I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob der Beteiligte zu 2.) (nachfolgend "Arbeitgeberin") die Beteiligte zu 3.) für die Teilnahme an einer Schulung freistellen muss.
Die Arbeitgeberin beschäftigt zur Zeit
u. a. ca. 400 schwerbehinderte Menschen. Bei der Antragstellerin (nachfolgend "Schwerbehindertenvertretung") handelt es sich um die bei der Arbeitgeberin gewählte Schwerbehindertenvertretung. Im November 2010 wurde die Schwerbehindertenvertretung neu gewählt. Zum Vertrauensmann wurde der Mitarbeiter , zur 1. Stellvertreterin die Mitarbeiterin , zum 2. Stellvertreter der Mitarbeiter und zur 3. Stellvertreterin die Beteiligte zu 3.) (nachfolgend "zweite Stellvertreterin") gewählt. Im Rahmen einer Integrationsvereinbarung wurde mit der Arbeitgeberin geregelt, dass die gesetzliche Freistellung der Vertrauensperson auf zwei Personen verteilt wird. Demzufolge wird die eine Hälfte der Freistellung durch den Vertrauensmann und die andere Hälfte der Freistellung durch seine 1. Stellvertreterin wahrgenommen. Der ursprünglich als zweite Stellvertreter gewählte Mitarbeiter befindet sich seit September 2011 in der Ruhephase seiner Altersteilzeit. Infolgedessen wird seine Position als zweiter Stellvertreter nunmehr durch die zweite Stellvertreterin wahrgenommen. Diese hat der Vertrauensmann zu Aufgaben
gem. § 95
Abs. 1
S. 4
SGB IX herangezogen. Im Oktober/November 2011 wird sich der Vertrauensmann für mindestens drei Wochen in einer Rehabilitationsmaßnahme befinden. Die führt u.a. Seminare zur Qualifizierung von Schwerbehindertenvertretungen im Baukastenprinzip durch. Die zweite Stellvertreterin hat im Februar 2011 bereits an dem ersten Baustein, der Schulung "
SBV I" in teilgenommen. Vom 25. September 2011 bis einschließlich 30. September 2011 bietet die den zweiten Baustein dieser Schulungsreihe, die Schulung zum Thema "Beschäftigung fördern und sichern - Grundqualifizierung
SBV II" (nachfolgend "
SBV II") an. Die Kosten für dieses Seminar belaufen sich einschließlich der Fahrt- und Übernachtungskosten auf
ca. Euro 1.350,-. Voraussetzung für die Teilnahme an diesem Seminar ist die Teilnahme an dem Seminar "
SBV I". Eine identische Schulung zum Thema
SBV II findet auch im November 2011 statt, ist allerdings schon ausgebucht. Auf das Seminarprogramm wird Bezug genommen (Bl. 11 d. A.). Am 12. August 2011 bat die Schwerbehindertenvertretung die Arbeitgeberin darum, ihre zweite Stellvertreterin für die Teilnahme an dem Seminar
SBV II in Undeloh von der Arbeitsleistung freizustellen und eine Kostenübernahmeerklärung abzugeben. Mit Schreiben vom 08. September 2011 teilte die Arbeitgeberin mit, dass die Teilnahme an dieser Schulung nicht genehmigt werde. Zur Begründung verwies die Arbeitgeberin auf die wesentlich günstigeren Angebote des hin (Bl. 12 d. A.).
