Der Senat konnte gemäß § 153
Abs. 1
i.V.m. § 124
Abs. 2
SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.
1. Die Berufung des Beklagten ist begründet. Der Beklagte hat den Bescheid vom 26.07.2002 im Hinblick auf die Feststellung des Merkzeichens H zu Recht für die Zeit ab 01.09.2014 aufgehoben. Die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid vom 27.08.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2015 nicht im Sinne des § 54
Abs. 2 Satz 1
SGG beschwert, weil die Voraussetzungen für das Merkzeichen H nicht mehr erfüllt werden.
2. Streitgegenstand ist der Bescheid vom 27.08.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 02.02.2015. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der des Widerspruchsbescheides (
vgl. hierzu
BSG, Urteil vom 10.09.1997 -
9 RVs 15/96, Rn 11; Keller, a.a.O., § 54 Rn 33).
3. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48
SGB X. Gemäß § 48
Abs. 1 Satz 1
SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Vergleichsmaßstab sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Bescheides des damaligen Versorgungsamtes C vom 26.07.2002.
a) Das Merkzeichen H ist in den Schwerbehindertenausweis einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch hilflos
i.S.d. des § 33b EStG oder entsprechender Vorschriften ist (
§ 3 Abs. 1 Nr. 2 SchwbAwV). Gemäß § 33b
Abs. 6 Satz 3 EStG ist eine Person hilflos, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den in Satz 3 dieser Vorschrift genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist (§ 33b
Abs. 6 Satz 4 EStG).
Bei den gemäß § 33
Abs. 6 EStG zu berücksichtigenden Verrichtungen handelt es sich um solche, die im Ablauf eines jeden Tages unmittelbar zur Wartung, Pflege und Befriedigung wesentlicher Bedürfnisse des Betroffenen gehören sowie häufig und regelmäßig wiederkehren. Dazu zählen zunächst auch die bis zum 31.12.2016 von der Pflegeversicherung (
vgl. § 14
Abs. 4
SGB XI a.F.) erfassten Bereiche der Körperpflege (Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Darm- und Blasenentleerung), Ernährung (mundgerechtes Zubereiten und Aufnahme der Nahrung) und Mobilität (Aufstehen, Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung). Diese Bereiche wurden unter dem Begriff der sog. Grundpflege zusammengefasst (§ 15
Abs. 3
SGB XI a.F.;
vgl. nunmehr aber § 15
Abs. 2 bis 7
SGB XI in der ab 01.01.2017 geltenden Fassung). Hinzu kommen nach der Rechtsprechung des
BSG Maßnahmen zur psychischen Erholung, geistigen Anregung und Kommunikation (Sehen, Hören, Sprechen und Fähigkeit zu Interaktionen). Nicht vom Begriff der Hilflosigkeit umschlossen ist der Hilfebedarf bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen (zum Ganzen
vgl. BSG, Urteil v. 12.02.2003 -
B 9 SB 1/02 R, juris Rn. 11
ff. m.w.N. sowie
Teil A Nr. 4d Satz 4 VMG). Hilflosigkeit kann jedoch nicht angenommen werden, wenn schwerbehinderte Menschen nur in relativ geringem Umfang, täglich etwa eine Stunde, auf fremde Hilfe angewiesen sind. Der tägliche Zeitaufwand ist erst dann hinreichend erheblich, wenn sich dieser auf mindestens zwei Stunden beläuft. Erreicht der tägliche Hilfebedarf einen Aufwand von mehr als einer, jedoch unter zwei Stunden, ist Hilflosigkeit anzunehmen, wenn der wirtschaftliche Wert der erforderlichen Pflege (wegen der Zahl der Verrichtungen
bzw. ungünstiger zeitlicher Verteilung der Hilfeleistungen) besonders hoch ist (
BSG, Urteil v. 12.02.2003 - B 9 SB 1/02 R, juris Rn. 15 und 18
m.w.N. aus der Rspr.). Ebenso müssen gemäß Teil A
Nr. 4d
VMG einzelne Verrichtungen, selbst wenn sie lebensnotwendig sind und im täglichen Lebensablauf immer wieder vorkommen (
z.B. Hilfe beim Anziehen einzelner Bekleidungsstücke, Begleitung bei Spaziergängen oder Hilfen im Straßenverkehr) außer Betracht bleiben.
