Der Kläger begehrt die Zahlung einer angemessenen Entschädigung für eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung anlässlich einer Bewerbung bei der Beklagten, mindestens
EUR 24.875,26.
Der am 1961 geborene Kläger ist Diplomverwaltungswirt. Er war als stellvertretender Sachgebietsleiter, später Sachgebietsleiter des Ausländeramts am Landratsamt D-Stadt, als geschäftsleitender Beamter der Gemeinde A-Stadt und als Geschäftsleiter der Gemeinde E, Landkreis D, im öffentlichen Dienst tätig. In der Zeit von April 1992 bis April 2008 war er erster Bürgermeister der Gemeinde A-Stadt (Anlage K 1, Bl. 12 d. A.). Der Kläger ist mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert.
Die Beklagte, die in Teilbereichen der Verwaltungstätigkeit einer großen Kreisstatt gleichgestellt ist, schrieb im September 2017 die Stelle "Leiter/Leiterin des Sachgebiets Bauen und Wohnen" aus (Anlage K 3, Bl. 15 d. A.). Als Anforderungsprofil wurde genannt:
Sie sind Beamtin/Beamter der 3. Qualifizierungsebene, Fachrichtung Verwaltung und Finanzen, Allgemeine innere Verwaltung
bzw. Verwaltungsfachwirt/in (Angestelltenprüfung II)
Sie haben Verhandlungsgeschick, verfügen über ein hohes Maß an Kommunikationsstärke und können auch mit Konflikten umgehen. Sie sind eine entscheidungsfreudige, verantwortungsbewusst handelnde Person mit sicherem, sowie kundenorientiertem Auftreten.
Darüber hinaus sind Sie belastbar und arbeiten eigenständig und zielorientiert.
Sie verfügen über möglichst mehrjährige Erfahrung in der unteren Bauaufsicht, sowie idealer Weise über praxiserprobte Führungskompetenz.
Die Bewerbungsfrist dauerte bis 30.09.2017.
Durch Schreiben vom 21.09.2017 (Anlage B 1, Bl. 61 f. d. A.) bewarb sich der Kläger. Weder im Bewerbungsschreiben noch im beigefügten Lebenslauf (Anlage K 1, Bl. 12 f. d. A.) wurde die Beklagte über die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers informiert.
In der Folge traf die Beklagte eine Vorauswahl hinsichtlich der Bewerber, die als geeignet erachtet wurden. Mit diesen wurden am 19.10.2017, 23.10.2017 und 26.10.2017 durch ein Auswahlgremium Vorstellungsgespräche geführt. Am 06.11.2017 entschied sich das Auswahlgremium für einen Bewerber. Aufgrund der Notwendigkeit einer Stadtratszustimmung (
Art. 43
Abs. 1
Nr. 2 BayGO) wurde am 15.11.2017 eine Stadtratssondersitzung für den 21.11.2017 anberaumt. Mit der Ladung, die am 15.11.2017 erfolgte, wurde der Beschlussvortrag und Beschlussvorschlag zur Auswahlentscheidung des Auswahlgremiums an die Mitglieder des Stadtrates übersandt. Der Stadtrat entschied sich einstimmig für den vorgeschlagenen Bewerber.
Durch E-Mail vom 21. November 2017, gesendet um 13:35 Uhr teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er "einen Grad von 50%
MdE" habe (Anlage B 2, Bl. 63 d. A.).
Am 02.12.2017 erhielt der Kläger ein Ablehnungsschreiben der Beklagten. Bis zu diesem Tag war mit dem ausgewählten Bewerber kein Arbeitsvertrag unterschrieben.
