Urteil
Anfechtung/Nichtigkeit der Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung

Gericht:

LAG München


Aktenzeichen:

4 TaBV 33/14


Urteil vom:

25.09.2014


Grundlage:

Tenor:

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 3, Frau C., gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 6. Dezember 2013 - 4 BV 2/13 - wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Arbeitsgerichtsbarkeit Bayern

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten über die Rechtswirksamkeit der Wahl der stellvertretenden Mitglieder der dortigen Schwerbehindertenvertretung - der Beteiligten zu 2 dieses Verfahrens - im Betrieb A-Stadt der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1, durch die u. a. die Beteiligte zu 3 des vorliegenden Verfahrens in diese Funktion gewählt wurde.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1 des vorliegenden Verfahrens betätige sich nach ihrem Vorbringen seit mehr als 25 Jahren mit der Erbringung von Elektronikgesamtdienstleistungen im Bereich After Sales und beschäftige in Deutschland ca. 670 Arbeitnehmer, darunter etwa 25 schwerbehinderte Personen. Da das stellvertretende Mitglied der im Betrieb A-Stadt/Chiemgau bestehenden Schwerbehindertenvertretung, Herr J, mit vom 28.10.2011 datierendem - nach Behauptung der Arbeitgeberin: rückdatiertem - Schreiben (Anl. B1, Bl. 13 d. A.) seinen Rücktritt als (einziger) Stellvertreter der Schwerbehindertenvertreterin erklärt hatte, fanden am 23.11.2011 in diesem Betrieb eine Nachwahl des stellvertretenden Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung - bei der die Beteiligte zu 3 gewählt wurde - sowie anschließend, "in einem zweiten Durchgang", die Wahl eines zweiten und eines dritten Stellvertreters der Schwerbehindertenvertretung statt. Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1 focht mit Antragsschriftsatz zum Arbeitsgericht Rosenheim - Kammer Traunstein - vom 07.12.2011, dort am selben Tag zunächst per Telefax eingegangen und gerichtet gegen die "A." als Beteiligte zu 2 dieses Beschlussverfahrens, diese Wahl der Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung vom 23.11.2011 im wesentlichen mit der Begründung an, dass keine Veranlassung für eine solche Nachwahl bestanden habe, da der, rückdatierte, Rücktritt des bis dahin amtierenden stellvertretenden Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung P. nicht aus freien Stücken, sondern auf Druck des Betriebsratsvorsitzenden (S.) mit dem Bestreben erfolgt gewesen sei, der Leiterin Rechnungswesen dieses Betriebs, Frau C. - die nunmehrige Beteiligte zu 3 des vorliegenden Verfahrens -, zu diesem Amt zu verhelfen, da dieser zu diesem Zeitpunkt der Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung - wie zwischenzeitlich erfolgt und gerichtlich angefochten - gedroht habe. Vom Betriebsratsvorsitzenden sei zuvor aus den gleichen Gründen - wenngleich hier letztlich vergeblich - die (erste) Schwerbehindertenvertreterin dieses Betriebes und Beteiligte zu 2 des vorliegenden Verfahrens zum Rücktritt gedrängt worden. Außerdem leide diese, entgegen der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften in zwei Wahlgängen erfolgte, Nachwahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung an weiteren schwerwiegenden Mängeln. Nachfolgend machte die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1 des vorliegenden Verfahrens mit Schriftsatz vom 30.12.2011 deshalb auch die Nichtigkeit der Wahl der Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung vom 23.11.2011 geltend.

