Die Beschwerde der zu 5) bis 7) beteiligten Arbeitgeberinnen gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 06.11.2015 - 3 BV 103/14 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:
Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung vom 26.11.2014 wird für unwirksam erklärt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen
A.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl der Schwerbehindertenvertretung.
Die Antragsteller zu 1) bis 4) sind im Gemeinschaftsbetrieb der zu 5) bis 7) beteiligten Arbeitgeberinnen beschäftigte, als schwerbehinderte Menschen anerkannte Arbeitnehmer.
Am 15.10.2014 erließ der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben u.a. für die Wahl der Vertrauensperson (Bl. 12 f. d. A.) und legte an geeigneter Stelle eine Liste der Wahlberechtigten zur Einsicht aus. In dieser Liste waren bis zum Wahltag, dem 26.11.2014, folgende vier Personen nicht aufgeführt:
L und M, jeweils mit einem Grad der Behinderung von 60, mit denen ab dem 01.10.2014 jeweils für ein Jahr ein Arbeitsverhältnis begründet worden war;
T, der seit dem 01.07.2014 befristet bis zum 30.05.2015 tätig war, und der mit einem Grad der Behinderung von 30 antragsgemäß mit Bescheid vom 23.09.2014 durch die Agentur für Arbeit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wurde und der diesen Beschluss seiner Arbeitgeberin am 17.12.2014 vorlegte;
G mit einem Grad der Behinderung von 50, der im Zeitraum vom 01.10. bis 31.12.2014 im Rahmen einer Probebeschäftigung nach
§ 46 SGB III im Gemeinschaftsbetrieb tätig geworden ist, bevor anschließend für die Dauer eines Jahres eine Anstellung erfolgte.
Die Wahl zur Schwerbehindertenvertretung hatte laut Wahlniederschrift (Bl. 15 f. d. A.) folgendes Ergebnis:
Bewerber: C - 17 Stimmen
Bewerberin: I - 10 Stimmen
Bewerberin: Q - 19 Stimmen
Mit einem am 04.12.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz haben sich die vier Antragsteller gegen die Wirksamkeit der Wahl der Vertrauensperson gewandt.
Sie haben die Auffassung vertreten, es liege ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht vor, weil die im maßgeblichen Zeitpunkt dem Betrieb angehörenden schwerbehinderten Arbeitnehmer L, M, T und G zu Unrecht nicht hätten wählen dürfen. In Anbetracht des Zwei-Stimmen-Abstandes zwischen den Bewerbern Q und C könne durch den Verstoß eine Wahlbeeinflussung nicht ausgeschlossen werden.
Das Recht zur Wahlanfechtung hätten sie nicht deshalb verloren, weil von ihnen kein Einspruch gegen die Liste der Wahlberechtigten erfolgt sei. Ihr gesetzlich durch § 19
Abs. 2 Satz 1
BetrVG verbürgtes Recht, gegen eine Wahl vorzugehen, könne nicht durch rangniedrigere Bestimmungen in einer Wahlordnung eingeschränkt
bzw. ausgeschlossen werden.
Die Antragsteller haben beantragt,
festzustellen, dass die am 26.11.2014 bei den Antragsgegnerinnen durchgeführte Wahl zur Schwerbehindertenvertretung unwirksam ist.
Die Arbeitgeberinnen haben beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie haben die Ansicht zum Ausdruck gebracht, die vier Antragsteller könnten wegen des unterlassenen Einspruchs gegen die Liste der Wahlberechtigten jetzt nicht mehr die Wahl wegen Verstoßes gegen eine Wahlrechtsnorm anfechten.
Davon abgesehen sei das Wahlrecht des Mitarbeiters T angesichts des von ihm erst am 17.12.2014 vorgelegten Gleichstellungsbescheides im maßgeblichen Wahlzeitraum nicht erkennbar gewesen. Die Mitarbeiter L und G hätten von vornherein kein Interesse an der Wahl gezeigt, zumal sie auch am Wahltag nicht erschienen seien. Abgesehen davon habe im Falle G (noch) kein Wahlrecht bestanden.
