Auf die Anschlussbeschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 13. April 2011 - 7 BV 9/10 - teilweise abgeändert.
Die am 05. November 2010 durchgeführte Wahl zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen wird für ungültig erklärt.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Wahl zur Schwerbehindertenvertretung.
Am 5. Nov. 2010 fand die Wahl zur Schwerbehindertenvertretung im Betrieb A der Beteiligten zu 2) statt. Im Betrieb arbeiten u.a. 11 schwerbehinderte Menschen (Bl. 81 d. A.). Der Beteiligte zu 1), der selbst nicht schwerbehindert ist, wurde als Schwerbehindertenvertretung gewählt. Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung wurde im vereinfachten Verfahren durchgeführt. Zu der Wahl wurde durch Aushang (Bl. 45 d. A.) zur Wahlversammlung am 5. Nov. 2010 um 12.00 Uhr in den Pausenraum eingeladen, zusätzlich durch persönliches Schreiben (Bl. 46 d. A.) an die schwerbehinderten Menschen. Zur Wahlversammlung kamen neun schwerbehinderte Menschen. Frau B befand sich in Urlaub, Frau C kam erst nach dem ersten Wahlgang. Die Versammlung wurde durch die bisherige Schwerbehindertenvertretung Frau D geleitet. Wahlhelferin war die Betriebsratsvorsitzende E. Es gab einen Wahlvorschlag mit sechs Bewerbern (Bl. 50 d. A.). Der handschriftliche Wahlvorschlag wurde kopiert. Zur Stimmabgabe begaben sich die Wahlberechtigten in einen vom Wahlraum durch eine Falttür abgetrennten Nebenraum, in der auch die Wahlurne stand (Fotografien Bl. 47 bis 49 d. A.). Nach der Stimmabgabe fand im Wahlraum die Auszählung statt. Es waren neun Stimmzettel abgegeben worden, auf denen jeweils ein Kandidat angekreuzt war. Auf den Beteiligten zu 1) entfielen fünf Stimmen. Die weiteren vier Stimmen verteilten sich auf andere Kandidaten. Die Wahl der stellvertretenden Vertrauensperson fand an diesem Tag nicht mehr statt, weil die Wahl abgebrochen worden ist.
Der Beteiligte zu 1) hat behauptet, am Tage der Wahlversammlung sei das Wahlergebnis am schwarzen Brett im Personaleingangsbereich ausgehängt worden. Er ist der Auffassung gewesen, es habe bei der Wahl keine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften gegeben.
Mit seinem am 30. Nov. 2010 beim Arbeitsgericht Kassel eingegangenen Antrag hat der Beteiligte zu 1) beantragt,
festzustellen, dass er am 5. Nov. 2010 als Schwerbehindertenvertrauensperson gewählt worden ist und die Aufgaben der Schwerbehindertenvertrauensperson für den Betrieb der F
GmbH am Standort A in der Zeit vom 30. Nov. 2010 bis 29. November 2014 wahrzunehmen hat.
Die Beteiligte zu 2) hatte zunächst beantragt,
den Antrag zurückzuweisen
sowie für den Fall des Obsiegens des Beteiligten zu 1) mit seinem Antrag die am 5. November 2010 durchgeführte Wahl zur Schwerbehinderten-Vertrauensperson für nichtig zu erklären sowie hilfsweise die am 5. November 2010 durchgeführte Wahl zur Schwerbehindertenvertrauensperson für unwirksam zu erklären.
Der Beteiligte zu 1) hat ferner beantragt,
die Wideranträge zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) ist der Ansicht gewesen, die Wahl vom 5. Nov. 2010 sei unwirksam. Sie hat behauptet, die Wahlleitung sei nicht gemäß
§ 20 Abs. 1 der Wahlordnung gewählt worden. Entgegen § 20
Abs. 3 Wahlordnung sei es nicht zur Verwendung von Wahlumschlägen gekommen. Das Einwerfen der Stimmzettel in eine Wahlurne in einem abgetrennten Raum entspreche nicht den Vorgaben für eine geheime Wahl. So habe jeder, der den abgetrennten Raum betreten habe, ungehinderten Zugriff auf die Wahlurne gehabt. Eine Wählerliste habe es nicht gegeben. Eine Registrierung, ob jeder Wahlberechtigte überhaupt gewählt und einen oder zwei Stimmzettel in die Wahlurne geworfen habe, sei nicht erfolgt, zumal die Stimmzettel nicht abgezählt worden seien. Bezüglich ihres am 1. April 2011 eingereichten Hilfswiderantrages ist sie der Auffassung gewesen, die Anfechtungsfrist des
§ 94 Abs. 6 SGB IX in Verbindung mit
§ 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG habe noch nicht zu laufen begonnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht Kassel hat den Antrag des Beteiligten zu 1) durch Beschluss vom 13. April 2011 - 7 BV 9/10 - zurückgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, eine ordnungsgemäße Wahl des Beteiligten zu 1) könne nicht festgestellt werden. Das Stimmrecht sei nicht durch Stimmzettel ausgeübt worden. Die Stimmauszählung sei nicht öffentlich gewesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die erstinstanzlichen Beschlussgründe verwiesen.
