I. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.04.2019 - 2 BV 37/18 - wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der am 24.05.2018 bei der Arbeitgeberin durchgeführten Betriebsratswahl.
Die Arbeitgeberin, bei der am 28.03.2018 nach den Feststellungen des Wahlvorstands 275 Frauen und 128 Männer beschäftigt waren, ist als hundertprozentige Tochter des Universitätsklinikums B mit patientennahen Servicedienstleistungen sowie der nichtmedizinischen Versorgung von Patienten beauftragt. Aufgaben des Patienten-Service sind die Sterilgutaufbereitung, Funktions- und Stationsdienste, die Wäscheversorgung, sowie die Pforten- und Empfangsdienste. Die Antragstellerinnen sind Mitglieder der Gewerkschaft Verband der Landesbeamten - Angestellten und Arbeiter Nordrhein-Westfalen (VdLA).
Das Ergebnis der Betriebsratswahlen wurde am 25.05.2018 bekannt gemacht. Auf die Liste 1 (Ver.di) entfielen insgesamt 195 Stimmen. Auf die Liste 2 (VdLA) entfielen insgesamt 69 Stimmen. Wegen des genauen Ergebnisses wird auf Bekanntmachung vom 24.05.2018 (Bl. 76 der Akte) Bezug genommen.
Mit ihrem am 08.06.2018 bei denen Arbeitsgericht Bonn eingereichten Antragsschrift machen die Antragstellerinnen die Ungültigkeit der Wahl geltend. Als Anfechtungsgründe haben sie vorgetragen:
Der VdLA sei über die Bildung des Wahlvorstandes nicht informiert worden. Auf diese Weise sei verhindert worden, dass er gemäß
§ 16 Abs. 1 Satz 6 BetrVG ein nicht stimmberechtigtes Mitglied in den nur aus Ver.di-Mitgliedern bestehenden Wahlvorstand habe entsenden können.
Das Wahlausschreiben vom 28.03.2019 habe entgegen § 3
Abs. 4 WO nicht an hinreichend dafür geeigneten Stellen in den Sozialräumen der einzelnen Häuser des U ausgehangen. Vom 28.03.2018 habe es an einer zentralen Stelle im Versorgungszentrum ausgehangen, sei aber wegen Platzmangels bereits am 26.04.2018 komplett entfernt worden, ohne bis zum Wahltermin nochmal ausgehängt worden zu sein.
Der Wahlvorstand habe von der VdLA-Wahlvorschlagsliste zu Unrecht sechs Kandidaten gestrichen. Bei fünf Kandidaten habe eine doppelte Kandidatur vorgelegen. Gemäß § 6
Abs. 7 WO hätte der Wahlvorstand diese Personen zu einer Erklärung auffordern müssen, welche Bewerbung aufrechterhalten werde. Dies sei nicht geschehen. Ein weiterer Kandidat sei von der VdLA-Liste gestrichen worden, weil er Ver.di-Mitglied sei.
Im Vorfeld der Wahlen habe die Wahlvorstandsvorsitzende Frau G Briefwahlunterlagen zum Überbringen an die jetzige Betriebsratsvorsitzende H ausgehändigt. Dabei seien auch solchen Arbeitnehmern entgegen § 24
Abs. 1 Satz 1 WO Briefwahlunterlagen ausgehändigt worden, die nicht die Übergabe von Briefwahlunterlagen verlangt hätten. Dabei habe es sich um solche Arbeitnehmer geeignet, die nur dienstfrei gehabt hätten und bei der Wahl ihre Stimme auch persönlich hätten abgeben können. Bei Übergabe der Wahlunterlagen seien sie von Frau H aufgefordert worden, die Liste eins von Ver.di zu wählen. Frau H habe die Briefwahlunterlagen sogleich eingesammelt und dann ohne Registrierung im Wählerverzeichnis in die Wahlurne geworfen.
Die Arbeitnehmerin M habe eigentlich gar nicht wählen wollen. Frau H habe sie jedoch aufgefordert, die Ver.di-Liste anzukreuzen. Während des Wahlvorganges habe sie entgegen § 25 WO neben Frau M gestanden und anschließend die Wahlunterlagen eingesammelt. Die Betriebsratsvorsitzende H habe während des Wahlverfahrens Arbeitnehmerin G angerufen und sie aufgefordert, am 24.05.2018 zu wählen. Für den Fall dass sie dies nicht tun wolle, habe sie ihr angedroht, jede Unterstützung zu entziehen und ihr bei der Behebung ihre Probleme nicht mehr zu helfen.