Die danach verbleibende mögliche Stimme des Arbeitnehmers M, der am Wahltag erschienen und vom Wahlvorstand zurückgewiesen worden sei, hätte das Wahlergebnis nicht beeinflussen können.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 06.11.2015 dem Wahlanfechtungsantrag stattgegeben. Hinsichtlich der Begründung wird verwiesen auf II) der Gründe (Bl. 128
ff. d. A.).
Dagegen wenden sich die beteiligten Arbeitgeberinnen mit ihrer Beschwerde. Unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrages streichen sie heraus, dass die Antragsteller uneingeschränkt in der Lage gewesen seien, rechtzeitig Einspruch gegen die Liste der Wahlberechtigten einzulegen. Deshalb sei mit Ablauf der Einspruchsfrist die Liste der Wahlberechtigten einer Wahlanfechtung entzogen, weil anderenfalls die Regelung des
§ 4 der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen (im Folgenden kurz:
SchwbVWO) umgangen würde und die beabsichtigte Rechtssicherheit nicht eintreten könne.
Die zu 5) bis 7) beteiligten Arbeitgeberinnen beantragen,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 06.11.2015 - 3 BV 103/14 - abzuändern und den Antrag abzuweisen.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie streichen heraus, dass es keine gesetzliche Grundlage dafür gebe, ihr Anfechtungsrecht über die gesetzlichen Vorgaben hinaus einzuschränken.
Im Übrigen sei es gerade in Großbetrieben praktisch undurchführbar, wenn alle Arbeitnehmer sich zur Rechtswahrung vorbehalten müssten, innerhalb der 14-tägigen Einspruchsfrist die Frage der Wahlberechtigung von Belegschaftsangehörigen abschließend zu klären.
Davon abgesehen liege ein Wertungswiderspruch darin, wenn Arbeitnehmer in einem gerichtlichen Anfechtungsverfahren Fehler bei der Wahlberechtigung, die erst nach Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist durch Zu- und/oder Abgänge entstanden seien, ohne Einschränkung rügen könnten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
B.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Zu Recht hat nämlich das Arbeitsgericht dem Wahlanfechtungsantrag entsprochen. Die am 26.11.2014 durchgeführte Wahl zur Schwerbehindertenvertretung ist nach
§ 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX i.V.m. § 19
Abs. 1 1. Fall
BetrVG unwirksam, weil gegen § 94
Abs. 2
SGB IX als wesentliche Vorschrift über das Wahlrecht verstoßen wurde und dadurch das Wahlergebnis geändert
bzw. beeinflusst werden konnte.
I. Der Antrag ist gemäß § 94
Abs. 6 Satz 2
SGB IX i.V.m. § 19
Abs. 2
BetrVG zulässig.
Die vier Antragsteller, die das Verfahren fristgerecht innerhalb von 14 Tagen eingeleitet haben (§§ 94
Abs. 6 Satz 2
SGB IX, 19
Abs. 2 Satz 2
BetrVG), sind nach § 94
Abs. 6 Satz 2
SGB IX i.V.m. § 19 Abs. 2 Satz 1 1. Fall BetrVG zur Wahlanfechtung berechtigt.
Sie sind in dem von den drei Arbeitgeberinnen unterhaltenen Gemeinschaftsbetrieb wahlberechtigte schwerbehinderte Arbeitnehmer im Sinne des § 94
Abs. 2
SGB IX. Die ihnen dadurch zukommende Anfechtungsberechtigung haben sie, auch was den hier allein vorgebrachten Verstoß gegen die Wahlrechtsbestimmung des § 94
Abs. 2
SGB IX angeht, nicht dadurch verloren, dass sie es entgegen § 4
Abs. 1
SchwbVWO unterlassen haben, innerhalb der bis zum 29.10.2014 laufenden Zwei-Wochen-Frist Einspruch gegen die fehlerhafte Liste der Wahlberechtigten einzulegen.