Die Schwerbehindertenvertretung ist der Ansicht, dass die zweite Stellvertretung für die Teilnahme an der Schulung
SBV II freizustellen ist. Ferner habe die Arbeitgeberin die notwendigen Schulungs-, Fahrt- und Übernachtungskosten zu übernehmen. Die Schulung
SBV II vermittele Grundkenntnisse, die für die ordnungsgemäße und interessengerechte Wahrnehmung der Schwerbehindertenvertretung erforderlich seien. Dieses gelte auch für die zweite Stellvertreterin, weil diese zu Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung herangezogen worden sei. Die Arbeitgeberin könne die zweite Stellvertreterin auch nicht auf die kostengünstigeren Angebote des verweisen, weil es sich bei der Schulung
SBV II um ein Seminar handele, das auf dem bereits wahrgenommenen Seminar
SBV I aufbaue. Ein Verfügungsgrund liege ebenfalls vor, weil es der zweiten Stellvertreterin nicht zuzumuten sei, erst nach Durchführung eines monatelangen Hauptsacheverfahrens eine Schulung zu besuchen, so dass sie die ihr übertragenen Aufgaben in der Zwischenzeit nicht kompetent wahrnehmen könne. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf das Ausscheiden des bisherigen zweiten Stellvertreters sowie die Abwesenheit des Vertrauensmannes im Oktober/November 2011. Schließlich seien die Kosten des Seminars auch nicht unverhältnismäßig.
Die Schwerbehindertenvertretung beantragt:
1. Die Beteiligte zu 2. wird verpflichtet, die Beteiligte zu 3., , für die Schulungsveranstaltung "Beschäftigung fördern und sichern - Grundqualifizierung
SBV II" in der Zeit vom 25.09.2011 bis einschließlich 30.09.2011, veranstaltet durch den Schulungsträger , unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht freizustellen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2. die Schulungskosten für den Besuch der Schulungsveranstaltung "Beschäftigung fördern und sichern - Grundqualifizierung
SBV II" in der Zeit vom 25.09.2011 bis einschließlich 30.09.2011 , veranstaltet durch den Schulungsträger , übernimmt.
3. Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2. verpflichtet ist, die Kosten einer Bahnfahrkarte zweiter Klasse von und zurück zu übernehmen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass sich der Schulungsanspruch aus § 96
Abs. 4
S. 3 und 4
SGB IX auf die Vertrauensperson und seinen nächsten Stellvertreter beschränke. Demzufolge könne sich die zweite Stellvertreterin nicht auf diese Normen und die damit verbundenen Leistungen berufen. Die bisherige Schulung der zweiten Stellvertreterin in sei lediglich aus Kulanz erfolgt. Im übrigen sei es der zweiten Stellvertreterin zuzumuten, eine Schulung beim in Anspruch zu nehmen, die insbesondere im Hinblick auf die nicht erforderlichen Übernachtungskosten sowie die geringeren Fahrtkosten wesentlich preisgünstiger sei und zudem noch die landestypischen Besonderheiten in Hessen berücksichtige.
Die Schwerbehindertenvertretung hat zur Glaubhaftmachung ihres Vorbringens eine eidesstattliche Versicherung zur Akte gereicht (Bl. 44 - 45 d. A.). Wegen des weiteren Sachvortrages der Beteiligten, den von ihnen eingereichten Unterlagen sowie ihren Rechtsausführungen wird ergänzend auf den Akteninhalt und die Sitzungsniederschrift vom 22. September 2011 Bezug genommen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist insoweit begründet, als die Schwerbehindertenvertretung begehrt, ihre zweite Stellvertreterin für die Teilnahme an der Schulung
SBV II von der Verpflichtung zur Arbeit freizustellen.
Demgegenüber sind die Anträge zurückweisen, soweit sie sich auf die Übernahme der Schulungs- und Fahrtkosten beziehen.
1.) Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, die zweite Stellvertreterin für die Teilnahme an der Schulung
SBV II unter Fortzahlung der Verpflichtung von der Arbeit freizustellen. Die Arbeitgeberin hat insoweit das Vorliegen eines Verfügungsanspruches und eines Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht. Die Entscheidung ergeht auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil der Kammer gemäß §§ 85
Abs. 2 Satz 2
ArbGG, 935, 940
ZPO.
a.) Die Schwerbehindertenvertretung verfolgt ihr Begehren zutreffend im Beschlussverfahren nach den §§ 2 a
Abs. 1
Nr. 3 a, 80
Abs. 1
ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Die Beteiligten streiten nämlich um einen auf die §§ 96
Abs. 4
S. 3 und 4
SGB IX gestützten Anspruch auf Teilnahme an einer Schulung.