Bei der Stimmauszahlung hätten sich von den 56 ausgegebenen Briefwahlunterlagen 51 in der Wahlurne befunden. Von den 51 Rücksendungen seien zehn per Post gekommen, die anderen seien eingesammelt worden. Keine Briefwahlrücksendung habe einen Absender ausgewiesen einem Wahlberechtigten zugeordnet werden können. Somit haben jeder Briefwähler am Tag der Wahl erneut wählen können.
Bei der Auszählung der Stimmen habe der Wahlvorstand entgegen 26
Abs. 1 WO die 51 Briefwahlunterlagen nach der Urnenwahl separat ausgezählt. Die an den Wahlvorstand adressierten Briefe, die nicht als Wahlunterlagen gekennzeichnet gewesen sein, seien geöffnet worden. Anhand der Erklärung sei der Absender weder verzeichnet noch abgehakt worden.
Von den 51 abgegebenen Stimmen seien 49 gültig gewesen. Davon seien 45 Stimmen auf die Ver.di-Liste und vier Stimmen auf die VdLA-Liste entfallen. Angesichts des Umstandes, dass bei der Urnenwahl 30 % der abgegebenen Stimmen auf die VdLA-Liste entfallen seien, lege die Differenz bei der Briefwahl nahe, dass auf die Wähler erheblich Einfluss genommen worden sei.
Obwohl die Mitarbeiterin S nicht gewählt habe, hätten sich in der Wahlurne ihre Briefwahlunterlagen befunden.
Am Wahltag habe der Wahlvorstand keine Beobachter im Wahllokal zugelassen. Die Wähler seien von Kandidaten der Ver.di-Liste empfangen und teilweise von ihnen bis zur Wahlkabine begleitet und aufgefordert worden, die Ver.di-Liste zu wählen. Insgesamt lägen somit erhebliche Verstöße gegen§ 20
BetrVG vor.
Entgegen §§ 11
Abs. 1, 12
Abs. 3 WO seien die ausgefüllten Stimmzettel nicht in Wahlumschläge gelegt worden. Trotz Faltung der Stimmzettel sei zu erkennen gewesen, welche Liste gewählt worden sei.
Ein Beauftragter der VdLA habe beim Wahlvorstand Einsicht in die Wahlunterlagen nehmen wollen und sein Ansinnen mit einem Schreiben vom 28.05.2018 begründet. Die beantragte Einsicht sei jedoch von dem Wahlvorstand abgelehnt worden.
Es liege daher auf der Hand, dass das Wahlergebnis durch die zahlreichen Verstöße gegen Wahlvorschriften beeinflusst worden sei.
Die Antragstellerinnen haben beantragt,
die Betriebsratswahl vom 24.05.2018 für nichtig, hilfsweise für unwirksam zu erklären.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat behauptet, dass das Wahlausschreiben vom Tag seines Erlasses bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses an den schwarzen Brettern gehangen habe. Ein Mitglied des Wahlvorstands habe täglich die Aushänge kontrolliert. Lediglich im Versorgungszentrum sei das Schreiben für einen kurzen Zeitraum abgehängt gewesen, jedoch noch am selben Tag, vermutlich dem 26.04.2018 immer wieder ausgehängt worden.
Es seien keine Kandidaten grundlos von der Wahlvorschlagsliste der VdLA gestrichen worden. Die Kandidaten, die auf zwei Wahllisten kandidiert hätten, seien aufgefordert worden, sich zu erklären. Zwei Arbeitnehmer hätten erklärt, auf der Ver.di-Liste kandidieren zu wollen. Ein Arbeitnehmer habe angegeben, von beiden Listen gestrichen werden zu wollen.
Lediglich Arbeitnehmer im Schichtdienst, mit Nachtschicht sowie Arbeitnehmer im Mutterschutz oder in Elternzeit sowie langzeiterkrankte Arbeitnehmer hätten ohne Antrag Briefwahlunterlagen erhalten. Im Übrigen seien Briefwahlunterlagen nur auf Antrag ausgehändigt worden.
