Urteil
Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen - Wahl des Stellvertreters - Anfechtung

Gericht:

ArbG Berlin 58. Kammer


Aktenzeichen:

58 BV 11694/22


Urteil vom:

10.10.2023


Grundlage:

Orientierungssatz:

1. Gemäß § 177 Abs 6 S 2 SGB 9 2018 gelten für die Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und der Stellvertreter die Vorschriften über die Wahlanfechtung bei der Wahl des Personalrats entsprechend. Die Wahl kann demnach entsprechend § 26 BPersVG 2021 angefochten werden, wenn bei dieser gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

2. Die Schwerbehindertenvertretung ist kein Kollegialorgan. Die Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen ist demnach eine von der Wahl der stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen eigenständige Wahl. Die Wahlen können und müssen deshalb jeweils eigenständig angefochten werden.

3. Die Wahlen sind nach § 177 Abs 6 S 2 SGB 9 2018 in Verbindung mit § 26 BPersVG 2021 für unwirksam zu erklären, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

4. Gemäß § 7 BPersVG 2021 gelten Teile einer Dienststelle, die räumlich weit entfernt von der Dienststelle liegen, als selbstständige Dienststellen, wenn die Mehrheit ihrer wahlberechtigten Beschäftigten dies in geheimer Abstimmung beschließt. Der sogenannte Verselbständigungsbeschluss gilt für die laufende Personalratsamtszeit.

5. Dienststellen, die die Mindestzahl von fünf nicht nur vorübergehend beschäftigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen nicht erfüllen, können nach § 177 Abs 1 S 4 SGB 9 2018 für die Wahl einer gemeinsamen Schwerbehindertenvertretung zusammengefasst werden. Keine Voraussetzung für eine Zusammenfassung ist es, dass die zusammenzufassenden Dienststellen jeweils weniger als fünf schwerbehinderte Mitarbeiter beschäftigen. Zulässig ist auch die Zusammenfassung einer kleineren Dienststelle mit weniger als fünf schwerbehinderten Beschäftigten mit einer Dienstelle, die die Vorrausetzungen nach § 177 Abs 1 S 1 SGB 9 2018 erfüllt. Für die Bildung eines "zusammengefassten" Wahlbezirks ist maximal ein wahlfähiger Betrieb zulässig. Danach besteht keine Möglichkeit, nichtwahlfähige und mehrere wahlfähige Einheiten zusammenzufassen.

6. Über die Zusammenfassung entscheidet nach § 177 Abs 1 S 5 SGB 9 2018 der Arbeitgeber im Benehmen mit dem Integrationsamt. Sind für die zusammenzufassenden Dienststellen verschiedene Integrationsämter zuständig, muss sich der Arbeitgeber mit allen zuständigen Integrationsämtern ins Benehmen setzen.

7. Nach § 5 Abs 1 S 1 SchwbWO erlässt spätestens sechs Wochen vor dem Wahltag der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben, das von dem oder der Vorsitzenden und mindestens einem weiteren Mitglied des Wahlvorstandes zu unterschreiben ist. Nach § 5 Absatz 2 SchwbWO ist eine Abschrift oder ein Abdruck des Wahlausschreibens vom Tage seines Erlasses bis zum Wahltag an einer oder mehreren geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen vom Wahlvorstand auszuhängen und in gut lesbarem Zustand zu erhalten. § 5 Abs 2 SchwbWO bestimmt, dass das Wahlausschreiben an Stellen ausgehängt wird, die den Wahlberechtigten zugänglich sind. Daraus sowie aus Sinn und Zweck der Regelungen über das Wahlausschreiben und dessen Bekanntmachung ergibt sich, dass grundsätzlich ein Aushang in allen Betriebsstätten erforderlich ist, in denen Wahlberechtigte beschäftigt sind.

8. Bei § 177 Abs 1 S 1 und 4 SGB 9 2018 und § 5 Abs 2 SchwbWO handelt es sich um wesentliche Wahlvorschriften, deren Missachtung grundsätzlich geeignet ist, das Wahlergebnis zu beeinflussen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Entscheidungsdatenbank Brandenburg

Tenor:

Die Wahl zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen sowie die Wahl zu den Stellvertretern 1 bis 6 der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen bei der Bundespolizeidirektion Berlin, A-Straße …, … Berlin wird für unwirksam erklärt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Wahl zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen sowie zur Wahl deren Stellvertreter bei der Bundespolizeidirektion Berlin.

Die Beteiligten zu 1. bis 3. sind 3 schwerbehinderte Dienstangehörige bei der Beteiligten zu 11.

