1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 4) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 22.07.2011, Az. 12 BV 279/10, abgeändert.
2. Der Antrag wird zurückgewiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der Wahl vom 09.11.2010 des Betriebsratsmitglieds M... H... zur Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung bei der Beteiligten zu 5.
Am 06.08.2010 beschloss der bestellte Wahlvorstand dass die Wahl der Schwerbehindertenvertretung bei der Firma D... eG (Beteiligte zu 5.) in N... mittels schriftlicher Stimmabgabe zu erfolgen habe. Er versandte die Wahlunterlagen am 19.10.2010 an die ihm bekannten Adressen der Wahlberechtigten. Auf den Kuverts der Stimmabgabe fehlte jeweils der Vermerk "Schriftliche Stimmabgabe". Auf den Formfehler aufmerksam gemacht, versandte der Wahlvorstand daraufhin neue Wahlunterlagen in optisch anderer Form mit dem Hinweis der Ungültigkeit der ersten Wahlunterlagen am 21.10.2010 nochmals an dieselben Adressaten. Zusätzlich wurde dieser Personenkreis von der Unwirksamkeit der Wahlunterlagen und dem Umstand der Neuversendung sowohl elektronisch, mittels EMail an die betriebsinterne E-Mail-Adresse, wie auch per Bekanntmachung am schwarzen Brett der Beteiligten zu 5. informiert.
Bei der Aufstellung der Wählerliste wurden drei in Elternzeit befindliche wahlberechtigte Arbeitnehmer nicht berücksichtigt. Darauf machte der zu diesem Kreis gehörende betroffene Arbeitnehmer T... B... am 15.11.2010 den Wahlvorstand aufmerksam. Der Arbeitnehmer B... hatte sich im Zeitraum vom 15.10.2010 bis 14.11.2010 in Elternzeit befunden. Eine Überprüfung der Wählerliste am 17.11.2010 bestätigte die Fehlerhaftigkeit der Wählerliste.
Die Wahl war am 09.11.2010 auf der Grundlage des Wahlausschreibens vom 20.09.2010 nach den Grundsätzen des Mehrheitswahlrechts durchgeführt worden. Gewählt wurden bei 129 abgegebenen Stimmen der Betriebsrat H... als Vertrauensperson sowie die Betriebsrätin K... und der Mitarbeiter
S... als stellvertretende Mitglieder. Bei der Wahl der Vertrauensperson erhielt der Betriebsrat H... 54 Stimmen, die ebenfalls angetretene Betriebsrätin Sc... 51 Stimmen.
Am 30.11.2010 ging beim Arbeitsgericht Nürnberg ein "Antrag auf Entscheidung im Beschlussverfahren" vom 29.11.2010 ein, mit dem das Ziel verfolgt werden sollte, die Wahl des Betriebsrats M... H... zur Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung für unwirksam zu erklären. Unterzeichnet war der Antrag von dem Arbeitnehmer T... (Beteiligter zu 2.) und dem Arbeitnehmer B... (Beteiligter zu 3.). Hinter dem maschinenschriftlich angebrachten Namen des Arbeitnehmers
Dr. N... (Beteiligter zu 1.) war ein ebenfalls maschinenschriftlich gefertigter Klammerzusatz mit dem Inhalt "siehe Vollmacht" angebracht.
Die dem Antrag beigefügte Vollmacht des Beteiligten zu 1. hat folgenden Wortlaut:
"Antrag auf Entscheidung im Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht Nürnberg - Anfechtung der Wahl der Schwerbehindertenvertretung
Hiermit bevollmächtigte ich einen der Wahlberechtigten und Antragsteller, in meinem Namen den obigen Antrag einzureichen.
Neben der Kopie meines Schwerbehindertenausweises lege ich noch die Kopie der Bekanntgabe des Wahlergebnisses zur Schwerbehindertenvertretung bei.
Da ich bis 13.12.2010 in Urlaub sein werde, bin ich erst ab 14.12.2010 erreichbar.