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht die Ansicht vertreten, er sei aufgrund seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden und habe deshalb Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Geldentschädigung nach
§ 15 Abs. 2 Satz 1 AGG, hilfsweise auf Schadensersatz nach § 15
Abs. 1
AGG. Der Kläger trägt vor, er sei entgegen
§ 82 Satz 1 SGB IX (in der Fassung bis 31.12.2017) nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Dass die Beklagte nicht direkt in der Bewerbung von der Schwerbehinderung des Klägers erfahren habe, entlaste sie nicht. Sie habe rechtzeitig genug vor Abschluss des Auswahlverfahrens davon erfahren, um eine schwerbehindertenrechtlich gebotene positive Förderungsmaßnahme durchführen zu können. Der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle geeignet gewesen. Eine offensichtliche Nichteignung könne nicht damit begründet werden, dass der Kläger nicht mehrere Jahre als Leiter einer unteren Bauaufsichtsbehörde tätig gewesen sei. Diese Voraussetzung ergebe sich nicht aus der Stellenbeschreibung. Dort heiße es nur, dass der Bewerber über möglichst mehrjährige Erfahrung in der unteren Bauaufsicht verfügen möge sowie idealerweise über erprobte Führungskompetenz. Daraus könne nicht abgeleitet werden, dass zwingende Voraussetzung die Tätigkeit als Sachbearbeiter in einer unteren Bauaufsichtsbehörde sei.
Der Kläger war weiterhin der Ansicht, die Entschädigung müsse mindestens ein halbes Jahresgehalt tragen, da dies als angemessene Entschädigung anzusehen sei. Neben dem Verstoß gegen § 82
SGB IX (
i. d. F. bis 31.12.2017) sei zulasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass es kein geordnetes Verfahren im Sinne von
Art. 33
Abs. 2
GG gegeben habe. Die Beklagte habe ihn nicht über den genauen Ablauf des Bewerbungs- und Einstellungsverfahrens informiert, sodass der zeitliche Ablauf undurchsichtig gewesen sei. Dadurch dass er nicht vor der endgültigen Stellenbesetzung von der Auswahlentscheidung unterrichtet worden sei, sei gegen
Art. 33
Abs. 2
GG in Verbindung mit
Art. 19
Abs. 4
GG verstoßen worden. Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung sei von einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 Stufe 4 TVöD-VKA, also von einem Monatsbrutto in Höhe von
EUR 4.195,61 auszugehen.
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine angemessene Entschädigung für Benachteiligungen wegen seiner Schwerbehinderung um die Bewerbung als Sachgebietsleiter Bauen und Wohnen bei der Beklagten, wenigstens jedoch einen Betrag von 24.875,46
EUR, nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB ab Klageerhebung, zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe den Kläger nicht aufgrund seiner Behinderung diskriminiert. Sie habe von der Schwerbehinderteneigenschaft erst erfahren, als die Auswahlentscheidung schon getroffen war. Ein Vorstellungsgespräch sei am 22.11.2017 oder danach nicht mehr möglich gewesen. Auch sei der Ablauf des Auswahlverfahrens nicht undurchsichtig gewesen. Aufgrund der Stellenausschreibung sei klar gewesen, dass eine aussagekräftige Bewerbung bis 30.09.2017 einzureichen sei. Eine Verpflichtung die Bewerber über den Lauf des Auswahlverfahrens zu unterrichten bestehe nicht.
Die Beklagte hat weiterhin die Ansicht vertreten, der Kläger sei kein für die ausgeschriebene Stelle geeigneter Bewerber gewesen. Zwingende Kriterien seien entsprechend der Ausschreibung ein aktuell bestehendes Beamtenverhältnis sowie mehrjährige Erfahrungen der unteren Bauaufsicht. Beide Voraussetzungen habe der Kläger nicht erfüllt.
Soweit der Kläger eine Entschädigung von sechs Bruttomonatsgehältern fordere, sei dies überzogen, unverhältnismäßig und unbegründet. Die Beklagte kenne ihre Pflichten nach
§ 92 Satz 3 SGB IX (a. F.) und berücksichtige sie. So sei auch im streitgegenständlichen Bewerbungsverfahren eine schwerbehinderte Mitbewerberin zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Auch wäre eine Vergütung nicht nach Entgeltgruppe 11 Stufe 4 TVöD erfolgt, da der Kläger die Voraussetzungen nicht erfülle.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte ihre Pflicht des § 82 Satz 1
SGB IX (
a. F.) verletzt habe. Die Mitteilung des Klägers über seine Schwerbehinderteneigenschaft am 21.11.2017 sei zu spät erfolgt. Es habe dem Kläger klar sein müssen, dass das Auswahlverfahren durch die Beklagte zeitnah durchgeführt werde und deshalb spätestens innerhalb einer Frist von zwei bis drei Wochen nach Eingang der Bewerbung auf den Umstand der Schwerbehinderung hingewiesen werden müsse. Eine nahezu zwei Monate später erfolgte Mitteilung könne nicht mehr dazu führen, dass ein Arbeitgeber noch ein Einstellungsgespräch führen müsse. Des Weiteren sei der Kläger kein geeigneter Bewerber für die ausgeschriebene Stelle gewesen, da er das zwingende Merkmal, die möglichst mehrjährige Erfahrung in der unteren Bauaufsicht weder dargestellt noch nachgewiesen habe.