Die Bundespolizeidirektion Berlin besteht aus den nachfolgenden Inspektionen:

BPOLI Hauptbahnhof Berlin

BPOLI Ostbahnhof Berlin

BPOLI Forst

BPOLI Angermünde

BPOLI Frankfurt Oder

BPOLI Auswärtiges Amt

BPOLI Bundeskanzleramt

BPOLI Bundespräsidialrat Amt

BPOLI Flughafen BER IB1

BPOLI Flughafen BER IB2

BPOLI Flughafen BER IB3

BPOLI Flughafen BER Verwaltung

Sachbereich 14 (Zentrum Swiecko).

Mit einem Wahlausschreiben vom 20.09.2022 wurde die Wahl der Schwerbehindertenvertretung für den 08.11.2022 angekündigt und die Bestellung der Mitglieder des Wahlvorstandes mitgeteilt. Auf den Inhalt des Wahlausschreibens wird vollumfänglich verwiesen (Blatt 10 fortfolgende der Akte).

Mit Schreiben vom 21.09.2022 informierte der Wahlvorstand über die Auslegung der Liste der Wahlberechtigten. Auf den Inhalt des Schreibens wird vollumfänglich verwiesen (Blatt 12 der Akte).

Mit E-Mail vom 21.09.2022 wandte sich der Vorsitzende des Wahlvorstandes, der Beteiligte zu 7., an alle Inspektionen (Anlage AG 7, Blatt 13 folgend der Akte). Er bat um Ausdruck des Wahlausschreibens und um Aushang dieses Schreibens vom Tag des Erlasses (23.09.2022) bis zum Wahltag (08.11.2022) in der jeweiligen Inspektion an einer oder mehrerer geeigneter Stellen. Er bat ebenfalls das Schreiben „Liste der Wahlberechtigten“ auszudrucken, mit dem beigefügten Formular sicher zu verbinden und gegebenenfalls in den Personalbereichen oder Geschäftszimmern der Inspektionen auszulegen. Er wies darauf hin, dass die Liste der Wahlberechtigten nicht zum öffentlichen Aushang gebracht werden dürfe.

Mit E-Mail des Beteiligten zu 1. vom 04.10.2022 an den Wahlvorstand moniert dieser, dass die E-Mail vom 21.09.2022 an Funktionspostfächer gesandt worden sei, wodurch ein Zugriff nichtberechtigter Sachbereiche und Personen ermöglicht worden sei (Blatt 15 fortfolgende der Akte). Der Beteiligte zu 1. zeigte weiterhin gegenüber dem Datenschutzbeauftragten der Bundespolizeidirektion Berlin einen Datenschutzverstoß an (Blatt 18 der Akte). Auf den diesbezüglichen Schriftverkehr sowohl mit dem Wahlvorstand als auch mit dem Datenschutzbeauftragten wird verwiesen (Blatt 19 folgend der Akte).

Mit Schreiben vom 10.10.2022 erfolgte die Bekanntmachung der Bewerber/innen (Blatt 21 der Akte).

Mit Schreiben vom 02.11.2022 wies der Beteiligte zu 1. den Wahlvorstand darauf hin, dass die Ausfertigung des Wahlausschreibens in der Inspektion BPOLI BER im Gebäude Sicherheitsdienste (GSD) nur schwer im 2. Obergeschoss im Bereich des Dienststellenleiters auffindbar sei, welcher nicht regelmäßig durch eine möglichst große Zahl von Beschäftigten aufgesucht werde. Auch der Aushang des 2. Wahlausschreibens im 1. Obergeschoss im Bereich der Dienstgruppenleitung werde nur unregelmäßig von Mitarbeitenden der Bundespolizei aufgesucht (Blatt 25 folgend der Akte).

Mit Schreiben vom 08.11.2022 wurde das Wahlergebnis mitgeteilt. In dem Schreiben wurde der Beginn der Amtszeit mit dem 08.11.2022 und deren Ende mit dem 30.11.2026 angegeben (Blatt 28 der Akte). Mit E-Mail vom 11.11.2022 wurde das Wahlergebnis bekannt gemacht (Blatt 29 der Akte). Zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen wurde der Beteiligte zu 4. gewählt. Die Beteiligten zu 5. bis 10. sind die gewählten Stellvertreter.

Mit Antragsschrift vom 17.11.2022, eingegangen beim Arbeitsgericht Berlin am 21.11.2022, beantragen die Beteiligten zur 1. bis 3. die Wahl zur Vertrauensperson sowie die Wahl zu den Stellvertretern für unwirksam zu erklären.

