Die Anträge zu 1.) und 2.) werden zurückgewiesen.
I.
Die Antragsteller zu 1.) bis 3.) begehren die Herausgabe von Wahlunterlagen für die Wahl einer weltlichen Schwerbehindertenvertretung.
Bei den Angestellten zu 1.) bis 3.) handelt es sich um bei der Antragsgegnerin beschäftigte Schwerbehinderte.
Die Antragsgegnerin ist eine anerkannte Religionsgemeinschaft im Sinne des
Art. 140
GG i. V. m.
Art. 137
Abs. 3 WRV. Sie ist die "Verwaltungsstelle" der Nordkirche. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland ist gemäß
Art. 3
Abs. 1
i. V. m.
Art. 4
Abs. 1 Verfassung der Evangelische/Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie wendet kirchliches Mitarbeitervertretungsgesetz, nämlich das Zweite Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD (MVG.EKD) an. Nach dem MVG ist die Bildung einer Vertrauensperson der Schwerbehinderten vorgesehen. Dies ist der Antragsteller zu 1.).
Die Antragsteller zu 1.) - 3.) tragen vor, dass es ihnen nicht ausreichend sei, lediglich eine kirchliche Vertrauensperson der Schwerbehinderten zu bestimmen. Sie wollen zusätzlich die Wahl einer weltlichen Schwerbehindertenvertretung durchführen. Sie sehen in der Vertretung allein durch eine kirchliche Vertrauensperson eine wesentliche Schlechterstellung. Die Antragsteller zu 1.) bis 3.) sind der Auffassung, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht durch die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung nicht beschränkt werde. Eine § 118
Abs. 2
BetrVG entsprechende Exemtion enthalte das
SGB IX unstreitig nicht. Das kirchliche Recht, ihre inneren Angelegenheiten selbst zu ordnen, werde durch die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung nicht beschränkt. Es müsse zwischenbetrieblicher Interessenvertretung und Schwerbehindertenvertretung unterschieden werden. In der personellen Zusammensetzung der Belegschaft, die nach kirchlichem Leitbild die "Dienstgemeinschaft" darstelle, drücke sich das Wesen der jeweiligen kirchlichen Dienststelle aus. Bei betrieblichen Interessenvertretungen hätten die Mitarbeitervertretungen nach §§ 40, 42 MVG.EKD in organisatorischen und sozialen Angelegenheiten ein Mitbestimmungsrecht, beispielsweise bei der personellen Zusammensetzung der Belegschaft. Anders verhalte es sich bei der Schwerbehindertenvertretung nach
§ 94 ff. SGB IX. Schwerbehindertenvertretungen sei es lediglich gestattet, für Schwerbehinderte beratend tätig zu werden. Ein §§ 40, 42 MVG.EKD entsprechendes Mitbestimmungsrecht habe die Schwerbehindertenvertretung nicht. Ein Eingriff in die Unternehmerhoheit und die Steuerungsprozesse des Betriebes könne somit nicht erfolgen. Die geschützte Kirchenautonomie werde bei der Wahl einer weltlichen Schwerbehindertenvertretung daher nicht verletzt. Die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung nach § 94
Abs. 1 Satz 1
SGB IX sei folglich durchzuführen. Der Antragsgegner sei verpflichtet, die Wählerlisten herauszugeben.