Gegen den ihm am 30. Mai 2011 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) am 27. Juni 2011 Beschwerde eingelegt und diese am 20. Juli 2011 begründet.
Der Betriebsrat des Betriebes A ist zweitinstanzlich als Beteiligter zu 3) am Verfahren beteiligt worden.
Der Beteiligte zu 1) trägt vor, über die Wahlleitung und die Stellvertretung sei per Handzeichen abgestimmt worden. Jeder Wahlberechtigte habe einen Stimmzettel ausgehändigt bekommen. Die Tür zu dem Nebenraum, in dem die Wahlurne gestanden habe, sei jederzeit geöffnet gewesen. Die Geheimhaltung sei gewährleistet gewesen. Die Stimmauszählung habe im Wahllokal stattgefunden. Durch die Anwesenheit aller Wähler sei die Öffentlichkeit der Stimmauszählung gewährleistet gewesen. Im Anschluss sei durch Frau D das Wahlergebnis festgestellt und dieses am selben Tag am schwarzen Brett ausgehängt worden.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 13. April 2011 - 7 BV 9/10 - abzuändern und festzustellen, dass er am 5. Nov. 2010 als Schwerbehindertenvertrauensperson gewählt worden ist und die Aufgaben der Schwerbehindertenvertrauensperson für den Betrieb der F
GmbH im Betrieb A bis zum 29. November 2014 wahrzunehmen hat,
ferner, die Anträge der Beteiligten zu 2) zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
1. die Beschwerde des Beteiligten zu 1), soweit er damit seinen Antrag auf Feststellung weiterverfolgt, dass er die Aufgaben der Schwerbehindertenvertrauensperson für den Betrieb A der Beteiligten zu 2) bis zum 29. November 2014 wahrzunehmen hat, zurückzuweisen;
2. (im Wege der Anschlussbeschwerde) die am 5. Nov. 2010 durchgeführte Wahl zur Schwerbehindertenvertrauensperson für unwirksam zu erklären.
Der Beteiligte zu 3) beantragt,
die Beschwerde des Beteiligten zu 1), soweit er damit seinen Antrag auf Feststellung weiterverfolgt, dass er die Aufgaben der Schwerbehindertenvertrauensperson für den Betrieb A der Beteiligten zu 2) bis zum 29. November 2014 wahrzunehmen hat, zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) verteidigt die angefochtene Entscheidung in der Sache und meint, aufgrund der gravierenden Fehler und Mängel der Wahl sei diese als nichtig anzusehen. Es sei möglich, dass ein Wahlberechtigter zwei Stimmzettel genommen habe. Die Stimmauszählung sei nicht öffentlich gewesen. Im Aushang sei nicht auf Ort und Zeit der Auszählung hingewiesen worden. Ein Aushang mit dem Wahlergebnis sei weder durch die Wahlleiterin Frau D noch die Wahlhelferin erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 17. Nov. 2011, 23. Febr. 2012 und 14. März 2013 verwiesen. Es wurde Beweis erhoben durch das Beschwerdegericht und das Arbeitsgericht Kassel im Wege der Rechtshilfe. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23. Febr. 2012 und das Protokoll des Arbeitsgerichts Kassel vom 9. Jan. 2012 verwiesen.
Das Bundesarbeitsgericht hat den Beschluss der Beschwerdekammer vom 15. März 2012 -
9 TaBV 118/11 - aufgehoben, soweit festgestellt worden ist, dass der Beteiligte zu 1) die Aufgaben der Schwerbehindertenvertrauensperson für den Betrieb A der Beteiligten zu 2) in der Zeit vom 30. Nov. 2010 bis 29. Nov. 2014 wahrzunehmen hat und soweit der Hilfsantrag der Beteiligten zu 2), die am 5. Nov. 2010 durchgeführte Wahl zur Schwerbehindertenvertrauensperson für unwirksam zu erklären, zurückgewiesen wurde. Die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft, § 87
Abs. 1
ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, §§ 87
Abs. 2 Satz 1, 66
Abs. 1 Satz 1, 89
Abs. 1 und 2
ArbGG.