Hinsichtlich des gesamten erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien sowie der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das Urteil vom 04.09.2018 (Bl. 117
ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 14.11.2018 zugestellte Urteil am 15.11.2018 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 07.02.2019 begründet. Die Beklagte hat innerhalb verlängerter Frist am 09.04.2019 erwidert.
Der Kläger vertritt auch in der Berufung die Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet gewesen ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, auch wenn er seine Schwerbehinderteneigenschaft erst am 21.11.2017 bekannt gemacht habe. Es sei ihm durch die Nichteinladung die Möglichkeit genommen worden, seine fachlichen Fähigkeiten im Rahmen des Bewerbungsgesprächs darzulegen und zu überzeugen. Die Information über die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers sei nicht eindeutig zu spät erfolgt. Die Stelle sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht besetzt gewesen. Es habe also immer noch ausreichend Zeit gegeben mit dem Kläger ein Vorstellungsgespräch zu führen und den gesetzlichen Förderpflichten nachzukommen. Das Gesetz sehe keine Fristen vor. Also sei auf den Einzelfall abzustellen. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger gegen seine Rücksichtnahmepflichten in einer so schwerwiegenden Weise verstoßen habe, dass die Beklagte sehenden Auges auf die Erfüllung ihrer Förderpflicht verzichten könne. Weder habe der Kläger konkrete Informationen über Ablauf und Dauer des Bewerbungsverfahrens gehabt, noch hätte eine Einladung des Klägers zu einem Bewerbungsgespräch die Verwaltungskraft der Beklagten überstiegen. Vielmehr sei die Beklagte verpflichtet gewesen bei rechtmäßigem Ablauf des Bewerbungsverfahrens alle Bewerber mindestens zwei Wochen vor der endgültigen Besetzung der Stelle, von der Auswahlentscheidung zu unterrichten, um die Gelegenheit zur Konkurrentenklage einzuräumen. Dies sei offensichtlich nicht der Fall gewesen, sodass sich die Beklagte auch nicht auf eine Störung ihres Verwaltungsablaufs durch die nachträgliche Mitteilung der Schwerbehinderung berufen könne.
Das Arbeitsgericht sei auch zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger für die ausgeschriebene Stelle nicht geeignet sei. Die Stelle sei alternativ an Beamte und Verwaltungsfachwirte ausgeschrieben gewesen und habe als Qualifikation "Verwaltungsfachwirt" vorausgesetzt, jedoch kein aktuell bestehendes Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst. Auch sei das Kriterium "Sie verfügen über möglichst mehrjährige Erfahrung in der unteren Bauaufsicht, sowie idealerweise über praxiserprobte Führungskompetenz" kein hartes Kriterium. Vielmehr sei diese Formulierung wie ein "Verwaltungs-Soll" auszulegen. Die Beklagte habe den Kläger durch die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch diskriminiert. Auch das weitere Verhalten der Beklagten nach dem 21.11.2017 (
vgl. Anlage K 4, Bl. 16
ff. d. A.) und insbesondere im Anwaltsschreiben vom 31.01.2018 (Anlage K 6, Bl. 23 f. d. A.) stellten weitere Indizien für eine Diskriminierung dar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim Az.: 1 Ca 204/18 vom 04.09.2018 abzuändern wie folgt:
"Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine angemessene Entschädigung für Benachteiligungen wegen seiner Schwerbehinderung um die Bewerbung als Sachgebietsleiter Bauen und Wohnen bei der Beklagten, wenigstens jedoch einen Betrag von 24.875,46
EUR, nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB ab Klageerhebung, zu bezahlen."