Zwar sind nach § 2 a
Abs. 1
Nr. 3 a
ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen
u. a. ausschließlich zuständig für Angelegenheiten aus den
§§ 94,
95,
139 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, in denen nach § 2 a
Abs. 2
ArbGG das Beschlussverfahren stattfindet. Die Vorschrift des § 96
SGB IX ist in § 2 a
Abs. 1
Nr. 3 a
ArbGG nicht aufgeführt. Jedoch ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zur Entscheidung im Beschlussverfahren für sämtliche organschaftlichen Streitigkeiten der Schwerbehindertenvertretung gegeben, selbst wenn diese - wie im vorliegenden Fall - auf einer Rechtsgrundlage beruhen, die nicht in § 2 a
Abs. 1
Nr. 3 a
ArbGG ausdrücklich aufgeführt ist. Zudem ist die Regelung in § 96
Abs. 4
S. 3 und 4
SGB IX der betriebsverfassungsrechtlichen Vorschrift des
§ 37 Abs. 6 BetrVG nachgebildet. Streitigkeiten aus dieser Norm werden jedoch ebenfalls im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren erledigt (
LAG Sachsen vom 02. Oktober 2009, Az:
2 TaBVGa 4/09, LAGE § 96
SGB IX Nr. 1).
b.) Neben der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin war auch die zweite Stellvertreterin nach §§ 10, 83
Abs. 3
ArbGG zu beteiligen. Beteiligter in allen Beschlussverfahren ist, wer von der zu erwartenden Entscheidung in einem betriebsverfassungsrechtlichen Recht oder Rechtsverhältnis unmittelbar betroffen wird. Dieses ist nicht nur die Schwerbehindertenvertretung, sondern auch das einzelne Mitglied, das an der Schulung teilnehmen soll.
c.) Mit seinem Antrag begehrt die Schwerbehindertenvertretung den Erlass einer sogenannten Leistungsverfügung (
vgl. insoweit auch
LAG Hessen, Beschluss vom 22. Oktober 1998, Az: 15 Ta 577/98, NZA-RR 1999, 606-607). Rechtsgrundlage für eine derartige einstweilige Verfügung ist nach überwiegender Meinung § 85 Absatz 2 Satz 1
ArbGG i.V.m. § 940
ZPO (
vgl. GKArbGG, Vossen, § 62 Rn 61). Nach dieser Vorschrift ist eine einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gefahren oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist demnach die Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruches sowie eines Verfügungsgrundes (§§ 85
Abs. 2 Satz 2
ArbGG, 940
ZPO, 936, 920, 294
Abs. 1
ZPO).
aa.) Eine derartige Leistungsverfügung ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil sie zu einer Befriedigung des Anspruches auf Teilnahme an der begehrten Schulung damit zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führt. Vielmehr sind auf die Freistellung für die Teilnahme an Schulungen von Schwerbehindertenvertretern nach § 96
Abs. 4 Satz 3, 4
SGB IX gerichtete einstweilige Verfügungen zulässig, weil gemäß §§ 85
Abs. 2
ArbGG, 935, 940
ZPO auch im Beschlussverfahren dem Verfassungsgebot eines effektiven Rechtsschutzes mit der Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Verfügung Rechnung zu tragen ist. Eine Befriedigungsverfügung ist trotz ihrer nicht nur sichernden, sondern befriedigenden Wirkung und der damit verbundenen Vorwegnahme der Entscheidung im Hauptsacheverfahren deshalb dann zulässig, wenn sie zur Erfüllung des rechtsstaatlichen Justizgewährungsanspruchs auf effektiven Rechtsschutz erforderlich ist (
LAG Hessen, Beschluss vom 14. Januar 2010, Az:
9 TaBVGa 229/09, zitiert nach juris). Dem Umstand, dass durch den Erlass einer derartigen Leistungsverfügung eine Befriedigung des Anspruchs auf Teilnahme an der Schulung und damit eine Vorwegnahme der Hauptsache erfolgt, ist allein dadurch Rechnung zu tragen, dass an den Verfügungsgrund, nämlich die Abwendung wesentlicher Nachteile, strenge Anforderungen zu stellen sind (
LAG Hessen Urteil vom 30. Januar 2006, Az: 16 SaGa 1823/05, recherchiert über juris,
LAG Hessen, Beschluss vom 22. Oktober 1998, Az: 15 Ta 577/98, NZA-RR 1999, 606-607).