Der Beteiligte zu 3) ist gemäß § 83
Abs. 3
ArbGG weiterhin am Verfahren zu beteiligen, da er durch das Verfahren angesichts der gesetzlichen Pflichten zur Zusammenarbeit (
§§ 32,
52 BetrVG,
81 Abs. 2,
93 SGB IX) in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position unmittelbar betroffen ist, insbesondere
z. B. der Schwerbehindertenvertrauensperson gemäß
§§ 95 Abs. 4 SGB IX, 32
BetrVG ein Recht zur Teilnahme u.a. an den Betriebsratssitzungen zusteht und die Schwerbehindertenvertretung gemäß
§ 29 Abs. 3 BetrVG zu jeder Betriebsratssitzung mit Tagesordnung einzuladen ist.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere besteht ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256
Abs. 1
ZPO. Da dem Beteiligten zu 1) von den Beteiligten zu 2) und 3) die Stellung als Schwerbehindertenvertrauensmann verwehrt wird und die Wahl zunächst auch nicht angefochten worden ist, hat er ein Interesse daran, gerichtlich klären zu lassen, ob er wirksam in diese Funktion gewählt worden ist.
Gegenstand des Verfahrens ist nach dem förmlichen Anfechtungsantrag nur die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, also nur der erste Wahlgang, und nicht der weitere abgebrochene Wahlgang zur Wahl der Stellvertreter. Es handelt sich hierbei um zwei voneinander unabhängige Wahlen, die getrennt angefochten werden können (
BAG Beschluss vom 29. Juli 2009 -
7 ABR 91/07 - Juris).
Der Antrag des Beteiligten zu 1) ist unbegründet, weil die Wahl zur Schwerbehindertenvertretung vom 5. Nov. 2010 im Betrieb A der Beteiligten zu 2) als ungültig anzusehen ist. Der nunmehr unbedingt gestellte Antrag der Beteiligten zu 2), die Wahl für unwirksam zu erklären, ist begründet.
Wenn wie das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 15. Aug. 2012 meint und woran das Beschwerdegericht gemäß § 563
Abs. 2
ZPO gebunden ist der uneigentliche Hilfswiderantrag der Beteiligten zu 2) - bestehend wiederum aus Haupthilfsantrag und Hilfshilfsantrag - offenkundig als unbedingter Antrag auszulegen ist, dann hätte das Arbeitsgericht diesen unbedingten Widerantrag bescheiden müssen, hätte also diesen Antrag übergangen. Hat das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung einen Sachantrag übergangen, so kann dies nur durch eine Ergänzung des Beschlusses nach §§ 80
Abs. 2
ArbGG, 321
ZPO korrigiert werden, die innerhalb der Zweiwochenfrist des § 321
Abs. 2
ZPO beantragt werden muss. Mit Ablauf der Frist entfällt die Rechtshängigkeit des Antrages (
BGH Urteil vom 16. Febr. 2005 - VIII ZR 133/04 - Juris). Ein übergangener Antrag, dessen Rechtshängigkeit durch Ablauf der Frist nach § 321
Abs. 2
ZPO entfallen ist, kann in der zweiten Instanz nur dann durch einen erneuten Widerantrag in den Prozess eingeführt werden, wenn der Rechtsstreit wegen anderer Teile des Prozessstoffs noch in der Beschwerdeinstanz anhängig ist. Dies kann nur durch eine zulässige Anschlussbeschwerde geschehen. Hier hat die Beteiligte zu 2) innerhalb der bis zum 22. Aug. 2011 laufenden Beschwerdeerwiderungsfrist mit Telefax von diesem Tage die nach Auslegung des Bundesarbeitsgerichts unbedingten Anträge erneut gestellt und gleichzeitig begründet. Dieser Schriftsatz ist, auch wenn er nicht ausdrücklich so bezeichnet wird, insoweit als Anschlussbeschwerde anzusehen, die fristgerecht eingelegt und gleichzeitig begründet worden ist (§§ 87
Abs. 2, 64
Abs. 6
ArbGG, 525, 524
ZPO). Mit ihrem auf Hinweis des Beschwerdegerichts entsprechend den Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts gestellten Antrag zu 2) im Schriftsatz vom 16. Nov. 2012 hat die Beteiligte zu 2) im Übrigen erklärt, dass mit diesem Antrag die Anfechtbarkeit der Wahl zur Entscheidung gestellt werden soll.
