Urteil
Private Krankenversicherung - Versorgung mit einem Stehtrainer

Gericht:

BSG


Aktenzeichen:

B 3 P 3/06 R


Urteil vom:

06.09.2007


Kurzbeschreibung:

Umstritten war die Frage der Versorgung mit einem Stehtrainer (Freistehbarren) zu Lasten der Kranken- oder Pflegeversicherung.

Das BSG entschied, dass zwischen der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung kein Vorrang-Nachrang-Verhältnis in der Weise bestehe, dass ein Bereich subsidiär eintrete, wenn aus dem anderen Bereich kein Versicherungsschutz bestehe. Vielmehr komme nur die Zuständigkeit des einen oder des anderen Leistungsträgers in Betracht. Welcher Leistungsträger im Einzelnen für Hilfsmittel zuständig sei, richte sich im Zweifel nach dem Schwerpunkt der Zweckbestimmung. Nach den Feststellungen des LSG ständen bei einem Stehtrainer die Verhütung der Verschlimmerung von Krankheitsbeschwerden und damit Versorgungsziele im Vordergrund, für die nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V vorrangig die Krankenversicherung einzustehen habe. Um ein reines Pflegehilfsmittel, das der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zugerechnet werden könne, würde es sich nur dann handeln, wenn es im konkreten Fall allein oder jedenfalls schwerpunktmäßig der Erleichterung der Pflege diene.

(Quelle: Die Krankenversicherung 05/2008, S. 144)

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 21. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Sachverhalt:

I

Streitig ist die Verpflichtung des beklagten privaten Krankenversicherungsunternehmens, anteilige Kosten für einen sog Stehtrainer zu übernehmen.

Die Klägerin ist bei der Beklagten privat kranken- und pflegepflichtversichert. In den Versicherungsschutz einbezogen sind in Höhe von 20 % Leistungen für ihren im Jahre 1981 geborenen Sohn, solange für ihn Anspruch auf Beihilfe besteht. Dieser ist aufgrund einer Cerebralparese geistig und körperlich stark behindert. Unter anderem leidet er unter massiven Beugespastiken der Arme und Beine sowie unter Krampfanfällen. Ohne fremde Hilfe kann er weder sitzen noch stehen.

Die Klägerin beantragte im März 2000 bei der Beklagten die anteilige Übernahme der Kosten eines Stehtrainers, der ihrem Sohn zuvor ärztlich verordnet worden war und unter elektronischer Unterstützung dazu dient, in eine aufrechte Position zu gelangen und in dieser zu verbleiben. Sie machte geltend, der Stehtrainer sei im Hilfsmittelverzeichnis der Spitzenverbände der sozialen Pflegeversicherung aufgeführt. Ihr Sohn werde durch die Ablehnung der anteiligen Kostenerstattung in Höhe von 969,94 Euro im Vergleich zu den gesetzlich Versicherten unverhältnismäßig benachteiligt. Ihm würden Hilfen zur Mobilitätsförderung vorenthalten, die Versicherten der sozialen Pflegeversicherung zustünden. Hilfsweise müsse sich die Beklagte in ihrer Funktion als Krankenversicherer an den Kosten beteiligen.

Mit Schreiben vom 15.6. und 23.11.2000 sowie weiterem Schreiben vom 2.2.2001 lehnte die Beklagte eine Beteiligung an den Kosten ab. Der Stehtrainer sei kein Hilfsmittel im Sinne ihrer allgemeinen Versicherungsbedingungen. Er sei nur im Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung aufgeführt und deshalb - wenn überhaupt - in jenem Versicherungszweig zu erbringen. Der Stehtrainer sei auch kein Pflegehilfsmittel, denn er erleichtere die Pflege in keiner Weise; es handele sich vielmehr um ein Trainingsgerät, das der medizinischen Therapie diene.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 2.10.2002), das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 21.12.2005): Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung von 969,94 Euro als Zuschuss für den Stehtrainer. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten diene dieser ganz wesentlich der Behandlungspflege. Dazu gehörten alle Pflegemaßnahmen, die nur durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu lindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern. In diesem Sinne fördere das Aufrichten in die stehende Position die Mobilisation des Sohnes der Klägerin, weil vorhandene Spastiken gelöst würden und Kontrakturen und Muskelabbau vorgebeugt werde; des Weiteren werde der Kreislauf stabilisiert. Die Beklagte sei auch nicht ausnahmsweise deshalb leistungsverpflichtet, weil sie im konkreten Fall entsprechende Leistungen aufgrund des Krankenversicherungsvertrages nicht zu erbringen habe. Eine Versorgungslücke der privaten Krankenversicherung sei nicht durch das Eintreten der privaten Pflegeversicherung zu schließen (Verweis auf Urteil des Senats vom 10.11.2005, SozR 4-3300 § 40 Nr 2).

