1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.809,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07. Januar 2010 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt zu 71 % die Beklagte, zu 29 % die Klägerin.
4. Der Streitwert wird auf 10.933,65 Euro festgesetzt.
Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltungsansprüche.
Die Klägerin war seit 19xx bei der Beklagten, zuletzt als Tätigkeit, zu einem monatlichen Bruttoentgelt von xx.xxx Euro beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) Anwendung. Die Klägerin ist zu 60 Prozent schwerbehindert. Im Jahr 2003 erkrankte die Klägerin und erhielt eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Seit dem 01. Januar 2009 erhält sie die Rente unbefristet. Ihr Arbeitsverhältnis zur Beklagten endete mit dem 31. Dezember 2008.
Mit Schreiben vom 17. März 2009 begehrte die Klägerin von der Beklagten Urlaubsabgeltung für die Jahre 2006 bis 2008. Urlaubsabgeltung wurde für jeweils 30 Tage gesetzlichen/tariflichen Jahresurlaub sowie fünf Tage Zusatzurlaub für Schwerbehinderte gemäß § 125
SGB IX geltend gemacht. Mit Schreiben vom 20. April 2009 lehnte die Beklagte eine Urlaubsabgeltung ab.
Mit ihrer am 29. Dezember 2009 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Urlaubsabgeltungsanspruch weiter. Die Klägerin ist der Auffassung, der Abgeltungsanspruch folge aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum Nichtverfall von Urlaubsansprüchen bei Krankheit (Schultz-Hoff vom 20.01.2009, C-350/06 u.a.).
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.933,65 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dam Basiszinssatz hieraus seit dem 07. Januar 2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Klägerin stehe ein Urlaubsabgeltungsanspruch nicht zu.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes sei nicht einschlägig. Es bestehe ein Unterschied zwischen einem Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer aufgrund einer Langzeiterkrankung daran gehindert sei, seine Arbeitsleistung auszuüben und einem Arbeitsverhältnis, das aufgrund des Bezuges einer Erwerbsminderungsrente ruhe. Während im ersteren Fall eine Leistungsstörung auf Seiten des Arbeitnehmers vorliege, sei im letzteren Fall das Arbeitsverhältnis nur noch in seiner Hülle existent. Ein Abgeltungsanspruch bestünde auch deshalb nicht, da im ruhenden Arbeitsverhältnis ein Urlaubsanspruch nicht entstehe.
Darüber hinaus wären die Urlaubsabgeltungsansprüche der Jahre 2006 und 2007 gemäß § 37 TVöD-V (Ausschlussfrist) verfallen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen gemäß § 313 Absatz 2 Satz 2
ZPO Bezug genommen.
I.
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 75 Urlaubstage in Höhe von 7.809,75
EUR brutto. In Höhe von 30 Urlaubstagen ist die Klage unbegründet.
1. Die Klägerin hat Anspruch auf Urlaubsabgeltung für den gesetzlichen Mindesturlaub der Jahre 2006 bis 2008 gemäß § 7 Absatz 4 Bundesurlaubsgesetz.
Der Anspruch der Klägerin auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs für die Jahre 2006 bis 2008 folgt aus einer europarechtskonformen Auslegung des § 7 Absatz 4 Bundesurlaubsgesetz. Gemäß § 7
Abs. 4
BUrlG ist ein Urlaubsanspruch abzugelten, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. In den Jahren 2006 bis 2008 ist der Klägerin Urlaub nicht gewährt worden.
a. Der Abgeltungsanspruch setzt einen bestehenden Urlaubsanspruch voraus. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Urlaubsanspruch der Klägerin im gesetzlichen Mindestumfang von 20 Arbeitstagen (= vier Wochen) jeweils in den Jahren 2006 bis 2008
entstanden. Zwar hat die Klägerin in diesem Zeitraum keine Arbeitsleistung erbracht, dies hindert aber nicht das Entstehen des Urlaubsanspruches. Voraussetzung für das Entstehen des Urlaubsanspruches nach Ablauf der Wartezeit ist lediglich das bestehende
Arbeitsverhältnis, nicht die Erbringung einer Mindestarbeitsleistung (
BAG vom 26. Mai 1988, 8 AZR 774/85, 1. Leitsatz; Schlegel in Küttner, Personalhandbuch 2010, Urlaubsanspruch, Rz. 13).
b. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch der Klägerin ist nicht jeweils am 31. März des Folgejahres erloschen, § 7
Abs. 3
BUrlG.
§ 7 Absatz 4 Bundesurlaubsgesetz ist europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass der Arbeitnehmer, der während des gesamten Bezugs- und/oder Übertragungszeitraumes oder eines Teils davon krank geschrieben
bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen
Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte, seinen Urlaubsanspruch nicht verliert (
BAG vom 24. März 2009, 9 AZR 983/07 Rz. 48 und 50).
Die Klägerin bezog in den Jahren 2006 bis 2008 durchgehend eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung und war deshalb nicht in der Lage, ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben. Hierbei ist es nach Auffassung der Kammer unerheblich, ob der
Urlaubsanspruch wegen einer befristeten Rente wegen Erwerbsminderung im ruhenden Arbeitsverhältnis oder wegen einer Langzeiterkrankung nicht ausgeübt werden konnte. Zwar mag der Beklagten darin Recht zu geben sein, dass grundsätzlich Unterschiede zwischen einem ruhenden Arbeitsverhältnis wegen des befristeten Bezugs einer Rente und einem Arbeitsverhältnis, in dem die Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers zu einer Leistungsstörung führt, bestehen können. Jedoch führen solche Unterschiede nicht zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Rechtsfolgen des § 7 Absatz 4
BUrlG. In beiden Fällen ist der Arbeitnehmer daran gehindert, zu irgendeinem Zeitpunkt im Kalenderjahr tatsächlich über den entstandenen Urlaubsanspruch zu verfügen. Dies ist der entscheidende Ansatzpunkt in der Entscheidung des EuGH zum Nichtverfall von Mindesturlaubsansprüchen nach
Art. 7
Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/
EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (EuGH vom 20.01.2009, Schultz-Hoff, C-350/06 u.a., Rz. 43).
