Urteil
Einzelfall zum Verfall des Urlaubsanspruchs einer dauererkrankten Arbeitnehmerin mit Ablauf des 15. Monats nach Ende des Urlaubsjahres

Gericht:

LAG Köln 7. Kammer


Aktenzeichen:

7 Sa 908/17


Urteil vom:

12.07.2018


Grundlage:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 28.09.2017 in Sachen 8 Ca 3086/17 d wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um eine Forderung der Klägerin nach Urlaubsabgeltung für das Kalenderjahr 2014.

Die am 1966 geborene Klägerin war seit dem 01.07.2010 bei der Beklagten als Sanitätshausfachverkäuferin beschäftigt. Sie verdiente 2.100,- EUR brutto monatlich. Arbeitsvertraglich war ein Urlaubsanspruch in Höhe von 30 Arbeitstagen vereinbart. § 8 Abs. 4 des Arbeitsvertrages lautet:

"Der Urlaub ist im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen oder krankheitsbedingt nicht möglich, kann der Urlaubsanspruch durch den Arbeitgeber auf das nächstfolgende Kalenderjahr übertragen werden und ist dann bis spätestens 31. März des folgenden Kalenderjahres, gleich aus welchen Gründen, nicht genommen, verfällt der Anspruch." (Bl. 6 d. A.)

Die Klägerin wurde mit Bescheid vom 12.01.2015 rückwirkend zum 17.02.2014 als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 % anerkannt. Aufgrund eines Bescheides vom 29.11.2016 bezieht die Klägerin mit Wirkung seit 01.08.2014 volle Erwerbsminderungsrente als Dauerrente. Die Klägerin beendete das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Eigenkündigung zum 31.07.2017.

Die Klägerin war im Kalenderjahr 2014 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Dieser Zustand blieb bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahre 2017 unverändert bestehen.

Mit der vorliegenden, am 24.04.2015 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Abgeltung von 35 Urlaubstagen für das Jahr 2014 (30 Urlaubstage laut Arbeitsvertrag + 5 Tage Schwerbehindertenzusatzurlaub).

Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Urteil vom 28.09.2017 die Klage abgewiesen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 23.11.2017 zugestellt. Sie hat hiergegen am 30.11.2017 Berufung eingelegt und diese am 29.12.2017 begründet.

In der Berufungsinstanz verfolgt die Klägerin ihren Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2014 weiter. Sie meint, der Urlaubsanspruch 2014 sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht verfallen gewesen.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen, verkündet am 28.09.2017 und zugestellt am 28.11.2017 zu Aktenzeichen 8 Ca 3086/17 d, abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen, nämlich

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.394,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2015 zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift der Klägerin und der Berufungserwiderungsschrift der Beklagten wird ergänzend Bezug genommen.

Rechtsweg:

ArbG Aachen, Urteil vom 28.09.2017 - 8 Ca 3086/17

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 28.09.2017 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen formgerecht eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Klägerin konnte jedoch ersichtlich keinen Erfolg haben.

1. Im Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2015 war die Forderung der Klägerin, den Jahresurlaub 2014 in Geld abzugelten, offensichtlich unschlüssig.

a. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung in Geld ist in § 7 Abs. 4 BUrlG geregelt. Er dient dazu, einem Arbeitnehmer/einer Arbeitnehmerin einen Ausgleich in Geld zu verschaffen, wenn zu seinen/ihren Gunsten im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Urlaubsansprüche offenstanden, die wegen der Beendigung in natura nicht mehr genommen werden konnten. Jeder Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Geld setzt somit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus. Im Zeitpunkt der Klageerhebung im Frühjahr 2015 bestand das Arbeitsverhältnis der Parteien noch auf Jahre hinaus ungekündigt fort.

b. Nur vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass auch die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente für die Zeit ab 01.08.2014 erst mit Bescheid der deutschen Rentenversicherung Rheinland vom 29. November 2016 rückwirkend - und zunächst befristet für die Zeit bis zum 31.05.2017 - erfolgte und für sich betrachtet ohnehin nicht geeignet war, das Arbeitsverhältnis der Parteien zu beenden.