bb.) Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Schwerbehindertenvertretung das Vorliegen eines Verfügungsanspruches glaubhaft gemacht. Gem. § 96
Abs. 4
S. 3
SGB IX sind die Vertrauenspersonen von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts oder der Dienstbezüge für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen zu befreien, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind. Nach Satz 4 von § 96
Abs. 4
SGB IX gilt dieses auch für das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied, wenn wegen ständiger Heranziehung nach § 95, häufiger Vertretung der Vertrauensperson für längere Zeit oder absehbaren Nachrückens in das Amt der Schwerbehindertenvertretung in kurzer Frist die Teilnahme an Bildungs- und Schulungsveranstaltung erforderlich ist.
Im vorliegenden Fall begehrt die Schwerbehindertenvertretung nicht die Freistellung des Vertrauensmannes oder seiner ersten Stellvertreterin, sondern die Freistellung ihrer zweiten Stellvertreterin. Nach dem Wortlaut des Gesetzes gehört diese nicht zu denjenigen, denen nach § 96
Abs. 4
S. 4
SGB IX eine Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung zu ermöglichen ist. Allerdings ist es geboten, den Kreis der Begünstigten zu erweitern, wenn wie hier die Schwerbehindertenvertretung zulässigerweise von ihrem Recht Gebrauch gemacht, nach § 95
Abs. 1
S. 4
SGB IX auch das mit der nächsthöchsten Stimmzahl gewählte weitere stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranzuziehen. Wenn das Gesetz auf der einen Seite der Schwerbehindertenvertretung die Möglichkeit eröffnet, nicht nur das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied sondern auch das mit der nächsthöchsten Stimmzahl gewählte weitere stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranzuziehen, dann muss sie auch in der Lage sein, diese Person zu schulen. Jedes andere Ergebnis würde auf einen Wertungswiderspruch hinauslaufen. Dementsprechend wird auch in der Literatur die Auffassung vertreten, dass die Beschränkung von § 96
Abs. 4
S. 4
SGB IX nicht zwingend geboten ist (
vgl. Naumann/Pahlen/Majerski-Pahlen,
SGB IX, 11. Auflage, § 96 RN 14). Nur bei einem derartigen Verständnis kann die Schwerbehindertenvertretung sicherstellen, dass alle für sie tätigen Personen die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben sach- und fachgerecht wahrnehmen. Infolgedessen kann sich die Schwerbehindertenvertretung auch im Hinblick auf ihre zweite Stellvertreterin auf § 96
Abs. 4
S. 3 und 4
SGB IX berufen.