Nachdem die Beteiligten zu 1 und zu 2 - die Arbeitgeberin und die Schwerbehindertenvertretung/Frau - als zu diesem Zeitpunkt alleinige Beteiligte dieses Verfahrens in der Güteverhandlung beim Arbeitsgericht Rosenheim vom 17.01.2014 nach entsprechendem gerichtlichen Hinweis auf das Bestehen schwerwiegender Mängel der Wahl vom 23.11.2011 einen Vergleich dahin geschlossen hatten, dass zwischen diesen Beteiligten Einigkeit bestehe, dass diese Wahl der Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung nichtig und das Verfahren damit erledigt sei - woraufhin dieses mit Beschluss des Vorsitzenden zusätzlich gemäß § 83a Abs. 2 Satz 1 ArbGG eingestellt wurde -, zeigte wenige Tage später die nunmehrige Beteiligte zu 3, Frau C., mit anwaltlichem Schriftsatz an, ebenfalls beteiligt zu sein, und beantragte die Wiederaufnahme dieses Verfahrens. Dieser Antrag wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichts vom 19.11.2012 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der erfolgte Einstellungsbeschluss in der Güteverhandlung ein Verfahrenshindernis hinsichtlich der beantragten Fortführung bzw. Wiederaufnahme des Beschlussverfahrens darstelle. Auf die von der Beteiligten zu 3, Frau C., gegen diesen Beschluss erhobenen sofortigen Beschwerde wurde diese Entscheidung durch Beschluss des Landesarbeitsgericht München vom 28.03.2013 (4 Ta 88/13) mit der Begründung aufgehoben, dass der vom Arbeitsgericht verfahrensfehlerhaft getroffene Einstellungsbeschluss in der Güteverhandlung kein der Fortführung dieses Beschlussverfahrens entgegenstehendes Verfahrenshindernis darstelle, da dieser allenfalls "symbolische", deklaratorische, Bedeutung und keinen konstitutiven Charakter gehabt habe, zumal der vorausgegangene "Vergleich" zwischen der beteiligten Arbeitgeberin und der Schwerbehindertenvertreterin in der Güteverhandlung am 17.01.2012 tatsächlich keinen solchen, sondern lediglich die Feststellung einer übereinstimmenden subjektiven Rechtsmeinung, die Niederlegung einer übereinstimmenden Rechtsauffassung/Wertung durch die diesen Vergleichsvertrag schließenden Beteiligten hinsichtlich einer Nichtigkeit der erfolgten Wahl - somit keine Regelung hinsichtlich eines tatsächlichen Sachverhalts, wie für einen Vergleich im Rechtssinne notwendig - dargestellt habe und überdies die an diesem "Vergleich" allein beteiligten Personen weder überhaupt über die Rechtsfrage einer "Nichtigkeit" der Nachwahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung vom 23.11.2011 verbindlich disponieren noch dies mit Wirkung für die (hierbei Nicht-)Beteiligte zu 3 entscheiden hätten können. Aus diesen Gründen wurde gleichzeitig dieses Verfahren zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Arbeitsgericht Rosenheim zurückverwiesen.

Dieses hat daraufhin mit Beschluss vom 06.12.2013, der dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3, Frau C., am 20.03.2014 zugestellt wurde, die Wahl der Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung vom 23.11.2011, unter Zurückweisung des Anfechtungsantrages der Arbeitgeberin im Übrigen, mit der Begründung für nichtig erklärt, dass diese Wahl in zwei getrennten Wahlgängen wie hier bereits damit einen derart schwerwiegenden Verstoß gegen die Wahlvorschriften dargestellt habe, dass die Nichtigkeit der Wahl festzustellen gewesen sei. Nach den Regelungen der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen (SchwbVWO) seien mehrere stellvertretende Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung zwingend in einem gemeinsamen Wahlgang zu wählen, während diese hier gesetzeswidrig in zwei Wahlgängen aufgeteilt worden sei, wobei im ersten Wahlgang ein Stimmzettel Verwendung gefunden habe, auf dem nur die Beteiligte zu 3 als Wahlbewerberin aufgeführt gewesen sei, während in einem nachfolgenden Wahlgang zwei weitere Stellvertreter gewählt worden seien. Hierdurch sei den Wahlberechtigten die Möglichkeit genommen worden, durch ihre Stimmabgabe die Reihenfolge der drei zu wählenden Stellvertreter der Vertrauensperson zu bestimmen - die isolierte Wahl der ersten Stellvertreterin habe damit letztlich eine Akklamation dargestellt. Damit könne der weitere streitige Sachvortrag zum zeitlichen Ablauf der Wahl dahinstehen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 3 mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 16.04.2014, beim Landesarbeitsgericht München am (Dienstag nach Ostern, den) 22.04.2014 eingegangen, zu deren Begründung dieser mit, am 15.05.2014 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenem, Schriftsatz vom 14.05.2014 ausgeführt hat, dass entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts keine Nichtigkeit der verfahrensgegenständlichen Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung gegeben sei - wie dies nunmehr die fünfte Kammer des Arbeitsgerichts Rosenheim in einem anderen Verfahren (wohl Kündigungsschutzrechtsstreit) ebenso festgestellt habe. Auch wenn das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung hier auf den zutreffenden Maßstab der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Anforderungen an die Annahme einer Nichtigkeit einer Betriebsratswahl abgestellt habe, sei es rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass eine solche hier deshalb gegeben sei, weil die Wahl der drei Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung in zwei Wahlgänge aufgeteilt worden sei. Hier habe die Wahlversammlung am 23.11.2011 zunächst beschlossen, einen ersten Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung wie bisher zu wählen, für den diese die Beteiligte zu 3 des vorliegenden Verfahrens vorgeschlagen habe. Nachdem auf Frage des Betriebsratsvorsitzenden und Wahlvorstands/-leiters keine weiteren Vorschläge gemacht worden seien, seien diese zur ersten Stellvertreterin der Schwerbehindertenvertretung und im Anschluss hieran zwei andere Arbeitnehmer als zweite und dritte Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung gewählt worden.