b) Im Vergleich der Verhältnisse am 26.07.2002 und 02.02.2015 ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Denn die Klägerin ist nicht mehr hilflos
i.S.d. vorbezeichneten Grundsätze. Die wesentliche Änderung liegt hier zum einen - wie der Sachverständige
Dr. D nachvollziehbar ausgeführt hat - darin, dass die Klägern bei Erlass des Bescheides vom 26.07.2002 acht Jahre alt und der Hilfebedarf aufgrund des erst später einsetzenden guten Reifungsprozesses noch deutlich höher als im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides war. Zum anderen führt das Erreichen der Volljährigkeit dazu, dass die in
Teil A Nr. 5 VMG geregelten "Besonderheiten der Beurteilung der Hilflosigkeit bei Kindern und Jugendlichen" nicht mehr zu berücksichtigen sind (hierzu 3. a] bb]).
aa) Die mit Bescheid vom 26.07.2002 erfolgte Feststellung des Merkzeichens H zu Gunsten der seinerzeit achtjährigen Klägerin war zutreffend. Erweist sich die Feststellung eines
GdB oder Nachteilsausgleichs von Anfang an als rechtswidrig, ist eine Änderung
i.S.d. § 48
Abs. 1 Satz 1
SGB X ausgeschlossen. Die Feststellung kann in diesen Fällen allenfalls nach § 45
SGB X zurückgenommen werden.
Bei Kindern und Jugendlichen kann im Vergleich zu Erwachsenen mit derselben Erkrankung selbst bei einem gleich bleibenden Krankheitsverlauf die Annahme des Merkzeichens H gerechtfertigt sein, weil nicht nur die Anleitung zu den in der (seinerzeit noch gültigen)
Nr. 21
Abs. 3 Sätze 1 und 2 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (
AHP) genannten Verrichtungen, sondern auch die Förderung der körperlichen und geistigen Entwicklung sowie die notwendige Überwachung zu den berücksichtigungsfähigen Hilfeleistungen gehört (jetzt: Teil A
Nr. 5a
VMG). Die Besonderheiten des Kindesalters führen dazu, dass zwischen dem Ausmaß der Behinderung und dem Umfang der wegen der Behinderung erforderlichen Hilfeleistungen nicht immer eine Korrelation besteht, so dass, anders als bei Erwachsenen, auch schon bei niedrigeren
GdB-Werten Hilflosigkeit vorliegen kann (
vgl. Nr. 22
Abs. 3
AHP - jetzt: Teil A
Nr. 5c
VMG). Bei einer geistigen Behinderung eines Kindes kommt auch dann die Zuerkennung des Merkzeichens H bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in Betracht, wenn das Kind wegen gestörten Verhaltens ständiger Überwachung bedarf (zum Ganzen:
LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 05.05.2011 -
L 7 SB 10/07, juris Rn. 44
ff.; Wendler/Schillings, Versorgungsmedizinische Grundsätze, 9. Aufl. 2018,
S. 70
ff. jeweils
m.w.N.).
(1) Für die rechtmäßige Zuerkennung des Merkzeichens H spricht nicht nur der Umstand, dass der Klägerin aufgrund des Pflegegutachtens vom 06.12.2001 die Pflegestufe 1 und später nach Einholung eines weiteren Pflegegutachtens vom 13.02.2004 zwischenzeitlich die Pflegestufe 2 zuerkannt wurde, sondern auch die ärztliche Auskunft der Kinderärztin
Dr. Q (Gesundheitsamt des Kreises Q) vom 10.06.2002.
