Die nach § 64
Abs. 1 und 2 Buchst. b
ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66
Abs. 1, 64
Abs. 6
ArbGG i.V.m. 519, 520
ZPO form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die hiernach zulässige Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin hat - über den bereits gezahlten Betrag in Höhe von 9.571,56
EUR brutto und den vom Arbeitsgericht zuerkannten Betrag in Höhe von 6.187,99
EUR brutto hinaus - keinen weitergehenden Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von weiteren 13.498,63
EUR brutto.
Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Urteil einen Anspruch der Klägerin auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs von insgesamt 132,5 Urlaubstagen für die Jahre 2004 bis 2010 in Höhe von 15.759,55
EUR brutto angenommen und der Klägerin den sich nach der unstreitig erfolgten Zahlung in Höhe von 9.571,56
EUR brutto ergebenden Differenzbetrag in Höhe von 6.187,99
EUR brutto zugesprochen. Soweit das Arbeitsgericht der Klage in dieser Höhe stattgegeben hat, ist das Urteil rechtskräftig, weil die Beklagte hiergegen keine Berufung eingelegt hat. Über den vom Arbeitsgericht angenommenen Anspruch auf gesetzlichen Urlaub von 132,5 Arbeitstagen für die Jahre 2004 bis 2010 hinaus hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien kein weitergehender Urlaubsanspruch der Klägerin bestanden.
Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob gemäß der Ansicht des Arbeitsgerichts der gesetzliche Urlaub für die Zeit des Ruhens des Arbeitsverhältnisses vom 1. März 2005 bis 31. August 2006 um 37,5 Arbeitstage zu kürzen ist. Jedenfalls hätte die Klägerin aufgrund der zwischenzeitlichen Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit in der Zeit vom 3. März bis 6. Juni 2008 den übertragenen gesetzlichen Urlaub aus den vorangegangenen Jahren bis zum 31. März 2008 antreten können und müssen, so dass der vom Arbeitsgericht im Umfang von 37,5 Arbeitstagen nicht zuerkannte gesetzliche Urlaub nach § 33 Ziffer 6 b und d TV AL II verfallen ist.
Im Übrigen hat das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, dass keine erfüllbaren Ansprüche der Klägerin auf tariflichen Mehrurlaub für die Jahre 2004 bis 2010 gegeben sind.
I. Über den vom Arbeitsgericht angenommenen Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub von insgesamt 132,5 Arbeitstagen für die Jahre 2004 bis 2010 hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 2010 kein weitergehender gesetzlicher Urlaubsanspruch der Klägerin mehr bestanden.
1. Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass der Klägerin grundsätzlich für die Jahre 2004 bis 2010 insgesamt 170 Arbeitstage an gesetzlichem Urlaub zugestanden hätten, der sich aus dem Mindesturlaub von jährlich 20 Arbeitstagen (= 4 Wochen bei einer 5-Tage-Woche) gemäß § 3
Abs. 1
BUrlG (= insgesamt 140 Arbeitstage für die Jahre 2004 bis 2010) und dem gesetzlichen Schwerbehindertenzusatzurlaub von weiteren fünf Arbeitstagen pro Jahr gemäß
§ 125 Abs. 1 SGB IX ab dem Jahr 2005 (= insgesamt 30 Arbeitstage für die Jahre 2005 bis 2010) zusammensetzt. Diesen "Gesamturlaubsanspruch" von 170 Arbeitstagen an gesetzlichem Urlaub hat das Arbeitsgericht um 37,5 Arbeitstage mit der Begründung gekürzt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der von der Klägerin bezogenen Rente wegen voller Erwerbsminderung in der Zeit vom 1. März 2005 bis 31. August 2006 geruht habe und im ruhenden Arbeitsverhältnis keine Urlaubsansprüche entstünden. Nach § 46 Ziffer 2 b TV AL II ruht das Beschäftigungsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit gewährt wird. Zeiten, in denen das Beschäftigungsverhältnis ruht, gelten nach § 33 Ziffer 4 a TV AL II nicht als Zeiten eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses im Sinne dieser Vorschrift. Nach § 34 Ziffer 4 TV AL II findet auf den Schwerbehindertenzusatzurlaub § 33 TV AL II sinngemäß Anwendung. Ob entsprechend der tariflichen Regelung für die Zeit des Ruhens des Arbeitsverhältnisses auch kein Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub und Schwerbehindertenzusatzurlaub entsteht und dieser deshalb entsprechend zu kürzen ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
2. Die Klägerin hätte nämlich nach Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit in der Zeit vom 3. März bis 6. Juni 2008 den aus den vergangenen Jahren übertragenen gesetzlichen Urlaub nach § 33 Ziffer 6 b TV AL II bis zum 31. März 2008 antreten können und müssen, so dass der vom Arbeitsgericht im Umfang von 37,5 Arbeitstagen nicht zuerkannte Anspruch auf gesetzlichen Urlaub jedenfalls gemäß § 33 Ziffer 6 d TV AL II verfallen ist.
