1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 7) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 29.03.2011 - 14 BV 256/10 - wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.
I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der am 17. November 2010 in der Klinik der Beteiligten zu 6) in Köln stattgefundenen Wahl der Schwerbehindertenvertretung.
Die Beteiligten zu 1) - 5), die schwerbehindert
bzw. Schwerbehinderten Gleichgestellte sind und die in der Klinik beschäftigt werden, haben die Wahl mit der am 30. November 2010 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Antragsschrift angefochten. Beteiligte zu 7) ist die am 17. November 2010 gewählte Schwerbehindertenvertretung.
Die Wahl ist am 17. November 2010 in einem vereinfachten Wahlverfahren nach
§§ 18 ff. Wahlordnung zur Schwerbehindertenvertretungen (im Weiteren:
SchwbVWO), das in Dienststellen mit weniger als 50 Wahlberechtigten zulässig ist, unter Leitung des im Wahltermin bestimmten Wahlleiters H durchgeführt worden.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 29. März 2011 verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat der Anfechtung stattgegeben mit der Begründung, es sei bei der Wahl gegen wesentliche Vorschriften des Wahlrechts verstoßen worden. Die Schwerbehinderten gleichgestellte Arbeitnehmerin B sei am 17. November 2010 aus dem Wahlbüro verwiesen worden. Sie sei nicht zur Wahl zugelassen worden, obwohl sie den Gleichstellungsbescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 9. April 2003 bei sich geführt habe. Es sei nicht erheblich, dass sie in der von der Beteiligten zu 6) zuvor erstellten Aufstellung über die schwerbehinderten Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten nicht aufgeführt gewesen sei. Im vereinfachten Wahlverfahren sei keine Wählerliste aufzustellen. Vielmehr hätte der Wahlleiter eigenständig die Wahlberechtigung überprüfen müssen. Dabei hätte er den Gleichstellungsbescheid als Nachweis akzeptieren müssen, da keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass dieser unbefristet erteilte Bescheid keine Gültigkeit mehr gehabt habe. Dieser Verstoß hätte auch zu einem anderen Wahlergebnis führen können, da auf die - ohne Zulassung von Frau B - Erstgewählte 15 Stimmen und auf die Zweitgewählte 14 Stimmen entfallen seien. Es könne daher dahinstehen, ob es noch zu weiteren erheblichen Verstößen gekommen sei. Die Versendung der Einladungen per Hauspost am 8. November 2010 sei jedenfalls nicht als Mangel zu qualifizieren, da eine Mindestfrist zwischen Ladung und Wahlversammlung in der SchwbvWO nicht bestimmt sei. Allerdings könne ein weiterer erheblicher Verstoß darin zu sehen sein, dass auch ohne Berücksichtigung von Frau B und einer weiteren zu Unrecht nicht zugelassenen Beschäftigten, Frau R, nicht weniger als 50 Wahlberechtigte in der Dienststelle beschäftigt gewesen seien und deshalb die Wahl nicht im vereinfachten Verfahren hätte durchgeführt werden dürfen.
Der Beschluss ist der Beteiligten zu 7) am 7. April 2011 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 9. Mai 2011 (Montag) Beschwerde beim Landesarbeitsgericht Köln einlegen und diese am 3. Juni 2011 begründen lassen.
Sie weist auf die Schwierigkeiten für den Wahlleiter hin, bei einem vereinfachten Wahlverfahren im Wahltermin die Wahlberechtigung festzustellen. Er habe sich zunächst auf die von der Beteiligten zu 6) gefertigte Aufstellung über die Schwerbehinderten und die ihnen Gleichgestellten verlassen dürfen. Gleichwohl habe er Frau B die Möglichkeit eröffnen müssen, ihre Gleichstellung durch einen aktuellen Bescheid nachzuweisen. Dem sei diese aber nicht nachgekommen. Stattdessen habe sie am Wahltag auf den Gleichstellungsbescheid aus dem Jahr 2003 verwiesen. Es sei - anders als bei der Anerkennung einer Schwerbehinderung - bei Gleichstellungen höher wahrscheinlich, dass sich die Einschränkung zum Besseren wende und zu einem Grad der Behinderung von weniger als 40 oder sogar weniger als 30 führe. Gleichstellungsbescheide könnten stets von Amts wegen überprüft und aufgehoben werden. Es komme hinzu, dass Frau B schon zuvor zweimal, zuletzt am 13. September 2010, von der bereits damals als Schwerbehindertenvertretung amtierenden Beteiligten zu 7) aufgefordert worden sei, ihre Gleichstellung gegenüber der Verwaltung der Beteiligten zu 6) zu belegen. Der Wahlleiter sei angesichts dessen berechtigt gewesen, Frau B aufzufordern, die Personalverwaltung zu kontaktieren. Sie hätte bei zeitnaher Erfüllung dieser Auflage noch an der Wahl teilnehmen können.