Die Beteiligten zu 1. bis 3. rügen im Hinblick auf die Bekanntmachung des Wahlausschreibens im Gebäude GSD die Anzahl sowie den Ort der Aushänge. Im Gebäude GSD seien lediglich zwei Wahlausschreiben ausgehängt worden und dies in Bereichen, die regelmäßig nicht von einer großen Anzahl von Mitarbeitern aufgesucht würden. Die Aushänge seien erfolgt im 2. Obergeschoss am Ende des Flures der Verwaltung direkt neben dem Büro des Dienststellenleiters und im Flurbereich im 1. Obergeschoss, in welchem nur die Dienstgruppenleitung Büroräume habe. Dieses Gebäude sei das Hauptgebäude der Bundespolizeiinspektion BER. In diesem Gebäude seien auch die meisten schwerbehinderten Beschäftigten tätig. In der 2. Etage befänden sich die Umkleideschränke von ca. 900 bis 1000 Beamten und Angestellten. Auf die zur Akte gereichten Lagepläne des Gebäudes wird verwiesen (Blatt 30 fortfolgende der Akte). Im Gebäude GSD fehlte zudem die erforderliche Anlage „Auslegung der Liste der Wahlberechtigten“ zu den Wahlausschreiben. Die Beteiligten zu 1. bis 3. sind der Auffassung, der behauptete Aushang des Wahlausschreibens im Arbeitsbereich der Rückführung sei nicht für jedermann zugänglich, da es sich um einen abgetrennten Arbeitsbereich für Rückführungspersonal handele. Weitere Aushänge hätten am 27.09.2022 nicht festgestellt werden können. Auf der Ebene 0 im Flur vor den Waffenlagern sei kein weiteres Wahlausschreiben festgestellt worden. Im Aufenthaltsbereich des Inspektionsbereiches 2 auf der Ebene 0 sei ebenfalls kein Wahlausschreiben aufgefunden worden. Auf die zur Akte gereichten Fotos vom 27.09.2022 (Blatt 98 fortfolgende der Akte) wird verwiesen.

Die Beteiligten zu 1. bis 3. rügen des Weiteren, dass im Wahlausschreiben nicht vermerkt sei, wann und wo dieses ausgehängt worden sei, was ein Verstoß gegen §§ 3 und 5 SchwbVWO (Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen) darstelle. Ohne Angabe des Aushangdatums und des Aushangortes könne nicht nachvollzogen werden, wann und wo die Wahlausschreiben ausgehängt worden seien. Die Wahrung der gesetzlichen Fristen sei so nicht nachvollziehbar. Gleiches gelte für den Aushang der Bekanntmachung der Bewerbenden sowie des Wahlergebnisses, weshalb Verstöße gegen § 8 und § 15 SchwbVWO vorlägen.
Das Versenden der E-Mail vom 21.09.2022 durch den Beteiligten zu 7. an Funktionspostfächer Personal bzw. Verwaltung oder Geschäftszimmer sei nicht nur ein datenschutzrechtlicher Verstoß, sondern auch ein Verstoß gegen § 5 Absatz 2 SchwbVWO. Die E-Mail-Nachricht hätten auch Personen erhalten, die nicht Mitarbeiter des Sachbereichs Personal seien; es sei nicht auszuschließen, dass Dritte unerlaubt Kenntnis vom Inhalt der Liste genommen, diese weitergeleitet oder abgespeichert hätten.
Schließlich liege ein Verstoß gegen § 177 Absatz 1 SGB IX (Sozialgesetzbuch IX) vor. Für die Wahl zur Schwerbehindertenvertretung sowie zur Wahl der Stellvertreter in der Bundespolizeidirektion Berlin seien mehrere verselbständigte Dienststellen zusammengefasst worden und zwar neben der Bundespolizeidirektion Berlin die BPOLI Angermünde und die BPOLI Frankfurt/Oder. In den beiden letztgenannten seien eigene Personalräte gewählt. Dort seien auch mehr als 5 schwerbehinderte bzw. gleichgestellte Mitarbeiter/innen tätig, und zwar in Angermünde 18 und in Frankfurt/Oder 28. Die Wahl erfolge grundsätzlich in Dienststellen, in denen wenigstens 5 schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt seien. Gewählt werde grundsätzlich für den Bereich der (verselbstständigen) Dienststelle. Hätten wahlberechtigte Beschäftigte dafür gestimmt, als selbstständige Dienststelle aufzutreten, erstrecke sich dieser Beschluss auch auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung. Die mögliche Zusammenfassung mit Dienststellen, in den weniger als 5 schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt seien, gelte vorliegend für Angermünde und Frankfurt/Oder nicht. Dies seien verselbständigte Dienststellen, die zur Wahl einer eigenen Schwerbehindertenvertretung sowie Stellvertretung verpflichtet seien. Aus diesem Grund seien unzulässigerweise mindestens 46 schwerbehinderte Beschäftigte anderer Dienststellen auf der Wählerliste des Wahlvorstandes der Bundespolizeidirektion Berlin aufgeführt worden, was einen wesentlichen Verstoß gegen die Wahlvorschriften darstelle.

Die Beteiligten zu 1. bis 3. beantragen,

die Wahl zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen sowie die Wahl zu den Stellvertretern 1 bis 6 der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen bei der Bundespolizeidirektion Berlin, A-Straße …, … Berlin für unwirksam zu erklären.