a) Der gesetzliche Urlaub aus den Jahren 2005 und 2006 war aufgrund der bis zum 2. März 2008 fortdauernden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht erfüllbar und trat deshalb nach der unionsrechtlich bedingt reformierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dem Urlaubsanspruch für das Jahr 2007 hinzu (
vgl. hierzu
BAG 23. März 2010 -
9 AZR 128/09 - NZA 2010, 810, zu A II 4 der Gründe). Der wegen der mangelnden Möglichkeit der Inanspruchnahme infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit über den Übertragungszeitraum hinaus fortbestehende Urlaubsanspruch unterfällt, sobald die Arbeitsunfähigkeit als Erfüllungshindernis des Urlaubsanspruchs wegfällt, erneut dem gesetzlichen oder tarifvertraglichen Fristenregime (
BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - NZA 2011, 1050, zu A II 5 der Gründe). Ist ein Urlaubsanspruch ausnahmsweise bis zum Ende des Übertragungszeitraums wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht erfüllbar, kann zwar nach der unionsrechtlich bedingt reformierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Verfall des gesetzlichen Urlaubsanspruchs nicht eintreten. Sowohl für den übertragenen als auch für den neu entstandenen Urlaubsanspruch gelten dann aber die gesetzlichen oder tarifvertraglichen Übertragungsregeln; denn an diesen Befristungen des Urlaubsanspruchs ist für den Regelfall der möglichen Inanspruchnahme festzuhalten (
vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - NZA 2011, 1050, zu A II 5 a der Gründe).
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] EzA
EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88
Nr. 1) ist
Art. 7
Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/
EG dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fortbestand, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.
Art. 7
Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie steht einer nationalen Regelung, die für die Ausübung des mit der Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, nicht entgegen. Diese Modalitäten können sogar den Verlust des Anspruchs am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums beinhalten. Das gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm von der Richtlinie verliehenen Urlaubsanspruch auszuüben. Das Bundesarbeitsgericht hat daraus geschlossen, dass der Europäische Gerichtshof die Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs in den Ausnahmefällen, in denen vom Willen des Arbeitnehmers unabhängige Gründe der Urlaubsgewährung entgegenstehen, an enge Voraussetzungen bindet. Der Arbeitnehmer darf bei Krankheit wegen der daraus herrührenden Arbeitsunfähigkeit nicht dazu in der Lage gewesen sein, seinen Urlaubsanspruch bis zum Ende des Urlaubsjahres oder eines einzelstaatlich vorgesehenen Übertragungszeitraums zu verwirklichen (
BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - NZA 2009, 538, B III 3 a bb (1) der Gründe). Danach kann der wegen Arbeitsunfähigkeit übertragene Urlaub in den folgenden Urlaubsjahren verfallen, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht rechtzeitig genommen hat und er nicht an der Urlaubsnahme wegen Arbeitsunfähigkeit gehindert war (
BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - NZA 2011, 1050, zu A II 5 a bb der Gründe).
