B. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde der Antragsteller gegen den antragsabweisenden Beschluss des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Die streitbefangenen Wahlen sind anfechtbar.
I. Nach
§ 97 Abs. 7 iVm.
§ 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX sind die - wie hier - im Geltungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes stattfindenden Wahlen nach dem Schwerbehindertenvertretungsrecht auf der Ebene der Hauptschwerbehindertenvertretung in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Anfechtung von Personalratswahlen anfechtbar. Das verweist auf § 25 BPersVG. Danach können ua. mindestens drei Wahlberechtigte binnen einer Frist von zwölf Arbeitstagen vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet die Wahl gerichtlich anfechten, ua. wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
II. Hier liegen sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen der Anfechtung vor.
1. Die an einen Anfechtungsantrag zu stellenden formellen Voraussetzungen sind erfüllt.
a) Anfechtungsberechtigt für die nach dem Schwerbehindertenvertretungsrecht durchzuführenden Wahlen auf der Ebene der Hauptschwerbehindertenvertretung sind mindestens drei bei diesen Wahlen Wahlberechtigte (
BAG 24. Mai 2006 -
7 ABR 40/05 - Rn. 15). Diese Mindestzahl ist vorliegend erreicht. Der Antrag wurde von sieben Bezirksvertrauenspersonen, also Wahlberechtigten nach § 97
Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1
SGB IX, angebracht. Unschädlich ist, dass bis auf einen der Antragsteller alle anderen zwischenzeitlich diesen Status verloren haben. Das ändert an der Anfechtungsberechtigung nichts. Auch besteht so lange, wie jedenfalls einer der Anfechtenden noch wahlberechtigt ist, für den Antrag weiterhin ein Rechtsschutzinteresse (
vgl. BAG 16. November 2005 -
7 ABR 9/05 - Rn. 16 mwN, BAGE 116, 205;
vgl. auch
BVerwG 27. April 1983 - 6 P 17.81 - BVerwGE 67, 145).
b) Die gesetzliche Frist von zwölf Arbeitstagen, gerechnet vom Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an, ist eingehalten: Das Wahlergebnis wurde am 28. Februar 2011 bekannt gemacht, die Antragsschrift ging bei Gericht am 12. März 2011 ein.
2. Auch die materiellen Voraussetzungen der Anfechtung liegen vor. Dadurch, dass die Wahl im vereinfachten Verfahren stattfand, wurde gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens verstoßen, ohne dass eine Berichtigung erfolgt wäre. Dadurch konnte das Wahlergebnis auch beeinflusst werden.
a) Die streitbefangenen Wahlen wurden entgegen § 97
Abs. 7
iVm. § 94
Abs. 6 Satz 3
SGB IX - wesentlichen Wahlvorschriften - im vereinfachten Wahlverfahren durchgeführt.
aa) Nach § 97
Abs. 7
SGB IX gilt für die schwerbehindertenvertretungsrechtlichen Wahlen auf der Ebene der Hauptschwerbehindertenvertretung ua. § 94
Abs. 6 Satz 3
SGB IX "entsprechend". Nach § 94
Abs. 6 Satz 3
SGB IX werden die Wahlen für die Schwerbehindertenvertretung in Betrieben und Dienststellen mit weniger als 50 wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen im vereinfachten Wahlverfahren durchgeführt, sofern der Betrieb oder die Dienststelle nicht aus räumlich weit auseinanderliegenden Teilen besteht. Eine Wahl im vereinfachten Verfahren findet danach immer und nur dann statt, wenn diese Voraussetzungen vorliegen. Die in Bezug genommene Bestimmung ist dabei nicht in strikter und ausschließlicher Befolgung ihres Wortlauts anzuwenden, sondern unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Zwecks. Die einzelnen Elemente des durch die Verweisung geregelten und desjenigen Tatbestandes, auf dessen Rechtsfolgen verwiesen wird, sind so miteinander in Beziehung zu setzen, dass den jeweils nach ihrer Funktion, ihrer Stellung und Sinnzusammenhang des Tatbestandes gleich zu erachtenden Elementen jeweils die gleiche Rechtsfolge zugeordnet wird. Unsachgemäße Gleichsetzungen sind dabei zu vermeiden. Von der Sache her gebotene Differenzierungen dürfen nicht ausgeschlossen werden (
