Urteil
Schwerbehinderter Bewerber - Vorstellungsgespräch

Gericht:

BAG 8. Senat


Aktenzeichen:

8 AZR 45/19


Urteil vom:

27.08.2020


Grundlage:

Leitsätze:

1. Nach § 82 Satz 2 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (aF) hat der öffentliche Arbeitgeber schwerbehinderte Bewerber/innen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Eine Einladung ist nach § 82 Satz 3 SGB IX aF entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.

2. Schwerbehinderte Bewerber sollen durch das in § 82 Satz 2 SGB IX aF genannte Vorstellungsgespräch die Möglichkeit erhalten, ihre Chancen im Auswahlverfahren zu verbessern. Sie sollen die Chance haben, den Arbeitgeber von ihrer fachlichen und persönlichen Eignung zu überzeugen.

3. Der Begriff "Vorstellungsgespräch" in § 82 Satz 2 SGB IX aF ist dahin auszulegen, dass er - auch bei mehrstufigen Auswahlprozessen - grundsätzlich alle Instrumente des Verfahrens der Personalauswahl unabhängig von ihrer Bezeichnung, der angewandten Methode und der konkreten Durchführungsform erfasst, die nach der eigenen Konzeption des Arbeitgebers erforderlich sind, um sich ein umfassendes Bild von der fachlichen und persönlichen Eignung des Bewerbers zu machen.

Rechtsweg:

ArbG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.2017 - 3 Ca 2796/17
LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.09.2018 - 7 Sa 227/18

Quelle:

Rechtsprechung im Internet

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. September 2018 - 7 Sa 227/18 - aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. November 2017 - 3 Ca 2796/17 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 7.674,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Mai 2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz - unter Zugrundelegung eines Streitwerts iHv. 30.510,00 Euro - haben der Kläger 75 vH und das beklagte Land 25 vH zu tragen.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens - unter Zugrundelegung eines Streitwerts iHv. jeweils 7.674,00 Euro - hat das beklagte Land zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, an den Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung zu zahlen.

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 21. November 2016 - unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung - auf die vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb des beklagten Landes (im Folgenden BLB N) ausgeschriebene Stelle einer "Fachbereichsleitung Marketing und Kommunikation in der Zentrale".

Mit E-Mail des BLB N vom 12. Dezember 2016 wurde der Kläger - ebenso wie fünf andere Bewerber/innen - zu einem Auswahlgespräch am 22. Dezember 2016 eingeladen. In dem Einladungsschreiben heißt es:

"Sehr geehrter Herr Dr. G,

vielen Dank für Ihre Bewerbung auf die Fachbereichsleitung Marketing und Kommunikation.

Wir möchten Sie gerne persönlich kennenlernen und laden Sie zum Auswahlgespräch am 22.12.2016 um 13:00 Uhr in die Zentrale des Bau- und Liegenschaftsbetriebes N ein.

Das Gespräch dauert ca. eine Stunde. Das Gespräch wird durch eine/n VertreterIn des Personalbereichs moderiert, teilnehmen werden außerdem die Führungskraft, ein/e Vertreterln des Gesamtpersonalrates, die Gleichstellungsbeauftragte und ggfs. die Schwerbehindertenvertretung.

Die Führungskräfteauswahl erfolgt zweistufig: Wenn Sie uns im Auswahlgespräch überzeugen, laden wir Sie im Anschluss zu einer Potenzialanalyse ein, in der wir Ihre Kompetenzen mit dem Anforderungsprofil für Führungskräfte im BLB N abgleichen.

Diese dauert ca. 5 Stunden und wird voraussichtlich in der 3. KW 2017 stattfinden.

..."

Bei dem BLB N erfolgt die Führungskräfteauswahl generell unter Einbeziehung der og. ca. fünfstündigen Potenzialanalyse, die aus schriftlichen Tests, einem Interview und Präsentationen besteht.

Der Kläger nahm an dem Auswahlgespräch am 22. Dezember 2016 teil. Im Anschluss daran lud der BLB N zwei Bewerberinnen zur Teilnahme an der angekündigten Potenzialanalyse ein. Dem Kläger wurde mit E-Mail vom 27. Dezember 2016 mitgeteilt, dass man ihn "bei der Auswahl der Stellenbesetzung nicht in die engere Wahl gezogen" habe. Ferner heißt es in der E-Mail des BLB N:

"Wir bedanken uns für Ihr Interesse an einer Beschäftigung beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb N und wünschen Ihnen für die berufliche Zukunft alles Gute und viel Erfolg."

Der Kläger verlangte mit E-Mail vom 27. Dezember 2016 erfolglos Akteneinsicht sowie die Mitteilung der Ablehnungsgründe. Zur Erledigung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf schlossen die Parteien am 6. Januar 2017 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich das beklagte Land ua. verpflichtete, dem Kläger unverzüglich Akteneinsicht zu gewähren und diesen zur Teilnahme an der og. Potenzialanalyse einzuladen.

Am 31. Januar 2017 nahm der Kläger an der für den BLB N durch einen Dienstleister durchgeführten Potenzialanalyse teil. Wenige Tage später teilte der BLB N dem Kläger mit, dass die Stelle nicht mit ihm besetzt werde. Hiergegen setzte sich der Kläger in dem beim Arbeitsgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen - 3 Ca 849/17 - geführten Verfahren zur Wehr. Das Arbeitsgericht wies mit - inzwischen rechtskräftigem - Urteil vom 28. Juni 2017 den Antrag des Klägers, die Stelle mit ihm zu besetzen, ab und verurteilte das beklagte Land auf den Hilfsantrag des Klägers, das Auswahlverfahren zur Besetzung der Stelle unter Einbeziehung des Klägers zu wiederholen.

In dem beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen - 12 Sa 135/18 - geführten Verfahren, in dem die Parteien über einen Anspruch des Klägers auf erneute Durchführung des Auswahlverfahrens zur Besetzung einer anderen Stelle beim beklagten Land stritten, wies das Landesarbeitsgericht die Klage mit Urteil vom 27. Juni 2018 - ebenso wie das Arbeitsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 31. Januar 2018 (- 8 Ca 3707/17 -) - mit der Begründung ab, eine Besetzung der dort in Rede stehenden Stelle mit dem Kläger scheide aus, da es diesem an der erforderlichen persönlichen Eignung fehle. Der Kläger habe in dem dem Hauptsacheverfahren vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren bewusst wahrheitswidrig zu seinem Lebenslauf vorgetragen, um dieses Verfahren zu seinen Gunsten zu beeinflussen.