b) Die Tarifvertragsparteien haben mit den in § 33 Ziffer 6 TV AL II enthaltenen Regelungen zur Übertragung und zum Verfall des Urlaubs von der ihnen in § 13
Abs. 1
BUrlG eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht. Nach § 33 Ziffer 6 b TV AL II muss der Urlaub bei Übertragung (wegen Arbeitsunfähigkeit als in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund) auf das nächste Kalenderjahr bis zum 31. März angetreten sein. Kann der Arbeitnehmer den Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 31. März antreten, so muss der Urlaub innerhalb von zwei Monaten nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erteilt und angetreten werden. "Antritt" des Urlaubs im Sinne der tariflichen Regelung heißt, dass lediglich der zeitliche Beginn des Urlaubs vor Ablauf des Stichtags liegen muss (
vgl. BAG 18. März 2003 - 9 AZR 190/02 - AP
BUrlG § 3 Rechtsmissbrauch
Nr. 17, zu II 2 a der Gründe). Danach muss der Urlaub bis zu dem tariflich festgelegten Stichtag (31. März) nicht vollständig abgewickelt werden. Dementsprechend hätte die Klägerin nach der zwischenzeitlichen Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit in der Zeit vom 3. März bis 6. Juni 2008 den auf das Jahr 2007 übertragenen gesetzlichen Urlaub aus den vorangegangenen Jahren nach § 33 Ziffer 6 b TV AL II bis zum 31. März 2008 antreten können und müssen. Im Hinblick darauf, dass die Arbeitsfähigkeit der Klägerin ab 3. März 2008 über einen Zeitraum von 65 Arbeitstagen bis zum 6. Juni 2008 wiederhergestellt war, ist jedenfalls der vom Arbeitsgericht nicht zuerkannte gesetzliche Urlaub von 37,5 Arbeitstagen aus den Jahren 2004 und 2005 nach § 33 Ziffer 6 d TV AL II verfallen.
3. Dieser verfallene gesetzliche Urlaubsanspruch ist auch nicht unter Schadensersatzgesichtspunkten abzugelten. Die Klägerin hat lediglich pauschal und ohne Beweisantritt behauptet, sie habe "ihren damals fälligen Anspruch" antreten wollen, der "damalige direkte Vorgesetzte" habe den "Urlaubsantrag" jedoch "mit dem Hinweis auf den Verfall" abgelehnt. Die Beklagte hat erwidert, dass dies unzutreffend sei und schon deswegen nicht der Fall sein könne, weil die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt zahlreiche Urlaubstage aus 2008 gehabt habe, die sie hätte nehmen können. Die Klägerin habe aber von Anfang an nur einen Tag Urlaub nehmen wollen und auch nur diesen einen Tag (2. Juni 2008) beantragt sowie erhalten. Die als Anspruchstellerin darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat trotz des Bestreitens der Beklagten nicht nachvollziehbar dargelegt, wann sie angeblich welchen Urlaubsantrag für welchen Zeitraum gestellt
bzw. welche Urlaubsansprüche auf welche Weise vergeblich geltend gemacht haben will. Zudem fehlt es an einem Beweisantritt.
II. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine erfüllbaren Mehrurlaubsansprüche bestanden, die nach § 33 Ziffer 7 c TV AL II hätten abgegolten werden können.
1. Nach § 33 Ziffer 1 a TV AL II beträgt die Urlaubsdauer für Arbeitnehmer mit einer 5-Tage-Woche 30 Arbeitstage, woraus sich über den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen hinaus ein tariflicher Mehrurlaub von jährlich 10 Arbeitstagen ergibt. Weiterhin erhalten Schwerbehinderte nach § 34 Ziffer 1 TV AL II einen bezahlten Zusatzurlaub von sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr, der den gesetzlichen Schwerbehindertenzusatzurlaub von jährlich fünf Arbeitstagen um einen Arbeitstag übersteigt.
Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit der Anspruch der Klägerin auf tariflichen Mehrurlaub auch in der Zeit des Ruhens ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund der vom 1. März 2005 bis 31. August 2006 bezogenen Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht entstanden ist. Jedenfalls sind die tariflichen Mehrurlaubsansprüche aus den Jahren 2004 bis 2006 jeweils mit Ablauf des auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres nach § 33 Ziffer 6 d TV AL II verfallen.
Ob und in welchem Umfang die Klägerin nach Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit in der Zeit vom 3. März bis 6. Juni 2008 auch ihren tariflichen Mehrurlaub für das Jahr 2007 hätte antreten können und müssen, kann offen bleiben, weil der tarifliche Mehrurlaub aus dem Jahr 2007 jedenfalls zum 31. Dezember 2008 gemäß § 33 Ziffer 6 d TV AL II verfallen ist.
Den tariflichen Mehrurlaub für die Jahre 2009 und 2010 konnte die Klägerin nicht bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 31. Oktober 2010 antreten. Sie war nach dem 8. Juni 2008 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 2010 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und in dieser Zeit nicht imstande, ihre vertragsgemäße Arbeitsleistung zu erbringen. Die Klägerin hat hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs für 2009 und 2010 auch nicht behauptet, sie sei bis zum Ende des tariflich festgelegten Übertragungszeitraums wieder arbeitsfähig. Hierfür ist sie darlegungs- und beweisbelastet. Der Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub für das Jahr 2009 und - anteilig - für das Jahr 2010 wäre deshalb bis zum Ende des tariflichen Übertragungszeitraums nicht erfüllbar (
vgl. hierzu
BAG 23. März 2010 -
9 AZR 128/09 - NZA 2010, 810, zu A I 2 der Gründe).
2. Entgegen der Ansicht der Klägerin haben sich die Tarifvertragsparteien in § 33 TV AL II vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelungen zur Übertragung und zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen, die auf den tariflichen Mehrurlaub anzuwenden sind.
a) Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von
Art. 7
Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/
EG gewährleisteten und von §§ 1, 3
Abs. 1
BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Ihre Regelungsmacht ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche richtlinienkonforme Fortbildung des § 7
Abs. 3 und
Abs. 4
BUrlG beschränkt. Einem tariflich angeordneten Verfall des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs und seiner Abgeltung steht nach dem klaren Richtlinienrecht und der gesicherten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kein Unionsrecht entgegen (
BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - NZA 2011, 1050, zu A II 4 a der Gründe).
Allerdings müssen nach der vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Auslegungsregel für einen Regelungswillen, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen tarifvertraglichen Ansprüchen unterscheidet, deutliche Anhaltspunkte bestehen. Das ist der Fall, wenn der Tarifvertrag entweder zwischen gesetzlichem Urlaub und tariflichem Mehrurlaub unterscheidet oder sowohl für Mindest- als auch Mehrurlaub wesentlich von § 7
Abs. 3
BUrlG abweichende Übertragungs- und Verfallsregeln bestimmt (
BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - NZA 2011, 1050).
b) Vorliegend haben die Tarifvertragsparteien im TV AL II zwar nicht zwischen gesetzlichem und tarifvertraglichem Urlaub unterschieden. Der TV AL II regelt aber ein eigenständiges vom Bundesurlaubsgesetz abweichendes Fristenregime, nach dem der Arbeitnehmer das Risiko der Inanspruchnahmemöglichkeit für den Mehrurlaub tragen soll.