Frau H habe gegenüber Frau G lediglich Wahlwerbung gemacht und dabei erklärt, dass sie sie nur dann künftig genauso unterstützen könne wie in der Vergangenheit, wenn sie gewählt würde.
Vor der Stimmabgabe habe eine Personenkontrolle anhand der Dienstausweise stattgefunden. Innerhalb des Wahllokals habe es keine Wahlwerbung gegeben. Kein Arbeitnehmer sei im Wahllokal aufgefordert werden, Ver.di zu wählen.
Eine doppelte Stimmabgabe sei nicht möglich gewesen. Die persönlich erschienenen Arbeitnehmer seien in der Wählerliste grün markiert worden. Die Briefwahlunterlagen seien mit Adressaten gekennzeichnet gewesen. Zwar seien die Briefwahlunterlagen zunächst in der Wahlurne gesammelt worden. Diese habe aber nur als Aufbewahrungsort gedient. Der Wahlvorstand habe die Briefwahlumschläge nach der Stimmabgabe herausgeholt, die Umschläge geöffnet und die persönliche Erklärung geprüft. Die Briefwähler seien rot markiert worden. Dadurch sei sichergestellt gewesen, dass jeder Wähler nur einmal wähle. Der Stimmzettel von Frau M , die im Wege der Briefwahl ihre Stimme abgegeben habe, sei ebenso wenig wie die Briefwahlunterlagen von Frau S berücksichtigt worden.
Dass die Stimmzettel keinen Umschlag erhalten hätten, stelle keinen Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift dar.
Jedenfalls hätten sich die angeblichen Verstöße nicht das Wahlergebnis ausgewirkt.
Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl mit einem am 10.04.2019 verkündeten Beschluss für unwirksam erklärt und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die von der den Antragstellern vorgetragenen Anfechtungsgründe nicht zur Nichtigkeit der Wahl geführt hätten. Jedoch führe die unterlassene Verwendung von Wahlumschlägen zur Unwirksamkeit der Wahl. Die Verwendung von Wahlvorschlägen sei in § 11
Abs. 1 Satz 2 WO zwingend vorgeschrieben. Es handelte sich dabei um eine wesentliche Vorschrift über die Durchführung der Betriebsratswahl. Der Verstoß sei geeignet, das Ergebnis der Betriebsratswahl zu beeinflussen. Mangels der Verwendung von Wahlvorschlägen hätte der Wahlvorstand im Rahmen seiner Prüfung der Gültigkeit der Stimmzettel gemäß § 14
Abs. 1 Satz 2 WO die Ungültigkeit der abgegebenen Stimmen ohne Umschlag feststellen und diese für ungültig erklären müssen. Da alle persönlich abgegebenen Stimmen insgesamt unwirksam gewesen seien und nicht berücksichtigt hätten werden dürfen, wäre das Ergebnis der Betriebsratswahl ein anderes gewesen.
Der Beschluss ist dem Betriebsrat am 23.04.2019 zugestellt worden. Seine dagegen gerichtete Beschwerde ist am 13.05.2019 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen und nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 24.07.2019 mit einem am 22.07.2019 eingegangenen Schriftsatz begründet worden.
Der Betriebsrat ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe in § 11
Abs. 1 Satz 2 WO fehlerhaft eine wesentliche Wahlvorschrift gesehen. Das Arbeitsgericht habe eine Mussvorschrift mit wesentlichen Wahlvorschriften ohne nähere Begründung rechtsfehlerhaft gleich gesetzt. Umschläge seien bei politischen Wahlen schon seit rund 20 Jahren nicht mehr üblich.
Die Wahlanfechtung scheitere auch daran, dass eine Beeinflussung des Wahlergebnisses ausgeschlossen werden könne. Es sei nämlich die hypothetische Prüfung vorzunehmen, bei der Fehler hinweggedacht und dann ein anderes Wahlergebnis zumindest möglich erscheine. Das Arbeitsgericht habe den Fehler jedoch nicht hinweggedacht, sondern ihn gerade bestehen lassen. Es habe geprüft, was geschehen wäre, wenn der Wahlvorstand sich die Auffassung des Arbeitsgerichts zu Eigen gemacht hätte. Richtigerweise hätte das Arbeitsgericht aber prüfen müssen, was geschehen wäre, wenn Wahlumschläge verwendet worden seien. Das Ergebnis wäre dann kein anderes gewesen. Denn das Kreuz auf dem Stimmzettel werde denknotwendig nicht davon beeinflusst, ob der Stimmzettel anschließend in einen Wahlumschlag gesteckt wird oder nicht.
