Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Berichterstatter anstelle der Kammer.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, weil das Entschädigungsbegehren eine vorherige Behördenentscheidung gerade in der Form des Verwaltungsakts nicht voraussetzt. Der Durchführung eines Vorverfahrens nach § 54
Abs. 2 BeamtStG bedarf es nicht, da das die besondere Verfahrensanordnung des § 54
Abs. 2 Beamtenstatusgesetz begründende Dienst- und Treueverhältnis zwischen Beamten und Dienstherrn im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben ist (
vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 04.08.2009 -
9 S 3330/08 -, ZBR 2010, 128). Im Übrigen ist die Durchführung eines Vorverfahrens nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entbehrlich, wenn die mit der Ausgangsbehörde identische Widerspruchsbehörde wie im vorliegenden Fall im Klageverfahren unmissverständlich den geltend gemachten Anspruch ablehnt (
vgl. BVerwG, Urt. v. 02.09.1983 - 7 C 97.81 -, NVwZ 1984, 507, und Urt. v. 18.04.1988 - 6 C 41.85 -, NVwZ 1988, 721). Gemäß § 73
Abs. 1 Satz 2
Nr. 3
VwGO erlässt die Gemeinde in Selbstverwaltungsangelegenheiten selbst den Widerspruchsbescheid. Die Ausnahmevorschrift des § 17
Abs. 1
AG VwGO findet keine Anwendung, da vorliegend kein Verwaltungsakt der Gemeinde im Streit steht.
Der Anspruch des Klägers auf angemessene Entschädigung folgt dem Grunde nach aus
§ 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX i.V.m. § 15
Abs. 2
AGB. Nach § 81
Abs. 2 Satz 2
SGB IX i.V.m. §§ 1,
2 Abs. 1 Nr. 1,
7 Abs. 1 AGG dürfen schwerbehinderte Menschen nicht wegen ihrer Behinderung bei einer Einstellung benachteiligt werden. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot kann der schwerbehinderte Bewerber nach
§ 15 Abs. 2 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen, die gemäß Satz 2 der Vorschrift 3 Monatsgehälter nicht übersteigen darf, wenn er auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem Anspruch des Klägers ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht entgegen. Nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben kann zwar im Stellenbesetzungsverfahren nur benachteiligt werden, wer sich subjektiv ernsthaft beworben hat. Auch eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen allein lässt jedoch nicht darauf schließen, der Bewerber sei nicht ernsthaft interessiert. Von einem solchen Ausnahmefall ist vielmehr nur dann auszugehen, wenn von vornherein der Wille fehlt, die ausgeschriebene Stelle tatsächlich einzunehmen, also in Wirklichkeit nur eine Entschädigung angestrebt wird (
vgl. BAG, Urt. v. 21.07.2009 -
9 AZR 431/08 -, NJW 2009, 3319
m.w.N.). Der Umstand, dass der Kläger unstreitig in mindestens 27 Fällen gegenüber öffentlichen Arbeitgebern Entschädigungsansprüche wegen Diskriminierung geltend gemacht hat, stellt kein ausreichendes Indiz für eine nicht ernsthafte, rechtsmissbräuchliche Bewerbung dar. Der Kläger hat mit seinen Bewerbungen von seinem Recht, den Arbeitsplatz frei zu wählen, Gebrauch gemacht. Ihm kann nicht vorgehalten werden, dass er, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, sich um eine Vielzahl ausgeschriebener Stellen beworben hat (
vgl. BAG, Urt. v. 21.07.2009, a.a.O.; zum Fall des Klägers insbesondere auch
LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.11.2010 - 7 Sa 93/10 - und Urt. v. 06.09.2010 -
4 Sa 18/10 - sowie
VG Stuttgart, Urt. v. 09.08.210 - 11 K 4075/09 -). Unerheblich ist auch, dass sich der Kläger im vorliegenden Fall wohl zu einem Zeitpunkt beworben hat, als er bereits mit der - letztlich nur kurzfristigen - Beschäftigung bei einer bayrischen Gemeinde rechnen konnte. Der Kläger hat insoweit plausibel vorgetragen, er habe immer eine Beamtenstelle und nicht nur ein Angestelltenverhältnis angestrebt und bevorzuge räumlich eindeutig eine Beschäftigung in Baden-Württemberg. Dass er sich aus diesen Gründen weiterhin um eine Beamtenstelle in Baden-Württemberg bemüht hat, kann ihm deshalb nicht vorgeworfen werden. Form und Inhalt seiner Bewerbung lassen ebenfalls nicht den Schluss zu, es habe sich um eine nicht ernsthafte Bewerbung gehandelt. Die Bewerbung des Klägers entsprich den üblichen Anforderungen und enthält alle für die von der Beklagten zu treffende Auswahlentscheidung notwendigen Angaben. Der Hinweis der Beklagten, der Kläger habe seine Bewerbung nur in Form einer E-Mail eingereicht, liegt neben der Sache. In ihrer Stellenausschreibung hat die Beklagte neben ihrer Postanschrift auch die E-Mail-Adresse der zuständigen Bearbeiterin angegeben. Ein Hinweis darauf, dass Bewerbungen nur auf dem Postweg erfolgen sollen, findet sich nicht. Im Übrigen hat die Beklagte während der Dauer des Auswahlverfahrens dem Kläger auch keinen Hinweis darauf gegeben, dass wegen der Form seiner Bewerbung Bedenken bestünden.