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 23 Abs 3 Satz 2, 23 Abs 1 Satz 2 und 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI. Der Stehtrainer sei zwar nicht im Pflegehilfsmittelverzeichnis der Beklagten aufgeführt. Jedoch habe sie einen Gleichwertigkeitsanspruch aus § 23 Abs 3 Satz 2 iVm Abs 1 Satz 2 SGB XI, wonach eine Leistung der privaten Pflegeversicherung dem Maßstab der gesetzlichen Pflegeversicherung gemäß § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI entsprechen müsse. Diese Abwägung sei fehlerhaft vorgenommen worden. Der Stehtrainer diene schwerpunktmäßig der Erleichterung der Pflege. Hilfsweise sei die Beklagte aus dem privaten Krankenversicherungsvertrag leistungspflichtig. Dieser Vertrag biete beihilfeberechtigten Personen einen Sonderstatus, der mit der gesetzlichen Krankenversicherung gleichzusetzen sei. Ansprüche hieraus seien daher nicht auf dem ordentlichen Rechtsweg, sondern auf dem Sozialrechtsweg geltend zu machen. Denn wäre ihr Sohn gesetzlich krankenversichert, hätte er einen Anspruch auf Versorgung mit einem Stehtrainer gemäß § 33 SGB V. Als familienversichertes Mitglied habe er wegen seiner Behinderungen zudem faktisch keine Möglichkeit, eine andere Krankenkasse zu wählen, die die für ihn notwendigen Leistungen erbringe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.12.2005 und den Gerichtsbescheid des SG Braunschweig vom 2.10.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 969,94 Euro für den Stehtrainer zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach den §§ 165, 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.

Rechtsweg:

SG Braunschweig Urteil vom 2.10.2002 - S 13 P 4/01 -
LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 21.12.2005 - L 14 P 3/03 -

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

II

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen im Sozialrechtsweg zu verfolgenden Anspruch auf Übernahme von Kosten des für ihren Sohn angeschafften Stehtrainers durch die Beklagte.

1) Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere ist die Klagefrist eingehalten worden. Dabei kann offenbleiben, ob die Sechs-Monats-Frist des § 12 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz ( VVG) und der damit übereinstimmenden Regelung des § 17 Abs 2 der dem Vertrag zwischen den Beteiligten zugrunde liegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung (MB/PPV 1996) durch wiederholte Leistungsablehnung erneut zu laufen beginnt, wenn eine zuvor ordnungsgemäß in Lauf gesetzte Frist bereits verstrichen war. Eine solche Fristsetzung ist hier jedenfalls nicht erfolgt, weil die Leistungsablehnung von dem Versicherer nicht mit einer Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolgen verbunden worden ist; einen solchen Hinweis enthalten weder das Ablehnungsschreiben vom 15.6.2000 noch das Schreiben der Beklagten vom 23.11.2000. Ein Versicherungsanspruch der Klägerin ist danach nicht bereits durch bloßen Zeitablauf verloren gegangen.

2) Aus dem Pflegeversicherungsverhältnis steht der Klägerin kein Anspruch auf anteilige Übernahme der Kosten des Stehtrainers zu.

a) Gemäß § 178b Abs 4 VVG haftet der Versicherer im Falle der Pflegebedürftigkeit im vereinbarten Umfang für Aufwendungen, die für die Pflege der versicherten Person entstehen (Pflegekostenversicherung) oder er leistet das vereinbarte Tagegeld
(Pflegetagegeldversicherung). Der Leistungsumfang der hier vorliegenden Pflegekostenversicherung bestimmt sich demgemäß nach den im Versicherungsvertrag vereinbarten Konditionen. Für die "Leistungen der häuslichen Pflege" ist die Regelung des § 4 MB/ PPV 1996 maßgeblich. Nach § 4 Abs 7 MB/PPV haben versicherte Personen gemäß Nr 4 des Tarifs PV Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für Pflegehilfsmittel und technische Hilfen oder deren leihweise Überlassung, wenn und soweit die Pflegehilfsmittel und technischen Hilfen zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung von Beschwerden der versicherten Personen beitragen oder ihr eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen und die Versorgung notwendig ist. Nach der bezeichneten Regelung der Nr 4 des Tarifs PV sind erstattungsfähig die Aufwendungen für die in dem Pflegehilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegepflichtversicherung aufgeführten Pflegehilfsmittel und technischen Hilfen. Im Pflegehilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegepflichtversicherung sind zur Erleichterung der Pflege unter Ziffer 1.2 lediglich Pflegebetten mit Zubehör, unter Ziffer 1.2.5 Pflegeliegestühle sowie unter Ziffer 1.3.1 und 1.4.1 Rollstühle und als Pflegehilfsmittel zur Linderung von Beschwerden unter Ziffer 4.1.1 Sitzhilfen und unter Ziffer 4.1.2 Liegehilfen aufgeführt. Ein Anspruch auf Ausstattung mit einem Stehtrainer besteht somit nach den Versicherungsbedingungen nicht.

b) Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt darin nicht. Auch nach den Vorschriften des SGB XI wäre die Beklagte nicht verpflichtet, den Sohn der Klägerin mit dem begehrten Hilfsmittel zu versorgen. Zwar sieht § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XI vor, dass ein Vertrag der privaten Pflegeversicherung ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht für den Versicherungsnehmer und seinen Angehörigen, für die in der sozialen Pflegeversicherung nach § 25 SGB XI eine Familienversicherung bestünde, Vertragsleistungen vorsehen muss, die nach Art und Umfang den Leistungen des Vierten Kapitels ( § 28 bis 45 SGB XI) gleichwertig sind. Dabei tritt an Stelle des Sachleistungsanspruchs eine der Höhe nach gleiche Kostenerstattung (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB XI). Diese Voraussetzungen sind hier indes nicht erfüllt.

Maßstab für die Frage der Gleichwertigkeit des Leistungsanspruchs ist § 40 Abs 1 SGB XI. Danach haben Pflegebedürftige der sozialen Pflegeversicherung Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Nach den nicht mit zulässigen Revisionsrügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG stehen bei einem Stehtrainer die Verhütung der Verschlimmerung von Krankheitsbeschwerden sowie die Linderung von Krankheitsbeschwerden und damit Versorgungsziele im Vordergrund, für die nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V vorrangig die gesetzliche Krankenversicherung einzustehen hat. Der Stehtrainer unterstützt die Mobilisation des infolge einer vollständigen oder teilweise Lähmung behinderten Menschen. Dies befördert die Ausbildung und Kräftigung der Muskulatur, wirkt der Versteifung von Gelenken entgegen, stabilisiert den Kreislauf und fördert die Durchblutung; zudem unterstützt die Möglichkeit des zeitweiligen Stehens die Dekubitusprophylaxe. Das kann sich zwangsläufig auch günstig auf den allgemeinen Pflegebedarf des behinderten Menschen auswirken; insoweit ist der Klägerin zuzustimmen. Dieser Aspekt ist aber nur Folge des Behinderungsausgleichs und ändert nichts daran, dass ein solches Hilfsmittel allein der Leistungspflicht der Krankenversicherung zuzuordnen ist; denn diese Eigenschaft kommt mehr oder weniger allen Hilfsmitteln zu, die dem Behinderungsausgleich dienen und als Hilfsmittel gemäß § 33 SGB V von der gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten sind (stRspr, vgl BSG SozR 2200 § 182b Nr 9; BSGE 51, 268, 271 = SozR 2200 § 182b Nr 20 S 57; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 7; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 13; ferner Gaßner/Schottky, NZS 2005, 523, 527). Um ein reines Pflegehilfsmittel, das der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zugerechnet werden kann, handelt es sich nur dann, wenn es im konkreten Fall allein oder jedenfalls schwerpunktmäßig der Erleichterung der Pflege dient (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 47; SozR 4-2500 § 33 Nr 5; SozR 4-3300 § 40 Nr 2). Dies ist hier nach den Feststellungen des LSG nicht der Fall.

c) Wie der Senat bereits entschieden hat, gilt diese Abgrenzung auch dann, wenn die Krankenversicherung - etwa wegen des Fehlens eines privaten Versicherungsschutzes - im konkreten Fall nicht einzutreten hätte. Aus § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI folgt nicht, dass zwischen der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis in der Weise besteht, dass ein Überschneidungsbereich bestünde, in dem grundsätzlich beide Leistungsträger für Hilfsmittel zuständig sind, wobei die Leistungspflicht der Pflegekasse vergleichbar der Sozialhilfe subsidiär eintritt, wenn im Einzelfall kein vorrangiger Versicherungsschutz besteht. Es kommt nur die Zuständigkeit des einen oder des anderen Leistungsträgers in Betracht. Welcher Leistungsträger im Einzelnen für Hilfsmittel zuständig ist, richtet sich im Zweifel nach dem Schwerpunkt der Zweckbestimmung. Besteht danach eine Leistungslücke im Bereich der privaten Krankenversicherung, ist sie nicht von der privaten Pflegeversicherung zu schließen (vgl BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 2).