Nachdem der Kläger bereits zuvor mit Schreiben vom 21. Februar 2017 gegenüber dem BLB N wegen einer Benachteiligung wegen seiner (Schwer)Behinderung im Stellenbesetzungsverfahren "Fachbereichsleitung Marketing und Kommunikation in der Zentrale" erfolglos sowohl Schadensersatz- als auch Entschädigungsansprüche nach § 15 AGG geltend gemacht hatte, hat er mit seiner am 19. Mai 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage ausschließlich sein Begehren auf Zahlung einer Entschädigung weiterverfolgt.

Er hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land sei ihm nach § 15 Abs. 2 AGG zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, weil es ihn den Vorgaben des AGG sowie des SGB IX (in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung - im Folgenden SGB IX aF) zuwider wegen seiner (Schwer)Behinderung benachteiligt habe. Dies folge bereits daraus, dass er entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 82 Satz 2 SGB IX aF nicht zur Potenzialanalyse und damit nicht zu allen Teilen des Vorstellungsgesprächs eingeladen worden sei. Entscheide sich der öffentliche Arbeitgeber für ein mehrstufiges Auswahlverfahren, müsse er den schwerbehinderten Bewerber nach dem Sinn und Zweck von § 82 Satz 2 SGB IX aF zu jeder Stufe einladen. Nur so könnten eventuelle Vorbehalte wegen der Schwerbehinderung ausgeräumt werden. Dass er nachträglich zur Potenzialanalyse eingeladen worden sei, lasse die Vermutungswirkung des Verstoßes gegen § 82 Satz 2 SGB IX aF nicht entfallen.


Der Kläger hat zuletzt beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn eine der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.


Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten,

dem Kläger keine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu schulden. Der Kläger habe im Auswahlgespräch am 22. Dezember 2016 nicht überzeugt und sei deshalb nicht zur Potenzialanalyse eingeladen worden. Es habe ohnehin keine Verpflichtung bestanden, ihn überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Der Kläger sei nämlich offensichtlich persönlich ungeeignet. Wie sich aus den Urteilen des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2018 (- 8 Ca 3707/17 -) sowie des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 27. Juni 2018 (- 12 Sa 135/18 -) ergebe, fehle es ihm an der für eine Einstellung in den öffentlichen Dienst erforderlichen Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Im Übrigen könne derjenige, der keinen Anspruch auf Teilnahme an einem Bewerbungsverfahren habe, auch keine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen angeblicher Benachteiligung wegen seiner (Schwer)Behinderung verlangen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Der Senat hält unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entschädigung iHv. 7.674,00 Euro für angemessen.

A. Die auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gerichtete Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen.

§ 15 Abs. 2 AGG räumt dem Gericht bei der Bestimmung der Höhe der Entschädigung einen Ermessensspielraum ein (vgl. BAG 28. Mai 2020 - 8 AZR 170/19 - Rn. 27), weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Der Kläger hat auch Tatsachen benannt, die das Gericht dabei heranziehen soll und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angegeben (zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags: vgl. etwa BAG 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 16; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 16). Ausgehend von einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt iHv. 5.116,00 Euro einschließlich anteiliger Jahressonderzahlung sollten aus seiner Sicht - soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse - 1,5 Bruttomonatsentgelte als "übliche" Entschädigungshöhe nicht unterschritten werden.

B. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hält der Senat einen Betrag iHv. 7.674,00 Euro für angemessen.

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Dies folgt aus dem Umstand, dass er eine Bewerbung eingereicht hat. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG enthält einen formalen Bewerberbegriff (vgl. näher ua. BAG 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 62, BAGE 155, 149). Das beklagte Land ist Arbeitgeber iSv. § 6 Abs. 2 AGG.

II. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch auch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG).

Der Kläger hat seinen Entschädigungsanspruch gegenüber dem beklagten Land mit Schreiben vom 21. Februar 2017 frist- und formgerecht geltend gemacht. Das beklagte Land hatte die Bewerbung des Klägers mit E-Mail vom 27. Dezember 2016, in dem ihm nicht nur mitgeteilt wurde, dass er nicht in die engere Wahl für die Stelle gezogen worden war, sondern ihm zudem für die berufliche Zukunft alles Gute und viel Erfolg gewünscht wurde, abgelehnt. Der Kläger musste dieser E-Mail entnehmen, dass seine Bewerbung erfolglos geblieben war (zum Begriff der "Ablehnung durch den Arbeitgeber" iSv. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG vgl. BAG 29. Juni 2017 - 8 AZR 402/15 - Rn. 20, BAGE 159, 334). Seine am 19. Mai 2017 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage wahrt die Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG.

III. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG für einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung vor. Das beklagte Land hat den Kläger entgegen den Vorgaben des AGG sowie des SGB IX aF unmittelbar wegen seiner (Schwer)Behinderung benachteiligt.

1. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus, wobei § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG) verbietet. Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich dieses Gesetzes eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX aF die Regelungen des AGG.

2. Der Kläger wurde dadurch, dass er von dem beklagten Land im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren für die Stelle als "Fachbereichsleitung Marketing und Kommunikation in der Zentrale" nicht berücksichtigt wurde, unmittelbar iSv. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt, denn er hat eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Darauf, ob ein/e vom beklagten Land ausgewählte/r Bewerber/in die Stelle angetreten hat, kommt es nicht an (vgl. näher BAG 19. Dezember 2019 - 8 AZR 2/19 - Rn. 28 ff.).

3. Der Kläger hat die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG auch wegen seiner (Schwer)Behinderung erfahren. Das beklagte Land hat den Kläger entgegen seiner Verpflichtung nach § 82 Satz 2 SGB IX aF nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Dieser Umstand begründet die Vermutung iSv. § 22 AGG, dass der Kläger wegen seiner (Schwer)Behinderung benachteiligt wurde. Das beklagte Land hat diese Vermutung nicht widerlegt.

a) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der Benachteiligung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen.

aa) Soweit es - wie hier - um eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG geht, ist hierfür nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG 23. November 2017 - 8 AZR 372/16 - Rn. 20 mwN).

bb) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (BAG 25. Oktober 2018 - 8 AZR 501/14 - Rn. 51, BAGE 164, 117).

