Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. September 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger ist blind und als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 vom Hundert anerkannt. Er betreibt ein Einzelhandelsunternehmen für Unterhaltungselektronik in Berlin. Im Oktober 2004 beantragte er erstmals Mittel für eine Arbeitsassistenz beim Landesamt für Gesundheit und Soziales des Beklagten, die ihm mit Bescheid vom 17. November 2004 für den Zeitraum 2005 bis 2006 in Höhe von 2.100 Euro monatlich für einen anerkannten Assistenzbedarf von acht Stunden täglich bewilligt wurden. Seither beschäftigt er durchgehend eine Arbeitsassistenz zu einem Bruttolohn von 1.750 Euro.
Auf seinen Antrag vom 25. September 2006 auf Weitergewährung der Mittel für eine Arbeitsassistenz im bisherigen Umfang bewilligte ihm die Behörde mit Bescheid vom 6. November 2006 unter Zugrundelegung eines fortbestehenden Assistenzbedarfs von acht Stunden täglich Mittel in Höhe von nur noch 1.800 Euro monatlich. Den hiergegen am 14. November 2006 eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss des Integrationsamtes mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2007 zurück und führte zur Begründung aus: Die Entscheidung über die Höhe der bewilligten Mittel orientiere sich an den Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH). Darin seien Fördergrenzen der Mittel für eine notwendige Arbeitsassistenz festgelegt worden. Diese beliefen sich bei einem notwendigen Unterstützungsbedarf von mindestens drei Stunden arbeitstäglich auf 1.100 Euro (Höchstförderung). Dem Kläger würde aber für eine Übergangszeit noch der Betrag von 1.800 Euro monatlich gewährt, weil eine sofortige Herabstufung auf 1.100 Euro angesichts der bisherigen Höhe der bewilligten Mittel eine besondere Härte für ihn darstellen würde.
Die hiergegen gerichtete, am 26. Mai 2007 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 4. September 2008 als unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger könne eine Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz in der bisherigen Höhe nicht beanspruchen. Die Höhe der zu bewilligenden Mittel stünde im Ermessen der Behörde. Das folge aus dem Umstand, dass der Anspruch nach
§ 102 Abs. 4 SGB IX unter dem Vorbehalt der dem Integrationsamt jeweils zur Verfügung stehenden Mittel der Ausgleichsabgabe stehe, zum anderen folge das aus
§ 108 SGB IX, der die Bundesregierung ermächtige, durch
Rechtsverordnung das Nähere über die Voraussetzungen des Anspruchs nach § 102
SGB IX sowie über die Höhe, Dauer und Ausführung der Leistungen zu regeln. Demnach habe der Gesetzgeber die Höhe der Leistungen als regelungsbedürftig angesehen und eine der Höhe nach unbegrenzte Finanzierung der notwendigen Arbeitsassistenzkosten nicht beabsichtigt. Da die Bundesregierung von der Verordnungsermächtigung bislang keinen Gebrauch gemacht habe, stehe die Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel im Ermessen der Behörde. Die Ausübung des Ermessens anhand der Richtlinie des BIH sei nicht zu beanstanden. Die Entscheidung, nur noch 1.800 Euro monatlich zu gewähren beruhe auf einer geänderten Verwaltungspraxis, die sich stärker an den Kappungsgrenzen der Empfehlungen orientiere. Ein Verstoß gegen die Selbstbindung der Verwaltung liege hierin nicht. Der Beklagte habe auch dem Umstand Rechnung getragen, dass die Kosten der für den Kläger notwendigen Arbeitsassistenz mit dem in den Empfehlungen des BIH vorgesehenen Höchstbetrag nicht vollständig abgedeckt werden könnten.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung vom 10. Januar 2009 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht im Wesentlichen geltend, den Integrationsämtern stehe bei der Mittelvergabe kein eigenes Ermessen zu. § 102