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, sie habe nicht gegen ihre Verpflichtungen aus § 82
SGB IX (
a. F.) verstoßen. Aufgrund der verspäteten Information über die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers, habe eine Verpflichtung zur Einladung zum Vorstellungsgespräch nicht bestanden. Zwar habe der Kläger in rein formaler Hinsicht die Information noch vor dem Beschluss des Stadtrates am 21.11.2017 geliefert, doch habe eine Kenntnisnahme aufgrund der Teilzeittätigkeit der zuständigen Sachbearbeiterin an diesem Tag nicht mehr stattgefunden. Zum Zeitpunkt der Mitteilung sei das eigentliche Auswahlverfahren bereits abgeschlossen gewesen. Nach dem entsprechenden Stadtratsbeschluss sei die Einstellungsentscheidung getroffen gewesen. Dass die eigentliche Stellenbesetzung erst im Jahr 2018 stattfand, sei unerheblich. Dem Kläger sei insoweit auch rechtzeitig abgesagt worden und er habe die Möglichkeit der Erhebung einer Konkurrentenklage gehabt. Aus Sicht der Beklagten handle der Kläger treuwidrig im Sinne von § 242
BGB, indem er sich nunmehr auf seine Schwerbehinderteneigenschaft berufe, obwohl er diese der Beklagten ohne nachvollziehbaren Grund erst deutlich verspätet mitgeteilt habe. Im Übrigen sei der Kläger für die ausgeschriebene Stelle nicht geeignet. Zwar habe der Kläger als Diplom Verwaltungswirt wohl die Befähigung für Ämter der 3. QE, jedoch habe er im Gegensatz zu allen eingeladenen Bewerbern das von der Beklagten vorgegebene harte Einstellungskriterium "möglichst mehrjährige Berufserfahrung in der unteren Bauaufsicht" nicht erfüllt. Alleinige Ausnahme sei eine interne Bewerberin gewesen und eine weitere schwerbehinderte Bewerberin, bei der die fachliche Eignung aber im Übrigen jedenfalls nicht offensichtlich gefehlt habe. Die Beklagte habe ausweislich der Stellenausschreibung primär einen Spezialisten und Teamleiter für das Baugenehmigungsverfahren und das Bauordnungsrecht gesucht. Diese Anforderungen habe der Kläger nicht erfüllt.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf die gewechselten Schriftsätze vom 07.02.2019 (Bl. 200 d. A.), vom 09.04.2019 (Bl. 248
ff. d. A.), vom 26.04.2019 (Bl. 266
ff. d. A.) sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 08.05.2019 (Bl. 270
ff. d. A.) und vom 14.08.2019 (Bl. 289
ff. d. A.) Bezug genommen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet, da der Kläger keinen Entschädigungsanspruch
bzw. Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte hat.
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64
Abs. 2
ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66
Abs. 1, 64
Abs. 6
ArbGG, 519, 520
ZPO).
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung. Er hat keine Indizien dargelegt, die für eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung sprechen. Vorweg wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidung des Erstgerichts Bezug genommen (§ 69
Abs. 3
ArbGG).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gemäß
§ 15 Abs. 2 AGG.
a) Einen etwaigen Entschädigungsanspruch hat der Kläger innerhalb der gesetzlichen Fristen geltend gemacht. Nach § 15
Abs. 4
S. 1
AGG muss ein Anspruch nach
Abs. 1 oder
Abs. 2 des § 15
AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Beklagte hat dem Kläger per Mail vom 02.12.2017 eine Absage erteilt. Durch Anwaltsschreiben vom 24.01.2018 hat er einen Entschädigungsanspruch außergerichtlich geltend gemacht. Damit ist die Zweimonatsfrist gewahrt. Er hat auch die dreimonatige Klageerhebungsfrist des § 61b
Abs. 1
ArbGG gewahrt, da er am 12.02.2018 seinen Entschädigungsanspruch durch Klageerhebung beim Arbeitsgericht geltend gemacht hat.
b) Die Beklagte hat den Kläger nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des
§ 7 AGG unmittelbar benachteiligt.