Die Beteiligten zu 4. bis 10. beantragen,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 11. stellt keinen Antrag.

Die Beteiligten zu 4. bis 10. sind der Auffassung, dass die Wahlausschreiben ordnungsgemäß und hinreichend häufig im Gebäude GSD ausgehängt worden seien. Zusätzlich zu den unstreitigen Orten im 1. und 2. Obergeschoss sei ein Aushang im Erdgeschoss des Gebäudes im Aufenthaltsbereich des Rückführungsdienstes und im Gang vor den Waffenlagern des IB II und der FüGr erfolgt. Zusätzlich sei ein Aushang im Terminal 2 erfolgt; das sei der Einsatzabschnitt der Kollegen, welche sich im GSD umziehen. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme habe daher bestanden. Alle Aushangorte seien den Wahlberechtigten zugänglich gewesen. Sie seien auch geeignet gewesen. Der Eingangsbereich im Gebäude GSD wäre nicht geeigneter, denn hier hätte sich ein Datenschutzproblem gestellt. Der Eingangsbereich werde auch durch Mitarbeiter des Zolls und der Flughafensicherheit genutzt. Die Aushänge seien an Orten erfolgt, an denen auch sonst die betriebliche Bekanntgabe erfolgen. Die Aushänge hätten auch Angaben zu Ort und Datum des Aushangs erhalten (Anlage 1, Blatt 82 fortfolgende der Akte). Die Daten seien umgehend nachgeholt worden, nachdem das Fehlen aufgefallen sei.

Die Beteiligten zu 4. bis 10. sind weiterhin der Auffassung, es sei richtig, dass bei den Aushängen im Gebäude GSD die Liste der Wahlberechtigten nicht ausgelegt gewesen sei. Dies habe aufgrund der enthaltenen sensiblen Gesundheitsdaten nicht öffentlich erfolgen sollen.

Die Bekanntmachung der Bewerberinnen und Bewerber sei am 17.10.2022 an alle Inspektionen mit der Aufforderung zum Aushang versandt worden und damit rechtzeitig. Enthalten gewesen seien alle relevanten Hinweise (Anlage 3 und 4, Blatt 86 fortfolgende der Akte).

Ein Verstoß aufgrund der Versendung an die Funktionspostfächer sei nicht gegeben. Eine persönliche Verteilung an die Inspektionen habe der dreiköpfige, nicht freigestellte Wahlvorstand nicht leisten können. Er habe stichprobenartig, insbesondere am BER die Aushänge kontrolliert. Es habe sich um Funktions-E-Mail-Postfächer der Personalabteilung sowie um ein übliches Vorgehen gehandelt. Alle Adressaten hätten bereits Kenntnis von der jeweiligen Schwerbehinderung gehabt und seien zur Vertraulichkeit verpflichtet.

Ein Datenschutzverstoß liege ebenso nicht vor. Auch der vom Beteiligten zu 1. benannte Herr B sei Sachbearbeiter im Bereich Organisation der Inspektionen und gehöre damit zum Bereich Personal der Verwaltung. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass alle schwerbehinderten bzw. gleichgestellten Arbeitnehmer mit der Bekanntgabe ihres Namens und damit der Angabe, dass ein Grad der Behinderung anerkannt sei, einverstanden seien, sonst würden sie nicht auf der Liste erscheinen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass ein etwaiger Fehler keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt hätte, denn 111 von 188 Person hätten ihre Stimme abgegeben.

Hinsichtlich der Inspektion Angermünde und Frankfurt/Oder sind die Beteiligten zu 4. bis 10. der Auffassung, die schwerbehinderten Beschäftigten dieser Dienststellen haben in die Wählerliste aufgenommen werden können. Es seien keine Dienststellen nach § 177 SGB IX, sondern Teile einer Dienststelle nach § 7 BPersVG (Bundespersonalvertretungsgesetz). In den verselbständigten Dienststellen Angermünde und Frankfurt/Oder seien zwar regelmäßig mehr als 5 schwerbehinderte Arbeitnehmer beschäftigt, dennoch habe nie eine Wahl zur Schwerbehindertenvertretung stattgefunden.

Die Beteiligte zu 11. hat sich nicht geäußert.

Für das übrige Vorbringen der Beteiligten wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.

II.

Die Anträge auf Unwirksamkeitserklärung der Wahl zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen sowie zur Wahl deren Stellvertreter sind zulässig und begründet.

1. Die Anträge der antragstellenden Beteiligten zu 1. bis 3. sind zulässig.

a.
Die antragstellenden Beteiligten verfolgen ihr Begehren zu Recht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren.