2. Zwar war im Zeitpunkt der Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 28.09.2017 das Arbeitsverhältnis der Parteien nunmehr durch die Eigenkündigung der Klägerin zum 31.07.2017 beendet worden. Zu diesem Zeitpunkt kamen somit durchaus noch Urlaubsabgeltungsansprüche der Klägerin in Betracht, nämlich für die Urlaubsjahre 2016 und 2017. Solche Ansprüche sind vorliegend aber nicht streitgegenständlich. Vielmehr versucht die Klägerin nach wie vor, die Abgeltung von nicht in Anspruch genommenen Urlaubstagen für das Jahr 2014 durchzusetzen. Die von der Klägerin nicht in Anspruch genommenen Urlaubstage für das Jahr 2014 waren im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.07.2017 jedoch längst verfallen.

a. Nach dem Wortlaut von § 7 Abs. 3 BUrlG müssen die gesetzlichen Jahresurlaubsansprüche spätestens innerhalb des I. Quartals des auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres verwirklicht werden. Aufgrund der Vorgaben der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gilt für Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer, die ihren gesetzlichen Jahresurlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch nehmen können, jedoch eine Ausnahme. In seiner Grundsatzentscheidung vom 22.09.2015 (9 AZR 170/14) hat das Bundesarbeitsgericht diese Vorgaben aus der Rechtsprechung des EuGH für das nationale Recht wie folgt umgesetzt:

"Ist ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert, gehen seine gesetzlichen Urlaubsansprüche mit Ablauf des 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres unter. Der Verfall tritt nicht bereits vor diesem Zeitpunkt tageweise ein."

Daraus folgt, wie das Arbeitsgericht in seinem Urteil vom 28.09.2017 zutreffend festgestellt hat, dass die gesetzlichen Urlaubsansprüche der Klägerin für das Jahr 2014 - einschließlich auch des Zusatzurlaubes nach § 208 Abs. 1 SGB IX - spätestens mit Ablauf des 31.03.2016 verfallen sind.


b. Auch für die diejenigen Urlaubstage, die der Klägerin im laufenden Arbeitsverhältnis aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien über den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch hinausgehend zustanden, ergibt sich keine abweichende Rechtslage. Gemäß § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages standen der Klägerin 30 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Kalenderjahr zu, bezogen auf eine 5-Tage-Woche, somit 10 Urlaubstage mehr, als es dem gesetzlichen Mindesturlaub nach § 3 BUrlG entsprochen hätte. Warum nun aber gerade für diese, der Klägerin von der Beklagten im Arbeitsvertrag freiwillig zugestandenen, über den gesetzlichen Mindestanspruch hinausgehenden zusätzlichen Urlaubstage im Zeitpunkt des Eintritts des Verfalls der gesetzlichen Urlaubsansprüche kein Verfall eingetreten sein sollte, erschließt sich nicht.


c. Ob es arbeitsrechtlich zulässig sein könnte, in einem Individualarbeitsvertrag zu vereinbaren, dass in dem Arbeitsvertrag zugesagte übergesetzliche Zusatzurlaubstage früher verfallen sollen, als der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch, kann dahingestellt bleiben; denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Vielmehr haben die Parteien in § 8 Abs. 4 ihres Arbeitsvertrages, wenn auch holprig formuliert, unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass für den gesamten in § 8 Abs. 1 Arbeitsvertrag zugesprochenen Erholungsurlaub das gesetzliche Urlaubsregime gelten solle. Die arbeitsvertragliche Klausel ist ersichtlich § 7 Abs. 3 BUrlG nachgebildet. Daher kann kein Zweifel daran bestehen, dass der in der Grundsatzentscheidung des BAG vom 22.09.2015 für das gesetzliche Urlaubsregime entwickelte Grundsatz uneingeschränkt auf den gesamten Jahresurlaubsanspruch der Klägerin Anwendung findet. Dies aber bedeutet, wie bereits festgestellt, dass der gesamte Jahresurlaubsanspruch der Klägerin, den diese aus gesundheitlichen Gründen im Jahre 2014 und in der Zeit danach nicht mehr verwirklichen konnte, mit Ablauf von 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres, also am 31.03.2016 verfallen ist.


III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben.

Referenznummer:

R/R9055


Informationsstand: 30.04.2020