch im Wege der behördlichen Feststellung bedarf es nicht, wenn diese entbehrlich ist, weil dieser Umstand sich "gleichsam aufdrängt". Das ist der Fall, wenn die Schwerbehinderung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung "offensichtlich"
bzw. "offenkundig" ist (
vgl. BVerwG 12. Juli 2012 -
5 C 16/11 - Rn. 25, BVerwGE 143, 325;
BAG 9. Juni 2011 -
2 AZR 703/09 - Rn. 25; 13. Februar 2008 -
2 AZR 864/06 - Rn. 17, BAGE 125, 345; 24. November 2005 -
2 AZR 514/04 - Rn. 30
ff.). Für eine offenkundige Schwerbehinderung muss dabei nicht nur das Vorliegen einer oder mehrerer Beeinträchtigungen offenkundig sein, sondern auch, dass der Grad der Behinderung in einem Feststellungsverfahren auf wenigstens 50 festgesetzt würde (
BAG 13. Oktober 2011 -
8 AZR 608/10 - Rn. 42). Eine Schwerbehinderung ist demnach "offensichtlich"
bzw. "offenkundig", wenn sie unzweifelhaft für jede/n ersichtlich besteht.
(bbb) Der Kläger hat nicht dargetan
bzw. unter Beweis gestellt, dass dies im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung des Beklagten vom 29. März 2018 der Fall war. Dies gilt selbst dann, wenn unterstellt wird, dass der Kläger am 11. Februar 2018 einen Schlaganfall erlitten hat, noch am 12. Februar 2018 mit halbseitiger Lähmung auf der Intensivstation eines Krankenhauses behandelt wurde und dem Beklagten am 12. Februar 2018 ua. mitgeteilt worden war, dass nicht absehbar sei, wann und ob der Kläger aufgrund der Schwere der Lähmung wieder arbeiten könne. Damit sind keine Umstände dargetan
bzw. unter Beweis gestellt, nach denen der Beklagte im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 29. März 2018, mithin gut eineinhalb Monate nach dem - unterstellten - Schlaganfall, von einer "offensichtlichen"
bzw. "offenkundigen" Schwerbehinderung, dh. unzweifelhaft von einer Behinderung mit einem Grad von wenigstens 50 auszugehen hatte. Insoweit fehlt es bereits an einem Beweisantritt für den - vom Beklagten bestrittenen - Umstand, dass der Kläger noch am 29. März 2018 halbseitig gelähmt war. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass am 29. März 2018 zwangsläufig davon auszugehen gewesen wäre, dass die - unterstellte - halbseitige Lähmung infolge eines Schlaganfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauern würde und dass dies unzweifelhaft für jede/n ersichtlich war. Der Umstand, dass der Kläger zeitweise unter Betreuung stand, führt - entgegen der Rechtsauffassung des Klägers - zu keiner anderen Beurteilung. Eine Betreuung iSv. § 1896
BGB setzt nicht das Vorliegen einer Schwerbehinderung voraus.
(ccc) Nach alledem kommt es nicht darauf an, ob die Annahme des Landesarbeitsgerichts zutrifft, dass kein Erfahrungssatz des Inhalts besteht, dass Beeinträchtigungen, die unmittelbar oder
ggf. anderthalb Monate nach dem Schlaganfall vorliegen und bei denen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen ist wie lange sie andauern, mit hinreichender Sicherheit nicht durch Heilung oder Rehabilitationsmaßnahmen beseitigt, oder zumindest insoweit ausgeglichen werden können, dass eine Behinderung mit einem Grad von zumindest 30 verbleibt. Demzufolge kommt es - entgegen dem Vorbringen des Klägers im Revisionsverfahren - auch weder darauf an, ob das Landesarbeitsgericht dem Kläger insoweit einen Hinweis hätte erteilen müssen, noch, ob sich aus einem Sachverständigengutachten zweifelsfrei ergeben hätte, dass bei anderthalbmonatigem Krankenhausaufenthalt von einer mittleren bis schweren Verlaufsform des Schlaganfalls auszugehen ist, die mindestens 12 bis 24 Monate bis zur Ausheilung benötigt.
bb) Es kann dahinstehen, ob der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, vor Ausspruch der Kündigung vom 29. März 2018 ein Präventionsverfahren nach § 167
Abs. 1
SGB IX durchzuführen. Ein etwaiger Verstoß des Beklagten gegen diese Bestimmung hätte nicht die Vermutung begründen können, dass der Kläger wegen seiner (Schwer)Behinderung benachteiligt wurde. Der Kläger hatte den Beklagten vor Ausspruch der Kündigung nämlich nicht über eine bestehende festgestellte oder offenkundige Schwerbehinderung informiert.
(1) Nach
§ 167 Abs. 1 SGB IX, der ebenfalls zu den Bestimmungen gehört, die Verfahrens-
bzw. Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter
bzw. denen gleichgestellter Menschen enthalten, schaltet der Arbeitgeber bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in
§ 176 SGB IX genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann. Das Präventionsverfahren nach § 167
Abs. 1
SGB IX, das wie auch
§ 168 SGB IX zum Teil 3 des
SGB IX gehört, findet nach
§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX ausschließlich auf schwerbehinderte Menschen und ihnen nach
§ 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen Anwendung.