Abs. 4
SGB IX formuliere einen Rechtsanspruch, dem eine Rangordnung der Mittelvergabe hinsichtlich der lediglich im Ermessenswege zu gewährenden Leistungen nach § 102
Abs. 3
SGB IX entnommen werden könne. Der Mittelvorbehalt greife erst dann anspruchsbegrenzend ein, wenn das Integrationsamt dargelegt habe, dass die vorhandenen Mittel nicht mehr ausreichten. Mittelknappheit sei hier nicht geltend gemacht. Eine Begrenzung des Anspruchs könne allein über den unbestimmten Rechtsbegriff der "notwendigen" Arbeitsassistenz erfolgen. Die Empfehlungen des BIH stellten lediglich eine Orientierungshilfe für den Regelfall, aber keine Höchstgrenze für die Bewilligung dar. Es wäre gleichheitswidrig, bei einem Bedarf von drei Stunden für eine notwendige Arbeitsassistenz denselben Betrag zu gewähren wie bei einem Bedarf von acht Stunden. Mit dem Betrag von 1.100 Euro könne der Assistenzbedarf des Klägers nicht gedeckt werden. Der Stundenlohn betrage dann lediglich rund 5,30 Euro. Bei einem Betrag von 2.100 Euro betrage der Stundenlohn rund 10 Euro. Seiner Assistenzkraft würden zwar nur Hilfstätigkeiten abverlangt, für ihn sei jedoch ein hohes Maß an Vertrauenswürdigkeit von besonderer Bedeutung. Die Assistenzkraft sei daher nicht durch jede beliebige Arbeitskraft ersetzbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. September 2008 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Gesundheit und Soziales vom 6. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses vom 26. April 2007 zu verpflichten, die Kosten der notwendigen Arbeitsassistenz des Klägers wie bisher in Höhe von 2.100 Euro zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest. Ergänzend führt er aus, die in den Empfehlungen des BIH festgelegten Pauschalen seien nicht sachwidrig. Im Interesse einer planbaren, gleichmäßigen und wirtschaftlichen Verteilung der begrenzten Mittel sei die Begrenzung der Förderleistungen nicht zu beanstanden. Im Übrigen sei nicht dargelegt, dass eine Bewilligung von 2.100 Euro vorliegend zwingend erforderlich wäre.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Kosten für seine Arbeitsassistenz wie bisher in Höhe von 2.100 Euro nicht zu. Der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113
Abs. 5
VwGO). Dabei folgt der Senat der Auffassung der Behörde und des Verwaltungsgerichts allerdings nur im Ergebnis, nicht in der Begründung.
Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 102
Abs. 4
SGB IX. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Diese Voraussetzungen liegen dem Grunde nach vor. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig und aus Sicht des Senats nicht zweifelhaft, dass der Kläger eine Arbeitsassistenz im Umfang von acht Stunden täglich benötigt, um die behinderungsbedingten Nachteile, die anderenfalls der Ausübung seines Berufs entgegenstünden, auszugleichen.
