II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die
gem. § 87
ArbGG statthafte Beschwerde der Beteiligten zu 4 und 5 ist form und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 87
Abs. 2, 66
Abs. 1 Satz 1 und 3
ArbGG).
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Landesarbeitsgericht schließt sich insoweit teilweise der Begründung der ersten Instanz an, insbesondere was die Bedeutung der Betriebsöffentlichkeit im Sinne des
§ 12 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO und das Erfordernis der Bekanntmachung anbelangt. Im Übrigen ist zu dem Vorbringen insbesondere in der Beschwerdeinstanz Folgendes anzumerken:
a) Wie das Erstgericht zutreffend festgestellt hat, sind die formellen Voraussetzungen der Anfechtung der Wahl der Schwerbehindertenvertretung erfüllt. Die Antragsbefugnis der Beteiligten zu 1 bis 3 ergibt sich aus
§ 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX i. V. m.
§ 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Unstreitig sind die drei Antragsteller Arbeitnehmer der Beteiligten zu 6 und schwerbehinderte Menschen im Sinne des
SGB IX und insoweit auch wahlberechtigt. Als wahlberechtigte Arbeitnehmer sind sie auch
gem. § 94
Abs. 6 Satz 2
SGB IX i. V. m. § 19
Abs. 2 Satz 1
BetrVG anfechtungsberechtigt. Die Anfechtungsfrist von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Ergebnisses
gem. § 94
Abs. 6 Satz 2
SGB IX i. V. m. § 19
Abs. 2 Satz 2
BetrVG wurde unstreitig gewahrt.
b) Bei der Wahl der Schwerbehindertenvertretung vom 26.10.2010 wurde gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen. Eine Auswirkung auf das Wahlergebnis ist nicht auszuschließen.
aa) Gem. § 19
Abs. 1
BetrVG, der über § 94
Abs. 6 Satz 2
SGB IX anzuwenden ist, kann die Wahl beim Arbeitsgericht dann angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist, eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Diese Voraussetzungen liegen vor.
bb) Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Wahlvorschriften für das Wahlverfahren zur Schwerbehindertenvertretung, wie sie in der Schwerbehindertenvertretungswahlordnung enthalten sind. So wie in § 26
Abs. 1 Satz 1 der Wahlordnung 2001 für die Betriebsratswahl die Eröffnung der Freiumschläge unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe in öffentlicher Sitzung vorgesehen ist, ist in § 12
Abs. 1 Satz 1
SchwbVWO die Öffnung der bis zu diesem Zeitpunkt eingegangenen Freiumschläge sowie die Entnahme der Wahlumschläge und der vorgedruckten Erklärungen vorgesehen. Aus § 12
Abs. 1 Satz 2
SchwbVWO ergibt sich, dass in diesem Zeitpunkt überprüft werden soll, ob im Sinne des
§ 11 SchwbVWO die schriftliche Stimmabgabe ordnungsgemäß erfolgt ist. Nur dann hat der Wahlvorstand die Wahlumschläge nach Vermerk der Stimmabgabe in der Liste der Wahlberechtigten ungeöffnet in die Wahlurne einzulegen. Insoweit handelt es sich bei § 12
Abs. 1 Satz 1
SchwbVWO eindeutig um Vorschriften über das Wahlverfahren.
cc) Nicht jeder Verstoß, sondern nur ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften berechtigt zur Anfechtung. Insbesondere sind wesentlich solche Vorschriften, die tragende Grundprinzipien der Wahl beinhalten. Hierzu zählen grundsätzlich die zwingenden Regelungen, während bloße Ordnungsvorschriften oder Sollbestimmungen in der Regel die Anfechtung der Wahl nicht rechtfertigen (
vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmeier,
BetrVG, 25. Aufl., § 19 Rn. 10).
