Urteil
Wertfestsetzungsverfahren - Anfechtung der Wahl zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen

Gericht:

LAG Baden-Württemberg


Aktenzeichen:

4 TaBV 5/19 (2)


Urteil vom:

30.07.2020


Tenor:

In dem Wertfestsetzungsverfahren mit den Beteiligten

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wird der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit d. K. Arbeitsrecht und der Kanzlei M. und R. auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Auf die Anhörung der Beteiligten vom 12.06.2020 wird im Wesentlichen Bezug genommen. Jedoch wird unter Berücksichtigung der Einwendungen der Kanzlei M. und R. eine Erhöhung des mitgeteilten Werts auf 15.000,00 EUR als angemessen angesehen.

Zu den Einwendungen der Kanzlei M. und R.:

Es ist zwar zutreffend, dass gem. § 177 Abs. 6 Satz 2 SGB IX die Vorschriften des BetrVG zur Anfechtung der Betriebsratswahl entsprechend anwendbar sind auf die Wahl der Vertrauensperson und der stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen. Daraus kann aber keine Schlussfolgerung gezogen werden, dass auch das wertbildende Interesse entsprechend hoch sein müsse.

Dass vorliegend zwei Wahlen angefochten waren, wurde berücksichtigt. Es wurde jede Wahl im Ausgangspunkt mit dem Anknüpfungswert bewertet.

Die Bedeutung der Anfechtung der Wahl der Vertrauensperson bzw. der stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen ist jedoch deutlich geringer als die Bedeutung einer Betriebsratswahl. Dies ist schon an den deutlich geringeren Mitwirkungsrechten erkennbar. Außerdem wird von diesen auch nur ein kleiner (wenn auch besonders schutzwürdiger) Teil der Belegschaft vertreten (vorliegend nur 32 von 930 Mitarbeitern). Es erscheint daher gerechtfertigt, anders als bei einer Betriebsratswahl keinen Steigerungssatz anzulegen, sondern die Bewertung beim Anknüpfungswert zu belassen.

Ob der Gesamtschwerbehindertenvertreter und der Betriebsrat die Anfechtung als "Politikum" im Unternehmen betrachten, ist unbeachtlich und erhöht das Interesse am Bestand des Amtes und das Interesse am Fortbestand einer Amtsausübung nicht.

Die Behauptung der Vertrauenspersonen, dass die Arbeitgeberin ein Interesse an der Beendigung deren Arbeitsverhältnisse habe, mag als zutreffend unterstellt werden. Dieses persönliche Interesse am Bestand des Arbeitsverhältnisses hat mit dem zu bewertenden Interesse des "Kollektivorgans" aber nichts zu tun.

Zutreffend ist, dass der Wert sich auch zu bemessen hat nach der Schwierigkeit und dem Umfang der Anwaltstätigkeit (Hartmann KostG 45. Aufl. § 23 RVG Rn. 18). Hier ist einzuräumen, dass die Arbeitgeberin sich auf vier Anfechtungsgründe berief, was den anwaltlichen Aufwand erhöhte. Es waren Rechtsprobleme aus dem Bereich der SchwbVWO zu bewerten, die jedenfalls keine gängigen Rechtsprobleme sind. Aus dem Akteninhalt ist zu entnehmen, dass auch zeitaufwändigere Sachverhaltsermittlungen geboten waren, um die Örtlichkeiten der Arbeitgeberin darzustellen, deren Kenntnis für die Bewertung der Geeignetheit der Aushangstelle des Wahlausschreibens erforderlich war. Angesichts dieser Umstände erscheint die Einwendung der Kanzlei M. und R. berechtigt und eine Erhöhung um einen Anknüpfungswert angemessen.

Rechtsweg:

ArbG Stuttgart, Beschluss vom 25.04.2019 - 6 BV 226/18
LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.07.2020 - 4 TaBV 5/19

Quelle:

Justizportal des Landes Baden-Württemberg

Referenznummer:

R/R8647


Informationsstand: 22.02.2021