(2) Es kann vorliegend offenbleiben, ob der Beklagte gegen § 167
Abs. 1
SGB IX verstoßen hat. Ein etwaiger Verstoß des Beklagten gegen diese Bestimmung hätte nicht die Vermutung begründen können, dass der Kläger wegen seiner (Schwer)Behinderung benachteiligt wurde. Der Kläger hatte den Beklagten vor Ausspruch der Kündigung vom 29. März 2018 nicht über eine festgestellte oder offenkundige
bzw. offensichtliche Schwerbehinderung informiert.
(a) Der "objektive" Verstoß des Arbeitgebers gegen Bestimmungen, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, kann die Vermutung der Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung
bzw. der Eigenschaft als gleichgestellter behinderter Mensch regelmäßig nur begründen, wenn dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung
bzw. die Gleichstellung der betreffenden Person bekannt war oder er diese kennen musste. Ist dies nicht der Fall, kann weder die Schwerbehinderung noch die Gleichstellung "Bestandteil eines Motivbündels" gewesen sein, das die Entscheidung des Arbeitgebers (mit)beeinflusst hat (zum Motivbündel
vgl. BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 22). Deshalb müssen Beschäftigte, die ihre Eigenschaft als schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte Menschen im Arbeitsverhältnis berücksichtigt wissen wollen, den Arbeitgeber über die vorhandene Schwerbehinderung
bzw. Gleichstellung rechtzeitig in Kenntnis setzen, soweit der Arbeitgeber nicht ausnahmsweise bereits über diese Information verfügt. Andernfalls fehlt es an der (Mit-)Ursächlichkeit der Schwerbehinderung
bzw. Gleichstellung für die Benachteiligung (für Bewerber/innen:
vgl. etwa
BAG 17. Dezember 2020 - 8 AZR 171/20 - Rn. 33, BAGE 173, 288; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 30; 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 24).
(b) Der Kläger hatte den Beklagten vor Ausspruch der Kündigung vom 29. März 2018 indes weder über eine festgestellte noch über eine offenkundige
bzw. offensichtliche Schwerbehinderung informiert. Der Kläger war im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung des Beklagten vom 29. März 2018 nicht als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Die Feststellung der Schwerbehinderung wurde erst für die Zeit ab dem 17. Oktober 2018 getroffen. Der Kläger hat zudem - wie unter Rn. 40 ausgeführt - auch nicht dargetan
bzw. unter Beweis gestellt, dass im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 29. März 2018 von einer "offensichtlichen"
bzw. "offenkundigen" Schwerbehinderung auszugehen war.
cc) Ebenfalls dahinstehen kann, ob der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, vor Ausspruch der Kündigung vom 29. März 2018 ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 167
Abs. 2
SGB IX durchzuführen. Ein etwaiger Verstoß des Beklagten gegen diese Bestimmung hätte gleichfalls nicht die Vermutung begründen können, dass der Kläger wegen seiner (Schwer)Behinderung benachteiligt wurde.
Nach § 167
Abs. 2
SGB IX klärt der Arbeitgeber zwar in dem Fall, dass Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, mit der zuständigen Interessenvertretung iSd. § 176
SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person, die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Bei § 167
Abs. 2
SGB IX handelt es sich allerdings nicht um eine Vorschrift, die die Vermutung begründen könnte, dass eine Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung erfolgte. § 167
Abs. 2
SGB IX bestimmt keine Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen, die Bestimmung findet vielmehr ausdrücklich auf "Beschäftigte" Anwendung, somit auf alle Beschäftigten unabhängig von dem Vorliegen einer (Schwer)Behinderung.
dd) Auch die sonstigen vom Kläger angeführten Umstände begründen nicht die Vermutung iSv. § 22
AGG, dass der Kläger wegen der (Schwer)Behinderung
bzw. einer Gleichstellung benachteiligt wurde. Insoweit fehlt es an einem schlüssigen Vortrag von Indizien iSd. § 22
AGG. Insbesondere kann allein der Umstand, dass beim Kläger zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung
ggf. eine Behinderung vorgelegen hat, nicht die Vermutung begründen, dass die Behinderung mitursächlich für die Kündigung war. Etwas anderes folgt nicht aus der zeitlichen Nähe der - unterstellten - halbseitigen Lähmung infolge eines Schlaganfalls zur Kündigung vom 29. März 2018 sowie aus den weiteren zeitlichen Abläufen. Dies gilt insbesondere, soweit der Kläger im Zusammenhang mit der Kündigung vom 29. März 2018 von einer "weiteren Kündigung vom 29. März 2018" sowie einem "Festhalten" an der zunächst zugegangenen Kündigung ausgeht und der Auffassung ist, der Beklagte habe mit dem zweiten Kündigungsschreiben vom 29. März 2018 nicht lediglich einen Schreibfehler korrigiert, sondern sich in Kenntnis einer - aus Sicht des Klägers - offenkundig gegebenen Schwerbehinderung (
vgl. dazu jedoch Rn. 40) - zu einer erneuten Kündigungserklärung entschlossen. Nichts an diesem Vortrag zeigt den erforderlichen Kausalzusammenhang iSv. § 22
AGG auf.