Die Beteiligte zu 3 beantragt:

I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim - Kammer Traunstein -, AZ. 4 BV 2/13, vom 06.12.2013 wird aufgehoben.

II. Der Antrag der Beteiligten zu 1) auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl der Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung vom 23.11.2011 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1 trägt zur Begründung ihres Antrages auf Zurückweisung der Beschwerde vor, dass am 21.02.2014 die Wirtschaftsstrafkammer beim Landgericht C-Stadt II die Beteiligte zu 3 - wie deren ebenfalls, als Betriebsleiter, bei dieser Arbeitgeberin beschäftigt gewesenen Ehemann - wegen Straftaten gegenüber der Arbeitgeberin - die Beteiligte zu 3 habe insbesondere ihren Ehemann zulasten der Arbeitgeberin bereichert und mehrere Millionen Euro zu deren Lasten veruntreut - zu einer Freiheitsstrafe von jeweils fünfeinhalb Jahren verurteilt habe, wobei die Beteiligte zu 3 hierdurch und die damit verbundenen immensen Schäden für die Arbeitgeberin mehrere hunderte Arbeitsplätze bei dieser gefährdet habe, auch diejenigen der schwerbehinderten Arbeitnehmer. Diese Arbeitnehmer habe die Beteiligte zu 3 durch die verfahrensgegenständliche Wahl instrumentalisiert. Entgegen deren Auffassung habe die Wahlversammlung am 23.11.2011 gerade keinen Beschluss über eine Aufteilung der Wahl in zwei Wahlvorgänge getroffen und auch darüber gefasst gehabt, wie viele stellvertretende Mitglieder die Wahlversammlung wählen wolle - wie sich bereits aus dem Inhalt eines, erstinstanzlich vorgelegten, Schreibens der Beteiligten zu 3 selbst an eine Frau K vom 15.02.2012 (Anl. B3, Bl. 229 f d. A.) ergebe. Gleiches folge aus dem ebenfalls vorgelegten Schreiben einer weiteren Arbeitnehmerin, Frau L, vom 21.12.2011 an die Beteiligte zu 3 (Anl. 3, Bl. 249 d. A.). Überdies habe die Beteiligte zu 3 in einem weiteren Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Rosenheim einen anderen Ablauf dieses Wahlvorgangs dargestellt und dort selbst ausgeführt, dass der Betriebsratsvorsitzende und Wahlleiter M erst nach erfolgter Wahl, allein, der Beteiligten zu 3 des vorliegenden Verfahrens zur stellvertretenden Schwerbehindertenvertreterin die Anwesenden dort über einen Anruf eines Arbeitnehmers informiert habe, der sich im Klinikum befinde, wonach dieser erklärt hätte, dass er bei Wahl der Beteiligten zu 3 des vorliegenden Verfahrens dann als weiterer Stellvertreter nach dieser fungieren wolle - woraufhin erst die Wahlversammlung per Handzeichen beschlossen habe, dass es aufgrund dieser Vorschläge zwei weitere Stellvertreter der Schwerbehindertenvertreterin geben solle. Die von der Beschwerdeführerin und Beteiligten zu 3 nunmehr angezogene rechtliche Würdigung des Arbeitsgerichts Rosenheim in einem anderen Kündigungsschutzverfahren zur Frage der Nichtigkeit/Anfechtbarkeit dieser Wahl vom 23.11.2011 sei unzutreffend und zudem vor der strafrechtlichen Verurteilung der Beteiligten zu 3 durch die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts C-Stadt II und dem Beschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim in einer anderen Beschlussstreitigkeit erfolgt. Die sogenannte Wahl vom 23.11.2011 sei auch deshalb nichtig, weil es sich hierbei um eine unzulässige Zwischenwahl gehandelt habe, die die Beteiligte zu 3 unzulässig - durch Einflussnahme auf den bisherigen stellvertretenden Schwerbehindertenvertreter Herrn J und die hierdurch verursachte Erklärung dessen Rücktritts, diesen jedoch nicht gegenüber der Arbeitgeberin, zur Erzwingung einer solchen Zwischenwahl - initiiert gehabt habe, überdies keine Wahl einer Wahlleitung in der Wahlversammlung erfolgt sei, wie erstinstanzlich näher ausgeführt, und des weiteren auch deshalb, weil die Wahlleitung durch den Betriebsratsvorsitzenden S. und damit durch einen nicht schwerbehinderten Menschen, der auch nicht einem solchen gleichgestellt sei, erfolgt sei. Dies begründe ebenfalls einen groben und offensichtlichen Verstoß gegen einen wesentlichen Grundsatz des gesetzlichen Wahlrechts, da dieser Wahlleiter nicht aktiv wahlberechtigt gewesen sei. Des Weiteren sei diese Wahl auch deshalb nichtig, weil keine Beschlussfassung über die Anzahl der zu wählenden stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung erfolgt gewesen sei, wie nach den einschlägigen Vorschriften der SchwbVWO zwingend erforderlich.