aa) Der Anwendungsbereich des
AGG ist eröffnet, da der Kläger, der einen Grad der Behinderung von 50 aufweist, dem Behindertenbegriff des
§ 1 AGG unterfällt.
bb) Der Kläger beruft sich auf eine Benachteiligung gemäß § 7
Abs. 1
AGG. § 7
Abs. 1
AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach
§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine - vorliegend ausschließlich in Betracht kommende - unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes, unter anderem einer Behinderung, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt eine Benachteiligung im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung oder Beförderung, bereits dann vor, wenn der Beschäftigte nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgeschieden wird. Die Benachteiligung liegt hier in der Versagung einer Chance. Bewerber/innen haben Anspruch auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungs-/ Stellenbesetzungsverfahren. (
BAG, Urteil vom 20.01.2016,
8 AZR 194/14, Rn. 23 - nach juris).
Da der Kläger aufgrund des Absageschreibens der Beklagten vom 02.12.2017 vorab aus dem Auswahlverfahren ausgeschieden ist, liegt eine Benachteiligung des Klägers gegenüber den Mitbewerbern vor.
Das Benachteiligungsverbot von
§ 7 Abs. 1 AGG erfasst jedoch nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung "wegen" eines in § 1
AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und den im § 1
AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen.
cc) Der Kläger ist nicht "wegen" seiner Behinderung benachteiligt worden. Für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen sieht
§ 22 AGG eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22
AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat. Danach genügt eine Partei, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes erfolgt ist. Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. (
BAG, Urteil vom 20.01.2016, 8 AZR 194/14, Rn. 26 f. - nach juris). Der Kläger hat keine Indizien vorgetragen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Benachteiligung schließen lassen.
(1) Die Beklagte hat nicht gegen ihre Pflicht gemäß
§ 82 S. 2 SGB IX (
a. F.) verstoßen. Sie war nicht verpflichtet den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, da der Kläger sie erst nach Abschluss des Auswahlverfahrens über die bestehende Schwerbehinderung informiert hat.
Zwar kann die Verletzung von Verfahren- und Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen aus dem
SGB IX grundsätzlich die Vermutungswirkung des § 22
AGG herbeiführen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Beklagten als öffentliche Arbeitgeberin die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers bekannt gewesen ist oder sie sich aufgrund der Bewerbungsunterlagen diese Kenntnis hätte verschaffen können. Andernfalls kann der - objektiv vorliegende - Pflichtenverstoß dem Arbeitgeber nicht zugerechnet werden. Soweit die Schwerbehinderteneigenschaft einem Arbeitgeber nicht nachweislich schon bekannt ist, muss der Bewerber den Arbeitgeber über seine Schwerbehinderteneigenschaft informieren. Dies hat regelmäßig im Bewerbungsschreiben selbst unter Angabe des
GdB, gegebenenfalls einer Gleichstellung zu geschehen, da der Arbeitgeber jedenfalls gehalten ist, bei jeder Bewerbung das eigentliche Bewerbungsschreiben zur Kenntnis zu nehmen (
BAG, Urteil vom 16.09.2008,
9 AZR 791/07, Rn. 39 - juris). Wegen der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen und Rechte des Vertragspartners (§ 241
Abs. 2
BGB in Verbindung mit § 311
Abs. 2
Nr. 1
BGB) ist auch bei einer Bewerbung der Arbeitgeber über die besondere Situation des Bewerbers klar und eindeutig zu informieren. Daher sind "eingestreute" oder unauffällige Informationen, indirekte Hinweise in beigefügten amtlichen Dokumenten, eine in den weiteren Bewerbungsunterlagen befindliche Kopie des Schwerbehindertenausweises
etc. keine ordnungsgemäße Information des angestrebten Vertragspartners (
BAG, Urteil vom 26. September 2013,
8 AZR 650/12, Rn. 30 - juris).
Unstreitig hat der Kläger weder in seinem Bewerbungsschreiben vom 21.09.2017 noch in den beiliegenden Anlagen einen Hinweis auf seine Schwerbehinderteneigenschaft gegeben. Ebenso unstreitig hat er innerhalb der Bewerbungsfrist bis 30.09.2017 keine entsprechende Information an die Beklagte gegeben. Erst durch Mail vom 21.11.2017 hat der Kläger die Beklagte darauf hingewiesen, dass er "einen Grad von 50
MdE" hat, womit er - inhaltlich eindeutig - über seine Schwerbehinderteneigenschaft informiert hat.