(1) Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Dabei sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (BAG 25. Oktober 2018 - 8 AZR 501/14 - Rn. 52 mwN, BAGE 164, 117).

(2) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats begründet der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, mithin auch der Verstoß des öffentlichen Arbeitgebers gegen die in § 82 Satz 2 SGB IX aF geregelte Pflicht, eine/n schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung. Diese Pflichtverletzungen sind nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (vgl. etwa BAG 23. Januar 2020 - 8 AZR 484/18 - Rn. 37; 16. Mai 2019 - 8 AZR 315/18 - Rn. 22 mwN, BAGE 167, 1; 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 - Rn. 25, BAGE 156, 107; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 35; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 45 mwN).

(3) Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises. Der Arbeitgeber muss Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (vgl. etwa BAG 23. Januar 2020 - 8 AZR 484/18 - Rn. 36 mwN; 26. Januar 2017 - 8 AZR 73/16 - Rn. 26 mwN).

cc) Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, ist nur eigeschränkt revisibel. Die revisionsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Würdigung der Tatsachengerichte möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. BAG 23. Januar 2020 - 8 AZR 484/18 - Rn. 67; 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 - Rn. 48 mwN, BAGE 156, 107).

b) Danach besteht die Vermutung, dass der Kläger die unmittelbare Benachteiligung wegen seiner (Schwer)Behinderung erfahren hat. Das beklagte Land war nach § 82 Satz 2 SGB IX aF verpflichtet, den schwerbehinderten Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, war es dieser Verpflichtung mit der Einladung zu dem Auswahlgespräch am 22. Dezember 2016 nicht ausreichend nachgekommen. Es hätte den fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten Kläger, anstatt ihm unter dem 27. Dezember 2016 eine Absage zu erteilen, zudem zu der Potenzialanalyse einladen müssen. Der Umstand, dass dies unterblieben ist, begründet die Vermutung iSv. § 22 AGG, dass der Kläger wegen seiner (Schwer)Behinderung benachteiligt wurde.

aa) Nach § 82 Satz 1 SGB IX aF melden die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig freiwerdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze. Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder von einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, § 82 Satz 2 SGB IX aF. Nach § 82 Satz 3 SGB IX aF ist eine Einladung entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.

bb) Das beklagte Land war nach § 82 Satz 2 SGB IX aF verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.

(1) Dem Kläger fehlte nicht offensichtlich die fachliche Eignung iSv. § 82 Satz 3 SGB IX aF.

(a) Maßstab für die fachliche Eignung eines Bewerbers ist der Aufgabenbereich des zu besetzenden Arbeitsplatzes. Ob ein schwerbehinderter Mensch für eine zu besetzende Stelle fachlich ungeeignet ist, ist demnach anhand eines Vergleichs zwischen dem (fachlichen) Anforderungsprofil des zu besetzenden Arbeitsplatzes und dem (fachlichen) Leistungsprofil des Bewerbers oder der Bewerberin zu ermitteln (vgl. BAG 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 - Rn. 37, BAGE 156, 107; BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 20, BVerwGE 139, 135).

"Offensichtlich” fachlich nicht geeignet ist, wer "unzweifelhaft” insoweit nicht dem (fachlichen) Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspricht. Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung rechtfertigen es nicht, von einer Einladung abzusehen, weil sich Zweifel im Vorstellungsgespräch ausräumen lassen können (vgl. etwa BAG 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 - Rn. 36 mwN, BAGE 156, 107). Lassen allerdings bereits die Bewerbungsunterlagen zweifelsfrei erkennen, dass die durch das Anforderungsprofil zulässig vorgegebenen fachlichen Kriterien nicht erfüllt werden, besteht für den öffentlichen Arbeitgeber keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (vgl. BAG 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 - Rn. 37 mwN, aaO).

(b) Darüber, dass dem Kläger die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle nicht offensichtlich fehlt, besteht unter den Parteien kein Streit.

(2) Es kann dahinstehen, ob der öffentliche Arbeitgeber - wie das beklagte Land meint - über den Wortlaut von § 82 Satz 3 SGB IX aF hinaus auch dann von der Verpflichtung befreit ist, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn der Bewerber zwar nicht offensichtlich fachlich ungeeignet ist, ihm jedoch die persönliche Eignung (zur Berücksichtigung der fehlenden persönlichen Eignung vgl. Düwell in LPK-SGB IX 5. Aufl. § 165 Rn. 7) in dem Sinne fehlt, dass er nicht über charakterliche Eigenschaften verfügt, die für die ausgeschriebene Stelle von Bedeutung sind (generell zur Eignung nach Art. 33 Abs. 2 GG im engeren Sinne vgl. BVerfG 23. Juni 2015 - 2 BvR 161/15 - Rn. 28 mwN).

(a) Da die in § 82 Satz 3 SGB IX aF bestimmte Ausnahme mit dem Erfordernis der "offensichtlichen fachlichen Nichteignung" eine abschließende Regelung enthält (ua. BAG 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 - Rn. 50, BAGE 156, 107; 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 45; 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 42), könnte eine Befreiung des öffentlichen Arbeitgebers von der Einladungspflicht nach § 82 Satz 2 SGB IX aF wegen fehlender persönlicher Eignung des Bewerbers im og. Sinne nur dann in Betracht gezogen werden, wenn sich die Einladung zum Vorstellungsgespräch in einem solchen Fall als bloße Förmelei erweisen würde. Dies würde allerdings voraussetzen, dass die Besetzung der Stelle mit dem Bewerber offensichtlich aus Rechtsgründen ausscheidet (vgl. BVerwG 15. Dezember 2011 - 2 A 13.10 - Rn. 26), weil seine charakterlichen Mängel ein offensichtliches Einstellungs- bzw. Besetzungshindernis darstellen.