1. Allerdings wird in der Rechtsprechung (
LAG Nürnberg, 31.05.2012 -
5 TaBV 36/11 - AiB 2013, 393;
LAG Frankfurt, 27.01.1976 - 5 TaBV 38/75 - BB 1976, 1271;
vgl. auch
LAG Düsseldorf, 08.05.1973 - 5 TaBV 10/73 - BB 1973, 2050) und Literatur (Fitting, 28. Aufl., § 19
BetrVG Rn. 14 u. § 4 WO Rn. 5; Richardi/Thüsing, 15. Aufl., § 19
BetrVG Rn. 10; Seipel,
Anm. zu
BAG, 29.03.1974 - 1 ABR 27/73 - AP
BetrVG 1972 § 19
Nr. 2) die Meinung vertreten, dass Arbeitnehmer, wenn sie es versäumen, rechtzeitig gegen die Wählerliste Einspruch einzulegen, bei Verstößen gegen das Wahlrecht nicht mehr zur Wahlanfechtung berechtigt sein sollen, wobei diese Ansicht mit unterschiedlichen Einschränkungen versehen wird.
So soll es nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (a.a.O.) erforderlich sein, dass die Arbeitnehmer nicht nur berechtigt, sondern auch in der Lage waren, Einspruch einzulegen, und es soll entscheidend darauf ankommen, einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten entgegenzuwirken (
vgl. auch Richardi/Thüsing und Seipel, jeweils a.a.O.).
Nach Fitting (a.a.O., § 4 WO Rn. 5) soll etwas anderes gelten, wenn die Arbeitnehmer arglistig von der Einlegung eines Einspruchs abgehalten wurden oder sonstwie verhindert waren, rechtzeitig Einspruch zu erheben.
2. Demgegenüber wird von anderen Teilen der Rechtsprechung (
LAG Hamm, 30.06.2015 - 7 TaBV 71/14 -; juris) und Literatur (DKKW/Homburg, 15. Aufl., § 19
BetrVG Rn. 6; ErfK/Koch, 16. Aufl., § 19
BetrVG Rn. 3;
GK/Kreutz, 10. Aufl., § 19
BetrVG Rn. 60 f.; Wlotzke in: Wlotzke/Preis/Kreft, 4. Aufl., § 19
BetrVG Rn 5) die Ansicht vertreten, das gesetzlich mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern eingeräumte Anfechtungsrecht könne nicht von zusätzlichen Voraussetzungen, namentlich einem rechtzeitigen Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste, abhängig gemacht werden.
3. In zwei Fällen vor dem Bundesarbeitsgericht (27.01.1993 - 7 ABR 37/92 - AP
BetrVG § 76
Nr. 29; 14.11.2001 - 7 ABR 40/00 - EzA § 19
BetrVG 1972
Nr. 42) konnte die Entscheidung dieser Streitfrage jeweils offen bleiben.
4. Nach Ansicht der Kammer ist es zutreffend, die Berechtigung zur Anfechtung der Schwerbehindertenvertretungswahl wegen eines Wahlrechtsverstoßes nicht davon abhängig zu machen, dass die anfechtenden Arbeitnehmer zuvor fristgerecht Einspruch gegen die Liste der Wahlberechtigten eingelegt haben.
a) Dafür spricht maßgeblich der vom Bundesarbeitsgericht zuletzt in seiner Entscheidung vom 23.07.2014 (
7 ABR 61/12 - AP
SGB IX § 94
Nr. 8;
vgl. zuvor
z.B. BAG, 29.03.1974 - 1 ABR 27/73 - AP
BetrVG 1972 § 19
Nr. 2; 25.06.1974 - 1 ABR 68/73 - AP
BetrVG 1972 § 19
Nr. 3) in einem anderen Zusammenhang herausgestrichene Gesichtspunkt, dass es sich bei § 4
SchwbVWO um eine Bestimmung im Rahmen einer auf der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des
§ 100 SGB IX erlassenen
Rechtsverordnung als niederrangiger Rechtsnorm handelt. Schon deshalb kann ihr der Regelungswille, etwas abweichend vom Gesetz zu regeln, nicht entnommen werden.