Die Tatsache, dass die Beklagte den Kläger nach Kenntniserlangung von der Schwerbehinderteneigenschaft dennoch nicht mehr zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat ist dennoch kein hinreichendes Indiz für eine Benachteiligung nach § 22
AGG, da zu diesem Zeitpunkt das Auswahlverfahren abgeschlossen war. § 82
S. 2
SGB IX (
a. F.) enthält keine Fristvorgaben. Der Gesetzgeber hat somit keine Aussage dahingehend getroffen, ob die Verpflichtung zur Einladung zum Vorstellungsgespräch nur dann gilt, wenn ein Bewerber schon bei Einreichung der Bewerbung über seine Schwerbehinderteneigenschaft informiert, ob es ausreichend ist dies innerhalb der veröffentlichten Bewerbungsfrist zu tun, ob dies auch bei einer späteren Information noch notwendig ist und ob es auch dann noch nötig ist, wenn das Bewerbungsverfahren abgeschlossen, der ausgewählte Bewerber jedoch noch nicht eingestellt ist. Zu berücksichtigen ist hier Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Durch die in § 82
S. 2
SGB IX (
a. F.) geregelte Verpflichtung zur Einladung zum Vorstellungsgespräch, soll einem schwerbehinderten Bewerber die Möglichkeit eingeräumt werden sich gegenüber dem Arbeitgeber zu präsentieren und diesen davon zu überzeugen, dass er der Richtige für die gesuchte Position ist. Lädt der Arbeitgeber den Bewerber, von dessen Schwerbehinderung er weiß, nicht zum Vorstellungsgespräch, so nimmt er ihm die Möglichkeit sich zu präsentieren und sich die Möglichkeit sich vom schwerbehinderten Bewerber überzeugen zu lassen. Eine solche Pflichtverletzung ist grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (
BAG, Urteil vom 22. Oktober 2015,
8 AZR 384/14, Rn. 35 - juris). Davon kann jedoch nur dann ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber zu einem Zeitpunkt von der Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers erfährt, zu der das Auswahlverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Wollte man dies anders sehen und wollte man einen Arbeitgeber verpflichten nach Abschluss des Auswahlverfahrens noch ein Vorstellungsgespräch mit einem nunmehr bekanntermaßen schwerbehinderten Bewerber zu führen und das Auswahlverfahren erneut zu eröffnen, würde das so erzwungene Vorstellungsgespräch zur Farce. Der Arbeitgeber hat eine diskriminierungsfreie Auswahlentscheidung getroffen, die nicht nachträglich diskriminierend wird. Auch besteht keine Notwendigkeit zum Schutz eines schwerbehinderten Bewerbers die Verpflichtung nach § 82
S. 2
SGB X (
a. F.) so auszuweiten. Der schwerbehinderte Bewerber hat es selbst in der Hand bei Einreichung seiner Bewerbung oder spätestens bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist - einem Zeitpunkt in dem ein Arbeitgeber mit weiteren Bewerbungen oder Informationen zu Bewerbern rechnen muss - über die Schwerbehinderteneigenschaft zu informieren. Tut er dies, ist der Arbeitgeber verpflichtet die gesetzliche Regelung des § 82
S. 2
SGB IX (
a. F.) zu beachten. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund einem schwerbehinderten Arbeitnehmer, der bewusst darauf verzichtet diese Information an den Arbeitgeber zu geben und somit die Entscheidung trifft sich in die Auswahl zu begeben ohne auf seine besondere Eigenschaft und seine besonderen Rechte hinzuweisen, den Anspruch zu geben diese Rechte nachträglich einzufordern.