Dr. Q referiert dort die im Rahmen einer Vorstellung der Klägerin am 17.04.2000 erhobenen Befunde und teilt u.a. mit: Die Klägern erscheine körperlich altersentsprechend entwickelt. Die Wirbelsäule sei unauffällig; die Motorik stelle sich grob motorisch noch als unsicher dar: Der Einbeinstand sei nur zwei bis drei Sekunden möglich gewesen. Dass Einbeinhüpfen sei der Klägerin nicht möglich. Den Seiltänzergang habe sie unsicher mit Abweichbewegungen durchgeführt. Überkreuzbewegungen seien ebenfalls nicht sicher durchführbar. Die Klägern könne sich unter Anleitung der Mutter an- und ausziehen und benötige viel Zeit und Zuspruch. Sie habe sich nur wenig und teilweise unverständlich in unvollständigen Sätzen geäußert.
(2) Gleichermaßen hat sich der die Klägerin behandelnde Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie I1 in einem gegenüber dem damaligen Versorgungsamt C erstatteten Bericht vom 07.08.2002 geäußert und im Wesentlichen mitgeteilt, dass die Klägerin im Erscheinungsbild sehr unsicher wirke. Das Denkvermögen stelle sich als deutlich vermindert dar. Die Psychomotorik sei gehemmt, der Wahrnehmungsbereich und die Aufmerksamkeit seien deutlich vermindert. Die Klägerin sei in Stimmung sowie Affektivität labil und im Verhalten deutlich unsicher. Die Interaktion sei sehr wechselnd, mal aufgeschlossen und dann eher introvertiert. Die Testdiagnostik habe bei der Klägerin unterdurchschnittliche Intelligenz- und Aufmerksamkeitsleistungen im unteren Bereich einer Lernbehinderung
bzw. an der Grenze zu einer geistigen Behinderung ergeben.
bb) Ist Volljährigkeit eingetreten, sind die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften - insbesondere § 33b
Abs. 6 Satz 3 und 4 EStG und Teil A
Nr. 4
VMG - zum Nachteilsausgleich H anzuwenden (
vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 28.03.2019 -
L 10 SB 111/17, juris Rn. 27
ff.;
LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 05.05.2011 - L 7 SB 10/07, juris Rn. 44 a.E.). Einen Hilfebedarf von täglich mehr als einer Stunde in den bereits oben skizzierten Bereichen erreicht die Klägerin nicht mehr. Vielmehr ist der Hilfebedarf nunmehr auf
ca. 32 Minuten täglich zu beziffern.
(1) Das ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen
Dr. D in seinem Gutachten vom 05.03.2019 nebst ergänzender Stellungnahme vom 08.05.2019. Unter Zugrundelegung der Einschätzung des Sachverständigen
Dr. D stellt der Senat den folgenden täglichen Hilfebedarf fest:
Hilfeleistung - Form der Hilfe - Zeitaufwand
Waschen/Duschen/Baden - Anleitung/Teilübernahme - 10 Minuten Zahnpflege - Anleitung/Teilübernahme - 6 Minuten Kämmen - Anleitung/Teilübernahme - 2 Minuten Darm- und Blasenentleerung - Teilübernahme - 2 Minuten Ernährung - Anleitung/Kontrolle - 2 Minuten An- und Auskleiden - Anleitung/Kontrolle - 10 Minuten Psychische Erholung, geistige Anregung, Kommunikation - Kein Hilfebedarf - 0 Minuten Gesamt = 32 Minuten
Dr. D hat hierzu ausgeführt, dass die Ansätze in dem Pflegegutachten vom 16.02.2015 teilweise zu hoch seien. Im Hinblick auf die Ganzkörperwäsche sei derzeit ein Ansatz von 26 Minuten zu hoch, da allenfalls für den Intimbereich eine Teilübernahme erforderlich sei, für die Ganzkörperwäsche sei der Zeitaufwand mittlerweile geringer. Auch für das Waschen von Händen und Gesicht mit der Notwendigkeit der Anleitung sei der Aufwand von sechs Minuten recht hoch angesetzt. Die Notwendigkeit einer mundgerechten Zubereitung der Nahrung mit Teilübernahme und Anleitung (10 Minuten täglich) sehe er nicht, da die Klägerin selbst essen könne und auch angegeben habe, dass sie sich in der Schule anlässlich des gemeinsamen Essens die Portionen selbst zurecht mache. Nachvollziehen könne er demgegenüber, dass die Klägerin immer wieder beim Essen und Trinken Anleitung benötige. Den Hilfebedarf für die Mobilität könne er ebenfalls nachvollziehen, eine Anleitung für das Gehen und Stehen benötige die Klägerin jedoch nicht. Insgesamt sei festzustellen, dass die Klägerin zwar bei einigen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens der Hilfe bedürfe. Dies jedoch nicht in erheblichem oder höherem Maß. Ebenso wenig sei eine ständige Bereitschaft zur Hilfestellung erforderlich, da bei der Klägerin keine Erkrankung bestehe, bei denen sofortiger Hilfebedarf wegen einer möglichen Gesundheitsgefährdung oder Lebensgefahr notwendig sei.