Dr. M... N..."
Die Beteiligten zu 1. bis 3. weisen darauf hin, dass die drei in Elternzeit betroffenen wahlberechtigten Arbeitnehmer keine Briefwahlunterlagen erhalten hätten und wegen dieses Verstoßes nicht an der Wahl hätten teilnehmen können.
Sie tragen vor:
Der Beteiligte zu 1. habe durch seine Vollmacht die Antragsteller zu 2. und 3. ermächtigt, den Antrag auch in seinem Namen einzureichen, deren Unterschriften seien ihm zuzurechnen. Daher sei der Antrag rechtzeitig eingereicht und die Wahlanfechtung zulässig. Das Wahlausschreiben und der Stimmzettel samt Wahlumschlag hätten allen Wahlberechtigten unaufgefordert zugesandt werden müssen, worauf der Wahlvorstand am 15.11.2010 hingewiesen worden sei. Die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden H... sei wegen Verstoßes gegen
§ 11 Abs. 2 Satz 2 SchwbVWO unwirksam, da diese gewählte Vertrauensperson 54 Stimmen gegenüber der ebenfalls zur Wahl angetretenen Betriebsrätin Sc... mit 51 Stimmen erhalten habe. Die Differenz von drei Stimmen sei geeignet, etwa einen Losentscheid herbeizuführen und damit ein anderes Ergebnis zu erreichen. Der Wahlvorstand, dem die Wahlberechtigung des Beteiligten zu 3. aufgrund der Stützunterschrift hätte bekannt sein müssen, hätte dafür sorgen müssen, dass die in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmer in die Wählerliste aufgenommen worden wären. Der Beteiligte zu 3. habe sich bis 14.11.2010 in Elternzeit befunden und darauf vertrauen dürfen, dass er aufgrund des ruhenden Arbeitsverhältnisses wegen persönlicher Verhinderung an der Stimmabgabe die Wahlunterlagen zugesandt erhalten würde. Da er keine Möglichkeit gehabt habe, in die im Betrieb ausgelegte Wählerliste Einsicht zu nehmen, sei die Antragsberechtigung zu bejahen, auch wenn kein Einspruch gegen die Liste erfolgt sei.
Der Beteiligte zu 4. wendet sich gegen die Zulässigkeit des Wahlanfechtungsantrags und führt aus:
Der Wahlanfechtungsantrag sei ein fristgebundener bestimmender Schriftsatz und bedürfe einer eigenhändigen Unterschrift der zur Verfahrenseinleitung berechtigten Personen. Innerhalb der Anfechtungsfrist sei kein wirksamer, von drei Wahlberechtigten unterzeichneter Antrag bei Gericht eingegangen. Die Vollmachtserteilung durch den Beteiligten zu 1. sei unwirksam, weil sie nicht erkennen lasse, wen dieser bevollmächtigten wolle. Der Antrag sei auch unbegründet. Es müsse nicht jeder Wahlberechtigte an einem Wahlgang teilnehmen. Der Wahlvorstand müsse sich darauf verlassen können, welche Daten er vom Arbeitgeber erhalte. Nach den Wahlordnungen sei grundsätzlich zu fordern, dass sich die wahlberechtigten Mitarbeiter selbst um die Richtigkeit ihrer Aufnahme in das Wählerverzeichnis zu kümmern hätten, da sonst das Einspruchsverfahren überflüssig wäre. Der Beteiligte zu 3. habe sich um seine Wahlberechtigung offenbar nicht gekümmert. Wer aber die Ursache für einen Wahlfehler setze, könne sich im Wahlanfechtungsverfahren nicht mehr auf unrichtige oder unvollständige Daten zur Erstellung der Wählerliste berufen. Daher scheide der Beteiligte zu 3. als Anfechtungsberechtigter aus.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag, die Wahl des Herrn M... H... zur Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung vom 09.11.2010 für unwirksam zu erklären, zurückgewiesen. Die Anfechtung sei zulässig, der Beteiligte zu 1. habe seine Unterschrift für den Antrag vom 29.11.2010 durch die wirksame Vollmachtserteilung mit eingebracht, die Unterschriften der Beteiligten zu 2. und 3. seien auch ihm zuzurechnen. Zulässig sei auch, lediglich die Unwirksamkeit der Wahl des Herrn H... als Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung feststellen lassen zu wollen. Bei der in