Die Schwerbehindertenvertreterin und Beteiligte zu 2 des vorliegenden Verfahrens hat - ohne im mündlichen Anhörungstermin einen förmlichen Antrag zu stellen - in Übereinstimmung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Arbeitsgerichts Rosenheim zur Beschwerdebegründung schriftsätzlich ausgeführt, dass es sich bereits dadurch, dass die stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung in getrennten Wahlgängen gewählt worden seien, um einen erheblichen und offenkundigen Verstoß in eindeutigem Widerspruch zum Wortlaut der SchwbVWO handle. Dies habe das Arbeitsgericht zutreffend als Nichtigkeitsgrund dieser Wahl gewertet, da damit für jeden Beteiligten offensichtlich sei, dass durch die Durchführung getrennter Wahlvorgänge durch den Wahlleiter die Reihenfolge der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung manipuliert werden könne. Dies gelte erst recht unter Berücksichtigung der weitergehenden Verstöße dieser Wahl - die durch den Betriebsratsvorsitzenden M geleitet worden sei, der mangels Schwerbehinderung oder Gleichstellung kein Mitglied der Wahlversammlung gewesen sei und damit nicht die Wahlleitung übernehmen habe dürfen, dieser darüber hinaus die Wahlleitung übernommen habe, ohne hierfür mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt worden zu sein, und die Wahlversammlung vor der Durchführung der Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung keinen Beschluss über die Zahl der zu wählenden stellvertretenden Mitglieder getroffen gehabt habe. Eine Zusammenschau dieser Verstöße führe zur Nichtigkeit der Wahl vom 23.11.2011, nachdem im vorliegenden Fall in einem einzigen Lebenssachverhalt mehrere Verstöße gegen Wahlvorschriften erfolgt seien. Gerade dies zeige eindrucksvoll, dass diese Wahl vom 23.11.2011 gezielt gelenkt und manipuliert worden sei, zumal die gesamte Wahlversammlung vom 23.11.2011 aus Sicht der Beteiligten zu 3 des vorliegenden Verfahrens und des Betriebsratsvorsitzenden M den einzigen Zweck gehabt habe, der Beteiligten zu 3 angesichts ihrer bevorstehenden Kündigung den gesetzlichen Sonderkündigungsschutz zu verschaffen. Um dieses Ziel zu erreichen seien sämtliche im Wege stehenden demokratischen Regeln bewusst missachtet und übergangen worden.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Zweiten Rechtszug im Übrigen wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 14.05.2014, vom 26.08.2014 und - Beteiligte zu 2 - vom 16.07.2014 sowie auf die ergänzenden Einlassungen der Beteiligten zu 1 in der mündlichen Anhörung im Beschwerdeverfahren gemäß der entsprechenden Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 25.09.2014 Bezug genommen.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 1 und Abs. 2, 89 Abs. 1 und Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG, 516, 518 ZPO) und damit zulässig.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3, Frau C., gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 06.12.2013 ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend und überzeugend begründet entschieden, dass die Wahl der Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung vom 23.11.2011 hier nichtig war.