Die Antragsteller zu 1.) bis 3.) beantragen,
1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, eine nach Geschlechtern geordnete Linie aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 oder diesen gleichgestellten behinderten Menschen mit Familiennamen, Vornahmen, Geburtsdatum, Eintrittsdatum in den Betrieb und Privatanschrift zu erstellen und an die Antragsteller herauszugeben.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, eine nach Geschlechtern geordnete Liste aller im Betrieb eingesetzten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 oder diesen gleichgestellten behinderten Menschen eine anderen Arbeitgebers mit Familiennamen, Vornahmen, Geburtsdatum, Privatanschrift, vorgesehener Überlassungsdauer, Tag des Einsatzbeginnes und im Fall wiederholter Überlassung, auch deren bisherige Zeiträume, zu erstellen und an die Antragsteller herauszugeben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass den Antragstellern zu 1.) bis 3.) die geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen würden, denn bei der Antragsgegnerin sei keine Schwerbehindertenvertretung nach weltlichem Recht zu wählen. Die Bestimmungen des
SGB IX über die Schwerbehindertenvertretung seien auf Religionsgesellschaften nicht anwendbar. Dies folge aus den Wertungen des
Art. 140
GG i. V. m.
Art. 137
Abs. 3 WRV, denn bei dem Bereich der betrieblichen Mitbestimmung handele es sich um eine innere Angelegenheit der Kirche, die dem Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungsrecht der Kirchen unterliege und daher dem staatlichen Recht entzogen sei. Ferner zeigten sich an den beispielhaften, aber nicht ausschließlichen Bereichsausnahmen der §§ 112 BPersVG und
118 Abs. 2 BetrVG, dass auch der staatliche Gesetzgeber davon ausgehe, dass die Kirche jedenfalls in den Fällen, in denen sie eigene Regelungen über die Mitbestimmung erlassen habe, nicht dem weltlichen Recht unterfalle. Außerdem bedürfe es angesichts der verfassungsrechtlichen Wertungen auch keiner ausdrücklichen, ohnehin nur deklaratorischen Ausnahme.
Die Wahl einer weltlichen Schwerbehindertenvertretung nach den §§ 94
SGB IX knüpfe an den Begriff des "Betriebes" an, welcher sich wiederum nach dem
BetrVG richte. Folglich würden die Vorschriften des
SGB IX selbst festlegen, dass es sich bei der Schwerbehindertenvertretung um eine betriebliche Interessenvertretung handele und dass somit die Wertungen des
BetrVG und auch des BPersVG durch die Verweisungskette zu berücksichtigen seien.
Die Antragsgegnerin verteidigt sich im Übrigen mit Rechtsansichten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 17.03.2017 und vom 29.06.2017 Bezug genommen.
II. Die Anträge zu 1.) und 2.) auf Übergabe der Unterlagen für die Erstellung einer Wählerliste für die Wahl einer weltlichen Schwerbehindertenvertretung sind unbegründet.
Die Antragsgegnerin hat von dem durch
Art. 140
GG i. V. m.
Art. 137
Abs. 3 WRV garantierten Selbstordnungs- und Selbstbestimmungsrecht Gebrauch gemacht und wendet gemäß § 57
Abs. 1 EGVerf das Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG.EKD) an. Nach § 1
Abs. 1 MVG.EKD sind für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Dienststellen kirchlicher Köperschaften, Anstalten und Stiftungen der evangelischen Kirche in Deutschland, der Gliedkirchen sowie ihrer Zusammenschlüsse und der Einrichtungen der Diakonie nach Maßgabe dieses Kirchengesetzes Mitarbeitervertretungen zu bilden.
In § 50 MVG.EKD wird die Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen normiert. In § 51 MVG.EKD werden die Aufgaben der Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter festgelegt. In § 51
Abs. 1 MVG.EKD ist geregelt, dass die Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung nach staatlichem Recht gemäß
§ 95 Abs. 1 SGB IX für die schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Dienststelle nach § 2 wahrnimmt. Damit verweist die Vorschrift des MVG.EKD hinsichtlich der Rechtsstellung der Aufgaben lediglich auf § 95
Abs. 1
SGB IX und nicht auf die sonstigen Vorschriften des
SGB IX.
Auf dieser Ausgestaltung der Regelungen des MVG.EKD fußt das Begehren der Antragsteller, die die Regelungen im MVG.EKD für nicht weitreichend genug halten und daher daneben die Errichtung einer weltlichen Schwerbehindertenvertretung anstreben. Ein solcher Anspruch der Antragsteller zu 1.) bis 3.) besteht jedoch nicht. Dies ergibt sich aus
Art. 140
GG i. V. m.