§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorgesehenen Wahl der Vertrauensperson und ihrer Stellvertreter handele es sich um zwei voneinander unabhängige Wahlen, die getrennt angefochten werden könnten. Der Antrag sei auch begründet. Die Nichtaufnahme der wahlberechtigten Arbeitnehmer in Elternzeit in die Wählerliste habe dazu geführt, dass diese ihr Wahlrecht nicht hätten ausüben können. Aufgrund des Wahlergebnisses könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Fehler ursächlich für den Ausgang der Wahl gewesen sei. Bei der Prüfung der Wahlberechtigung zur Stellung der Wählerliste sei es Pflicht des Wahlvorstands, sich selbst zu überzeugen, ob und welche Mitarbeiter sich in Elternzeit befinden. Dementsprechend hätte der Wahlvorstand dafür Sorge tragen müssen, dass der Arbeitnehmer B... sowie möglicherweise andere schwerbehinderte Mitarbeiter in Elternzeit in die Wählerliste aufgenommen werden, um zu verhindern, dass aufgrund einer unrichtigen Wählerliste gewählt werde. Zwar könne das Anfechtungsrecht ausdrücklich nur insoweit ausgeschlossen werden, als es um solche Verstöße gehe, die mittels des Einspruchs gegen die Wählerliste auch hätten geltend gemacht werden können. Vorliegend könne dies für den Beteiligten zu 3. jedoch nicht gelten, da er sich während der gesamten Phase des Wahlverfahrens nicht im Betrieb befunden habe. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Beschlusses wird, auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Beteiligtenvorbringens im Einzelnen, Bezug genommen.
Das Beschwerdevorbringen der Beteiligten beschränkt sich im Wesentlichen auf die Wiederholung des erstinstanzlichen Beteiligtenvorbringens.
Wegen des Beschwerdevorbringens der Beteiligten im Einzelnen und wegen der gestellten Anträge wird auf den Inhalt der im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Die Wahl des Beteiligten zu 4. zur Vertrauensperson der Beteiligten zu 5. ist nicht wirksam angefochten worden.
Hierzu hätte es der Anfechtung durch mindestens drei Wahlberechtigte bedurft. Vorliegend ist der beim Arbeitsgericht eingegangene Antrag nur von den Beteiligten zu 2. und 3. unterzeichnet worden. Ihre Unterschrift kann dem Beteiligten zu 1. nicht zugerechnet werden.
Zunächst fehlt es bereits an einer wirksamen Bevollmächtigung. Für eine Vollmachtsurkunde ist die Bezeichnung der Person des Bevollmächtigten unerlässlich (
vgl. RGZ 124, 386). Nur so kann die vom Gesetz gewollte Sicherheit im Rechtsverkehr gewährleistet werden. Die Person des vom Beteiligten zu 1. Bevollmächtigten lässt sich auch nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit durch Auslegung ermitteln. Durch die Bevollmächtigung eines der "Wahlberechtigten und Antragsteller" konnte zum Zeitpunkt der Erstellung der Vollmacht am 25.11.2010 und auch noch zum Zeitpunkt des Eingangs der Antragsschrift beim Arbeitsgericht die Person des oder der Bevollmächtigten nicht eindeutig bestimmt werden.