1. a) Die Anfechtungsbefugnis der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1 kann hier ebenso wenig in Zweifel gezogen werden (§ 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX i. V. m. § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG) wie die Beschwerdebefugnis der von der Entscheidung unmittelbar betroffenen Beteiligten zu 3 des vorliegenden Verfahrens, Frau C..

b) Die - im Übrigen eingehaltene - Wahrung der Anfechtungsfrist der § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX i. V. m. § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist hier unerheblich, da die Nichtigkeit der Wahl jederzeit ohne Bindung an diese Anfechtungsfrist geltend gemacht werden kann.

2. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung vom 23.11.2011 nichtig war.

a) Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, ist die Wahl des/der stellvertretenden Mitglieds/Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung, wie eine Betriebsratswahl etc., in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Voraussetzung ist, dass der Mangel offenkundig und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen sind. Die Wahl muss "den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen" (BAG, ständ. Rspr., zuletzt etwa B. v. 23.07.2014, 7 ABR 23/12, juris - Rz. 41, m. w. N. -).

Seit der Entscheidung des BAG vom 19.11.2003 (7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG 1972) entspricht es ebenfalls ständiger Rechtsprechung des BAG, dass für die Frage der Nichtigkeit einer (Betriebsrats-)Wahl das Gewicht des einzelnen Verstoßes entscheidend ist, diese sich nicht erst aus einer Gesamtwürdigung verschiedener Verstöße ergeben kann.

b) Hier liegt ein derart schwerwiegender Verstoß - liegen derart schwere Verstöße - gegen die essentiellen Vorschriften zum Wahlverfahren vor, dass, ausgehend von vorigen Grundsätzen, nicht mehr von einem Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl gesprochen werden kann - diese vielmehr den Stempel der Nichtigkeit auf ihrer Stirn trägt. Die Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung in der Wahlversammlung am 23.11.2011 wurde dort in so evident fehlerhafter Weise durchgeführt, dass zur Überzeugung auch der Beschwerdekammer die Annahme auch nur eines Anscheins einer ansatzweise rechtskonformen Wahl ausscheiden muss:

aa) Der (offensichtlich: frühere) Betriebsratsvorsitzende M wurde in dieser Wahlversammlung weder ordnungsgemäß zum Wahlvorstand gewählt noch wäre er in diese Funktion überhaupt wählbar gewesen:

Nach § 20 Abs. 1 SchwbVWO ist der Wahlvorstand/Wahlleiter für diese Wahl auch im hier maßgeblichen vereinfachten Wahlverfahren gemäß §§ 18 f SchwbVWO in einer Versammlung der schwerbehinderten und diesen gleichstellten behinderten Menschen (Wahlberechtigte) "zu wählen". Nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 1 und zu 2 und den vorliegenden Unterlagen - deren Inhalt die Beteiligte zu 3 und Beschwerdeführerin allenfalls "halbherzig" und ohne jede Überzeugungskraft, für das Beschwerdegericht deshalb unerheblich, bestreitet - wurde der Betriebsratsvorsitzende S. dort nicht im Rechtssinn "gewählt" - nach dem von ihm selbst erstellten/allein unterzeichneten "Protokoll" dieser Wahlversammlung (u. a. Anl. 1, Bl. 33 f d. A.) wurde er dort von der (ersten) Schwerbehindertenvertreterin Frau (der Beteiligten zu 2 dieses Verfahrens) zum Wahlvorstand "bestellt" - also gerade nicht von den Teilnehmern dieser Wahlversammlung demokratisch gewählt, sondern schlicht autokratisch für diese Funktion bestimmt/in diese eingesetzt. Zu den umfangreichen bestreitenden Ausführungen der Beteiligten zu 1 und zu 2 dieses Verfahrens, dass in dieser Wahlversammlung nicht etwa, gegenteilig, irgendeine Form einer "Wahl" des Herrn M in Form einer "Akklamation" stattgefunden habe, wie von der Beteiligten zu 3 schriftsätzlich sodann allgemein behauptet, hat diese sich an keiner Stelle näher geäußert und, wie erforderlich (entsprechend § 138 Abs. 2 ZPO), qualifiziert ausgeführt, wie, in welcher Weise, eine solche "akklimative" "Wahl" erfolgt gewesen sein solle - was im Rahmen objektiver Beweislast zulasten der Beteiligten zu 3 und Beschwerdeführerin gehen muss.