Der Betriebsrat beantragt,
die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.04.2019, 2 BV 37/18, abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.
Die Antragstellerinnen beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen die Entscheidung des Arbeitsgerichts unter Vertiefung ihres Sachvortrags und vertreten nach wie vor die Auffassung, dass die Wahl auch aufgrund der anderen von ihr vorgebrachten Anfechtungsgründe unwirksam sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Betriebsratswahl vom 24.05.2018 auf die rechtzeitig innerhalb der Zweiwochenfrist des
§ 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG erfolgte Anfechtung durch die nach § 19
Abs. 2 Satz 1
BetrVG dazu berechtigten Antragstellerinnen hin für unwirksam erklärt. Die Betriebsratswahl ist bereits deswegen unwirksam, weil die ausgefüllten Stimmzettel entgegen § 11
Abs. 1 Satz 2 WO nicht in Wahlumschläge gelegt worden waren und gleichwohl als gültige Stimmen gewertet wurden. Bei § 11
Abs. 1 Satz 2 WO handelt es sich um eine wesentliche Wahlvorschrift iSd. § 19
Abs. 1
BetrVG, bei der ein Verstoß die Anfechtung der Wahl rechtfertigt. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis durch den Verstoß nicht geändert oder beeinflusst worden ist.
1.) Gemäß § 11
Abs. 1 Satz 2 WO erfolgt die Stimmabgabe durch Abgabe von Stimmzetteln in den hierfür bestimmten Umschlägen (Wahlumschlägen). Der Wahlumschlag ist sodann gemäß § 12
Abs. 3 WO nach Vermerk der Stimmabgabe in der Wählerliste mitsamt dem eingelegten Stimmzettel in die Wahlurne einzuwerfen. Bei § 11
Abs. 1 Satz 2 WO handelt es sich um eine wesentliche Wahlvorschrift, die der Wahrung des Wahlgeheimnisses dient (D/K/K/W/Homburg, 16. Aufl. 2018, § 12 WO, Rn. 5, 13). Die unterlassene Verwendung von Wahlumschlägen stellt demgemäß einen Anfechtungsgrund der Betriebsratswahl dar (Richardi/Forst, 16. Aufl. 2018, § 11 WO Rn. 2; D/K/K/W/Homburg, 16. Aufl. 2018, § 12 WO, Rn. 5).
a) Zwar verlangt die Gewährleistung des Wahlgeheimnisses nicht zwingend die Verwendung von Stimmzettelumschlägen (
BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 1996 - 8 B 147/96 -, Rn. 3, juris zu Wahlen für Gemeindevertretungen), wenn die Wähler durch eine entsprechende Faltung des Stimmzettels verhindern können, dass andere Personen Kenntnis von ihrer Wahlentscheidung erhalten (
OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2000 -
1 A 1541/99.PVB -, Rn. 32 - 39, juris zu § 20
Abs. 3 Satz 1 SchbWO). Das ändert jedoch nichts daran, dass der Gesetzgeber die Verwendung von Wahlumschlägen für die Stimmabgabe bei Betriebsratswahlen ausdrücklich vorsieht und für die Wahrung des Wahlgeheimnisses für geboten erachtet. Durch das einheitliche Einlegen von Wahlzetteln in Wahlumschläge ist objektiv gesichert, dass weder auf der Rückseite von Stimmzetteln durchgedrückte Kreuze sichtbar sein können noch aufgrund der
ggf. unterschiedlichen Faltung von Wahlzetteln eine Differenzierung zwischen Briefwählern und persönlich wählenden Arbeitnehmern möglich ist. Bei einer Sicherung des Wahlgeheimnisses durch Verwendung der Wahlumschläge kann jeder Arbeitnehmer sicher sein, dass sein Abstimmungsverhalten geheim bleiben wird. Diese Garantie entfällt, wenn Wahlumschläge nicht ausgegeben und verwendet werden. Dass es sich in § 11