Betrachtet man die Vorschrift des § 12
Abs. 1 Satz 1
SchwbVWO, ist ersichtlich, dass in dieser Vorschrift nicht eine reine Soll- oder Ordnungsvorschrift enthalten ist, sondern tatsächlich eine zwingende Regelung dahingehend, dass in öffentlicher Sitzung die eingegangenen Freiumschläge zu öffnen sind. Dem Wahlvorstand ist insoweit keine Ermessensentscheidung gegeben. Ebenso wie in
§ 18 Abs. 3 BetrVG vorgesehen ist, dass der Wahlvorstand öffentlich die Auszählung der Stimmen vornimmt, so ist bei der Schwerbehindertenvertretungswahl in öffentlicher Sitzung die Eröffnung der Freiumschläge und die Entnahme der Wahlumschläge und der vorgedruckten Erklärungen durchzuführen.
Zwischen den Beteiligten ist insoweit auch unstreitig, dass die Betriebsöffentlichkeit insoweit gemeint und herzustellen ist. Dies bedeutet, dass nicht jegliche Öffentlichkeit gemeint ist, sondern die Möglichkeit, dass die Arbeitnehmer des Betriebes, im vorliegenden Fall die schwerbehinderten Menschen des Betriebes, einen ungehinderten Zugang zum Ort der Stimmauszählung erhalten.
dd) Zwar ist den Beschwerdeführern insoweit zuzugeben, dass nach dem zuletzt unstreitigen Sachverhalt jedenfalls der Wortlaut der Wahlordnung erfüllt wurde, indem in öffentlicher Sitzung,
d. h. grundsätzlich öffentlich auch für die schwerbehinderten Menschen des Betriebes die Eröffnung der Freiumschläge erfolgt ist. Zuletzt wurde vonseiten der Beschwerdegegner nicht bestritten, dass der Raum, in dem die Eröffnung der Freiumschläge stattgefunden hat, öffentlich zugänglich war,
d. h. etwa in Form der geöffneten Türen. Der Raum war nicht verschlossen und insoweit der Öffentlichkeit zugänglich. Des Weiteren ist den Beschwerdeführern auch zuzugeben, dass jedenfalls die Vorschriften über die Wahlausschreibung (
§ 5 SchwbVWO) keine Verpflichtung vorsehen, den Raum oder den Zeitpunkt der Eröffnung der Freiumschläge bekanntzumachen, wie das etwa in § 5 Ziff. 15
SchwbVWO für den Ort und die Zeit der Stimmenauszählung vorgesehen ist.
Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts über die Betriebsöffentlichkeit bei der Auszählung der Betriebsratswahl kein anderer Maßstab angelegt werden kann an die öffentliche Sitzung der Eröffnung der Freiumschläge. Soweit das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 15.11.2000 (Az.
7 ABR 53/99) über die Voraussetzung der Betriebsöffentlichkeit entschieden hat, insbesondere hierbei die Bekanntgabe des Orts und der Zeit der öffentlichen Auszählung verlangt, kann auch für die Frage der Eröffnung der Freiumschläge und der Überprüfung der wirksam abgegebenen Stimmen insoweit nichts anderes gelten. Die Tatsache, dass in § 5
SchwbVWO eine entsprechende Vorschrift nicht aufgenommen wurde, spricht nicht gegen dieses Ergebnis. Zum einen ergibt sich, worauf die Beschwerdegegner hingewiesen haben, aus den Gesetzgebungsmaterialien nichts dahingehend, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die Notwendigkeit der Bekanntgabe der Eröffnung der Freiumschläge diskutiert oder etwa abschlägig vorbeschieden worden wäre.
Zum anderen war auch im Zeitpunkt der oben genannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes im Gesetz noch keine Bekanntgabeverpflichtung hinsichtlich der Öffentlichkeit der Auszählung geregelt. Dies ist erst 2001 in die Wahlordnung aufgenommen worden. Somit spricht auch die Tatsache, dass die Bekanntgabe noch nicht ausdrücklich geregelt ist, nicht gegen die Bekanntgabeverpflichtung.