(aa) Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollen schwerbehinderte Bewerber/innen durch das in § 82 Satz 2 SGB IX aF genannte Vorstellungsgespräch die Möglichkeit erhalten, ihre Chancen im Auswahlverfahren zu verbessern. Sie sollen die Chance haben, den Arbeitgeber von ihrer Eignung zu überzeugen (vgl. etwa BAG 23. Januar 2020 - 8 AZR 484/18 - Rn. 48; 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 59). Dabei ist der Begriff der "Eignung" als umfassendes Qualifikationsmerkmal zu verstehen, das die ganze Persönlichkeit des Bewerbers über rein fachliche Gesichtspunkte hinaus erfasst (zur Eignung iSv. Art. 33 Abs. 2 GG vgl. etwa BVerwG 6. Februar 1975 - II C 68.73 - zu 2 a der Gründe, BVerwGE 47, 330). Der Begriff "Eignung" verweist ganz allgemein auf die Eigenschaften, welche die zu besetzende Stelle von dem Bewerber fordert. Hierzu gehören über die fachliche Eignung hinaus insbesondere die oftmals als "charakterliche Eignung" bezeichnete Eignung und die gesundheitliche Eignung (zur Eignung iSv. Art. 33 Abs. 2 GG vgl. etwa BVerwG 30. Oktober 2018 - 1 WDS-VR 5.18 - Rn. 18; 11. April 2017 - 2 VR 2.17 - Rn. 11; 30. Oktober 2013 - 2 C 16.12 - Rn. 19, BVerwGE 148, 204; 6. Februar 1975 - II C 68.73 - zu 2 a der Gründe, BVerwGE 47, 330), aber auch sonstige körperliche und psychische Voraussetzungen, die Teamfähigkeit sowie Umgangsformen und sonstige Fähigkeiten im Umgang mit Menschen, zB mit Publikumsverkehr, sowie Führungskompetenzen können - je nach dem Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle - dazugehören.

(bb) Stellen die charakterlichen Mängel eines Bewerbers ein offensichtliches Einstellungs- bzw. Besetzungshindernis dar, kann der vom Gesetzgeber mit § 82 Satz 2 SGB IX aF verfolgte Zweck, dem schwerbehinderten Bewerber die Chance zu geben, den Arbeitgeber von seiner Eignung im weiteren Sinne zu überzeugen, von vornherein nicht erreicht werden. Die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch würde sich in einem solchen Fall als bloße Förmelei erweisen.

(b) Es kann an dieser Stelle offenbleiben, ob die vom beklagten Land behaupteten charakterlichen Mängel des Klägers ein offensichtliches Einstellungs- bzw. Besetzungshindernis für die ausgeschriebene Stelle einer "Fachbereichsleitung Marketing und Kommunikation in der Zentrale" darstellen würden und damit überhaupt geeignet wären, eine Ausnahme von der in § 82 Satz 2 SGB IX aF bestimmten Pflicht zur Einladung zum Vorstellungsgespräch zu begründen. Denn das beklagte Land hat schon nicht dargetan, dass es bis zu seiner E-Mail vom 27. Dezember 2016, mit der es dem Kläger eine Absage erteilte, davon ausgegangen ist und ausgehen durfte, dass eine Einladung des Klägers zum Vorstellungsgespräch wegen offensichtlicher fehlender persönlicher im Sinne charakterlicher Eignung entbehrlich gewesen wäre. Im Gegenteil, es hatte den Kläger zu dem Auswahlgespräch am 22. Dezember 2016 eingeladen. Aus den Urteilen des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2018 (- 8 Ca 3707/17 -) und des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 27. Juni 2018 (- 12 Sa 135/18 -) kann das beklagte Land bereits deshalb nichts zu seinen Gunsten ableiten, weil beide Urteile erst nach der dem Kläger erteilten Absage ergangen sind. Zum Zeitpunkt der Mitteilung des beklagten Landes an den Kläger vom 27. Dezember 2016, dass dieser für die ausgeschriebene Stelle nicht in die engere Wahl gezogen worden sei, stand eine etwaige charakterliche Nichteignung des Klägers mithin nicht im Raum.

cc) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts war das beklagte Land seiner Verpflichtung, den schwerbehinderten Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht bereits dadurch nachgekommen, dass es diesen zu dem Auswahlgespräch am 22. Dezember 2016 eingeladen hat. Es hätte den Kläger, anstatt ihm mit Schreiben vom 27. Dezember 2016 eine Absage zu erteilen, auch zu der Potenzialanalyse einladen müssen. Der Begriff "Vorstellungsgespräch" in § 82 Satz 2 SGB IX aF ist nicht eng im Sinne eines Gesprächs, in dem sich der Bewerber einmalig vorstellt, zu verstehen, sondern weit auszulegen. Er umfasst - auch bei mehrstufigen Auswahlprozessen - grundsätzlich alle Instrumente im Verfahren der Personalauswahl (zu diesen Oechsler/Paul Personal und Arbeit - Einführung in das Personalmanagement 11. Aufl. 2019 S. 227, 243) unabhängig von ihrer Bezeichnung (zB als Auswahlgespräch, Test, Assessment Center, Interview etc.), der angewandten Methode (zB biografie-, test- oder simulationsorientierte Verfahren) und der konkreten Durchführungsform (zB Rollenspiele, Fallbeispiele, Ad-hoc-Präsentationen etc.), die nach der eigenen Konzeption des Arbeitgebers erforderlich sind, um sich einen umfassenden Eindruck von der fachlichen und persönlichen Eignung des Bewerbers zu machen. Dies folgt aus einer am Sinn und Zweck orientierten Auslegung des Begriffs "Vorstellungsgespräch" in § 82 Satz 2 SGB IX aF unter Berücksichtigung der in Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie in Art. 5 Abs. 3, Art.  27 Abs.  1 und Art. 2 Unterabs. 3 UN-BRK getroffenen Bestimmungen.

(1) Wie unter Rn. 41 ausgeführt, sollen schwerbehinderte Bewerber/innen nach den Vorstellungen des Gesetzgebers durch das in § 82 Satz 2 SGB IX aF genannte Vorstellungsgespräch ihre Chancen im Auswahlverfahren verbessern können. Sie sollen die Möglichkeit haben, den Arbeitgeber von ihrer Eignung zu überzeugen, wobei der Begriff der "Eignung" als umfassendes Qualifikationsmerkmal zu verstehen ist, das die ganze Persönlichkeit des Bewerbers über rein fachliche Gesichtspunkte hinaus erfasst. Insoweit verweist der Begriff "Eignung" ganz allgemein auf die Eigenschaften, welche die zu besetzende Stelle erfordert. Über die fachlichen Gesichtspunkte hinaus gehören zur Eignung deshalb insbesondere die oftmals als "charakterliche Eignung" bezeichnete Eignung und die gesundheitliche Eignung; aber auch sonstige körperliche und psychische Voraussetzungen, die Teamfähigkeit sowie Umgangsformen und Fähigkeiten im Umgang mit Menschen, zB mit Publikumsverkehr, und Führungsqualitäten können - je nach dem Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle - dazugehören.