Zu entscheiden ist im Rahmen des Antrages des Beteiligten zu 1) und des Widerantrages der Beteiligten zu 2) nur über die Anfechtung der Wahl. Dass die Wahl nicht nichtig ist, steht rechtskräftig fest. Das Bundesarbeitsgericht hat den Beschluss der Beschwerdekammer vom 15. März 2012 insoweit aufgehoben, als das Landesarbeitsgericht bei der Entscheidung über den Antrag zu 1) Anfechtungsgründe unberücksichtigt gelassen hat und soweit es mit der Entscheidung über den Hilfsantrag auf Unwirksamkeitserklärung der Wahl nicht entschieden hat. Im Übrigen - so das Bundesarbeitsgericht - hatte die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg. Als Verletzung des Anspruchs der Beteiligten zu 2) auf rechtliches Gehör hat es das Bundesarbeitsgericht angesehen, dass das Landesarbeitsgericht deren Anfechtung in der Sache nicht berücksichtigt hat.
Eine Wahlanfechtung war am 1. April 2011 nahezu fünf Monate nach der Wahl noch zulässig. Die Anfechtungsfrist des § 94
Abs. 6
SGB IX in Verbindung mit § 19 Satz 2
BetrVG hatte noch nicht zu laufen begonnen, da weiterhin nicht festgestellt werden kann, dass das Wahlergebnis durch zweiwöchigen Aushang gemäß
§ 15 SchwbVWO bekannt gemacht worden ist. Das Beschwerdegericht nimmt hierzu vollinhaltlich und wiederholend auf seine insoweit vom Bundesarbeitsgericht nicht beanstandeten Ausführungen im Beschluss vom 15. März 2012, Seite 10, und die diesbezügliche Beweiswürdigung Bezug.
Die Anfechtungsbefugnis der Beteiligten zu 2) ist nicht verwirkt. Auch die Anfechtungsbefugnis kann verwirken, wenn sie rechtsmissbräuchlich ausgeübt wird (
LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 14. Febr. 2007 - 6 TaBV 27/06 - Juris). Das Antragsrecht kann im Einzelfall verwirkt sein, wenn der Anfechtende sich mit seinem Anfechtungsantrag zu seinem früheren Verhalten in einen mit Treu und Glauben unvereinbaren Widerspruch setzt,
z.B. die gewählten Gremien oder Personen ihr Amt schon längere Zeit unangefochten ausgeübt haben. Hier hat die Beteiligte zu 2) bis zur Anfechtung der Wahl mit Schriftsatz vom 1. April 2011 zwar fast fünf Monate verstreichen lassen, sie hat aber bis dahin an ihrer Auffassung, dass sie die Wahl für unwirksam hält, keinen Zweifel gelassen und dies auch in die Praxis umgesetzt. Wie der Beteiligte zu 1) in seinem Schreiben vom 23. Nov. 2010 (Bl. 15
ff. d. A.) mitteilen lässt, habe die Beteiligte zu 2) in der Wahlversammlung vom 18. Nov. 2010 geäußert dass sie die Wahl vom 5. Nov. 2010 für nichtig hält. Im Verfahren 9 BVGa 10/10, in dem der Beteiligte zu 1) den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Arbeitgeberin beantragt hat, ihm die Wahrnehmung der Rechte einer Schwerbehindertenvertretung zu ermöglichen, hat sie mit Schriftsatz vom 6. Dez. 2010 Zurückweisung des Antrages beantragt. Schließlich hat der Beteiligte zu 1) sein Amt in der Zeit vor der Anfechtung auch nicht ausgeübt, so dass die Beteiligte zu 2) sich mit der Wahlanfechtung nicht rechtsmissbräuchlich verhalten hat.
Die Wahl ist ungültig. Im vereinfachten Verfahren, dass hier nach § 18 der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen i.d.F. vom 19. Juni 2001 (BGBl I, 1046) Anwendung findet, weil im Betrieb weniger als 50 Wahlberechtigte beschäftigt sind, wird das Wahlrecht gemäß § 20
Abs. 3
SchwbVWO durch Abgabe eines Stimmzettels in einem Wahlumschlag ausgeübt. Der Wahlleiter verteilt die Stimmzettel und trifft Vorkehrungen, dass der Wähler oder die Wählerin ihre Stimme unbeobachtet abgeben können. Der Wähler legt den Stimmzettel in den Wahlumschlag ein und übergibt diesen der Wahlleitung. Diese legt den Wahlumschlag ungeöffnet in den dafür bestimmten Behälter. Die in § 20
Abs. 3
SchwbVWO zwingend vorgesehene Stimmabgabe durch die Abgabe von Stimmzetteln in den hierfür bestimmten Umschlägen (Wahlumschlägen) dient der Wahrung des elementaren Grundsatzes, dass Wahlen geheim durchzuführen sind. Dieser Grundsatz ist allen demokratischen Wahlen, zu denen auch Betriebsratswahlen gehören, immanent und wird in § 94
Abs. 1
Abs. 6 Satz 1
SGB IX bestätigt. Bei einer Sicherung des Wahlgeheimnisses durch Verwendung der in der Wahlordnung obligatorisch vorgeschriebenen Wahlumschläge kann jeder Arbeitnehmer mit der Aushändigung der Stimmzettel nebst Wahlumschlag sicher sein, dass sein Abstimmungsverhalten geheim bleiben wird. Diese Regelungen dienen der Gewährleistung der Grundsätze der geheimen Wahl (
vgl. Hess.