b) Dies wird bestätigt durch § 100
SGB IX. Danach wurde der Verordnungsgeber "nur" ermächtigt, "nähere Vorschriften über die Vorbereitung und Durchführung" der Wahl zu erlassen, nicht aber zu dem Regelungskomplex, unter welchen Voraussetzungen eine sodann durchgeführte Wahl wegen eines Wahlrechtsverstoßes anfechtbar sein soll.
c) Vor dem geschilderten Hintergrund hat das in § 4
SchwbVWO geregelte Einspruchsverfahren erkennbar "nur" den Sinn, den Wahlvorstand schon vor der Wahl auf Unrichtigkeiten in der Liste der Wahlberechtigten hinzuweisen und ihm so die Möglichkeit zu verschaffen, rechtzeitig Korrekturen vorzunehmen und so eine spätere Wahlanfechtung zu vermeiden (
vgl. BAG, 29.03.1974 - 1 ABR 27/73 - AP
BetrVG 1972 § 19
Nr. 2; 25.06.1974 - 1 ABR 68/73 - AP
BetrVG 1972 § 19
Nr. 3). Damit geht aber erkennbar nicht die gravierende Rechtsfolge einher, auch die in § 94
Abs. 6 Satz 2
SGB IX u.a. in Bezug genommene gesetzliche Vorschrift des § 19
Abs. 2 Satz 1 1. Fall
BetrVG über die Wahlanfechtungsberechtigung von mindestens drei Wahlberechtigten durch das Erfordernis eines vorherigen Einspruchs gegen die Wählerliste einzuschränken
bzw. die Liste der Wahlberechtigten nach Ablauf der 14-tägigen Einspruchsfrist einer Wahlanfechtung zu entziehen. Dazu hätte es wegen der damit verbundenen rechtlichen Tragweite einer ausdrücklichen Regelung zu den Rechtsfolgen eines unterbliebenen Einspruchs bedurft und nicht nur, wie allgemein üblich, im Wahlausschreiben des bloßen Hinweises, innerhalb welcher Frist man mit welcher Begründung beim Wahlvorstand Einspruch einlegen kann (siehe
§ 5 Abs. 1 Nr. 5 SchwbVWO und Ziffer 3 Satz 3 des Wahlausschreibens vom 15.10.2014).
Die Vorschrift des § 4
SchwbVWO behält trotzdem ihren selbständigen Regelungsinhalt, nämlich möglichst schon während des laufenden Wahlverfahrens Wahlrechtsverstöße aufzudecken und
ggf. bis zum letzten Tag vor dem Beginn der Stimmabgabe zu korrigieren (
vgl. § 4
Abs. 3 Satz 2
SchwbVWO). Davon zu trennen ist aber die Frage, nach welchen gesetzlichen Vorgaben trotzdem verbliebene Verstöße im Bereich der Ausübung des aktiven Wahlrechts einer arbeitsgerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können. Eine so verstandene Prüfungsreihenfolge führt nicht zu einer Umgehung (
vgl. aber
BAG, 27.01.1993 - 7 ABR 37/92 - AP
BetrVG § 76
Nr. 29), sondern zu einer rechtsstaatlich gebotenen Ergänzung der im Normgefüge niederrangigen Verfahrensvorschrift des § 4
SchwbVWO.