Die Teilnahme an der Schulung
SBV II des Veranstalters ist auch erforderlich im Sinne des § 96
Abs. 4
S. 3
SGB IX. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu § 37
Abs. 6
BetrVG ist die Teilnahme an einer Schulung dann erforderlich, wenn die Vertrauensperson die auf der Veranstaltung vermittelten Kenntnisse unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Betrieb sofort oder demnächst benötigt, um ihre Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können. Das vermittelte Wissen muss sich unmittelbar auf die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95
SGB IX auswirken. Es kommt mithin darauf an, ob sich die Thematik den Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung nach § 95
SGB IX zuordnen lässt (
LAG Hessen, Beschluss vom 14. Januar 2010, Az: 9 TaBVGa 229/09, zitiert nach juris). Die Schulung in ist nach dem Seminarprogramm geeignet, die zweite Stellvertreterin bei der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben zu unterstützen. So hat die Schulung
u. a. die Situation schwer behinderten Menschen in der Arbeitswelt, Maßnahmen zur Sicherung des Arbeitsplatzes sowie die behindertengerechte Arbeitsplatzgestaltung zum Gegenstand. Das Seminar betrifft somit spezifische behindertenbezogene Themen. Auch hat die Schwerbehindertenvertretung mit der Abwesenheit ihres Vertrauensmannes im Oktober/November 2011 und der zusätzlichen Heranziehung ihrer zweiten Stellvertreterin einen konkreten, aktuellen Anlass für die Teilnahme an der Schulung dargelegt. Dieser wird noch durch den großen Kreis der hier zu vertretenden schwerbehinderten Menschen in Höhe von
ca. 400 Personen unterstrichen. Infolgedessen ist die Annahme berechtigt, dass die im Rahmen der Schulung erworbenen Kenntnisse von der zweiten Stellvertreterin benötigt werden, um ihre Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen zu können.
Schließlich hat die Schwerbehindertenvertretung bei der Entsendung ihrer zweiten Stellvertreterin zu der Schulung in auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet. Die Gesamtkosten in Höhe von
ca. Euro 1.350,- bewegen sich im Rahmen dessen, was üblicherweise für berufsbezogene Seminare zu zahlen ist. Zwar ist der Arbeitgeberin insoweit Recht zu geben, als dass der ebenfalls Schulungen für Schwerbehindertenvertretungen anbietet. Bei diesen Schulungen würden keine Übernachtungskosten und nur geringe Fahrtkosten anfallen. Auch ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die jeweilige Vertretung die Verpflichtung, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er der Sache nach für verhältnismäßig und deshalb auch für den Arbeitgeber zumutbar halten darf. Er hat deshalb darauf bedacht zu sein, die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken (
BAG Beschluss vom 28. Oktober 1992, Az: 7 ABR 10/92, zitiert nach juris). Demzufolge bedarf es einer Teilnahme an einer bestimmten Schulungsveranstaltung dann nicht, wenn sich der Betriebsrat vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen kann (
LAG Hamm, Beschluss vom 03. November 2006, Az:
10 TaBV 201/05, zitiert nach juris).
Aus dem Grundsatz, dass der Arbeitgeber nur die erforderlichen Kosten zu tragen hat, ergibt sich jedoch keine Verpflichtung der jeweiligen Vertretung, bei mehreren gleichartigen Schulungsveranstaltungen die kostengünstigere zu wählen, wenn diese seiner Ansicht nach im Verhältnis zur anderen als qualitativ geringwertiger anzusehen ist. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen auch nach Ansicht der jeweiligen Vertretung im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kann eine Beschränkung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auf die Kosten der preiswerteren in Betracht kommen (
LAG Hamm, Beschluss vom 03. November 2006, Az: 10 TaBV 201/05, zitiert nach juris).
In Anwendung dieser Grundsätze war die Schwerbehindertenvertretung im vorliegenden Fall nicht gehalten, sich auf eine Schulung bei dem zu beschränken. Zum einen hatte die zweite Stellvertreterin bereits an dem ersten Baustein bei teilgenommen. Da die einzelnen Schulungen aufeinander aufbauen, macht es für sie Sinn, das unmittelbar daran anschließende und auf die Vorveranstaltung abgestimmte Fortbildungsseminar bei demselben Veranstalter zu besuchen. Würde man der zweiten Stellvertreterin eine Schulung bei verwehren, so würde zum anderen innerhalb der Schwerbehindertenvertretung eine Art "Zwei-Klassen-Gesellschaft" zwischen den Personen, die eine Fernschulung in Anspruch nehmen durften, und denen, die lediglich auf lokale Veranstaltungen verwiesen werden, entstehen. Eine derartige Aufspaltung lässt sich nicht mit der sachgerechten Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben einer Schwerbehindertenvertretung vereinbaren. Schließlich berücksichtigt die Kammer insoweit, dass es sich bei den schwerbehinderten Menschen um die Personengruppe handelt, deren Eingliederung in das Erwerbsleben immer noch von großen Schwierigkeiten begleitet ist. Dementsprechend erfährt der Schutz von schwerbehinderten Menschen sowohl auf
EU- als auch auf der nationalen Ebene eine immer größere Bedeutung.
cc.) Auch ist der erforderliche Verfügungsgrund glaubhaft gemacht. Die Schulungsmaßnahme steht unmittelbar bevor.