Nach
§ 82 SGB IX sind Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber verpflichtet, den Agenturen für Arbeit frühzeitig freiwerdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze zu melden. Außerdem sind sie verpflichtet, schwerbehinderte Stellenbewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Letzteres gilt nur dann nicht, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Vorliegend hat die Beklagte unstreitig sowohl die Meldung an die Agentur für Arbeit als auch die Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch unterlassen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass insbesondere die unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch die Vermutung eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung schwerbehinderter Menschen aus § 81
Abs. 2 Satz 1
SGB IX begründet (
vgl. BAG, Urt. v. 21.07.2009, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 04.08.2009, a.a.O.). Gleiches gilt bei Verletzung der sich aus § 81
Abs. 1 Satz 1
SGB IX folgenden Verpflichtung zur Prüfung, ob der freie Arbeitsplatz mit bei der Agentur für Arbeit als arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann (
vgl. BAG, Urt. v. 17.08.2010 -
9 AZR 839/08 -, Juris). Der Kläger hat damit unstreitige Indizien vorgetragen, die eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten lassen. In diesem Fall trägt die Beklagte nach
§ 22 AGG die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorliegt.
Hinsichtlich der fehlenden Einladung zu einem Vorstellungsgespräch kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle als Hauptamtsleiter offensichtlich fachlich ungeeignet gewesen. Die Eignung von Stellenbewerbern sind an dem vom Arbeitgeber bestimmten Anforderungsprofil zu messen. Mit der Bestimmung eines Anforderungsprofils legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest (
vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 04.08.2009, a.a.O.,
m.w.N.). Die in der Stellenausschreibung der Beklagten geforderte Qualifikation
Dipl.-Verwaltungswirt (
FH) oder vergleichbare Ausbildung erfüllt der Kläger unstreitig. Ein Examensergebnis mit einer Mindestpunktzahl ist im Anforderungsprofil nicht enthalten. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann dem Kläger auch nicht entgegengehalten werden, er sei wegen seiner fehlenden Berufserfahrung im gehobenen Verwaltungsdienst offensichtlich ungeeignet gewesen. Die Formulierung in der Stellenanzeige, der Bewerber verfüge "idealerweise über einige Berufserfahrung" oder sei sonst "schon fachlich sehr versiert" lässt sich nicht dahingehend auslegen, dass Berufserfahrung oder entsprechende sonstige Erfahrung Einstellungsvoraussetzung sein sollte. Die von der Beklagten gewählte Formulierung ließ gerade aus der Sicht schwerbehinderter Bewerber die Erwartung zu, dass ihnen beim obligatorischen Vorstellungsgespräch noch die Möglichkeit eröffnet sei, fehlende Berufserfahrung durch sonstige fachliche und persönliche Kompetenz auszugleichen. Von einer offensichtlich fehlenden Eignung unter Berücksichtigung des Anforderungsprofils konnte deshalb beim Kläger keine Rede sein.
Ohne Erfolg macht die Beklagte weiter geltend, beim Auswahlverfahren habe dann die berufliche Erfahrung der Kandidaten die maßgebliche Rolle gespielt, weil dies für die herausgehobene Position des Hauptamtsleiters sehr wichtig sei. Aus diesem Grund seien nur Bewerber mit Berufserfahrung zum Vorstellungsgespräch vor dem Gemeinderat eingeladen worden. Das Auswahlverfahren zeige deshalb, dass der Kläger auch bei benachteiligungsfreiem Auswahlverfahren nicht eingestellt worden wäre. Die Beklagte verkennt insoweit, dass die Bestimmungen in §§ 81
Abs. 2 Satz 1, 82
SGB IX i.V.m. § 15
Abs. 2
AGG das Recht des Bewerbers auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren schützen. Sind die Chancen eines Bewerbers bereits durch ein diskriminierendes Verfahren beeinträchtigt worden, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Schwerbehinderung bei der abschließenden Einstellungsentscheidung noch eine nachweisbare Rolle gespielt hat. Für diesen Bewerbungsverfahrensanspruch gelten deshalb andere Kriterien als für die Bestenauslese nach
Art. 33
Abs. 2
GG. Die bessere Eignung von Mitbewerbern schließt eine Benachteiligung nicht aus. Dies folgt schon aus § 15
Abs. 2 Satz 2
AGG, der als Folge des Umstands, dass der schwerbehinderte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, lediglich eine Obergrenze der Entschädigung von 3 Monatsgehältern festlegt (
vgl. BAG, Urteile v. 21.07.2009 und 17.08.2010, a.a.O.; Sächs.