(2) Bereits dieser Gesetzeszweck gebietet eine weite Auslegung des Begriffs "Vorstellungsgespräch" in § 82 Satz 2 SGB IX aF dahin, dass er - auch bei mehrstufigen Auswahlprozessen - grundsätzlich alle Instrumente des Verfahrens der Personalauswahl unabhängig von ihrer Bezeichnung, der angewandten Methode und der konkreten Durchführungsform (vgl. hierzu die Beispiele unter Rn. 44) erfasst, die nach der eigenen Konzeption des Arbeitgebers erforderlich sind, um sich ein umfassendes Bild von der fachlichen und persönlichen Eignung des Bewerbers zu machen. Andernfalls hätte der schwerbehinderte Mensch entgegen dem gesetzgeberischen Anliegen nicht die Möglichkeit, einen nach dem bisherigen Verlauf des Auswahlverfahrens ggf. bestehenden Vorsprung anderer, nicht schwerbehinderter Bewerber durch einen umfassenden persönlichen Eindruck auszugleichen.

Nach alledem ist es zwar - auch im Hinblick auf die Regelung in § 82 Satz 2 SGB IX aF - nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber mehrstufig in dem Sinne verfährt, dass er zunächst mit allen Bewerber/innen auf einer ersten Stufe ein Vorstellungsgespräch führt und sodann nur diejenigen, die auf dieser ersten Stufe überzeugt haben, zu einem weiterführenden Auswahlgespräch, Test etc. einlädt. Allerdings kommt der öffentliche Arbeitgeber mit der Einladung eines/r schwerbehinderten Bewerbers/in allein zu dem auf der ersten Stufe stattfindenden Vorstellungsgespräch seiner Verpflichtung nach § 82 Satz 2 SGB IX aF nur dann nach, wenn er sich bereits aufgrund dieses Vorstellungsgesprächs einen umfassenden Eindruck darüber verschaffen kann, ob diese/r Bewerber/in über die fachliche und persönliche Eignung verfügt, die für die zu besetzende Stelle erforderlich ist.

(3) Eine weite Auslegung des Begriffs "Vorstellungsgespräch" in § 82 Satz 2 SGB IX aF in dem unter Rn. 46 ausgeführten Sinn ist auch mit Blick auf die in Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie in Art. 5 Abs. 3, Art.  27 Abs.  1 und Art. 2 Unterabs. 3 UN-BRK getroffenen Bestimmungen geboten.

(a) Nach Art. 5 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG haben die Mitgliedstaaten angemessene Vorkehrungen zu treffen, um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, was nach Art. 5 Satz 2 der Richtlinie 2000/78/EG bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat, um Menschen mit Behinderung ua. nicht nur den Zugang zur Beschäftigung, sondern auch den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten (vgl. EuGH 17. Juli 2008 - C-303/06 - [Coleman] Rn. 39; dazu, dass Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG im AGG keine wortgleiche Umsetzung erfahren hat BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 42, BAGE 148, 158).

(b) Art. 5 Abs. 3 UN-BRK bestimmt, dass die Vertragsstaaten zur Förderung der Gleichberechtigung und zur Beseitigung von Diskriminierungen alle geeigneten Schritte unternehmen, um die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen zu gewährleisten. Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a UN-BRK sichern und fördern die Vertragsstaaten die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit durch geeignete Schritte, einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften, um ua. "Diskriminierung aufgrund von Behinderung in allen Angelegenheiten im Zusammenhang mit einer Beschäftigung gleich welcher Art, einschließlich der Auswahl-, Einstellungs- und Beschäftigungsbedingungen, der Weiterbeschäftigung, des beruflichen Aufstiegs sowie sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen zu verbieten". Zudem bestimmt Art. 2 Unterabs. 3 UN-BRK, dass von der "Diskriminierung aufgrund von Behinderung" alle Formen der Diskriminierung erfasst sind, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen. Die Bestimmungen der UN-BRK sind Bestandteil der Unionsrechtsordnung (vgl. EuGH 11. September 2019 - C-397/18 - [Nobel Plastiques Ibérica] Rn. 39; 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [HK Danmark, auch genannt "Ring, Skouboe Werge"] Rn. 28 ff.) und damit zugleich Bestandteil des - unionsrechtskonform auszulegenden - deutschen Rechts (BAG 4. November 2015 - 7 ABR 62/13 - Rn. 27, BAGE 153, 187; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 53, BAGE 147, 60; vgl. auch BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 42, BAGE 148, 158). Der Umstand, dass die UN-BRK seit ihrem Inkrafttreten integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung ist, führt darüber hinaus dazu, dass auch die Richtlinie 2000/78/EG ihrerseits nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen auszulegen ist (vgl. EuGH 11. September 2019 - C-397/18 - [Nobel Plastiques Ibérica] Rn. 40; 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [HK Danmark, auch genannt "Ring, Skouboe Werge"] Rn. 28 bis 32).

(c) Sowohl Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG als auch Art. 5 Abs. 3 und Art.  27 Abs.  1 UN-BRK gebieten es nach alledem, den Begriff "Vorstellungsgespräch" in § 82 Satz 2 SGB IX aF weit dahin auszulegen, dass er - auch bei mehrstufigen Auswahlprozessen - grundsätzlich alle Instrumente des Verfahrens der Personalauswahl unabhängig von ihrer Bezeichnung, der angewandten Methode und der konkreten Durchführungsform erfasst, die nach der eigenen Konzeption des Arbeitgebers erforderlich sind, um sich ein umfassendes Bild von der fachlichen und persönlichen Eignung des schwerbehinderten Bewerbers zu machen. Nur so kann dem Anliegen der Richtlinie 2000/78/EG und der UN-BRK effektiv Rechnung getragen werden.