c. Der Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubes von 20 Arbeitstagen pro Jahr ist nicht gemäß § 37 TVöD-V verfallen. Der Anspruch auf Urlaubsgewährung im gesetzlichen Mindestumfang
bzw. dessen Abgeltung unterliegt weder einzelvertraglichen noch tariflichen Ausschlussfristen (
BAG vom 22. Januar 2002, 9 AZR 601/00, Rz. 95).
2. Die Klägerin hat keinen Abgeltungsanspruch gemäß § 7
Abs. 4
BUrlG hinsichtlich der gemäß § 26
Abs. 1 TVöD-V zusätzlich gewährten zehn Arbeitstage jährlich. Der Urlaubsanspruch ist in dieser Höhe gemäß § 26
Abs. 2 c TVöD-V jeweils mit Ablauf der Jahre 2006 bis 2008 erloschen.
Die Parteien des Einzelarbeitsvertrags können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von
Art. 7
Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/
EG gewährleisteten und von § 3
Abs. 1
BUrlG begründeten Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen übersteigen, frei regeln (
BAG vom 24.03.2009, 9 AZR 983/07, Rz. 81). Für einen Regelungswillen der Parteien des Einzelarbeitsvertrags, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen vertraglichen Ansprüchen unterscheidet, müssen im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 157
BGB deutliche Anhaltspunkte bestehen (
BAG vom 24.03.2009, aaO, Rz. 84).
Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin fand nach übereinstimmender Erklärung der Parteien der TVöD-V Anwendung. Die Tarifvertragsparteien des TVöD-V haben mit § 26
Abs. 2 TVöDV ausdrücklich Abweichungen vom
BUrlG vereinbart, die in ihrem Anwendungsbereich auf den übergesetzlichen Urlaubsanspruch beschränkt waren, § 26
Abs. 2 b und c TVöD-V.
Beide Vorschriften enthalten Quotelungsvorschriften, die bei uneingeschränkter Anwendung zu einer Unterschreitung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruches führen können. Dies wird in § 26
Abs. 2 b ausdrücklich mit dem Verweis auf § 5
BUrlG unterbunden, gilt aber
gleichermaßen für § 26
Abs. 2 c, der uneingeschränkt nur auf den übergesetzlichen Urlaubsanspruch Anwendung finden kann.
Damit bestehen hinreichende Anhaltspunkte für eine von den Vertragsparteien vorgenommene Differenzierung zwischen gesetzlichen Mindesturlaubsansprüchen und tariflichen Mehransprüchen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ruhte in den Jahren 2006 bis 2008. Der tarifliche Mehrurlaubsanspruch verminderte sich gemäß § 26
Abs. 2 c um 12/12 und erlosch jeweils mit Jahresablauf vollständig.
3. Die Klägerin hat Anspruch auf Urlaubsabgeltung für den Zusatzurlaub gemäß
§ 125 SGB IX für die Jahre 2006 bis 2008 gemäß § 7 Absatz 4 Bundesurlaubsgesetz.
Zwar ist ein gesetzlicher Sonderurlaub vom Wortlaut des
Art. 7 der Richtlinie 2003/88/
EG nicht ausdrücklich erfasst. Nach Auffassung der Kammer spricht aber bereits vieles dafür, dass der wegen Schwerbehinderung gewährte gesetzliche Zusatzurlaub den gleichen Regelungen zu folgen hat wie ein gesetzlicher Mindesturlaubsanspruch (zum Meinungsstand
vgl. Arbeitsgericht Berlin vom 27. April 2009,
56 Ca 21280/08 sowie
LAG Düsseldorf vom 02. Februar 2009,
12 Sa 486/06 und
BAG vom 23. März 2010, 9 AZR 128/09).
Um aber einen bestehenden Urlaubs-
bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch einer von der europarechtskonformen Auslegung des § 7 Absatz 4
BUrlG abweichenden Regelung zu unterwerfen, bedarf es - wie bereits unter Ziffer 2 dargelegt - eines Regelungswillen der Parteien des Einzelarbeitsvertrages, für den nach §§ 133, 157
BGB deutliche Anhaltspunkte bestehen müssen (
BAG vom 24. März 2009, 9 AZR 983/07, Rz. 81 und 84). § 26 Absatz 2 TVöD-V enthält keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass neben dem tariflichen Mehrurlaub auch weitere - gesetzlich begründete - Urlaubsansprüche abweichend von den Regelungen des
BUrlG erfasst werden sollen. Vielmehr spricht der enumerative Charakter der Aufzählung in § 26
Abs. 2 c (Erholungsurlaub einschließlich etwaigen Zusatzurlaubs, der in § 27 TVöD-V geregelt ist) gegen eine Einbeziehung weiteren, gesetzlich vorgesehenen Urlaubs.
4. Die Klägerin hat Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 60 Tage gesetzlichen Mindesturlaub sowie 15 Tage Zusatzurlaub gemäß § 125
SGB IX in Höhe von insgesamt 7809,75
EUR brutto. Der von ihr errechnete Tagessatz von 104,13
EUR brutto ist nicht zu beanstanden.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus 3 92
ZPO und entspricht dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien.
III.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 61
Abs. 1
ArbGG i.V.m. § 42 GKG und entspricht der Klageforderung.