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Urteil
(Keine) teilhaberechtliche Einladungspflicht für interne Stellenbewerber

Gericht:

OVG Schleswig-Holstein 2. Senat


Aktenzeichen:

2 MB 18/18


Urteil vom:

29.10.2018


Grundlage:

Amtlicher Leitsatz:

Für interne Bewerber um eine Stelle besteht keine Einladungspflicht nach § 82 Satz 2 SGB IX a.F. (§ 165 Satz 2 SGB IX n.F.).

Sonstige Orientierungssätze.

1. Die in Bezug auf schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber aus § 165 Satz 3 SGB IX hervorgehende, vom öffentlichen Arbeitgeber zu beachtende Einladungspflicht zu einem Vorstellungsgespräch greift bei einer externen Stellenausschreibung nicht auch zugunsten von internen Bewerberinnen und Bewerbern.

2. In den persönlichen Anwendungsbereich dieser Norm fallen keine internen Bewerbungen. Dies gilt auch dann nicht, wenn der ausgeschriebene Arbeitsplatz für externe Personen offen steht.

3. Diese Vorschrift zielt einzig auf die Förderung von schwerbehinderten Menschen ab, die bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldet sind. Dieser Klientel soll hiermit der Einstieg in eine Beschäftigung erleichtert werden, nicht aber der Aufstieg bereits beruflich eingegliederter Personen gefördert werden.

Quelle: Behindertenrecht 04/2019

Rechtsweg:

VG Schleswig, Beschluss vom 26.07.2018 - 12 B 49/17

Quelle:

Landesrechtsprechung Schleswig-Holstein

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 26. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 17.281,62 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner im Ergebnis zu Recht vorläufig untersagt, die streitgegenständliche Stelle zu besetzen.

1. Das Beschwerdevorbringen, eine Pflicht zur Einladung des Antragstellers zu einem Vorstellungsgespräch nach § 82 Satz 2 SGB IX a.F./§ 165 Satz 2 SGB IX n.F. habe nicht bestanden, da der Antragsteller ein interner Bewerber sei, greift durch. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht angenommen, die Einladungspflicht greife bei einer externen Ausschreibung auch zugunsten von internen Bewerbern.

Maßgeblich ist hier die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2017 - 2 VR 2.16 -, Rn. 52, juris). Für das teilhaberechtliche Einladungsgebot ist damit § 82 Satz 2 SGB IX in der Fassung durch Art. 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I, S. 3234) maßgeblich. Die Vorschrift lautet in dieser Fassung:

Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze (§ 73). Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Einer Inklusionsvereinbarung nach § 83 bedarf es nicht, wenn für die Dienststellen dem § 83 entsprechende Regelungen bereits bestehen und durchgeführt werden.

In den persönlichen Anwendungsbereich des § 82 Satz 2 SGB IX a.F. fallen keine internen Bewerber - auch dann nicht, wenn der Arbeitsplatz für externe Bewerber offen steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 2 A 13.10 -, Rn. 23, juris).

Der Wortlaut des § 82 Satz 2 SGB IX a.F. ist offen, da die Vorschrift auf schwerbehinderte Menschen abstellt, die sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben haben oder von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen wurden. Aus der Entstehungsgeschichte und der Systematik der Sätze 1 und 2 des § 82 SGB IX a.F. ergibt sich jedoch, dass die Vorschrift allein auf die Förderung von Personen mit Schwerbehinderung zielt, die arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldet sind. Ihnen soll der Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtert werden. Zum beruflichen Aufstieg bereits bei dem Arbeitgeber beschäftigter Personen mit Schwerbehinderung verhält sich die Vorschrift nicht.

Die teilhaberechtliche Einladungspflicht nach § 82 Satz 2 SGB IX a.F. geht auf § 14a SchwbG zurück, der mit Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 29. September 2000 (BGBl. I 2000, S. 1394 ff.) eingeführt wurde. Das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter zielte auf die Eingliederung in Arbeit mit dem Ziel, die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten zu senken (vgl. BT-Drs. 14/3372, S. 15). Die Vorschrift wurde mit § 82 SGB IX a.F. als inhaltsgleiche Regelung - unter Ausdehnung auf alle öffentlichen Arbeitgeber - fortgeführt (BT-Drs. 14/5074, S. 113).