3) Über mögliche Ansprüche der Klägerin auf Übernahme der anteiligen Kosten des Stehtrainers aus der mit der Beklagten abgeschlossenen privaten Krankenversicherung hat der Senat nicht zu entscheiden. Die Beurteilung dieser Frage ist ausschließlich den Zivilgerichten vorbehalten.

a) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind gemäß § 51 Abs 1 Satz 1 SGG grundsätzlich zur Entscheidung über öffentlich- rechtliche Streitigkeiten berufen. In Angelegenheiten der Pflegeversicherung ist dies nach § 51 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG ausnahmsweise anders. Danach entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in Angelegenheiten der Pflegeversicherung nach dem SGB XI auch dann, wenn die Pflegepflichtversicherung bei einem Unternehmen der privaten Pflegeversicherung durchzuführen ist und Ansprüche aus dem privatrechtlichen Pflegeversicherungsvertrag streitig sind. Diese Ausnahme von der sonst vorgegebenen Zuständigkeit der Zivilgerichte für Rechtsstreitigkeiten aus privatrechtlichen Versicherungsverträgen folgt aus dem engen Zusammenhang zwischen sozialer und privater Pflegeversicherung. Insbesondere sind die Versicherten in der privaten Pflegeversicherung mit Blick auf Leistungsumfang und Versicherungsbedingungen im Wesentlichen den Versicherten in der sozialen Pflegeversicherung gleichgestellt. Dies rechtfertigt die einheitliche Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit für Streitigkeiten sowohl der sozialen als auch der privaten Pflegeversicherung (vgl zum Ganzen Beschluss des erkennenden Senats vom 8.8.1996 - 3 BS 1/96 -, BSGE 79, 80 = SozR 3-1500 § 51 Nr 19).

Für Rechtsstreitigkeiten aus der privaten Krankenversicherung besteht eine vergleichbare Regelung nicht. Anders als im Verhältnis zwischen sozialer und privater Pflegepflichtversicherung ist die private Krankenversicherung der gesetzlichen Krankenversicherung auch nicht nach Leistungsumfang und Versicherungsbedingungen im Wesentlichen gleichgestellt. Der privatrechtlich gewährte Versicherungsschutz folgt vielmehr eigenständigen Regelungen und Grundsätzen. Daran ändert auch die von der Klägerin angeführte Modifizierung durch das GKV-WSG nichts, mit dem die Unternehmen der privaten Krankenversicherung verpflichtet worden sind, ihren Versicherten Leistungen nach einem Standardtarif anzubieten. Die damit verbundenen Regelungen bestätigen im Gegenteil, dass das verfolgte Anliegen umgesetzt worden ist, ohne die grundliegenden Strukturprinzipien der privaten Krankenversicherung aufzugeben. Es verbleibt deshalb weiterhin bei dem Grundsatz, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit für Rechtsstreitigkeiten aus privatrechtlichen Krankenversicherungsverträgen nicht zuständig sind.