Nicht nachvollziehbar erscheint angesichts des klaren Wortlauts und der eindeutigen Systematik des
§ 102 SGB IX jedoch der Ansatz des Beklagten und auch des Verwaltungsgerichts, dass der Behörde hinsichtlich der Höhe der Mittel, die für eine notwendige Arbeitsassistenz übernommen werden, ein Ermessen zusteht (
a. A. OVG Bremen, Beschluss vom 15. Oktober 2003 -
2 B 304/03 -, FEVS 55,
S. 334; offen gelassen
BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 2010 -
5 B 66/09 -,
Rdnr. 6 bei Juris). Dass deren Vergabe unter dem Vorbehalt der dem Integrationsamt jeweils zur Verfügung stehenden Mittel der Ausgleichsabgabe steht, könnte diese Annahme allenfalls dann rechtfertigen, wenn die Mittel zur Erfüllung der gesetzlich normierten Ansprüche verbraucht wären, wofür nichts ersichtlich oder geltend gemacht ist. Weiter leuchtet es nicht ein, dass dieses Ermessen deshalb bestehen soll, weil die Bundesregierung von der Verordnungsermächtigung in
§ 108 SGB IX keinen Gebrauch gemacht hat. Selbst wenn der Bundesregierung hinsichtlich der Höhe der Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz in der Verordnungsermächtigung vom Gesetzgeber Spielräume eingeräumt worden sein sollten - was dem Senat ebenfalls zweifelhaft erscheint, hier aber keiner Erörterung bedarf -, rechtfertigt das Fehlen der Verordnung nicht die Annahme, dieser Spielraum sei in Form eines Ermessens mit der Folge nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfbarkeit auf die Behörde übergegangen. Diese Aspekte müssen vorliegend jedoch nicht vertieft werden, weil der Kläger auch bei unterstelltem fehlendem Ermessen der Behörde keinen Anspruch auf die Übernahme der Kosten für seine notwendige Arbeitsassistenz hätte, der über den bewilligten Betrag von 1.800 Euro hinausginge.
Der in § 102
Abs. 4
SGB IX gewährte Anspruch ist der Höhe nach durch den Begriff der Notwendigkeit begrenzt. Notwendig in diesem Sinne sind diejenigen Kosten, die entstehen, um den Bedarf für eine Arbeitsassistenz zu decken, die - dem Zweck der Regelung entsprechend - den behinderungsbedingten Unterstützungsbedarf bei der Bewältigung des beruflichen Alltags ausgleicht. Nach welchen Kriterien sich dies richtet, ist weder durch § 102
Abs. 4
SGB IX noch durch eine
Rechtsverordnung vorgegeben oder konkretisiert. Insbesondere enthält auch die Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung vom 28. März 1988 (BGBl. I,
S. 484, zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 22. Dezember 2008, BGBl. I,
S. 2959) -
SchwbAV -, die aufgrund des Schwerbehindertengesetzes erlassen wurde und ungeachtet der Ablösung des Schwerbehindertengesetzes durch das
SGB IX fort gilt, insoweit keine Vorgaben. Deren
§ 17 Abs. 1a enthält allerdings eine wortgleiche Regelung wie § 102
Abs. 4
SGB IX. Die von der Behörde angeführten Empfehlungen der BIH für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102
Abs. 4
SGB IX vom 1. August 2005 sind nicht nur deshalb nicht heranzuziehen, weil sie keinerlei verbindlichen Charakter aufweisen, sondern namentlich auch, weil sie für die Kostenübernahme einer notwendigen Arbeitsassistenz im hier erforderlichen Umfang keine sachdienlichen Kriterien enthalten. Nach deren Ziffer 4.1 sollen diese bei einem durchschnittlichen arbeitstäglichen Unterstützungsbedarf von weniger als einer Stunde bis zu 275 Euro, von einer Stunde bis unter zwei Stunden bis zu 550 Euro, von zwei Stunden bis unter 3 Stunden bis zu 825 Euro und von mindestens drei Stunden bis zu 1.100 Euro betragen. Es kann dahinstehen, ob die Höhe dieser Mittel sich bei einem Unterstützungsbedarf von bis zu drei Stunden als sachdienlich darstellt, jedenfalls bei einem Unterstützungsbedarf der - wie hier - deutlich über drei Stunden täglich hinausgeht, erscheint die Annahme eines Höchstbetrages von 1.100 Euro verfehlt.
Vor diesem Hintergrund hält es der Senat jedenfalls in Fällen, in denen wie vorliegend der Bedarf für eine Arbeitsassistenz den Umfang einer Vollzeitstelle hat, für angemessen, sich an der Höhe des Stundenlohns der Arbeitsassistenz zu orientieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Beschäftigung eines Mitarbeiters als Arbeitsassistenz aus den vom Integrationsamt zur Verfügung gestellten Mitteln nicht nur der Lohn und die Sozialabgaben des Mitarbeiters zu bestreiten sind, sondern auch der Arbeitgeberanteil der Sozialabgaben. Den hier bewilligten Betrag von 1.800 Euro schätzt der Senat insoweit als ausreichend ein.