(2) Die Einschätzung des erstinstanzlich gehörten Sachverständigen
Dr. I steht dem nicht entgegen.
Dr. I hat in seinem Gutachten sowie der ergänzenden Stellungnahme u.a. ausgeführt, dass eine Diskrepanz zwischen den Hilfeleistungen in häuslicher Umgebung und in Fremdbetreuungssituationen (
z.B. in der Werkstufe oder im Rahmen der Kurbetreuung) bestehe, wo sich die Klägerin als selbstständiger präsentiere. Er hat ferner ausgeführt, dass im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung seine persönliche Bewertung der Hilflosigkeit der Klägerin unabhängig von der Gesamtschwere der Behinderung und dem laut Pflegegutachten festgestellten konkreten Pflegeaufwand nur aufgrund der Angaben der betreuenden Mutter und der deswegen ausführlich aufgeführten Fremdbeurteilungen erfolgen könne. Diese vermittelten vordergründig allerdings einen widersprüchlichen Eindruck, da eine übertriebene Ängstlichkeit der Klägerin in Fremdbetreuungssituationen nicht beschrieben werde.
Der Sachverständige
Dr. I hat es jedoch versäumt, die von ihm deutlich skizzierten Widersprüche aufzulösen. Darüber hinaus hat er letztlich nur die in dem Pflegegutachten vom 16.02.2015 angesetzten Zeitaufwände übernommen, ohne eine eigene Einschätzung des Hilfebedarfs vorzunehmen. Daran ändern auch seine Ausführungen in der ergänzenden Stellungnahme vom 17.11.2016 nichts. Auch in dieser Stellungnahme hebt der Sachverständige
Dr. I die von ihm bereits dargestellten Diskrepanzen hervor. Insbesondere legt er dar, dass die Angaben der Mutter der Klägerin während eines Erörterungstermins vor dem SG ein nur eingeschränktes Bild über den zeitlichen Aufwand ergäben und darüber hinaus im Widerspruch zu den Antworten anlässlich der Erstbegutachtung stünden. Dort sei die Rede von Spaziergängen über 20 bis 30 Minuten Dauer gewesen, da längere Wege aufgrund von Schmerzen nicht möglich seien. Die während des Erörterungstermins erfragten und angegebenen zweistündigen Spaziergänge in der Woche und am Wochenende von drei bis vier Stunden Dauer stünden im deutlichen Gegensatz zu den Angaben, die er in seinem Gutachten niedergelegt habe. Trotz dieser Widersprüche müsse er dennoch davon ausgehen, dass - unabhängig von den konkreten zeitlichen Aufwänden - jegliche Art von geistiger Anregung, Kommunikation und psychischer Erholung im Rahmen der häuslichen Betreuung ausschließlich von den Eltern geleistet werde. Darüber hinaus sei anzunehmen, dass die Klägerin sich außerhalb der familiären oder schulischen Schutzräume aufgrund ihres Verhaltens in unmittelbare Gefahr begeben würde. Die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung resultiere aus den möglichen konkreten Gefahrensituationen, die sich für die Klägern durch Orientierungslosigkeit oder Panikreaktionen ergäben. Im konkreten Fall erscheine es sinnvoll und angemessen, dass nicht der zeitliche Umfang der notwendigen Hilfeleistung zugrunde gelegt werde, sondern allein das Ausmaß der körperlichen, geistigen oder seelischen Funktionsbeeinträchtigungen.