BAG 29. Juli 2009 -
7 ABR 25/08 - Rn. 10 mwN, BAGE 131, 294).
bb) Das bedeutet zunächst, dass für die Anwendung von § 94
Abs. 6 Satz 3
SGB IX nicht auf die einzelne Dienststelle, sondern auf den Zuständigkeitsbereich der Oberbehörde für ihr untergeordnete Behörden, bei der die Wahlen auf der Ebene der Hauptschwerbehindertenvertretung stattfinden, abzustellen ist und bei der Feststellung der Zahl der Wahlberechtigten nicht alle schwerbehinderten Menschen zu berücksichtigen sind, sondern lediglich die zur Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung und bei der Wahl der Stellvertreter wahlberechtigten Personen, also die Bezirksschwerbehindertenvertretungen und die Schwerbehindertenvertretung der Oberbehörde (§ 97
Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1
SGB IX).
cc) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bedeutet das aber nicht, dass das gesetzlich ausdrücklich geregelte Tatbestandsmerkmal, nach dem die vereinfachte Wahl nicht durchgeführt werden kann, soweit die Dienststelle - hier also der Zuständigkeitsbereich der Oberbehörde für ihr untergeordnete Behörden - aus räumlich weiter auseinanderliegenden Teilen besteht, hier keine Anwendung findet.
(1) Im originären Anwendungsbereich von § 94
Abs. 6 Satz 3
SGB IX dient das Erfordernis der räumlichen Nähe dazu, das vereinfachte Wahlverfahren nur dann vorzusehen, wenn die Wahlberechtigten die ansonsten im förmlichen Wahlverfahren vermittelten Kenntnisse über die Wahlbewerber erlangen können und trotz der gegenüber dem förmlichen Wahlverfahren erheblich kürzeren Vorbereitungszeit eine Verständigung der Wahlberechtigten über Art und Inhalt der Wahl möglich ist (
BAG 7. April 2004 -
7 ABR 42/03 - zu B II 2 der Gründe). Es geht also um Fallgestaltungen, in denen der Prozess der Meinungsbildung bei Wahlen typischerweise auch ohne Einhaltung der für das förmliche Wahlverfahren vorgesehenen Verfahrensschritte stattfinden kann. Dieser Gesetzeszweck gilt auch für die schwerbehinderungsvertretungsrechtlichen Wahlen auf der Ebene der Hauptschwerbehindertenvertretung. Auch dort bedarf es einer Informationsmöglichkeit und eines Informationsaustausches im Hinblick auf die Wahl.
(2) Die Möglichkeit für die Wahlberechtigten, sich über die Wahlbewerber zu informieren und sich ein Bild von diesen zu machen, besteht typischerweise nur, wenn diese rechtzeitig vor der Wahl bekannt gemacht werden oder den Wahlberechtigten ohnehin bekannt sind. Daher ordnet
§ 8 SchwbVWO für das förmliche Wahlverfahren an, dass die Namen der Bewerberinnen und Bewerber eine Woche vor der Stimmabgabe bekannt gemacht werden. Das hat vor allem deshalb Bedeutung, weil nach § 94
Abs. 3
SGB IX grundsätzlich alle Beschäftigten der Dienststelle oder des Betriebes passiv wahlberechtigt sind, also nicht nur die dort beschäftigten schwerbehinderten Menschen. Demgegenüber werden im vereinfachten Wahlverfahren die Kandidatinnen und Kandidaten aus der Mitte der Wahlversammlung benannt und die Wahlen finden unmittelbar danach statt (
§ 20 Abs. 2 und Abs. 3 SchwbVWO). Die Wahlberechtigten haben daher nicht die Möglichkeit, sich über Kandidaten zu informieren, die erst in der Wahlversammlung vorgeschlagen werden. Durch das neben der Höchstzahl von weniger als 50 Wahlberechtigten nach § 94
Abs. 6 Satz 3
SGB IX bestehende Erfordernis der räumlichen Nähe wird dafür gesorgt, dass die Wahlberechtigten die vorgeschlagenen Kandidaten typischerweise bereits kennen (können). Ohne eine räumliche Nähe der Betriebs- oder Dienststellenteile ist das nicht der Fall.