b) Diese Abgrenzung der Zuständigkeiten gilt auch bei Rechtsstreitigkeiten um die Frage, ob ein privates Krankenversicherungsunternehmen für eine beanspruchte Hilfsmittelversorgung entweder aus Pflegeversicherungsvertrag oder aus Krankenversicherungsvertrag aufzukommen hat. Damit ggf verbundene Abgrenzungsprobleme begründen auch nach Maßgabe von § 17 Abs 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) keinen einheitlichen Rechtsweg für Ansprüche aus der privaten Pflege- und Krankenversicherung. Allerdings hat das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit nach § 17 Abs 2 GVG unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu entscheiden. Eine rechtswegüberschreitende Zuständigkeit besteht danach aber nur bei einem Rechtsstreit mit einem einheitlichen prozessualen Anspruch. Bei einer Mehrheit von prozessualen Ansprüchen verbleibt es dagegen bei der für jeden Streitgegenstand vorgegebenen sachlichen Zuständigkeit (BGHZ 114, 1; Wittschier in Musielak, ZPO, 5. Aufl 2007, § 17 GVG RdNr 9; Gummer in Zöller, ZPO, 26. Aufl 2007, § 17 GVG RdNr 6). Danach ist im Sozialrechtsweg auch dann nicht über Ansprüche aus einer privaten Krankenversicherung zu entscheiden, wenn über die Kostentragung für ein Hilfsmittel gestritten wird, für das bei Unzuständigkeit des beklagten Versicherungsunternehmens als Träger der privaten Pflegeversicherung dessen Leistungspflicht aus dem Krankenversicherungsvertrag in Betracht kommen könnte. Denn Ansprüche auf Kostentragung für ein Hilfsmittel entweder aus der privaten Pflegeversicherung oder aus der privaten Krankenversicherung bilden keinen einheitlichen Streitgegenstand. Identisch sind zwar der Klageantrag und der ihm zugrunde liegende Wunsch auf Versorgung mit dem Hilfsmittel. Der weitere Lebenssachverhalt als für den Streitgegenstand konstitutives Merkmal (vgl für den Zivilprozess BGHZ 117, 1, 5 f mwN) unterscheidet sich bei diesen Ansprüchen indes erheblich. Grundlage von Ansprüchen auf Übernahme von Kosten für ein Hilfsmittel ist im einen Fall der Abschluss und Bestand eines Pflegeversicherungsvertrages und im anderen Fall der eines Krankenversicherungsvertrages. Diese Vertragskomplexe sind nach Gegenstand, rechtlicher Ordnung und nicht zuletzt der unterschiedlichen Rechtswegzuweisung mit jeweils verschiedenen prozessualen Maximen so unterschiedlich und eigenständig, dass man sie nicht als Teil eines einheitlichen Lebenssachverhalts ansehen kann. Deshalb muss es auch dann bei unterschiedlichen Rechtswegen für Ansprüche aus privater Pflegeversicherung und privater Krankenversicherung verbleiben, wenn diese - wie hier - im Alternativverhältnis stehen könnten.

c) Davon abweichend war schließlich auch nicht deshalb über Ansprüche aus dem privaten Krankenversicherungsvertrag zu entscheiden, weil im Instanzenzug eine den Senat gemäß § 17a Abs 5 GVG bindende Rechtswegentscheidung getroffen worden wäre. Danach wäre im Revisionsverfahren nicht zu prüfen, ob der beschrittene Sozialrechtsweg zulässig ist, wenn er durch ein Instanzgericht rechtskräftig für zulässig erklärt worden ist. In diesem Sinne haben aber weder das SG noch das LSG über Ansprüche der Klägerin aus dem bei der Beklagten unterhaltenen Krankenversicherungsvertrag entschieden. Hierzu hat das SG keinerlei Ausführungen gemacht. Auch dem Urteil des LSG kann eine solche rechtswegbindende Entscheidung nicht entnommen werden. In dessen Tatbestand sind zwar die Rechtspositionen der Beteiligten zu dieser Rechtswegfrage dargestellt worden, den Entscheidungsgründen sind hingegen weder Ausführungen noch Schlussfolgerungen zu den näheren Voraussetzungen eines krankenversicherungsrechtlichen Anspruchs auf anteilige Kostentragung für den Stehtrainer zu entnehmen. Vor diesem Hintergrund kann dem in den Entscheidungsgründen enthaltenen Hinweis, die Klägerin habe auch nach dem Krankenversicherungsvertrag keinen Anspruch auf anteilige Kostenerstattung, nicht entnommen werden, dass das LSG insoweit eine der Rechtskraft zugängliche Entscheidung getroffen hat. Nach dem Kontext der weiteren Entscheidungsgründe ist dieser Hinweis vielmehr ausschließlicher Ausgangspunkt für die weitere Prüfung, ob die Beklagte ggf dann aus dem Pflegeversicherungsvertrag anteilig für den Stehtrainer aufzukommen hätte, wenn ein solcher Anspruch nach dem Krankenversicherungsvertrag nicht bestünde. Eine eigenständige Entscheidung der krankenversicherungsrechtlichen Fragestellung kann dem angefochtenen Berufungsurteil hingegen - insbesondere im Hinblick auf die Wiedergabe der unterschiedlichen Rechtspositionen der Beteiligten zu der Rechtswegfrage im Urteilstatbestand - nicht entnommen werden.

4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Referenznummer:

R/R2918


Informationsstand: 27.03.2008