Letztlich halten sich die Ausführungen des Sachverständigen
Dr. I im Ungefähren, wobei er die von ihm selbst herausgearbeiteten Widersprüche auch in der ergänzenden Stellungnahme nicht aufgelöst hat. Soweit der Sachverständige unter Zugrundelegung der bei der Klägerin - angeblich - vorhandenen Orientierungslosigkeit das Merkzeichen H rechtfertigen will, ist zu berücksichtigen, dass für derartige Konstellationen das (bei der Klägerin bereits festgestellte) Merkzeichen B vorgesehen ist. Ebenso wenig ist es möglich, anstelle des zeitlichen Umfangs der Hilfeleistungen allein das Ausmaß der körperlichen, geistigen oder seelischen Funktionsbeeinträchtigungen anzusetzen. Hiergegen spricht bereits die skizzierte Rechtsprechung des
BSG, die jedenfalls für den hier einschlägigen Zeitraum auch angesichts der herausragenden steuerrechtlichen Bedeutung des Merkzeichens H eine zeitliche Aufschlüsselung des Hilfebedarfs für unumgänglich hält. Darüber hinaus kann ein allgemeiner Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf, wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat, nach der Rechtsprechung des
BSG selbst dann nicht berücksichtigt werden, wenn Verwahrlosung droht.
Entgegen der vom Sachverständigen
Dr. I und vom SG vertretenen Auffassung kann im Hinblick auf die zeitliche Darlegung des Hilfebedarfs auch nicht vor dem Hintergrund der Änderung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs im
SGB XI verzichtet werden. Das ergibt sich für die vorliegende Konstellation bereits daraus, dass maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 02.02.2015 abzustellen ist. Zu diesem Zeitpunkt galten jedoch - wie sich auch aus dem Pflegegutachten vom 16.02.2015 ergibt - die allein die auf den zeitlichen Umfang des Hilfebedarfs abstellenden Regelungen der §§ 14, 15
SGB XI in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung.
(3) Ohne dass es darauf noch ankommt, ist im Übrigen Folgendes zu berücksichtigen: Der Sachverständige
Dr. I hat mehr als nur einmal herausgestellt, dass die Klägerin in häuslicher Umgebung deutlich mehr Hilfestellungen einfordere als in Fremdbetreuungssituationen, wo die Klägerin selbstständiger auftrete. Dies bedeutet jedoch, dass sich auch unter Zugrundelegung seiner Auffassung die weitere Zuerkennung des Merkzeichens H nur schwerlich rechtfertigen lässt. Denn das Erfordernis dauernder Hilfe für zahlreiche häufig und wiederkehrende Verrichtungen
i.S.d. Teil A
Nr. 4d
VMG lässt sich auch aus den Feststellungen des Sachverständigen
Dr. I nicht ableiten.
(4) Im Ergebnis rechtfertigt sich damit die Feststellung des Merkzeichens H - wie auch der von der Beklagte eingeschaltete Internist
Dr. N in seiner Stellungnahme vom 08.04.2019 ausgeführt hat - vor dem Hintergrund einer relativ günstigen Persönlichkeitsentwicklung mit Reifungsprozess und guter sozialer Anpassungsmöglichkeit nicht mehr.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG. Auch unter Berücksichtigung des vom Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnisses stellt sich das Obsiegen der Klägerin als gering dar, so dass auch eine teilweise Kostenbeteiligung des Beklagten nicht in Betracht kam.
5. Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden (§ 160
Abs. 2
Nr. 1 und 2
SGG).