Gemäß § 177 Absatz 6 Satz 2 SGB IX gelten für die Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und der Stellvertreter die Vorschriften über die Wahlanfechtung bei der Wahl des Personalrats entsprechend. Die Wahl kann demnach entsprechend § 26 BPersVG angefochten werden, wenn bei dieser gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Das ist eine Angelegenheit aus dem IX. Buch des Sozialgesetzesbuches im Sinne des § 2a Absatz 1 Nr. 3 a ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz).

b.
Die Schwerbehindertenvertretung ist kein Kollegialorgan. Die Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen ist demnach eine von der Wahl der stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen eigenständige Wahl. Die Wahlen können und müssen deshalb jeweils eigenständig angefochten werden (BAG, 21.03.2018 - 7 ABR 29/16 -; BAG, 29.07.2009 - 7 ABR 91/07 -).

Dies ist vorliegend ausweislich der Antragstellung erfolgt.

c.
Die Verfahrensvoraussetzungen des § 177 Absatz 6 Satz 2 SGB IX in Verbindung mit § 26 BPersVG liegen vor.

aa.
Nach dieser Vorschrift bedarf es für die Anfechtungsberechtigung unter anderem eines Quorums von mindestens drei wahlberechtigten schwerbehinderten Beschäftigten und der Einhaltung einer Frist von zwölf Arbeitstagen vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet (vergleiche zur Anfechtungsberechtigung als Zulässigkeitsvoraussetzung BAG, Beschluss vom 10.06.1983 - 6 ABR 50/82).

bb.
Die Wahl zur Vertrauensperson der Schwerbehinderten wie auch zur Stellvertretung vom 08.11.2022 wurde mit der Antragsschrift von drei schwerbehinderten wahlberechtigten Beschäftigten angefochten. Dabei geht die Kammer mit allen Beteiligten davon aus, dass grundsätzlich keine Zweifel bestehen, dass es sich bei den Beteiligten zu 1. bis 3. um schwerbehinderte Menschen handelt, die wahlberechtigt im Sinne des § § 177 Absatz 2 SGB IX sind.

Die Wahlen zur Schwerbehindertenvertretung und deren Stellvertretung sind rechtzeitig binnen zwölf Arbeitstagen angefochten worden, nachdem das endgültige Wahlergebnis am 08.11.2022 bekannt gegeben wurde, § 177 Absatz 6 Satz 2 SGB IX in Verbindung mit § 26 BPersVG. Die Antragsschrift vom 17.11.2022 ist beim Arbeitsgericht am 21.11.2022 und damit fristgemäß eingegangen.

2.
Die Anträge sind begründet. Beide Wahlen sind für unwirksam zu erklären.

Die Wahlen sind nach § 177 Absatz 6 Satz 2 SGB IX in Verbindung mit § 26 BPersVG für unwirksam zu erklären, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
a.
Die Einbeziehung der schwerbehinderten Beschäftigten der BPOLI Angermünde und BPOLI Frankfurt/Oder in den Kreis der Wahlberechtigten verstößt gegen § 177 Absatz 1 Satz 1 und 4 SGB IX.

aa.
Bei den BPOLI Angermünde und BPOLI Frankfurt/Oder handelt es sich um Dienststellen, die die Voraussetzungen des § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX erfüllen.

(1)
Gemäß § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX werden in Dienststellen, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, eine Vertrauensperson und wenigstens ein stellvertretendes Mitglied gewählt. Der Begriff der Dienststelle bestimmt sich nach dem jeweiligen Personalvertretungsrecht, § 170 Absatz 1 Satz 2 SGB IX, vorliegend für die Bundespolizeidirektion Berlin nach dem BPersVG. Nach § 4 Absatz 1 Nr. 6 BPersVG ist eine Dienststelle die einzelne Behörde. Gemäß § 7 BPersVG gelten Teile einer Dienststelle, die räumlich weit entfernt von der Dienststelle liegen, als selbstständige Dienststellen, wenn die Mehrheit ihrer wahlberechtigten Beschäftigten dies in geheimer Abstimmung beschließt. Der sogenannte Verselbständigungsbeschluss gilt für die laufende Personalratsamtszeit (BAG, Beschluss vom 14.09.2022 – 7 ABR 14/21, NZA 2023, 374 Rn. 26; Richardi/Dörner/Weber/Benecke, 5. Auflage 2020, BPersVG § 6 Rn. 31).Entsprechend der vorgenannten Grundsätze geht die Kammer mit allen Beteiligten davon aus, dass es sich bei den BPOLI Angermünde und BPOLI Frankfurt/ um selbstständige Dienststellen im Sinne von § 7 BPersVG handelt.