d) Für das gefundene Ergebnis spricht auch der vom Bundesarbeitsgericht (23.07.2014 -
7 ABR 23/12 - AP
SGB IX § 94
Nr. 7) im Zusammenhang mit der Unterschreitung der Mindestzahl anfechtender Arbeitnehmer herausgestrichene objektive Charakter von Wahlanfechtungsverfahren. Sie dienen nicht bestimmten Eigeninteressen, sondern sollen im Allgemeininteresse sicherstellen, dass eine demokratische Wahl den gesetzlichen Vorgaben gerecht wird. So zeigt namentlich das Anfechtungsrecht einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, in § 94
Abs. 6 Satz 2
SGB IX i.V.m. § 19
Abs. 2 Satz 1
BetrVG gleichrangig verankert neben dem von drei Wahlberechtigten und dem Arbeitgeber, dass das Rechtsschutzinteresse nicht eine persönliche Beschwer voraussetzt. Maßgeblich ist vielmehr die Wahrung des Allgemeininteresses an der Ordnungsgemäßheit einer Wahl (
vgl. auch
BVerwG, 27.04.1983 - 6 P 17.81 - BVerwGE 67, 145). Dieses Ziel würde gesetzeswidrig eingeschränkt, wenn man im Rahmen der genannten Normen - jedenfalls auf Arbeitnehmerseite - als zusätzliches ungeschriebenes Merkmal die vorherige Einlegung eines Einspruchs gegen die Liste der Wahlberechtigten fordern würde. Es käme zu einer ungerechtfertigten Begrenzung des Interesses von mindestens drei Wahlberechtigten am ordnungsgemäßen Zustandekommen der betrieblichen Interessenvertretung.
e) Im zu entscheidenden Fall wird dies namentlich auch in den Fällen L und M exemplarisch deutlich.
Beide schwerbehinderten Menschen wurden am 01.10.2014 in einen insgesamt
ca. 500 Arbeitnehmer umfassenden Gemeinschaftsbetrieb eingestellt. Es wäre nun, gerade auch angesichts der konkreten E-Mail-Anfrage des Wahlvorstandes ebenfalls vom 01.10.2014 (Bl. 62 f. d. A.), nach
§ 2 Abs. 6 SchwbVWO die Aufgabe der Arbeitgeberseite gewesen, dem Wahlvorstand unverzüglich die für die Erstellung der Liste der Wahlberechtigten erforderlichen (aktualisierten) Auskünfte zu geben (§ 2
Abs. 6 Satz 2
SchwbVWO). Nur weil das in der Folgezeit unterblieb, kam es am 15.10.2014 zur Veröffentlichung einer unrichtigen Liste der Wahlberechtigten, und auch in den Wochen danach bis zum Wahltag am 26.11.2014 wurde von keiner Seite der Fehler erkannt. Dies kann jetzt nicht dazu führen, dass den vier antragstellenden Arbeitnehmern mit ihren deutlich eingeschränkteren Erkenntnismöglichkeiten, namentlich was die Schwerbehinderteneigenschaft von Arbeitnehmern angeht, das Recht genommen wird, in einem gerichtlichen Anfechtungsverfahren den Gesichtspunkt eines Wahlrechtsverstoßes zur Überprüfung zu stellen, nur weil sie - offensichtlich auch ohne Wissen über die Unrichtigkeit der Liste der Wahlberechtigten - nicht fristgerecht bis zum 29.10.2014 Einspruch eingelegt haben.
In einer solchen Konstellation fragt es sich auch, ob nicht die unter B. I. 1. der Gründe aufgeführten Vertreter einer Einschränkung der Anfechtungsberechtigung zu demselben Ergebnis gelangen würden, weil auf Seiten der vier Antragsteller Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch nicht ersichtlich
bzw. sie "nicht in der Lage" oder "sonstwie verhindert" waren, rechtzeitig Einspruch einzulegen (
vgl. LAG Nürnberg, Fitting, Richardi/Thüsing und Seipel, jeweils a.a.O.).
Nach alledem ist die Antragsberechtigung der vier antragstellenden schwerbehinderten Arbeitnehmer gegeben.
II. Der Antrag ist auch begründet.
Die Anfechtung der Wahl zur Schwerbehindertenvertretung ist bereits deshalb erfolgreich, weil die Aufnahme der zwei schwerbehinderten Arbeitnehmer L und M in die Liste der Wahlberechtigten trotz der bei ihnen gemäß § 94
Abs. 2
SGB IX gegebenen Wahlberechtigung unterblieben ist und es dadurch zu einem anderen Ergebnis der durchgeführten Wahl gekommen sein kann.