Die Wahl könne auch nicht mit der Begründung angefochten werden, statt des vereinfachten hätte ein förmliches Wahlverfahren stattfinden müssen. Sie habe am 7. September 2010 von der Beteiligten zu 6) eine Aufstellung über 47 Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte erhalten. In einer weiteren Aufstellung vom 3. November 2010 seien ihr dann 50 Schwerbehinderte und Gleichgestellte mitgeteilt worden. Gleichwohl habe sie unter dem 8. November 2010 per Hauspost zur Wahl im vereinfachten Verfahren am 17. November 2010 geladen, weil die Durchführung eines förmlichen Wahlverfahrens bis zum Ende ihrer Amtszeit am 30. November 2010 nicht mehr möglich gewesen sei. Andernfalls wären die Schwerbehinderten und Gleichgestellten nach dem 30. November 2010 zunächst ohne Schwerbehindertenvertretung gewesen.
Die Beteiligte zu 7) beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Köln vom 29. März 2011 - 14 BV 256/10 - den Antrag der Beteiligten zu 1) - 5) zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 1) - 5) beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen den erstinstanzlichen Beschluss. Der Wahlleiter hätte selbst die Wahlberechtigung von Frau B überprüfen und sie dann zur Wahl zulassen müssen, da keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass der unbefristete Gleichstellungsbescheid keine Gültigkeit mehr gehabt habe. Die Personalverwaltung der Beteiligten zu 6) sei nicht zuständig für die Prüfung der Wahlberechtigung zur Schwerbehindertenvertretung. Der Wahlleiter hätte zudem auch Frau R zur Wahl zulassen müssen. Schließlich hätte angesichts der Zahl der Wahlberechtigten ein förmliches Wahlverfahren stattfinden müssen und kein vereinfachtes. Die Ladung zur Wahl hätte mindestens 3 Wochen vor der Wahlversammlung stattfinden müssen.
Die Beteiligte zu 6) hat keinen Antrag gestellt. Sie unterstützt das Vorbringen der Beteiligten zu 7), insbesondere soweit es die Durchführung eines vereinfachten Wahlverfahrens und die Nichtzulassung von Frau B betrifft.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. 1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 7) ist zulässig.
Sie ist nach § 87
Abs. 1
ArbGG statthaft und innerhalb der Fristen nach § 66
Abs. 1
ArbGG i. V. m. § 87
Abs. 2
S. 1
ArbGG eingelegt und begründet worden.
2. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht Köln festgestellt, dass die Wahl vom 17. November 2010 unwirksam ist.
a. Die Wahl ist nach
§ 94 Abs. 6 S. 2 SGB IX i. V. m. § 22 Personalvertretungsgesetz für das Land NRW (im Weiteren: LPVG) wirksam von den Beteiligten zu 1) - 5), die als Wahlberechtigte anfechtungsberechtigt sind, innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses (§ 22
Abs. 1
S. 1 LPVG) angefochten worden.
b. Nach § 22
Abs. 1
S. 1 LPVG kann die Wahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
Wie das Arbeitsgericht ausgeführt hat, ist die Wahl unter Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlrecht erfolgt.
aa. Zu den wesentlichen Vorschriften über das Wahlrecht gehört insbesondere die Regelung über die Wahlberechtigung (hier: § 94
Abs. 2
SGB IX). Die Nichtzulassung eines wahlberechtigten Beschäftigten ist als Verstoß gegen § 94
Abs. 2
SGB IX anzusehen. Dabei ist für die Beurteilung der Wahlberechtigung auf den Zeitpunkt der Stimmabgabe abzustellen (
vgl. Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen,
SGB IX, 12. Aufl., § 94
SGB IX Rdn. 23; Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, LPVG NRW, § 22 Rdn. 62).
Wahlberechtigt sind schwerbehinderte Beschäftigte und ab dem Zeitpunkt der Gleichstellung die ihnen nach
§ 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellten Beschäftigten (
vgl. Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, a.a.O., § 94
SGB IX Rdn. 23).
bb. Die Wahlberechtigung ergibt sich im vereinfachten Wahlverfahren nach
§§ 19 ff. SchwbVWO nicht aus einer Wählerliste, sondern muss bei Zweifeln durch eine Bescheinigung oder durch eine andere Feststellung dem Wahlleiter nachgewiesen werden. Dem Wahlleiter obliegt es, dafür zu sorgen, dass nur Wahlberechtigte wählen. Er hat diese in eine Liste aufzunehmen, die vorbereitet sein oder auch erst bei der Wahl aufgestellt werden kann (
vgl. Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, a.a.O., § 20
SchwbVWO Rdn. 3). Bei der Erstellung der Liste kann er sich von dem Arbeitgeber durch Auskünfte und Unterlagen unterstützen lassen (
vgl. § 2 Abs. 6 SchwbVWO für das förmliche Wahlverfahren).