(4) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat das beklagte Land gegen seine Verpflichtung aus § 82 Satz 2 SGB IX aF verstoßen, den schwerbehinderten Kläger zu einem Vorstellungsgespräch für die zu besetzende Stelle als "Fachbereichsleitung Marketing und Kommunikation in der Zentrale" einzuladen.

(a) Das beklagte Land ist seiner Verpflichtung aus § 82 Satz 2 SGB IX aF, den schwerbehinderten Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht bereits mit der Einladung vom 12. Dezember 2016 zum Auswahlgespräch am 22. Dezember 2016 nachgekommen. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts war auch die im Anschluss an das Auswahlgespräch vom 22. Dezember 2016 durchgeführte Potenzialanalyse Teil des Vorstellungsgesprächs iSv. § 82 Satz 2 SGB IX aF, zu dem der Kläger - anstatt ihm unter dem 27. Dezember 2016 eine Absage zu erteilen - hätte eingeladen werden müssen. Der Umstand, dass das beklagte Land das Auswahlverfahren zweistufig durchgeführt hat, ändert daran nichts, weil die Potenzialanalyse nach der eigenen Konzeption des beklagten Landes dazu diente, sich - über die fachliche Eignung der Bewerber/innen hinaus - ein Bild von einem bzw. mehreren für die Auswahlentscheidung relevanten Persönlichkeitsmerkmal/en der Bewerber/innen, nämlich ihrer Eignung als Führungskraft machen zu können.

Bei der vom BLB N ausgeschriebenen Stelle einer "Fachbereichsleitung Marketing und Kommunikation in der Zentrale" handelt es sich um die Stelle einer Führungskraft, deren Auswahl beim BLB N generell zweistufig, nämlich auf der Grundlage eines ca. einstündigen Auswahlgesprächs und einer ca. fünfstündigen Potenzialanalyse erfolgt, die ihrerseits aus schriftlichen Tests, einem Interview und Präsentationen besteht. Hierauf hatte der BLB N den Kläger mit seiner E-Mail vom 12. Dezember 2016 auch hingewiesen. Es kann dahinstehen, welche Aspekte der Eignung der Bewerber/innen Gegenstand des Auswahlgesprächs vom 22. Dezember 2016 waren, jedenfalls diente die Potenzialanalyse nach der eigenen Konzeption des beklagten Landes dazu, sich ein Bild von einem Aspekt der persönlichen Eignung der Bewerber/innen machen zu können, nämlich ihrer Eignung als Führungskraft, der nach dem Anforderungsprofil der Stelle eine unabdingbare Voraussetzung für die Stellenbesetzung und der nicht Gegenstand des Auswahlgesprächs vom 22. Dezember 2016 war. Insoweit sollte - worauf das beklagte Land den Kläger in seiner E-Mail vom 12. Dezember 2016 ebenfalls hingewiesen hat - mit der Potenzialanalyse ein Abgleich der Kompetenzen der Bewerber/innen mit dem speziellen Anforderungsprofil für Führungskräfte im BLB N erfolgen.

Eine andere Bewertung ist vorliegend auch nicht deshalb geboten, weil in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass der öffentliche Arbeitgeber einen Bewerber nach Art. 33 Abs. 2 GG grundsätzlich mangels ausreichender fachlicher Eignung schon auf der sogenannten ersten Stufe des Auswahlverfahrens von der weiteren Mitbetrachtung ausschließen kann, wenn dieser das Anforderungsprofil einer Stelle nicht erfüllt und ihm daher die fachliche Eignung fehlt (vgl. etwa BVerwG 30. Oktober 2018 - 1 WDS-VR 5.18 - Rn. 17). Unabhängig davon, aus welchen Gründen der Kläger aus Sicht des beklagten Landes im Auswahlgespräch am 22. Dezember 2016 nicht überzeugt hatte, kann das beklagte Land aus dieser Rechtsprechung hier nichts zu seinen Gunsten ableiten. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es nicht um die Frage der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG, sondern um die Frage, ob das beklagte Land einer spezifischen, zugunsten schwerbehinderter Bewerber bestehenden Verfahrenspflicht, nämlich der Pflicht zur Einladung zum Vorstellungsgespräch nachgekommen ist. Auch in einem zwei- oder mehrstufigen Auswahlverfahren sind damit die Begrifflichkeiten der diese Pflicht enthaltenden Gesetzesbestimmung, und damit der Begriff des Vorstellungsgesprächs iSv. § 82 Satz 2 SGB IX aF zugrunde zu legen.

(b) Das beklagte Land kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, ein etwaiger Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX aF sei durch die nachträgliche Einladung des Klägers zur Teilnahme an der Potenzialanalyse geheilt worden. Das beklagte Land hatte sich erst, nachdem es dem Kläger mit E-Mail vom 27. Dezember 2016 eine Absage erteilt hatte, im Rahmen des vom Kläger eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf am 6. Januar 2017 durch gerichtlichen Vergleich verpflichtet, den Kläger nachträglich zu der Potenzialanalyse einzuladen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann der Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX aF nicht nachträglich "geheilt" oder "beseitigt" werden (vgl. BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 47; 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 53; 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 33).

dd) Der Umstand, dass das beklagte Land den Kläger entgegen den Vorgaben des § 82 Satz 2 SGB IX aF, anstatt ihm unter dem 27. Dezember 2016 eine Absage zu erteilen, nicht zu der Potenzialanalyse eingeladen hat, begründet nach alledem die Vermutung, dass der Kläger die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG wegen seiner (Schwer)Behinderung erfahren hat.

c) Das beklagte Land hat die auf den Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX aF gestützte Vermutung, dass der Kläger wegen seiner (Schwer)Behinderung benachteiligt wurde, nicht widerlegt.

aa) Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, muss der Arbeitgeber - wie unter Rn. 30 ausgeführt - grundsätzlich Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben. Zur Widerlegung der auf den Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX aF gestützten Kausalitätsvermutung reicht dies allerdings nicht aus; hinzukommen muss in einem solchen Fall vielmehr, dass die Gründe nicht die fehlende fachliche Eignung des Bewerbers/der Bewerberin betreffen. Diese zusätzliche Anforderung folgt aus der in § 82 Satz 3 SGB IX aF getroffenen Bestimmung, wonach eine Einladung des schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch nur dann entbehrlich ist, wenn diesem die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Die Widerlegung der aus einem Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX aF folgenden Vermutung setzt daher den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fehlende fachliche Eignung des Bewerbers berühren (BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 45).

bb) Danach hat das beklagte Land die Kausalitätsvermutung nicht widerlegt.