Abs. 1 Satz 2 WO nicht um eine bloße Formvorschrift handelt, an die der Wahlvorstand nicht gebunden wäre, ergibt sich auch aus den weiteren Regelungen der Wahlordnung, in denen die Wahlumschläge betreffende Vorschriften enthalten sind. So sieht § 11
Abs. 2 Satz 3 WO vor, dass Wahlumschläge in einheitlicher Größe, Farbe, Beschaffenheit und Beschriftung zu verwenden sind. Gem. § 12
Abs. 1 Satz 2 WO sind die Wahlurnen so einzurichten, dass eingeworfene Wahlumschläge nicht herausgenommen werden können. Die Regelung über das Verfahren bei der Stimmauszählung in § 15
Abs. 1 Satz 1 WO sieht vor, dass der Wahlvorstand die Stimmzettel den Wahlumschlägen entnimmt und im Zuge der Stimmauszählung die Gültigkeit der Stimmzettel prüft. Das in §§ 11
ff. WO geregelte Wahlverfahren mit mehreren Vorschlagslisten gilt
gem. § 20
Abs. 3 Satz 2 WO entsprechend für Wahlverfahren wie das vorliegende mit nur einer Vorschlagsliste (
§ 14 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 BetrVG). Auch für das Wahlverfahren bei einer Vorschlagsliste ist in § 21 WO ausdrücklich die Verwendung von Wahlumschlägen vorgeschrieben, die im Zuge der Stimmauszählung zu öffnen sind. Daher ist die zwingende Regelung in § 11
Abs. 1 Satz 2 WO eine wesentliche Vorschrift im Sinne des § 19
Abs. 1
BetrVG, mit der der elementare Grundsatz des Wahlgeheimnisses in besonderer Weise gesichert wird (
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. August 2011 -
25 TaBV 529/11 -, Rn. 34, juris).
b) Dieser Befund kann nicht mit dem Argument widerlegt werden, dass selbst bei politischen Wahlen keine Verwendung von Wahlumschlägen vorgesehen ist.
aa) Die traditionelle Benutzung von Wahlumschlägen ist für Bundestagswahlen in § 34
Abs. 2 Satz 2 Bundeswahlgesetz auf die Wünsche des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, des Bunds der Steuerzahler sowie von Wahlvorstandsmitgliedern im Wesentlichen aus Kostengründen, zur Zeitersparnis und wegen der Schwierigkeit für insbesondere ältere Wähler, die Stimmzettel zu falten und in den Wahlumschlag zu legen abgeschafft worden (BT-Drucksache 14/3764,
S. 9). Vergleichbare Probleme stellen sich bei aber bei Betriebsratswahlen regelmäßig nicht in dem Ausmaß wie bei politischen Wahlen.
bb) Unabhängig davon steht es einem Wahlvorstand nicht zu, im Hinblick auf die Praxis bei anderen Wahlen auf Wahlumschläge generell zu verzichten. Auch wenn man die Vorgabe der Verwendung von Wahlumschlägen als unnötige Formalie und Auszählungserschwernis ansieht, ist sie geltendes und von Wahlvorständen zwingend zu beachtendes Recht, das angesichts des formellen Charakters des Wahlrechts und der Notwendigkeit, einfache und klare Regeln zur Verfügung zu stellen, streng auszulegen ist (
vgl. VG Hannover, Beschluss vom 26. Oktober 2016 - 16 A 2520/16 -, Rn. 18, juris zu § 15
Abs. 2 Satz 1 BPersVWO).
2.) Rechtsfolge der Tatsache, dass Wahlumschläge nicht benutzt worden sind, ist, dass alle abgegebenen Wählerstimmen, die ohne Wahlumschlag in die Wahlurne eingeworfen wurden, ungültig sind (
LAG Niedersachsen, Beschluss vom 1. März 2004 - 16 TaBV 60/03 -, Rn. 71, 72, juris; Fitting, 29. Aufl. 2018, § 11 WO, Rn. 7; D/K/K/W/Homburg, 16. Aufl. 2018, § 11 WO, Rn. 13;
GK-Jacobs, 11. Aufl. 2018, § 11 WO, Rn. 7).