OVG, Beschl. v. 24.02.2010 - 2 A 161/09 -, Juris). Die entgegenstehende Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, (Urt. v. 04.08.2009, a.a.O.) und des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs (Urt. v. 27.01.2010 - 12 B 08.1978 -, Juris), die bei fehlerfreier Bestenauswahl von einer Heilung des Verstoßes gegen die dem Schutz der Schwerbehinderten dienenden Verfahrensbestimmungen ausgehen, überzeugt nach dem klaren Wortlaut des § 15
Abs. 2 Satz 2
AGG nicht. Die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 04.08.2009 nicht zugelassene Revision ist zwischenzeitlich vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 26.05.2010 - 5 B 58/09 u.a. - (Juris) zugelassen worden.
Für die Höhe der dem Kläger zustehenden angemessenen Entschädigung ist die in § 15
Abs. 2 Satz 2
AGG bestimmte Obergrenze maßgebend. Die Beklagte hat überzeugend ausgeführt, dass für Vorauswahl der Bewerber, die sich dem Gemeinderat präsentieren sollten, und die anschließende Auswahlentscheidung die einschlägige Berufserfahrung der Bewerber maßgebend gewesen ist. Insoweit kommt auch dem entsprechenden Hinweis in der Stellenausschreibung Bedeutung zu. Hier wird bereits erkennbar, dass die "idealerweise" vorliegende Berufserfahrung für die Beklagte im Falle des Eingangs entsprechender Bewerbungen ein wichtiges Kriterium darstellen würde. Das erkennende Gericht ist deshalb der Überzeugung, dass der Kläger auch bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Bewerberauswahlverfahrens von der Beklagten nicht eingestellt worden wäre. Innerhalb des danach geltenden Rahmens von drei Bruttomonatsverdiensten (
vgl. insoweit
BAG, Urt. v. 17.08.2010, Juris RdNr. 62) richtet sich die Festsetzung der angemessenen Entschädigung nach den Umständen des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art und Schwere der Benachteiligung, die Folgen für den Kläger hinsichtlich seines Persönlichkeitsrechts, der Grad der Verantwortlichkeit der Beklagten, der Anlass und der Beweggrund des Handelns der Beklagten, der Sanktionszweck und die damit verbundene abschreckende Wirkung (
vgl. BAG, Urt. v. 17.08.2010, a.a.O.). Vorliegend ist zugunsten der Beklagten zu werten, dass das letztlich entscheidende Kriterium der Berufserfahrung in der Stellenbeschreibung bereits - wenn auch nicht als Ausschlusskriterium - angesprochen war und insofern die Absage an den Kläger hinsichtlich der Auswirkungen auf sein Selbstwertgefühl und sein Persönlichkeitsrecht abgemildert erscheinen. Außerdem ist der Beklagten insoweit zuzugestehen, dass die Entscheidung, den Kläger wegen fehlender Berufserfahrung nicht zum Vorstellungsgespräch einzuladen, eher einem fahrlässigen Verfahrensverstoß zuzuordnen ist. Zu Lasten der Beklagten und zu Gunsten des Klägers ist auf der anderen Seite zu gewichten, dass sowohl gegen die Verpflichtung zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch als auch gegen die Pflicht zur Einschaltung der Agentur für Arbeit verstoßen wurde und es sich bei der vom Kläger angestrebten Stelle nicht um eine nur kurzfristige Beschäftigung, sondern um eine dauerhafte Beamtenstelle handelt, die für den seit langer Zeit arbeitslosen Kläger von besonderer Bedeutung gewesen wäre. Das Gericht hält deshalb eine Entschädigung in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern für angemessen. Da die Beklagte der vom Kläger von Anfang an unter Zugrundelegung der Besoldungstabelle Baden-Württemberg (Besoldungsordnung A) für den Fall der Einstellung angesetzten Höhe des Bruttomonatsgehalts nicht widersprochen hat, sieht das Gericht insoweit keine Veranlassung zu einer näheren Prüfung und geht von diesem Betrag aus.
Die geltend gemachten Prozesszinsen stehen dem Kläger in Anwendung von § 291
BGB zu (
vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.01.2004 - 1 S 2263/02 -, VBlBW 2004, 218).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 1
VwGO.
Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 124 a
Abs. 1 Satz 1, 124
Abs. 2
Nr. 3 und 4
VwGO zuzulassen, da die Entscheidung hinsichtlich der Frage der Heilung von Verstößen im Bewerberauswahlverfahren durch eine nachfolgende fehlerfreie Bestenauswahl vom Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 04.08.2009 (a.a.O.) abweicht und die Rechtssache insoweit auch grundsätzliche Bedeutung hat.