aa) In § 33 Ziffer 6 d TV AL II ist über die Regelung in § 7
BUrlG hinaus ausdrücklich der Verfall des nicht rechtzeitig angetretenen Urlaubs angeordnet, der sich auch und gerade auf Fälle der Arbeitsunfähigkeit bezieht. Nach § 33 Ziffer 6 a TV AL II soll der Urlaub im laufenden Kalenderjahr erteilt und genommen werden. Eine Übertragung auf das nächste Kalenderjahr ist nur zulässig, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Abweichend von § 7
Abs. 3
BUrlG wird nach § 33 Ziffer 6 b TV AL II bei Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ein Anspruchsuntergang bereits durch einen Antritt des Urlaubs bis zum 31. März vermieden. Im Anschluss daran enthält § 33 Ziffer 6 b TV AL II darüber hinaus für die Fälle, in denen der Arbeitnehmer den Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 31. März antreten kann, eine besondere Übertragungsregelung, nach der der Urlaub innerhalb von zwei Monaten nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erteilt und angetreten werden muss. Eine entsprechende Regelung folgt anschließend für die Fälle, in denen die Arbeitnehmerin den Urlaub wegen der Schutzfristen oder wegen Mutterschaftsurlaub nach dem Mutterschutzgesetz nicht bis zum 31. März antreten kann. Schließlich ist in § 33 Ziffer 6 d TV AL II - anders als im Bundesurlaubsgesetz - eine eigene Verfallsregelung normiert, die ausdrücklich den Verfall des Urlaubs anordnet, der nicht bis zu dem in Betracht kommenden Zeitpunkt, spätestens jedoch bis zum Ablauf des auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres angetreten worden ist. Damit statuiert die tarifliche Regelung eine eigene Höchstgrenze bis zum Ablauf des auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres, nach der jeder Urlaub spätestens verfällt.
bb) Die in § 33 Ziffer 6 TV AL II normierten besonderen Übertragungs- und Verfallsregeln, die sowohl für den Mindest- als auch für den übersteigenden Mehrurlaub einheitlich von § 7
Abs. 3
BUrlG wesentlich abweichen, lassen erkennen, dass der Arbeitnehmer das Risiko, den Urlaub nicht in Anspruch nehmen zu können, letztendlich tragen soll.
Haben die Tarifvertragsparteien - wie hier - einheitlich sowohl für den unionsrechtlich verbürgten Mindest- als auch für den übersteigenden Mehrurlaub von § 7
Abs. 3
BUrlG wesentlich abweichende Übertragungs- und Verfallsregeln vereinbart, so zeugt das für einen eigenständigen Regelungswillen. Danach soll der Arbeitnehmer das Risiko, den Urlaub nicht in Anspruch nehmen zu können, tragen. Dies schließt einen ergänzenden Rückgriff auf die - unionsrechtlich bedingt - reformierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der zufolge der Urlaubsanspruch auch im Fall der krankheitsbedingten Unmöglichkeit einer Erfüllung erhalten bleibt, unabhängig davon aus, ob diese Rechtsprechung auf einer richtlinienkonformen Auslegung oder auf einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung beruht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die eigenständige Sonderregelung für den unionsrechtlich verbürgten Mindesturlaub im Hinblick auf § 13
Abs. 1 Satz 1, § 1
Abs. 1
BUrlG i.V.m. § 134
BGB unwirksam ist. Für den vom Mindesturlaub abtrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer, den sog. Mehrurlaub, bleibt sie gemäß § 139
BGB wirksam (
BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - NZA 2011, 1050, zu A II 4 b bb der Gründe).
cc) Die Tarifvertragsparteien stellen in § 33 Ziffer 7 c TV AL II auf die Abgeltung noch nicht erfüllter Urlaubsansprüche ab. In Verbindung mit dem für die Übertragung begründeten besonderen Fristenregime des § 33 Ziffer 6 TV AL II folgt daraus, dass sie für die Abgeltung des übergesetzlichen Urlaubs von der Voraussetzung eines erfüllbaren Urlaubsanspruchs ausgehen (
vgl. BAG 23. März 2010 -
9 AZR 128/09 - NZA 2010, 810, zu A I 5 c ee der Gründe).
Danach ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein weitergehender erfüllbarer Urlaubsanspruch der Klägerin gegeben, der den vom Arbeitsgericht zuerkannten Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub von 132,5 Arbeitstagen übersteigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97
Abs. 1
ZPO.
Die Revision wurde gemäß § 72
Abs. 2
Nr. 1
ArbGG zugelassen.