3.) Eine Feststellung, dass die Wahl bei Verwendung von Wahlumschlägen zum selben Ergebnis geführt hätte, ist im vorliegenden Fall nicht möglich. Eine Beeinflussung des Wahlergebnisses durch das Fehlen von Wahlumschlägen ist vielmehr denkbar. Dies gilt unabhängig davon, ob man den Verstoß gegen Wahlvorschriften darin sieht, dass die ohne Wahlumschlag abgegebenen Stimmen als gültig behandelt hat, oder darin, dass seitens des Wahlvorstands gar keine Wahlumschläge zur Verfügung gestellt worden waren.
a) Gemäß § 19
Abs. 1
BetrVG ist Voraussetzung einer Wahlanfechtung, dass der wesentliche Verstoß zu einem anderen Wahlergebnis geführt hat oder führen konnte, als es ohne den Verstoß zu verzeichnen gewesen wäre. Ausreichend ist, dass das Wahlergebnis ohne den Verstoß möglicherweise anders ausgefallen wäre. Allerdings reicht nicht jede theoretisch denkbare Möglichkeit eines anderen Ergebnisses aus, vielmehr muss nach der allgemeinen Lebenserfahrung und den konkreten Umständen des Falles die Möglichkeit eines anderen Ergebnisses nicht gänzlich unwahrscheinlich sein (Fitting, 29. Aufl. 2018, § 19
BetrVG, Rn. 24). Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es hingegen bei der Unwirksamkeit der Wahl (
BAG, Beschluss vom 21. Januar 2009 - 7 ABR 65/07 -, Rn. 29, juris;
BAG, Beschluss vom 25. Mai 2005 - 7 ABR 39/04 -, BAGE 115, 34-42, Rn. 23;
BAG, Beschluss vom 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 -, BAGE 95, 15-29, Rn. 50).
b) Sieht man den Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift mit dem Arbeitsgericht darin, dass die Stimmen, die nicht in einem Wahlumschlag abgegeben worden waren, als gültige Stimmen gewertet wurden, liegt es auf der Hand, dass das Wahlergebnis dadurch beeinflusst worden sein konnte. Denn dann hätten nur die 51 abgegebenen Stimmen der Briefwähler und nicht die 213 Stimmen der übrigen Wähler berücksichtigt werden dürfen.
c) Sieht man den Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift darin, dass seitens des Wahlvorstands keine Wahlumschläge zur Verfügung gestellt wurden, kann ebenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass das Wahlergebnis kein anderes gewesen wäre. Insoweit kann nicht mit Erfolg argumentiert werden, dass die Wahlentscheidung davon völlig unbeeinflusst sei, ob der Stimmzettel in einen Wahlumschlag gesteckt wird oder nicht. Auch wenn es sich wegen des Wahlgeheimnisses nicht aufklären lässt, ob und
ggf. wie viele Arbeitnehmer wegen der fehlenden Verwendung von Wahlumschlägen damit gerechnet haben, dass die Wahlleitung davon Kenntnis nehmen kann, wie sie gewählt haben, ist nicht auszuschließen, dass Arbeitnehmer ihr Wahlverhalten angepasst haben (so auch
LAG Hessen, Beschluss vom 1. Dezember 2011 -
9 TaBV 130/11 -, Rn. 28, juris). Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn sich der Wahlvorstand - wie im vorliegenden Fall - nur aus Mitgliedern einer Gewerkschaft zusammensetzt, deren Liste der Arbeitnehmer
ggf. nicht wählen will. Bei einer Sicherung des Wahlgeheimnisses durch Verwendung der in der Wahlordnung vorgeschriebenen Wahlumschläge kann hingegen jeder Arbeitnehmer mit der Aushändigung der Stimmzettel nebst Wahlumschlag sicher sein, dass sein Abstimmungsverhalten geheim bleiben wird (
LAG Hessen, Beschluss vom 14. März 2013 -
9 TaBV 223/12 -, Rn. 34, juris).
4.) Greift demgemäß die Anfechtung der Betriebsratswahl schon wegen der fehlerhaften Stimmabgabe, kommt es auf die übrigen von den Antragstellern geltend gemachten Anfechtungsgründe nicht mehr an.