Art. 137
Abs. 3 WRV.
Nach
Art. 140
GG sind die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 Bestandteil dieses Grundgesetzes.
Art. 137
Abs. 3 WRV normiert, dass jede Religionsgesellschaft innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze ihre Angelegenheiten selbstständig ordnet und verwaltet. Nach diesem Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht der Religionsgemeinschaften ist diesen infolge der verfassungsrechtlichen Sonderstellung der Kirchen das Recht gewährleistet, mitarbeitervertretungsrechtliche Fragen eigenständig zu regeln,
d. h. selbst darüber zu bestimmen, ob und in welcher Weise Mitarbeiter in Angelegenheiten des Betriebes, die ihre Interessen berühren, mitwirken und mitbestimmen. Hierbei gehören Regelungen über die Mitbestimmung zum Organisationsrecht, dass der Selbstgestaltungsmacht der Kirchen unterliegt (Fey/Rehren, Praxiskommentar zum MVG.EKD, § 50 Rn. 1 a). Zwar ist das
SGB IX als öffentlich-rechtliches Arbeitnehmerschutzgesetz ein "für alle geltendes Gesetz". Soweit dieses Gesetz jedoch Regelungen über die Bildung und die Aufgaben von Schwerbehindertenvertretungen und deren Zusammenarbeit mit den Betriebs- und Personalräten sowie anderen Personalräten enthält, liegen betriebsverfassungsrechtliche Bestimmungen vor, deren Regelungsgehalt unter das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nach
Art. 140
GG i. V. m. 137
Abs. 3 WRV fallen. Die Antragsteller können auch nicht damit gehört werden, dass, bedingt durch die beratenden und betreuenden Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung keine Einflussmöglichkeiten auf die sozialen und organisatorischen Angelegenheiten des Betriebes möglich seien. Die Wahl einer weltlichen Schwerbehindertenvertretung beeinflusse folglich nicht das Selbstregelungsrecht der Kirche. Allein durch die in § 95
Abs. 2
SGB IX geregelten weitergehenden Rechte und Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung werden die inneren Angelegenheiten berührt. § 95
Abs. 2
SGB IX regelt, dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören ist; er hat die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. So ist nach § 95
Abs. 2 Satz 2
SGB IX die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. Nach
§ 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ist die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, unwirksam.
Diese in § 95
Abs. 2 geregelten Ansprüche der Schwerbehindertenvertretung und die damit verbundenen Rechtsfolgen zeigen, dass eine weltliche Schwerbehindertenvertretung in die inneren Angelegenheiten der Kirche eingreifen würde, weil es
z. B. bei einer unterbliebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu einer Unwirksamkeit der Kündigung und damit zur Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses kommen würde.
Mit dieser Bewertung der Rechtslage geht auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 1977 (BVerfGE 46, 73 - 96) einher. Dort ist entschieden worden, dass das Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht der Kirche bestimmt, ob und in welcher Weise die Arbeitnehmer und ihre Vertretungsorgane in Angelegenheiten des Betriebes, die ihre Interessen berühren, mitwirken und mitbestimmen. Demgemäß geht es um das "wie" der betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer. In den Fällen in denen das "wie" der Mitbestimmung in Streit steht, ist das staatliche Recht unanwendbar, wenn das kirchliche Recht - wie hier - eine entsprechende Regelung enthält. Eine Exemtion - wie in §§ 112 BPersVG und § 118
Abs. 2
BetrVG erübrigt sich.
Die Anträge, die beide die Übergabe von Unterlagen für die Erstellung von Wählerlisten für die Wahl einer weltlichen Schwerbehindertenvertretung gerichtet waren, waren daher abzuweisen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebühren- und auslagenfrei.