(1) Soweit sich das beklagte Land darauf beruft, dem Kläger sei es in dem gut einstündigen Auswahlgespräch am 22. Dezember 2016 nicht gelungen, das beklagte Land von sich persönlich, also von seiner Eignung für die ausgeschriebene Stelle zu überzeugen, hat das beklagte Land schon keinen substantiierten Vortrag geleistet, aus dem sich ergibt, dass die Einladung des Klägers zur Potentialanalyse aufgrund von Umständen unterblieben ist, die nicht seine fehlende fachliche Eignung berühren.

(2) Das beklagte Land kann zur Widerlegung der Vermutung der Kausalität der (Schwer)Behinderung des Klägers für seine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG auch nicht mit Erfolg geltend machen, es sei zum damaligen Zeitpunkt der Rechtsauffassung gewesen, auch einen schwerbehinderten Bewerber schon auf der ersten Stufe des von ihr praktizierten zweistufigen Auswahlverfahrens, dh. nach dem Auswahlgespräch vom 22. Dezember 2016, wegen fehlender Eignung von der weiteren Mitbetrachtung ausschließen zu dürfen, weshalb keine Verpflichtung bestanden habe, den Kläger auch zu der Potentialanalyse einzuladen. Da diese Rechtsauffassung - wie unter Rn. 43 ausgeführt - unzutreffend ist, beruft das beklagte Land sich insoweit auf einen Rechtsirrtum, der seinerseits allerdings nicht geeignet ist, die Kausalitätsvermutung zu widerlegen. Die aus einer Verletzung der in § 82 Satz 2 SGB IX aF bestimmten Pflicht zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch folgende Vermutungswirkung hängt nicht davon ab, ob der Arbeitgeber sich rechtskonform verhalten will, auch ein Verschulden oder eine Benachteiligungsabsicht ist nicht erforderlich. Vielmehr reicht, da die Haftung nach § 15 Abs. 2 AGG verschuldensunabhängig ist (vgl. etwa BAG 28. Mai 2020 - 8 AZR 170/19 - Rn. 20 f. mwN), der objektive Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 SGB IX aF und damit auch der objektive Verstoß gegen die in § 82 Satz 2 SGB IX aF bestimmte Pflicht aus. Das wirkt sich auch auf die Möglichkeiten aus, die aus einer Verletzung von § 82 Satz 2 SGB IX aF folgende Vermutung der Kausalität zu widerlegen. Mit dem Argument, rechtsirrig angenommen zu haben, nach § 82 Satz 2 SGB IX aF nicht verpflichtet gewesen zu sein, den Kläger auch zur Potenzialanalyse einzuladen, kann diese Vermutung demnach nicht widerlegt werden.

IV. Dem Entschädigungsanspruch des Klägers steht auch nicht entgegen, dass dieser sich mit dem beklagten Land in dem vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf geführten einstweiligen Verfügungsverfahren vergleichsweise darauf verständigt hat, dass er vom beklagten Land nachträglich zur Potenzialanalyse eingeladen wird. Der Kläger hat mit dieser vergleichsweise getroffenen Abrede entgegen der Rechtsauffassung des beklagten Landes nicht auf einen etwa bestehenden Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verzichtet.

1. Ein Verzicht auf Rechte im Allgemeinen ist nicht zu vermuten, so dass deren Aufgabe nur unter strengen Voraussetzungen angenommen werden kann. Ein Verzicht muss eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden (vgl. etwa BAG 28. Februar 2019 - 8 AZR 201/18 - Rn. 58, BAGE 166, 54; 28. Juni 2011 - 3 AZR 448/09 - Rn. 38 mwN; BGH 14. November 2017 - VIII ZR 101/17 - Rn. 17 mwN; 4. Dezember 2015 - V ZR 22/15 - Rn. 44 mwN; 15. Oktober 2014 - XII ZR 111/12 - Rn. 51 mwN; 30. September 2005 - V ZR 197/04 - zu II 1 der Gründe mwN).

2. Ein eindeutiger Verzichtswille des Klägers ergibt sich nicht aus dem vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf zur Erledigung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens am 6. Januar 2017 geschlossenen Vergleich. In diesem einstweiligen Verfügungsverfahren ging es um den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers (zum Bewerbungsverfahrensanspruch vgl. BAG 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 30 ff., BAGE 161, 157); über einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG haben die Parteien in diesem Verfahren nicht gestritten und sich hierüber auch nicht verglichen.

V. Dem Entschädigungsverlangen des Klägers steht auch nicht der durchgreifende rechtshindernde Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegen (zu den strengen Vorgaben vgl. BAG etwa 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16 - Rn. 46 ff. mwN). Das beklagte Land, dem die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände obliegt, die den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen (vgl. BAG 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16 - Rn. 48 mwN), hat das Vorliegen der Voraussetzungen nicht dargetan.

1. Das beklagte Land hat nicht behauptet, der Kläger habe sich nur beworben, um den formalen Status eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen (näher zu den Vorgaben etwa: BAG 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16 - Rn. 45 ff.; 11. August 2016 - 8 AZR 4/15 - Rn. 43 ff. mwN, BAGE 156, 71). Dass der Kläger ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der ausgeschriebenen Stelle hatte, stellt das beklagte Land nicht in Abrede.

2. Soweit das beklagte Land dem Kläger ua. vorwirft, zunächst "weit überhöhte Entschädigungsforderungen ohne jeglichen substantiierten Vortrag zu Indizien einer Benachteiligung" geltend gemacht zu haben und durch sein gesamtes Verhalten einen Benachteiligungsgrund erst "zu provozieren bzw. mühevoll darzustellen, um maximale Entschädigungsansprüche geltend machen zu können", legt das beklagte Land schon nicht dar, dass der Kläger kein Interesse an der ausgeschriebenen Stelle gehabt habe. Vielmehr erhebt das beklagte Land insoweit den Vorwurf, dass der Kläger nach der erhaltenen Absage seine Rechte geltend gemacht und dabei eine überhöhte Forderung gestellt hat. Dieses Vorbringen ist allerdings ua. schon deshalb nicht geeignet, den durchgreifenden Einwand des Rechtsmissbrauchs zu begründen, weil andernfalls die Wertungen des § 16 AGG, wonach der Arbeitgeber Beschäftigte nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten ua. nach § 15 Abs. 2 AGG benachteiligen darf, unterlaufen würden und dem Kläger entgegen den unionsrechtlichen Vorgaben die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte übermäßig erschwert, wenn nicht sogar praktisch unmöglich gemacht würde (st. Rspr. des EuGH zum Grundsatz der Effektivität, vgl. nur 15. März 2017 - C-3/16 - [Aquino] Rn. 48 mwN; 20. Oktober 2016 - C-429/15 - [Danqua] Rn. 29 f.; 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 61 mwN; 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] Rn. 22 und 25 mwN).