1. Die Arbeitnehmer L und M, jeweils mit einem Grad der Behinderung von 60, sind mit Wirkung ab 01.10.2014 in ein Arbeitsverhältnis zu der zu 6) beteiligten Arbeitgeberin getreten und damit Angehörige des Gemeinschaftsbetriebs geworden, für den am 26.11.2014 die Schwerbehindertenvertretung gewählt wurde. Sie waren damit gemäß § 94
Abs. 2
SGB IX wahlberechtigt und hätten deshalb bei einem sachgerechten Informationsfluss zwischen der Arbeitgeberseite und dem Wahlvorstand in der am 15.10.2014 ausgehängten Liste der Wahlberechtigten aufgeführt sein müssen, zumal der Wahlvorstand noch mit E-Mail vom 01.10.2014, dem Tag der Einstellung der beiden Arbeitnehmer, die Arbeitgeberseite - vergebens - nach Beschäftigten gefragt hatte, die nicht auf der Liste standen.
Damit liegt in zwei Fällen ein Verstoß gegen § 94
Abs. 2
SGB IX als wesentliche Vorschrift über das Wahlrecht (§ 94
Abs. 6 Satz 2
SGB IX i.V.m. § 19
Abs. 1 1. Fall
BetrVG) vor.
2. Schon diese beiden Gesetzesverletzungen waren im konkreten Fall geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen.
a) Nach § 94
Abs. 6 Satz 2
SGB IX i.V.m. § 19
Abs. 1 letzter Halbsatz
BetrVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn die Verstöße das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnten. Dabei ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte Wahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Ergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (zuletzt
z.B. BAG, 10.07.2013 -
7 ABR 83/11 - AP
SGB IX § 94
Nr. 6).
b) In diesem Sinne war der Verstoß gegen § 94
Abs. 2
SGB IX geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Denn hätten zumindest die schwerbehinderten Arbeitnehmer L und M mitgewählt, ist nicht ausgeschlossen, dass sie sich beide für den Bewerber C entschieden hätten. Bei der dann gegebenen Stimmengleichheit mit der Wahlbewerberin Q (beide 19 Stimmen) hätte gemäß § 13
Abs. 2 Satz 2
SchwbVWO das Los entscheiden müssen, wodurch es nicht ausgeschlossen gewesen wäre, dass der Arbeitnehmer C zur Vertrauensperson gewählt worden wäre.
Im Falle L ändert sich daran nichts dadurch, dass dieser - anders als sein Kollege M - am Wahltag nicht zur Stimmabgabe erschienen ist. Denn selbst wenn sich ein Wahlberechtigter nicht darum kümmert, in die Liste der Wahlberechtigten aufgenommen zu werden und so sein Wahlrecht zu wahren, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein solcher Arbeitnehmer bei einer ordnungsgemäßen Eintragung in die Liste der Wahlberechtigten von seinem Wahlrecht doch Gebrauch gemacht hätte (
vgl. schon
BAG, 25.06.1974 - 1 ABR 68/73 - AP
BetrVG 1972 § 19
Nr. 3).
c) So kann letztlich offenbleiben, ob im Falle T tatsächlich die infolge der Gleichstellung eingetretene Wahlberechtigung nicht rechtzeitig erkennbar war und er deshalb zu Recht bei der Wahl am 24.11.2014 unberücksichtigt geblieben ist (
vgl. Pahlen in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, 12. Aufl., § 94
SGB IX Rn. 23).
d) Es muss auch nicht entschieden werden, warum der ab Oktober 2014 im Betrieb zum Einsatz gekommene Schwerbehinderte G aufgrund seiner "befristeten Probebeschäftigung" im Rahmen des
§ 46 Abs. 1 SGB III nicht wahlberechtigt gewesen sein soll (
vgl. Brand/Kühl,
SGB III, 7. Aufl., § 46 Rn. 2
ff.).
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob Arbeitnehmer durch die Nichteinlegung eines Einspruchs gegen die Liste der Wahlberechtigten ihr Recht verlieren können, die Wahl wegen eines Wahlrechtsfehlers anzufechten, war die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 92
Abs. 1 Satz 1, Satz 2
i.V.m. § 72
Abs. 2
Nr. 1
ArbGG).