Auch aus dem Sinn und Zweck der Bekanntgabe von Zeit und Ort im Falle der Auszählung der Stimmen ergibt sich nicht, dass hier etwa ein anderer Maßstab angelegt werden müsste als im Falle der Eröffnung der Freiumschläge. In beiden Fällen dient die Herstellung der Öffentlichkeit insbesondere dazu, Interessierten die Kontrollmöglichkeit über die Handlungen des Wahlvorstandes zu geben. Insbesondere kann dem nicht entgegengehalten werden, dass die Handlungen des Wahlvorstandes im Rahmen der Eröffnung der Freiumschläge nicht entsprechend gleichwertig bedeutend sind, wie etwa die Handlungen bei der Auszählung der Stimmen. Denn wie bei der Auszählung der abgegebenen Stimmen, so sind bereits im Rahmen der Eröffnung der Freiumschläge bestimmte Kontrollen durch den Wahlvorstand durchzuführen. Insbesondere ist auch hier bereits festzustellen, ob der Freiumschlag verwendet worden, dieser verschlossen, die vorgedruckte Erklärung vorhanden und unterschrieben ist und ob eine wahlberechtigte Person die Erklärung abgegeben hat. Dies bedeutet, dass auch bereits hier maßgebliche Handlungen des Wahlvorstandes vorzunehmen sind, die auch Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben können, weil hier etwa Entscheidungen über die Gültigkeit von Stimmen zu treffen sind.
Soweit daher das Bundesarbeitsgericht in der oben genannten Entscheidung es für die Öffentlichkeit nicht ausreichen lässt, dass die Öffentlichkeit grundsätzlich besteht, sondern fordert, dass das Gebot der Öffentlichkeit auch die Bekanntgabe von Ort und Zeit fordert, kann im vorliegenden Fall der Eröffnung der Freiumschläge nichts anderes gelten (
vgl. ebenso Kreutz in
GK-
BetrVG, 9. Aufl., § 26 WO Rn. 2 zur gleichlautenden Vorschrift der Wahlordnung zur Wahl des Betriebsrates).
ee) Dabei ist es auch unmaßgeblich, dass
ggf. i. V. m. der ausgelegten Wahlordnung oder etwa auch im Zusammenhang mit bereits früher stattgefundenen Wahlen der Ort üblich und vielleicht bestimmten Mitarbeitern bekannt war oder hätte ermittelt werden können. Denn dies ist nicht ausreichend. Wie bereits das Bundesarbeitsgericht in der angegebenen Entscheidung entschieden hat, kann es nicht Interessierten überlassen bleiben, sich hinsichtlich des Ortes zu informieren oder nachzuforschen. Denn dies kann bereits dazu führen, dass an und für sich Interessierte durch den hierdurch erforderlichen Aufwand abgehalten werden. Insbesondere ist dabei aber auch zu berücksichtigen, dass gerade schwerbehinderte Mitarbeiter unter Umständen bereits aufgrund ihrer Behinderung einen Aufwand scheuen und deswegen davon abgehalten werden, von ihren Rechten Gebrauch zu machen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Wahlvorstand bereits in der Sitzung vom 29.09.2010 den Zeitpunkt der Eröffnung der Freiumschläge festgelegt hat. Insofern wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, den insoweit beschlossenen Zeitpunkt und Ort der Eröffnung der Freiumschläge jederzeit öffentlich bekanntzugeben. Auch wenn aufgrund früherer Wahlen im Betrieb bekannt gewesen sein sollte, dass der Raum üblicherweise für derartige Tätigkeiten genutzt wird, so sagt dies zum einen nichts darüber aus, ob dies auch diesmal der Fall ist, zum anderen ist auch zu berücksichtigen, dass das Argument der Beschwerdeführer, bei früheren Wahlen sei entsprechend verfahren worden, nicht greifen kann, weil nicht sichergestellt ist, dass die Mitarbeiter auch bereits zu diesen früheren Zeitpunkten Mitglieder des Betriebes waren und insoweit Kenntnis davon hatten.
Dabei folgt die Kammer aber nicht der Auffassung des Erstgerichts, dass bereits aus der Tatsache, dass hier eine reine schriftliche Stimmabgabe vorgesehen wurde, die öffentliche Eröffnung der Freiumschläge erst nach Beendigung der Stimmabgabe,
d. h. etwa im Rahmen der Auszählung durchgeführt werden könnte. Es ist durchaus möglich, dass, so wie es die Wahlordnung vorsieht, kurz vor Ende der Abgabe der Stimmen die Eröffnung der Freiumschläge durchgeführt wird, soweit diese nach Ort und Zeit öffentlich bekannt gegeben wird.