Eine Kostenübernahme von 1.800 Euro ermöglicht es auch unter Berücksichtigung eines Arbeitgeberanteils an der Sozialversicherung, einer Arbeitsassistenz einen Bruttolohn von 1.480 Euro im Monat zu zahlen. Bei einem Bruttomonatslohn dieser Höhe betrugen die vom Arbeitnehmer im Jahr 2007 zu zahlenden Sozialabgaben 322,74 Euro. Addiert man diese als Arbeitgeberanteil zum Bruttolohn von 1.480 Euro, so ergibt sich ein der bewilligten Summe nahezu entsprechender Gesamtbetrag von 1.802,74 Euro. Der Stundenlohn bei einem Bruttolohn von 1.480 Euro beträgt bei 22 Arbeitstagen im Monat 8,40 Euro, bei monatlich 21 Arbeitstagen 8,80 Euro, im Mittel also 8,60 Euro.
Ein Stundenlohn in dieser Größenordnung erscheint für die hier erforderlichen Tätigkeiten der Arbeitsassistenz nicht unangemessen, zumal es sich lediglich um Hilfstätigkeiten handelt, für die auch nach den Angaben des Klägers eine Ausbildung oder besondere Qualifikation nicht erforderlich ist. Dass die Tätigkeit besonderes Vertrauen erfordert, wie der Kläger nachvollziehbar anführt, fällt dabei nicht "lohnerhöhend" ins Gewicht. In vielen Bereichen der Wirtschaft sind die Arbeitgeber in besonders hohem Maße darauf angewiesen, ihren Mitarbeitern Vertrauen entgegenzubringen, damit die Arbeit erfolgreich bewältigt werden kann. Dieser Umstand hat daher für sich genommen nicht solches Gewicht, dass er eine höhere Entlohnung nach sich ziehen müsste. Dass es nicht möglich ist, zu diesem Stundenlohn eine Arbeitsassistenz zu finden, hat der Kläger nicht behauptet. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, die diese Annahme nahe legen, zumal der Kläger allein während der ersten beiden Jahre der Arbeitsassistenz in Berlin insgesamt drei Personen nacheinander beschäftigt hat. Es handelt sich schließlich auch nicht um einen sog. Dumping-Lohn, der nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Das zeigt sich daran, dass er dem gewerkschaftlich geforderten allgemeinen Mindestlohn von 8,50 Euro entspricht.
Die Förderung in der bisherigen Höhe kann der Kläger auch nicht unter Besitzstands- oder Vertrauensschutzgesichtspunkten beanspruchen. In seinen Besitzstand wurde nicht eingegriffen. Das käme nur dann in Betracht, wenn bereits bewilligte Mittel nachträglich gekürzt worden wären. Das ist nicht der Fall. Der angegriffene Bescheid betrifft einen Zeitraum nach Ablauf des bisherigen Förderungszeitraums. Aus den gleichen Gründen kann der Kläger sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Schon aufgrund der zeitlichen Befristung der bisherigen Förderung konnte er kein schützenswertes Vertrauen darauf haben, Förderung in der bisherigen Höhe weiter zu erhalten.
Soweit der Kläger vorträgt, die weitere Kürzung der Mittel auf letztlich 1.100 Euro monatlich für seine notwendige Arbeitsassistenz würden zur Bestreitung der Kosten nicht ausreichen, spricht zwar viel für die Richtigkeit seiner Ansicht, gleichwohl ist ihm entgegenzuhalten, dass dies vorliegend nicht Streitgegenstand ist. Im vorliegenden Verfahren ist allein zu klären, ob der Betrag von 1.800 Euro hierfür ausreicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 2
VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
VwGO in Verbindung mit § 708
Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132
Abs. 2
VwGO genannten Gründe vorliegt.