Teil einer Dienststelle ist jede verwaltungsorganisatorische Gliederung, die zwar anders als die Nebenstelle keine selbständigen Funktionen und Aufgaben erfüllt, aber innerhalb der Organisation der Dienststelle aus organisatorischen, technischen oder räumlichen Gründen relativ verselbständigt ist (Richardi/Dörner/Weber/Benecke, 5. Auflage 2020, BPersVG § 6 Rn. 26). In diesem Zusammenhang ist im Anhörungstermin erläutert worden, dass es für die Inspektionen der Bundespolizeidirektion Berlin nur eine Personalstelle und auch die Bearbeitung und Koordination anderer Sachbereiche nur einmal in Berlin gebe, weshalb von Dienststellenteilen im vorgenannten Sinn auszugehen ist. Die Voraussetzung der räumlichen Entfernung ist ebenfalls für beide Inspektionen erfüllt. Daten zu den Verselbständigungsbeschlüssen sind zwar nicht bekannt sind. Dass solche vorliegen müssen, belegt indes der Umstand, dass in den BPOLI Angermünde und BPOLI Frankfurt/Oder eigene Personalräte gewählt sind.
(2)
Die Kammer geht mit allen Beteiligten weiterhin davon aus, dass in beiden selbstständigen Dienststellen regelmäßig mehr als 5 schwerbehinderte Beschäftigte tätig sind.

bb.
Die Zusammenfassung der BPOLI Angermünde und BPOLI Frankfurt/Oder mit den Berliner Inspektionen verstößt gegen § 177 Absatz 1 Satz 4, 5 SGB IX.

Dienststellen, die die Mindestzahl von fünf nicht nur vorübergehend beschäftigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen nicht erfüllen, können nach § 177 Absatz 1 Satz 4 SGB IX für die Wahl einer gemeinsamen Schwerbehindertenvertretung zusammengefasst werden. Keine Voraussetzung für eine Zusammenfassung ist es, dass die zusammenzufassenden Dienststellen jeweils weniger als fünf schwerbehinderte Mitarbeiter beschäftigen (BVerwG, 08.12.1999 – 6 P 11.1998, juris). Zulässig ist auch die Zusammenfassung einer kleineren Dienststelle mit weniger als fünf schwerbehinderten Beschäftigten mit einer Dienstelle, die die Vorrausetzungen nach § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX erfüllt (LPK-SGB IX/Düwell, 6. Auflage 2022, SGB IX § 177 Rn. 41; NPGWJ/Pahlen, 14. Auflage 2020, SGB IX § 177 Rn. 10 fortfolgende; Kossens/von der Heide/Maaß/Kossens, 5. Auflage 2023, SGB IX § 177 Rn. 11). Für die Bildung eines „zusammengefassten“ Wahlbezirks ist maximal ein wahlfähiger Betrieb zulässig. Danach besteht keine Möglichkeit, nichtwahlfähige und mehrere wahlfähige Einheiten zusammenzufassen, was vorliegend jedoch erfolgte.

Zudem ist nicht ersichtlich, dass seitens der Bundespolizeidirektion Berlin das Verfahren zur Zusammenlegung nach § 177 Absatz 1 Satz 5 SGB IX eingehalten wurde.

Über die Zusammenfassung entscheidet nach § 177 Absatz 1 Satz 5 SGB IX der Arbeitgeber im Benehmen mit dem Integrationsamt. Sind für die zusammenzufassenden Dienststellen verschiedene Integrationsämter zuständig, muss sich der Arbeitgeber mit allen zuständigen Integrationsämtern ins Benehmen setzen. Benehmen ist ein Fachbegriff der Verwaltung und bedeutet, dass der Arbeitgeber die beabsichtigte Zusammenfassung mit dem Integrationsamt erörtern und dessen Stellungnahme berücksichtigen muss, ohne dass er an sie gebunden ist (LPK-SGB IX/Düwell, 6. Auflage 2022, SGB IX § 177 Rn. 42). Dass eine solche Entscheidung der Bundespolizeidirektion Berlin im Benehmen mit den zuständigen Integrationsämtern erfolgte, ist nicht ersichtlich.

b.
Weiterhin ist vorliegend gegen die für das Verfahren wesentliche Pflicht zur dauernden Aushängung des Wahlausschreibens verstoßen worden. Der Wahlvorstand hat gegen die Pflicht verstoßen, das Wahlausschreiben an ausreichend zugänglichen Stellen in gut lesbarem Zustand bis zum Wahltag im Gebäude GSD auszuhängen. Dies begründet einen wesentlichen Verfahrensfehler.