Auch die Regelungsstruktur zeigt, dass interne Bewerber nicht erfasst werden. Bei interner Ausschreibung eines Arbeitsplatzes folgt aus § 82 Satz 2 SGB IX a.F. keine Pflicht zur Einladung interner Bewerber mit Schwerbehinderung, da die Formulierung "einen solchen Arbeitsplatz" Bezug nimmt auf die gegenüber den Agenturen für Arbeit meldepflichtigen neu zu besetzenden sowie neuen Arbeitsplätze (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 2 A 13.10 -, Rn. 18, juris). Meldepflichtig sind nur solche Arbeitsplätze, die nicht intern zu besetzen sind. Dies ergab sich bis zur Änderung des § 82 Satz 2 SGB IX a.F. durch das Art. 2 Nr. 3 BTHG aus dem gesetzessystematischen Zusammenhang der Sätze 1 und 2 des § 81 SGB IX a.F. (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 2 A 13.10 -, Rn. 19, juris) und war dann auch aus dem Wortlaut ersichtlich ("nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes"). Damit hat der Gesetzgeber festgelegt, dass interne Bewerber nicht in dem gleichen Maße schutzbedürftig sind wie arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldete Personen mit Schwerbehinderung. Sie befinden sich nicht in einer vergleichbaren Nachteilslage: sie sind weder arbeitslos noch hat der Arbeitgeber von ihnen keinen persönlichen Eindruck (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 2 A 13.10 -, Rn. 23, juris). Dass eine kompensationsbedürftige Nachteilslage für interne Bewerber geboten wäre, weil es externe Bewerber gibt oder geben könnte, ist nicht ersichtlich. Der Normzweck, die Erfolgschancen schwerbehinderter Bewerber zu bessern, indem sie unabhängig von der Gestaltung und dem Ablauf des konkreten Stellenbesetzungsverfahrens die Gelegenheit erhalten, den öffentlichen Arbeitgeber in einem Vorstellungsgespräch von ihrer Leistungsfähigkeit und Eignung zu überzeugen (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 2 A 13.10 -, Rn. 16, juris), kann nicht greifen.

2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist gleichwohl im Ergebnis zutreffend, da die Auswahlentscheidung des Antragsgegners auf einer unzureichenden Beurteilungsgrundlage getroffen wurde und nicht ausgeschlossen ist, dass die Stelle bei ordnungsgemäßer Beurteilung der Bewerber mit dem Antragsteller besetzt werden könnte.

Die vorliegenden Anlassbeurteilungen bieten bereits keine taugliche Grundlage für eine Auswahlentscheidung, da die zugrunde gelegten Beurteilungszeiträume schon nicht der gesetzlichen Vorgabe entsprechen.

Zudem weichen die Beurteilungszeiträume - nicht nur unwesentlich - voneinander ab. Eine Beurteilung kann ihr Ziel nur dann optimal erreichen, wenn die für die Vergleichbarkeit maßgeblichen äußeren Kriterien so weit wie irgend möglich eingehalten werden. Höchstmögliche Vergleichbarkeit wird grundsätzlich durch den gemeinsamen Stichtag und den gleichen Beurteilungszeitraum erreicht (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2001 - 2 C 41.00 -, Rn. 16, juris). Die Einheitlichkeit des Beurteilungszeitraums soll gewährleisten, dass die Beurteilung für alle Beamten gleichmäßig die zu beurteilenden Merkmale nicht nur punktuell, sondern in ihrer zeitlichen Entwicklung unabhängig von einer konkreten Verwendungsentscheidung erfasst (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2001 - 2 C 41.00 -, Rn. 16, juris; Beschluss vom 26. März 2015 - 1 WB 44.14 -, Rn. 41, juris). Ein inhaltlicher Vergleich von dienstlichen Beurteilungen ist nur zulässig ist, wenn er sich im Wesentlichen auf die gleichen Beurteilungszeiträume erstreckt (BVerwG, Beschluss vom 26. März 2015 - 1 WB 44.14 -, Rn. 41, juris; Beschluss vom 24. Mai 2011 - 1 WB 59.10 -, Rn. 33, juris).

Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 der Landesverordnung über die Laufbahn der Laufbahngruppe 2 in der Fachrichtung Bildung (LVO-Bildung) vom 19. Juli 2016 (GVOBl. S. 574) soll der Beurteilungszeitraum die letzten drei Jahre vor dem Beurteilungszeitpunkt erfassen.

Die Beurteilung des Antragstellers vom 18. Mai 2017 legt als Beurteilungszeitraum die drei Schuljahre 2014/15 bis 2016/17 zugrunde. Den gleichen Beurteilungszeitraum legt die Beurteilung der Beigeladenen zu 2) vom 19. Mai 2017 zugrunde. Dies verfehlt den gesetzlichen Beurteilungszeitraum des § 8 Abs. 2 Satz 1 LVO-Bildung, da die letzten drei Schuljahre nicht identisch sind mit den letzten drei Jahren vor dem Beurteilungszeitpunkt. Das Schuljahr beginnt grundsätzlich am 1. August und endet am 31. Juli des folgenden Jahres (§ 14 Abs. 1 SchulG) und ist damit unabhängig vom Beurteilungszeitpunkt. Das Schuljahr 2016 /17 war zudem im Beurteilungszeitpunkt noch nicht beendet.

In der Beurteilung des Beigeladenen zu 3) vom 22. Mai 2017 wird als Beurteilungszeitrum "die letzten vier Jahre" angegeben.