LAG Beschluss vom 1. Dez. 2011 -
9 TaBV 130/11 Juris-;
LAG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 25. Aug. 2011 - 25 TaBV 529/11 - Juris;
LAG Hamm Beschluss vom 9. März 2007 - 10 TaBV 105/06 - AiB 2009, 588 = Juris;
LAG Niedersachsen Beschluss vom 1. März 2004 - 16 TaBV 60/03 - AiB 2009, 723 = Juris). Das Wahlgeheimnis ist auch nach Abschluss der Stimmabgabe geschützt (
BAG Beschluss vom 27. Juli 2005 - 7 ABR 54/04 - EzA § 19
BetrVG 2001
Nr. 5 = Juris). Gegen diese zwingenden Vorschriften über das Wahlverfahren in § 20
Abs. 3
SchwbVWO hat die Wahlleitung deutlich verstoßen, indem es keine Wahlumschläge gab und die Stimmzettel nur gefaltet in den Karton gelegt wurden.
Es kann nicht unterstellt werden, der Verfahrensfehler hätte sich nicht ausgewirkt. Der mit "es sei denn" eingeleitete Halbsatz in § 19
Abs. 1
BetrVG hat zum Ziel, Verstöße gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit und das Wahlverfahren nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl ausreichen zu lassen, wenn durch einen solchen Verstoß das Wahlergebnis objektiv weder geändert noch beeinflusst werden konnte (
BAG Beschluss vom 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - EzA § 19
BetrVG 1972
Nr.39;
BAG Beschluss vom 14. September 1988 - 7 ABR 93/87 - EzA § 16
BetrVG 1972
Nr. 6). Entscheidend ist, ob eine hypothetische Betrachtung (Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Vorschriften) unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis führt (
BAG a.a.O.). Die Ausgestaltung der Wahlanfechtungsvorschrift des § 19
Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz
BetrVG nimmt Rücksicht darauf, dass in einer Vielzahl an Fällen die Beeinflussung durch einen Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften nicht positiv festgestellt werden kann, sich aber dennoch latent auf das Wahlverhalten auswirkt. Deshalb muss eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung entsprechender Vorschriften zum Wahlverfahren kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (
BAG a.a.O.; Hess.
LAG Beschluss vom 1. Dez. 2011 a.a.O.). Zum Teil wird in der Rechtsprechung angenommen, Stimmzettel, die ohne Wahlumschlag eingeworfen würden, seien von Vornherein ungültig (so
LAG Niedersachsen Beschluss vom 1. März 2004 - 16 TaBV 60/03 - AiB 2009, 723 = Juris). Die Feststellung, dass die Wahl bei Verwendung von Wahlumschlägen zum selben Ergebnis geführt hätte, ist aber auf jeden Fall nicht möglich. Eine Beeinflussung des Wahlergebnisses durch das Fehlen von Wahlumschlägen ist vielmehr denkbar (ebenso Hess.
LAG Beschluss vom 1. Dez. 2011 a.a.O.;
LAG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 25. Aug. 2011 - 25 TaBV 529/11 - Juris). Der wählende Arbeitnehmer muss ohne die Verwendung von Wahlumschlägen damit rechnen, dass die Wahlleitung davon Kenntnis nehmen kann, wie er gewählt hat. Dies kann sich schon aus der Reihenfolge der gefaltet in den Karton eingelegten Stimmzettel ergeben. Bei neun Wählern lässt sich die Reihenfolge unschwer merken. Eine Beeinflussung von Wählern, die ihr Wahlverhalten an diese "nicht ganz" geheime Wahl (
vgl. LAG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 25. Aug. 2011 - 25 TaBV 529/11 - Juris) anpassen, ist möglich.
Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 2
Abs. 2 GKG nicht.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung, §§ 92
Abs. 1, 72
ArbGG. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich entschieden.