Die Gleichstellung behinderter Menschen mit schwerbehinderten Menschen (§ 2
Abs. 3
SGB IX) erfolgt aufgrund einer Feststellung nach
§ 69 SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen durch die Bundesagentur für Arbeit. Sie wird mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam. Sie kann befristet werden (
§ 68 Abs. 2 SGB IX), kann aber auch auf unbestimmte Zeit ausgesprochen werden. Eine zeitliche Begrenzung wird in der Praxis nicht häufig vorkommen, da anzunehmen ist, dass die Gleichstellung allgemein auf Dauer der im Regelfall unbegrenzten Beschäftigungsmöglichkeit auszusprechen ist (
vgl. Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, a.a.O., § 68
SGB IX Rdn. 15).
cc. Die Gleichstellung von Frau B ist durch Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 9. April 2003, der ein begünstigender Verwaltungsakt ist, mangels zeitlicher Begrenzung von Anfang an unbefristet erfolgt, und zwar mit Wirkung ab dem 14. Januar 2003 (Eingang des Antrags). Sie erfolgte, weil die Beschäftigte infolge der vom Versorgungsamt Köln festgestellten Behinderung mit einem Grad von 40, die auf einer "dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit" (Bescheid des Versorgungsamtes vom 15. Dezember 2003: Bl. 26 d. A.) beruhte, bezogen auf die von ihr ausgeübte Tätigkeit als Haus- und Stationsgehilfin in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber nichtbehinderten Menschen benachteiligt ist und auch die übrigen Voraussetzungen des § 2
Abs. 3
SGB IX gegeben sind. Ausdrücklich wird in dem Bescheid Frau B aufgefordert, die Änderung von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, die der Gleichstellung zugrunde liegen, mitzuteilen. Der Schutz der Gleichgestellten erlischt grundsätzlich nur durch Rücknahme oder Widerruf der Gleichstellung (
§ 116 Abs. 2 SGB IX), die/der als Verwaltungsentscheidung wiederum durch die Agentur für Arbeit erfolgt (
§ 104 Abs. 1 Ziff. 5 SGB IX).
Angesichts des eindeutig unbefristet ausgestellten Gleichstellungsbescheides - der den bestehenden gesetzlichen Vorschriften entspricht, über die sich der Wahlleiter auch im vereinfachten Wahlverfahren vor der Stimmabgabe vertraut zu machen hat - lag ein klarer Verstoß gegen Vorschriften über das Wahlrecht vor, als der Wahlleiter die Zulassung von Frau B trotz Vorlage des Gleichstellungsbescheides von einer zusätzlichen Bestätigung ihres Status als Gleichgestellte durch die Personalverwaltung der Beteiligten zu 6) abhängig machte. Zugleich verkannte er dabei, dass es seine Aufgabe ist, die Wahlberechtigung eigenverantwortlich zu prüfen und etwaigen Zweifeln, für die es im vorliegenden Fall allerdings keinerlei Veranlassung gab, selbst nachzugehen.
dd. Die fehlende Zulassung von Frau B kann auch nicht ohne Durchführung einer Wiederholungswahl behoben werden. Der nicht berichtigungsfähige Verstoß kann auch das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst haben. Bei der Nichtzulassung eines einzelnen oder mehrerer Wahlberechtigter ist entscheidend, ob es auf dessen oder deren Stimmen hätte ankommen können (
vgl. BAG, Beschluss vom 29. Januar 1992 - 7 ABR 27/91-; Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O., § 22 Rdn. 77).
Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass bei dem Ergebnis von 15:14 Stimmen die Möglichkeit einer Änderung des Wahlergebnisses zu bejahen ist. Nach
§ 13 Abs. 2 S. 2 SchwbVWO iVm.
§ 20 Abs. 4 SchwbVWO hätte bei der möglichen Stimmengleichheit durch Los entschieden werden müssen.
Da bereits dieser Verstoß zur Unwirksamkeit der Wahl geführt hat, kann dahinstehen, ob die Durchführung eines vereinfachten Wahlverfahrens und die kurze Zeitspanne zwischen der Ladung und der Wahlversammlung weitere erhebliche Verstöße darstellen, die zur Anfechtung berechtigten. Die Kammer weist allerdings darauf hin, dass sie auch insoweit die Rechtsauffassung der ersten Instanz teilt.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der sich keine grundsätzlichen Rechtsfragen stellten, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht beantwortet sind.