Verfügungsgrund für eine auf § 940
ZPO gestützte einstweilige Verfügung ist, dass sie zur Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis notwendig ist. Als Beispiel nennt das Gesetz die Abwendung wesentlicher Nachteile und die Verhinderung drohender Gewalt. Bei der hier begehrten Leistungsverfügung sind an den Verfügungsgrund strenge Anforderungen zu stellen (Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge Arbeitsgerichtsgesetz 6. Auflage, § 62 RN 98). Er ist nur dann zu bejahen, wenn ohne die einstweilige Verfügung der Eintritt eines irreparablen Schadens oder eines irreparablen Zustands beim Verfügungskläger zu befürchten ist (
vgl. GK-
ArbGG, Vossen, § 62, RZ 64). Im vorliegenden Fall ergibt sich der Verfügungsgrund aus der nahenden Abwesenheit des Vertrauensmannes, der Heranziehung der zweiten Stellvertreterin, sowie der unmittelbar bevorstehenden Seminarveranstaltung.
2.) Demgegenüber sind die Anträge zu 2.) und 3.) nicht begründet, da für sie als Feststellungsanträge kein Verfügungsgrund besteht.
Nicht vollstreckungs- und damit auch nicht vollziehungsfähige Feststellungsbeschlüsse sind durch die Wirkungen ihrer Rechtskraft bloße Grundlage anderer Ansprüche, die der Zwangsvollstreckung zugänglich sind. Daher ist die Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung für einen feststellenden Ausspruch nur in besonderen Ausnahmefällen anzuerkennen, wenn auf andere Weise das Gebot der Sicherung effektiven Rechtsschutzes nach
Art. 19
Abs. 4
GG nicht gewährleistet werden kann (
LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 06. März 2006, Az: 13 TaBV 4/06, zitiert nach juris). Eine solche Konstellation ist zum Beispiel anzunehmen, wenn grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Antragstellers sonst endgültig nicht mehr durchgesetzt werden könnten (Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge Arbeitsgerichtsgesetz 6. Auflage § 62 Rn. 94 m. w. N.). In den übrigen Konstellationen ist eine feststellende Verfügung angesichts der Vorläufigkeit des Eilverfahrens nicht geeignet, die Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Nur wenn der Gegner von vornherein erklärt hat, sich einer feststellenden Verfügung "beugen" zu wollen, kann ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis angenommen werden (
vgl. Korinth Einstweiliger Rechtsschutz im arbeitsgerichtlichen Verfahren 1. Auflage, Anhang zu §§ 935, 940 Rn. 311). Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass für die Feststellungsanträge ausnahmsweise ein Verfügungsgrund gegeben ist. Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass der Anspruch nach § 96
Abs. 4
S. 3 und 4
SGB IX - ebenso wie der Anspruch aus
§ 37 Abs. 6 in Verbindung mit § 37
Abs. 2
BetrVG - nur darauf gerichtet ist, das Betriebsratsmitglied nach diesen Vorschriften von der Arbeitspflicht freizustellen. Eine einstweilige Verfügung auf Kostenübernahme ist daher nur denkbar, wenn das Mitglied der betreffenden Vertretung glaubhaft macht, dass es die Schulungskosten nicht selbst bestreiten kann (
LAG Hessen, Beschluss vom 14. Januar 2010, Az: 9 TaBVGa 229/09, zitiert nach juris). Das ist hier nicht vorgetragen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei
gem. § 2
Abs. 2 GKG.