3. Das beklagte Land kann sich zur Begründung des Rechtsmissbrauchseinwands auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger habe sich beworben, obwohl er persönlich, dh. hier charakterlich ungeeignet sei und deshalb die für die ausgeschriebene Stelle vorausgesetzten Mindestanforderungen nicht erfülle. Zwar ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass ein Entschädigungsverlangen dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt ist, sofern eine Person sich beworben hat, obgleich sie - wie sich möglicherweise erst nachträglich herausstellt - für die ausgeschriebene Stelle persönlich ungeeignet ist; allerdings muss eine solche Nichteignung "offensichtlich" sein, sie muss sich als offensichtliches Einstellungs- bzw. Besetzungshindernis erweisen, weil andernfalls die zwingenden Anforderungen von § 82 Satz 3 SGB IX aF (vgl. Rn. 33, 40, 50) über den Rechtsmissbrauchseinwand unterlaufen würden.

Das beklagte Land hat eine solche offensichtliche persönliche, dh. hier charakterliche Nichteignung des Klägers für die ausgeschriebene Stelle einer "Fachbereichsleitung Marketing und Kommunikation in der Zentrale" jedoch nicht dargetan. So bleibt zum einen schon unklar, in welchem der beiden Bewerbungsverfahren der Kläger in seinem Lebenslauf unzutreffende Angaben zu seiner Erfahrung gemacht haben soll. Zum anderen kann es für die zum Teil unterschiedlichen Angaben zur vorhandenen Erfahrung in den in zwei unterschiedlichen Bewerbungsverfahren eingereichten Lebensläufen auch Erklärungen geben, die der Annahme einer persönlichen Nichteignung entgegenstehen. Nicht jede abweichende Darstellung von Erfahrungen im Lebenslauf, mit der sich der Bewerber eine Verbesserung seiner Chancen im Bewerbungsverfahren verspricht, überschreitet die Grenze zur Falschdarstellung. Die Darlegungen des beklagten Landes bleiben insoweit insgesamt unsubstantiiert und rechtfertigen deshalb nicht die Annahme des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands.

VI. Der Senat, der aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen abschließend über die Höhe der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG entscheiden kann, hält unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entschädigung iHv. 1,5 auf der ausgeschriebenen Stelle erzielbaren Bruttomonatsverdiensten, mithin eine Entschädigung iHv. 7.674,00 Euro für angemessen.

1. Im Fall einer Nichteinstellung ist für die Bemessung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG an das Bruttomonatsentgelt anzuknüpfen, das der/die erfolglose Bewerber/in (ungefähr) erzielt hätte, wenn er/sie die ausgeschriebene Stelle erhalten hätte. Dies folgt aus der in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG getroffenen Bestimmung, wonach die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen darf, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

Aus dem Umstand, dass das infolge der Nichteinstellung entgangene Arbeitsentgelt ein möglicher Schadensposten im Rahmen eines auf den Ausgleich materieller Schäden nach § 15 Abs. 1 AGG gerichteten Schadensersatzanspruchs sein kann, während mit der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht der materielle, sondern der immaterielle Schaden ausgeglichen wird, folgt nichts Abweichendes. Soweit es - wie hier - um den Zugang zur Beschäftigung geht, ist die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nämlich nicht nur eine Sanktion dafür, dass der/die erfolglose Bewerber/in nicht die Chance zur Entfaltung seiner/ihrer individuellen Persönlichkeit durch eine bestimmte Beschäftigung erhält, sondern ebenso eine Sanktion dafür, dass er/sie nicht die Chance erhält, ein Arbeitseinkommen zu erzielen und auch dadurch in seinem/ihrem Geltungs- bzw. Achtungsanspruch berührt ist. In beiden Fällen ist nicht der materielle, sondern der immaterielle Teil des Persönlichkeitsrechts betroffen. Die Anknüpfung an das auf der ausgeschriebenen Stelle (ungefähr) zu erwartende Bruttomonatsentgelt steht auch mit den unionsrechtlichen Vorgaben in Einklang. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat eine solche Anknüpfung in seinem Urteil vom 22. April 1997 (- C-180/95 - [Draehmpaehl] zur Richtlinie 76/207/EWG) grundsätzlich gebilligt.

2. Durch eine Entschädigung iHv. 1,5 auf der Stelle erzielbaren Bruttomonatsverdiensten wird der Kläger angemessen für den durch die unzulässige Diskriminierung - ausschließlich - wegen der (Schwer)Behinderung erlittenen immateriellen Schaden entschädigt; dieser Betrag ist zudem erforderlich, aber auch ausreichend, um die notwendige abschreckende Wirkung zu erzielen. Da es auf ein Verschulden nicht ankommt (vgl. etwa BAG 28. Mai 2020 - 8 AZR 170/19 - Rn. 20 f.), können Gesichtspunkte, die mit einer etwaigen Abwesenheit oder einem geringen Grad von Verschulden zusammenhängen, nicht mindernd bei der Bemessung der Entschädigung berücksichtigt werden. Auf der anderen Seite sind in diesem Fall aber auch keine Umstände erkennbar, die einen höheren Grad von Verschulden des beklagten Landes belegen, weshalb auch keine Veranlassung besteht, die Entschädigung höher festzusetzen. Auf die Frage, ob die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG die Kappungsgrenze von drei Monatsgehältern nicht übersteigen durfte, weil der Kläger auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (dazu etwa BAG 23. Januar 2020 - 8 AZR 484/18 - Rn. 82 ff. mwN), kommt es nach alledem nicht an.

Referenznummer:

R/R8663


Informationsstand: 11.05.2021