Wie bereits das Erstgericht festgestellt hat, mag im Falle einer nicht rein schriftlichen Stimmabgabe die Situation anders zu bemessen sein. Hier kann die öffentliche Bekanntgabe von Ort und Zeit der Eröffnung der Freiumschläge bereits deswegen entbehrlich sein, weil aufgrund des Ortes der Abgabe der Stimmen feststeht, ob und wie lange die Stimmen abgegeben werden können. Insoweit kann auch etwa aus der nach dem Gesetz zulässigen unbestimmten Bezeichnung, unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe, etwa der Interessierte den Zeitraum abschätzen, zu dem die Eröffnung der Freiumschläge erfolgt. Daher kann in diesem Fall die Angabe des Zeitpunktes entbehrlich sein. Wenn der Interessierte aber nicht weiß, wo die Stimmabgabe zu erfolgen hat, und auch die Abgabe
etwa der Wahlunterlagen nicht an dem Ort stattfinden soll, an dem letzten Endes die Auszählung stattfindet, kann hiervon nicht in gleichem Maße ausgegangen werden. Nach dem Wahlausschreiben waren die Wahlunterlagen an den Wahlvorstand zurückzusenden.
In dem Wahlausschreiben war zudem für die Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Wahlvorstand nicht derselbe Raum angegeben wie der Raum, in dem letzten Endes die Eröffnung der Freiumschläge und auch die Auszählung der Stimmen stattgefunden haben. Ein Interessierter hätte sich also erst entsprechend informieren müssen. Dies kann aber nicht ausreichen, um etwa die Betriebsöffentlichkeit herzustellen, aus den oben genannten Gründen.
ff) Nachträglich wurde der Mangel auch nicht berichtigt, wie bereits die erste Instanz zutreffend festgestellt hat. Eine nachträgliche Berichtigung wäre auch nicht möglich gewesen.
Denn Sinn und Zweck der Betriebsöffentlichkeit bei dem Vorgang der Eröffnung der Freiumschläge ist es, Kontrollmöglichkeiten zu eröffnen. Wenn die maßgeblichen Handlungen aber bereits stattgefunden haben, kann eine Kontrolle nachträglich nicht mehr durchgeführt werden. Auch die Tatsache, dass zweifelhafte Umschläge anschließend im Rahmen der Auszählung der Stimmen nochmals behandelt wurden, führt nicht zu einer nachträglichen Berichtigung des Mangels. Denn es ist nachträglich nicht mehr feststellbar, ob tatsächlich nur die von Seiten des Wahlvorstandes vorgelegten Stimmen streitig waren oder ob er bewusst oder unbewusst bei der Zulassung von Stimmen Fehler gemacht hat.
gg) Schließlich ist auch davon auszugehen, dass der Mangel sich auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben kann. Wie bereits das Bundesarbeitsgericht festgestellt hat, ist bei einem Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz nicht davon auszugehen, dass ohne den Verstoß zwingend auch dasselbe Ergebnis herbeigeführt worden wäre. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass es während der Eröffnung der Freiumschläge zu Fehlern gekommen ist, die im Falle der öffentlichen Auszählung nicht unterlaufen wären. Es kommt auch nicht darauf an, ob tatsächlich objektive Anhaltspunkte für solche Fehler vorliegen.
Hier sollen abstrakte Gefährdungen vermieden werden (
vgl. BAG,
a. a. O.;
LAG Nürnberg, Beschl. v. 27.11.2007 - 6 TaBV 46/07). Da somit maßgebliche Vorschriften des Wahlverfahrens nicht beachtet wurden, war die Beschwerde zurückzuweisen.
III.
Da nach der herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eine Änderung der Vorschriften insbesondere im Hinblick auf den Inhalt des Wahlausschreibens stattgefunden hat und der Frage auch für eine Vielzahl von Wahlen grundsätzliche Bedeutung beikommt, war die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Insoweit wird auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung verwiesen.