(3) Das gilt gleichermaßen für die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung (
§ 22 SchwbVWO). Auch hier müssen die Wahlberechtigten eine realistische Möglichkeit haben, sich über die Wahlbewerber zu informieren. Eine Wahl ohne vorherige Bekanntgabe der Wahlbewerber erscheint daher auch nur dann gerechtfertigt, wenn der Betrieb oder die Dienststelle nicht aus räumlich weit auseinanderliegenden Teilen besteht.
dd) Danach schied im vorliegenden Fall eine Durchführung der Wahl im vereinfachten Wahlverfahren aus. Angesichts des bundesweiten Zuständigkeitsbereichs der Dienststelle ist von räumlich weit auseinanderliegenden Teilen dieses Zuständigkeitsbereichs auszugehen.
b) Das vereinfachte Wahlverfahren war auch nicht nach § 22
Abs. 3
SchwbVWO möglich.
26
Nach § 22
Abs. 3 Satz 1
SchwbVWO kann dann, wenn rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit ua. der Hauptschwerbehindertenvertretung eine Versammlung nach § 97
Abs. 8
SGB IX - also eine Versammlung der Bezirksvertrauenspersonen - stattfindet, die Wahl abweichend von den in § 22
Abs. 1
SchwbVWO vorgesehenen Regelungen über das förmliche Wahlverfahren im Rahmen dieser Versammlung durchgeführt werden. § 22
Abs. 3 Satz 2
SchwbVWO ordnet die entsprechende Anwendung von § 20
SchwbVWO an.
Als zur Durchführung des
SGB IX bestimmte Verordnung zum Erlass näherer Vorschriften über die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen auch der Stufenvertretungen (
§ 100 SGB IX) ist die "Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen" - wie Rechtsverordnungen grundsätzlich - eine gegenüber dem Gesetz niederrangige Rechtsnorm (
vgl. BVerfG 6. Mai 1958 - 2 BvL 37/56 ua. - BVerfGE 8, 155). Schon deshalb kann ihr der Regelungswille, etwas abweichend vom Gesetz zu regeln, nicht entnommen werden. Da das
SGB IX als gesetzliche Regelung selbst abschließend regelt, wann das vereinfachte Wahlverfahren anzuwenden ist, muss § 22
Abs. 3
SchwbVWO gesetzeskonform ausgelegt werden. Das bedeutet: Satz 1 dieser Bestimmung stellt klar, dass die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung und die Wahl ihrer Stellvertreter auch im Rahmen der Versammlung der Bezirksschwerbehindertenvertretungen stattfinden kann. Die Bestimmung in Satz 2 regelt durch ihre Verweisung auf § 20
SchwbVWO, wie beim vereinfachten Wahlverfahren - sei es im Rahmen einer derartigen Versammlung oder sonst - vorzugehen ist.
c) Eine Berichtigung ist nicht erfolgt. Der Verstoß gegen die Regeln über das Wahlverfahren war geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Es ist nicht auszuschließen, dass es im Rahmen eines förmlichen Verfahrens zu Meinungsbildungsprozessen hinsichtlich der Kandidaten oder der Stimmabgabe gekommen wäre, die zu einem anderen Wahlergebnis geführt hätten.