aa.
Nach § 5 Absatz 1 Satz 1 SchwbVWO erlässt spätestens sechs Wochen vor dem Wahltag der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben, das von dem oder der Vorsitzenden und mindestens einem weiteren Mitglied des Wahlvorstandes zu unterschreiben ist. Nach § 5 Absatz 2 SchwbVWO ist eine Abschrift oder ein Abdruck des Wahlausschreibens vom Tage seines Erlasses bis zum Wahltag an einer oder mehreren geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen vom Wahlvorstand auszuhängen und in gut lesbarem Zustand zu erhalten. Die Wahlordnung enthält zwar keine ausdrückliche Regelung darüber, ob bei Betrieben mit mehreren räumlich voneinander getrennten Betriebsstätten in jeder Betriebsstätte ein Abdruck des Wahlausschreibens auszuhängen ist oder ob der Aushang in einer Betriebsstätte oder in mehreren größeren Betriebsstätten genügt (LAG Köln, Beschluss vom 26.01.2016 – 12 TaBV 60/15, BeckRS 2016, 66963 Rn. 36). § 5 Absatz 2 SchwbVWO bestimmt jedoch, dass das Wahlausschreiben an Stellen ausgehängt wird, die den Wahlberechtigten zugänglich sind. Daraus sowie aus Sinn und Zweck der Regelungen über das Wahlausschreiben und dessen Bekanntmachung ergibt sich, dass grundsätzlich ein Aushang in allen Betriebsstätten erforderlich ist, in denen Wahlberechtigte beschäftigt sind (LAG Köln, Beschluss vom 26.01.2016 – 12 TaBV 60/15, BeckRS 2016, 66963 Rn. 37; BAG, 21.01.2009 - 7 ABR 65/07 - juris Rn. 18).

bb.
Nach Auffassung der erkennenden Kammer ist nicht davon auszugehen, dass im Gebäude GSD Wahlausschreiben an ausreichend zugänglichen Stellen in gut lesbarem Zustand bis zum Wahltag aushingen.

Die Beteiligten zu 4. bis 10. behaupten, dass Wahlausschreiben in der BPOLI BER im Gebäude GSD an vier Orten ausgehängt zu haben, nämlich im Erdgeschoss im Aufenthaltsbereich des Rückführungsdienstes, im Erdgeschoss im Gang vor den Waffenlagern des IB II und der FüGr, im 1. Stock gegenüber des DGL-Büros sowie im 2. Stock im Aushangkasten vor dem Leitungsbüro. Konkrete Angaben, wann und durch wen der Aushang erfolgte, enthalten die Ausführungen im Schriftsatz vom 09.02.2023 nicht. Zum Vorwurf, die Wahlausschreiben hätten die Daten, wann und wo diese ausgehängt wurden, nicht enthalten, führen sie aus, dass daraus kein Verstoß gegen §§ 3 und 5 SchwbVWO folge, denn in diesen Regelungen sei nur festgelegt, dass die Wahlausschreiben den Hinweis enthalten müssten, wo und wann die Liste der Wahlberechtigten zur Einsicht ausliege, was erfolgt sei. Dazu verweisen sie auf Fotos von Wahlausschreiben im Gebäude GSD (Anlage AG 1, Blatt 82 folgend der Akte und Anlage AG 2, Blatt 84 folgend der Akte).

Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben Fotos zur Akte gereicht, wonach am 27.09.2022 im 1. Obergeschoss gegenüber dem DGL-Büro und im 2. Obergeschoss im Aushangkasten vor dem Leitungsbüro Wahlausschreiben ausgehangen haben. Den Aushangort im Bereich Rückführung halten die Beteiligten zu 1. bis 3. nicht für geeignet, da er nicht für jedermann zugänglich sei, denn es handele sich um einen abgetrennten Arbeitsbereich für Führungspersonal. Zudem haben die Beteiligten zu 1.bis 3. vorgetragen, dass im Gang vor den Waffenlagern ausweislich der zur Akte gereichten Fotos keine Aushänge von Wahlausschreiben haben festgestellt werden können. Gleiches gelte für den Aufenthaltsbereich des Inspektionsbereiches 2 im Erdgeschoss.
Weiterhin monieren die Beteiligten zu 1. bis 3., dass auf den Aushängen weder das Datum des Aushangs noch der Ort vermerkt waren, was eine Prüfung der Einhaltung der gesetzlichen Fristen unmöglich mache. Das sei ausweislich der Fotos vom 24.10.2022 auch noch an diesem Datum der Fall gewesen.