Gleichzeitig wäre der Betriebsratsvorsitzende M dort überhaupt nicht als Wahlleiter wählbar gewesen: Er konnte nach den Regelungen der SchwbVWO nur aus der Mitte der Wahlversammlung gewählt werden, welcher hiernach ausschließlich Wahlberechtigte - also allein schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte behinderte Menschen - angehören konnten: §§ 94 Abs. 2 SGB IX, 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 2 Satz 1 SchwbVWO. Unstreitig ist Herr M keine solche schwerbehinderte bzw. diesen gleichgestellte Person.

Es gab damit keinen in irgendeiner Weise gesetzeskonform etablierten Wahlvorstand/-leiter für diese Wahl, was bereits allein deren Nichtigkeit begründen muss, da damit der nachfolgende Wahlvorgang ungeregelt stattfand.

bb) Auch und vor allem waren diese Wahlvorgänge selbst wiederum evident schwerwiegend fehlerhaft:

Die Wahlversammlung der schwerbehinderten und diesen gleichgestellten behinderten Menschen hat zunächst einen Beschluss über die Zahl der, in einem einzigen Wahlvorgang, zu wählenden stellvertretende Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung zu fassen: § 20 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SchwbVWO.

Auch am Vorliegen eines, notwendigen, solchen Beschlusses fehlte es hier: Nach den umfangreich begründeten Ausführungen der Beteiligten zu 1 und zu 2 wurde kein Beschluss über die Zahl der zu wählenden stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung gefasst, sondern die Beteiligte zu 3 mit den vom "Wahlleiter" M bereits vorbereiteten Stimmzetteln, die allein deren Namen enthielten, sogleich "gewählt". Auch wiederum aus dessen eigenem "Protokoll" ergibt sich, dass dort zwar zunächst "mit einfacher Stimmenmehrheit ... über die Anzahl der zukünftigen Stellvertreter abgestimmt" worden sein solle (?) - mit dem Ergebnis, dass es "in Zukunft 3 Stellvertreter geben" solle -, dann aber der "1 Stellvertreter" - die Beteiligte zu 3 des vorliegenden Verfahrens - in einem ersten Wahlgang und in einem getrennten weiteren Wahlgang zwei weitere Stellvertreter gewählt worden sein.

Auch dieses - bereits nach seiner Diktion: reichlich "dubios" anmutende - "Protokoll" des Herrn M sagt damit aus, dass es, entgegen eines dort erwähnten Vorwegbeschlusses, zwei Wahlgänge zur Wahl einer ersten stellvertretenden Schwerbehindertenvertreterin und sodann zweier weiterer stellvertretender Schwerbehindertenvertreter gegeben habe.

cc) Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, war damit der Wahlvorgang zur Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung hier derart gesetzeswidrig und nachgerade - mehr als - obskur erfolgt, dass nicht mehr auch nur von irgendeinem äußerlichen Anschein einer ansatzweise rechtskonformen Wahl ausgegangen werden kann. Dieses "Wahlverfahren" - als ein einziger Überprüfungssachverhalt, wenn auch in seinen Einzelschritten gemäß der Regelungen der SchwbVWO - war derart mängelbehaftet und in mehrfacher Hinsicht krass rechtswidrig, dass nicht auch nur von einem Anschein einer wenigstens im Kern rechtskonformen Wahl ausgegangen werden kann - diese damit als nichtig anzusehen ist.

Diese Wertung ist damit auch unabhängig von den umfangreichen weitergehenden Ausführungen der Beteiligten zu 1 zu 2 zu den Hintergründen dieser, allerdings bereits auf den ersten Blick und objektiv gesehen: denkwürdigen, "Wahl" der Beteiligten zu 3 zum behaupteten Zweck, ihr angesichts der im Raum stehenden - den Beteiligten zu diesem Zeitpunkt bekannten - Kündigung ihr gegenüber Sonderkündigungsschutz zu verschaffen, ausgehend von einem erheblichen Druck auf die Schwerbehindertenvertreterin Frau und deren vorigen Vertreters und dessen - in letzterem Fall: erfolgreichen - Rücktritt.

3. Damit ist die Beschwerde der Beteiligten zu 3 zurückzuweisen.


III.

Da dem Verfahren über die Klärung der konkreten Problemstellung hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Gegen diesen Beschluss ist deshalb die Rechtsbeschwerde nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gem. § 92 a ArbGG die Beteiligte zu 3 hingewiesen wird, zulassen sollte.

Referenznummer:

R/R7738


Informationsstand: 09.10.2018