Selbst wenn man von einer wirksamen Vollmachtserteilung ausgehen würde, lässt die Antragsschrift nicht den vom Gesetz geforderten Anfechtungswillen von drei anfechtungsberechtigten Arbeitnehmern erkennen. Zwar ist auch bei der Wahlanfechtung eine Vertretung zulässig. Bei Ausübung einer solchen Vertretungsmacht muss sich allerdings der Bevollmächtigte als solcher benennen (
vgl. zu diesem Erfordernis: BFH vom 29.07.1997, NJW 1998, 264). Dies ist vorliegend nicht geschehen. Unklar bleibt, wer von den den Antragsschriftsatz unterzeichnenden Personen als Bevollmächtigter den Anfechtungswillen stellvertretend für den Beteiligten zu 1. zum Ausdruck bringt.
Die Anfechtung der Wahl der Vertrauensperson muss darüber hinaus daran scheitern, dass der Beteiligte zu 3. als einspruchsberechtigter Arbeitnehmer im Sinne des
§ 4 Abs. 1 SchwbVWO die Wahl angefochten hat. Für die Anfechtung der Wahl einer Vertrauensperson finden die Vorschriften über die Anfechtung der Betriebsratswahl sinngemäß Anwendung (§ 94
Abs. 6 Satz 2
SGB IX).
Nach Auffassung der Beschwerdekammer verliert ein Arbeitnehmer seine Anfechtungsberechtigung im Zusammenhang mit Mängeln, die Richtigkeit der Wählerliste betreffend, wenn er berechtigt und in der Lage war, Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste einzulegen, hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht hat (
vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier,
BetrVG, 26. Aufl., § 4 WO 2001 RdNr. 5 mit einer Übersicht über den Meinungsstand; Richardi/Thüsing,
BetrVG, 13. Aufl., § 19 RdNr. 10; a.A. etwa GKBetrVG/Kreutz, 9. Aufl., § 19 RdNr. 60, ebenfalls mit einer umfassenden Übersicht über den Meinungsstand; offen gelassen:
BAG vom 27.01.1993, AP
Nr. 29 zu § 76
BetrVG 1952).
Entscheidend für den Verlust des Anfechtungsrechts bei Nichtwahrnehmung des Einspruchsrechts nach § 4 BetrVGWO 2001 spricht, dass nur so missbräuchlichem Verhalten entgegengewirkt werden kann, welches ermöglicht werden würde, würde ein Arbeitnehmer im Vertrauen auf ein späteres Wahlanfechtungsrecht von der Ausübung des Einspruchsrechts nach § 4 BetrVGWO 2001 absehen (so auch:
LAG Frankfurt, DB1976, 1271). Eine andere Auffassung würde auch dem Zweck des § 4 BetrVGO zuwiderlaufen.
Danach soll durch § 4 BetrVGWO 2001 gewährleistet sein, dass etwaige Beanstandungen der Wählerliste rechtzeitig vor den Betriebsratswahlen einer möglichst abschließenden Klärung zugeführt werden können (Seipel,
Anm. zu
BAG vom 29.03.1974, AP
Nr. 2 zu § 19
BetrVG 1972).
Dem Beteiligten zu 3. wäre es auch möglich gewesen, die mit Wahlausschreiben vom 20.09.2010 öffentlich gemachte Wählerliste zur Kenntnis zu nehmen und gegen ihre Richtigkeit Einspruch einzulegen. Wie in der Beschwerdeverhandlung unstrittig geblieben ist, befand sich der Beteiligte zu 3. im Zeitraum vom 15.10.2010 bis 14.11.2010 in Elternzeit (Schriftsatz der Beteiligten zu 1. - 3. vom 09.06.2011, Seite 8 oben). Damit wäre es dem Beteiligten zu 3. aber ohne Weiteres möglich gewesen, vor Antritt seiner Elternzeit gegen die seit 20.09.2010 veröffentlichte Wählerliste Einspruch gemäß § 4
Abs. 1
SchwbVWO einzulegen.
Gegen diese Entscheidung können die Beteiligten zu 1. - 3. Rechtsbeschwerde gemäß nachstehender Rechtsmittelbelehrung einlegen.