Die Beteiligten zu 4. bis 10. haben daraufhin im Schriftsatz vom 11.05.2023 ausgeführt, dass Datum und Ort des Aushangs umgehend eingefügt worden seien, als das Fehlen aufgefallen sei. Sämtliche Wahlausschreiben hätten seit dem 28.09.2022 ausgehangen, was mit Schriftsatz vom 29.06.2023 auf den 23.09.2022 korrigiert wurde. Dieser Vortrag wurde von den Beteiligten zu 1. bis 3. bestritten und nochmals auf die Fotos vom 24.10.2022 verwiesen, in denen die fehlenden Daten nicht nachgetragen gewesen seien.
Die Beteiligten zu 4. bis 10. haben damit nicht hinreichend dargelegt, wer wann und wo konkret ein Exemplar des Wahlausschreibens im Gebäude GSD ausgehängt haben will. Der Vortrag im Schriftsatz vom 11.05.2023, dass die fehlenden Daten nachgetragen worden seien, ersetzt nicht den fehlenden Vortrag zum Zeitpunkt des Aushangs. Auch im Hinblick auf die von den Beteiligten zu 4. bis 10. als Zeugin benannte Verwaltungsleiterin Frau C ist unklar, was diese konkret bezeugen können soll; hat sie selbst Aushänge vorgenommen, wenn ja wann oder die Vornahme der Aushänge kontrolliert? Mangels konkreter Daten, wann der einzelne Aushang erfolgt sein soll, wäre die Vernehmung der Zeugin einem Ausforschungsbeweis gleichgekommen. Eine Feststellung gemäß § 5 Absatz 2 SchwbVWO, dass Wahlausschreiben vom Tage des Erlasses bis zum Wahltag zugänglich ausgehängt waren, ist damit nicht möglich.
Im Übrigen sprechen die von Seiten der Beteiligten zu 4. bis 10. zur Akte gereichten Fotos gegen die Annahme, dass der Aushang am 23.09.2022 als dem Tag des Erlasses erfolgt sei. Handschriftlich eingetragen ist dort, dass der Aushang am 28.09.2022 erfolgte. Danach wäre das Erfordernis, dass der Aushang vom Tag des Erlasses an erfolgte, nicht erfüllt.

Der Vortrag der Beteiligten zu 4. bis 10. belegt zudem nicht, dass – wie von den Beteiligten zu 4. bis 10. behauptet und von den Beteiligten zu 1. bis 3. durch Vorlage der Fotos bestritten – ab dem 23.09.2022 durchgehend bis zum Wahltag ein Wahlausschreiben im Gang zum Waffenlager ausgehängt gewesen sei. Dieser Umstand würde die weitere Frage betreffen, ob im Bereich der BPOLI BER im Gebäude GSD Aushänge in ausreichender Anzahl an allgemein zugänglichen Stellen erfolgt sind, was nach dem bisherigen Vortrag ebenfalls nicht hinreichend ersichtlich ist.

c.
Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass durch beide Verstöße das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte

aa.
Nach § 177 Absatz 6 Satz 2 SGB IX in Verbindung mit § 26 BPersVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn die Verstöße das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnten. Dabei ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte Wahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Ergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (stetige Rechtsprechung, BAG, Beschluss vom 02.08.2017 – 7 ABR 42/15, NZA 2018, 182 Rn. 28; BAG, 10.07.2013 - 7 ABR 83/11, AP Nr. 6 zu § 94 SGB IX Rn. 24; BAG, 18.07.2012 - 7 ABR 21/11, AP Nr. 62 zu § 19 BetrVG 1972 Rn. 30).

bb.
Es handelt sich bei § 177 Absatz 1 Satz 1 und 4 SGB IX und § 5 Absatz 2 SchwbVWO um wesentliche Wahlvorschriften, deren Missachtung grundsätzlich geeignet ist, das Wahlergebnis zu beeinflussen.

Beide Verstöße waren geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei einer Wählerliste, die die schwerbehinderten Beschäftigten der BPOLI Angermünde und BPOLI Frankfurt/Oder nicht enthält, sowie bei ordnungsgemäß dauerhaften Aushängen des Wahlausschreibens im Gebäude GSD bei den Wahlen zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. So sind weitere Wahlvorschläge oder relevante Einwendungen gegen das Wahlausschreiben nicht auszuschließen. Es kommt nicht darauf an, ob tatsächliche objektive Anhaltspunkte für solche Möglichkeiten vorliegen (LAG Köln, Beschluss vom 26.01.2016 – 12 TaBV 60/15, BeckRS 2016, 66963 Rn. 44; LAG Hamm, Beschluss vom 15.03.2016 – 7 TaBV 63/15, BeckRS 2016, 126453 Rn. 47; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.06.2020 – 4 TaBV 5/19, BeckRS 2020, 23190 Rn. 60 folgend). Auch die Verkennung, welche Inspektionen für die Wahl zusammengefasst werden konnten, ist für die Frage, für wen die Gewählten zuständig werden sollen, kausal, so dass ein Einfluss auf das Wahlergebnis anzunehmen ist (zur Kausalität bei Verkennung des Betriebsbegriffs LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.01.2016 – 6 TaBV 1113/15, juris Rn. 34).

Auf die weiteren von Seiten der Beteiligten zu 1. bis 3. erhobenen Rügen kam es nicht entscheidungserheblich an. Da die aufgezeigten Verstöße sowohl die Wahl zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen als auch die Wahl der Stellvertreter betrifft, waren beide Wahlen für unwirksam zu erklären.

Diese Entscheidung ergeht gemäß § 2 Absatz 2 GKG (Gerichtskostengesetz) gerichtskostenfrei.

Referenznummer:

R/1067902


Informationsstand: 10.05.2024