Die Beurteilung des Beigeladenen zu 1) vom 19. Dezember 2016 nennt keinen Beurteilungszeitraum. Eine ausdrückliche Nennung des Beurteilungszeitraums ist zwar solange unschädlich, wie dieser hinreichend sicher ermittelt werden kann (vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 2. Juni 2014 - 3 Bs 36/14 -, Rn. 14, juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Januar 2014 - 6 B 1336/13 -, Rn. 20, juris ; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. August 2015 - 4 S 1405/15 -, Rn. 7, juris). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Aus dem Schweigen zum Beurteilungszeitraum lässt sich hier nicht der Schluss ziehen, dass der gesetzlich vorgeschriebene Zeitraum unausgesprochen zugrunde gelegt wurde, da es u.a. hießt: "Herr ... ist bereits seit August 2008 durchgehend erfolgreich als ... an dieser Schule tätig". Aus diesem Verweis auf den Zeitraum "bereits seit 2008" lässt sich aber auch nicht sicher entnehmen, ob damit der Anfang des Beurteilungszeitraum benannt oder lediglich eine allgemeine einleitende Information mitgeteilt wird. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Beurteilung als Beurteilungszeitraum mit dem 1. April 2016 beginnt, da dem Beigeladenen zu 1) zu diesem Zeitpunkt an der Grund- und Gemeinschaftsschule ... das Amt eines Koordinators für die pädagogische und organisatorische Gestaltung der Arbeit in Jahrgängen 5 - 6 übertragen wurde und es sich um eine Anlassbeurteilung für die Stelle eines Koordinators an einer anderen Schule handelt. Nach Auskunft der Beklagten, sei weitere Aufklärung zum Beurteilungszeitraum nicht möglich, da der Beurteiler des Beigeladenen zu 1) in den Ruhestand getreten sei. Der Mangel bezüglich des Beurteilungszeitraums wird auch nicht durch die dienstliche Beurteilung vom 17. März 2017 anlässlich der Beendigung der "Probezeit" im Amt des Koordinators beseitigt. Der Beurteilungszeitraum ergibt sich hier zwar aus der Natur der Sache (1. April 2016 bis 31. März 2017), ist aber ganz erheblich kürzer als drei Jahre. Im Übrigen merkt der Senat an, dass der Ruhestand kein Hindernis für eine Befragung des Beurteilers zum von ihm zugrunde gelegten Beurteilungszeitraum ist.

Die abweichenden Beurteilungszeiträume sind hier auch nicht deshalb unerheblich, weil der Antragsteller und die Beigeladenen jeweils die höchstmögliche Bewertung - sehr gut - erhalten haben (vgl. Senatsbeschluss vom 29. September 2017 - 2 MB 13/17 -, Rn. 47, juris). Die Unterschiedlichkeit von Beurteilungszeiträumen ist zwar rechtlich unerheblich, wenn ausgeschlossen ist, dass die Länge des Beurteilungszeitraums sich auf das Ergebnis der Beurteilung ausgewirkt hat. Ist ein Beurteilungszeitraum normativ vorgegeben, legt die Beurteilung aber einen längeren Beurteilungszeitraum zugrunde, so ist eine Ergebnisrelevanz [in der Regel] ausgeschlossen, wenn die Bewertung mit der Höchstnote endet. Die Vergabe der Höchstnote setzt ein durchgängig hohes Leistungsniveau im gesamten Beurteilungszeitraum voraus, sodass dieses Leistungsniveau auch im kürzeren, normativ bestimmten Beurteilungszeitraum vorgelegen haben muss. Diese Schlussfolgerung kann vorliegend jedoch bezogen auf alle Bewerberinnen und Bewerber nicht gezogen werden, da der Beurteilungszeitraum des Beigeladenen zu 1) unklar ist.

3. Ergänzend merkt der Senat an, dass zweifelhaft ist, ob die vorliegenden Beurteilungen inhaltlich eine belastbare Vergleichsgrundlage bieten. Die Beurteilung des Antragstellers weist zwar auf dessen Schwerbehinderung (Grad der Behinderung von 50) hin, es ist aber nicht erkennbar, ob und ggf. bei welchen Kriterien dies Berücksichtigung gefunden hat. Zudem lässt die Bewertung in den Einzelkriterien nicht ausreichend erkennen, warum beim Antragsteller und den Beigeladenen die Höchstnote (sehr gut) verteilt wurde. Insgesamt scheinen die Beurteilungen auf unterschiedlichen Maßstäben zu beruhen (angestrebtes Amt oder ausgeübtes Amt?).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da sich die Beteiligten am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt haben, tragen sie weder Kosten noch sind ihre außergerichtlichen Kosten erstattungsfähig (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).

Der Wert des Streitgegenstandes beträgt gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG ein Viertel der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des angestrebten Amtes mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen. Für den Antragsteller mit der Lehramtsbefähigung als Sekundarschullehrkraft mit dem Schwerpunkt Sek. I, beträgt die erreichbare Besoldungsstufe der mit maximal A15 ausgeschriebenen Stelle A14 mit Zulage. Das monatliche Endgrundgehalt beträgt 5.760,54 EUR (= 5.560,06 EUR zuzüglich der Amtszulage nach Anlage 8 zum BesG i.H.v. 200,48 EUR). Damit ergibt sich ein Streitwert von 17.281,62 EUR (= 5.760,54 EUR * 12/4).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Referenznummer:

R/R8098


Informationsstand: 03.05.2019