Es kann hier offenbleiben, ob allein der Ablauf einiger Wochen der Nichtinformation über die Schwerbehinderteneigenschaft und der Beginn eines Auswahlverfahrens ausreicht, um eine Verletzung das § 82
S.2
SGB IX (a.F.) nicht mehr rügen zu können. Jedenfalls kann sich ein Arbeitnehmer dann, wenn das Auswahlverfahren beendet wurde und der Arbeitgeber dieses Auswahlverfahren in Unkenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft eines Bewerbers durchgeführt und sich gegen diesen entschieden hat und dann nach Kenntniserlangung kein Vorstellungsgespräch mehr mit dem schwerbehinderten Bewerber führt, nicht vorgeworfen werden, er habe dadurch den schwerbehinderten Bewerber diskriminiert. Das Auswahlverfahren wurde in einer solchen Situation vielmehr in der subjektiven Überzeugung geführt, dass beim Bewerber keine Schwerbehinderung vorliegt. Er wurde somit während des Auswahlverfahrens nicht kausal wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt.
Der Kläger hat seine Schwerbehinderung erst nach Abschluss des Auswahlverfahrens der Beklagten mitgeteilt. Unstreitig endete die Bewerbungsfrist für die Stelle des Sachgebietsleiters Bauen/Wohnen am 30.09.2017. Die Beklagte hat in der Folge eine Vorauswahl getroffen und am 19.10.2017, 23.10.2017 und 26.10.2017 die Vorstellungsgespräche geführt und sich in der Folge für einen Bewerber entschieden. Durch die Einladung zur Stadtratssitzung am 15.11.2017 für den 21.11.2017 wurde diese Entscheidung manifestiert und in der Stadtratssitzung am 21.11.2017 bestätigt. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Entscheidungsträger der Beklagten keine subjektive Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers. Dies bestreitet auch der Kläger nicht. Daher konnte diese Eigenschaft des Klägers auch nicht kausal für seine Ablehnung als Bewerber um die ausgeschriebene Stelle sein. Irrelevant ist in diesem Zusammenhang, dass die Einstellung des erfolgreichen Mitbewerbers des Klägers erst zu einem späteren Zeitpunkt stattgefunden hat. Maßgeblich für eine diskriminierungsfreie Auswahl ist der Zeitpunkt der Auswahlentscheidung
d. h. der Zeitpunkt in dem ein Arbeitgeber sich für einen Bewerber entscheidet. Wann diese Entscheidung dann tatsächlich umgesetzt wird, ist häufig von Zufällen abhängig wie
z. B. einer Kündigungsfrist des Bewerbers, also dessen Verfügbarkeit oder Stellensperren oder ähnlichem.
Auf die Frage, inwieweit dem Kläger die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle offensichtlich fehlt (§ 82
S. 3
SGB IX a. F.) kommt es somit nicht mehr an.
(2) Der Kläger konnte auch keine weiteren Indizien darlegen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes erfolgt ist. Soweit der Kläger vorträgt, man habe ihn als Schwerbehinderten offensichtlich nicht mehr einladen wollen und sei zur Selbstkorrektur nicht bereit gewesen, so ist dies kein hinreichendes Indiz für eine Diskriminierung. Die Beklagte hatte ihr Auswahlverfahren abgeschlossen und hat eine diskriminierungsfreie Entscheidung getroffen. Dass sie nicht bereit war das Auswahlverfahren nochmal zu eröffnen, lässt nicht darauf schließen, dass sie den Kläger als Schwerbehinderten benachteiligen wollte. Dies ist lediglich ein Indiz dafür, dass sie der Ansicht war, rechtmäßig gehandelt zu haben. Dasselbe gilt für die Weigerung der Beklagten Aufforderungen des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung nachzukommen.
Auch soweit der Kläger auf das Anwaltsschreiben vom 31.01.2018 verweist und die Formulierung "Vor dem Hintergrund der vorliegenden, klaren Rechtslage wäre eine Klage offensichtlich mutwillig und rechtsmissbräuchlich. Die Konsequenzen dürften Ihnen bekannt sein. Herr A. wird dann mit Weiterungen rechnen müssen." und dies als Nötigung gegenüber Schwerbehinderten wertet, so kann dem nicht gefolgt werden. Das Schreiben erfolgte als Reaktion auf das Geltungsmachungsschreiben der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 24.01.2018 und enthält einerseits Sachargumente, andererseits den üblichen juristischen Schlagabtausch.
2. Auch ein Anspruch des Klägers gemäß § 15
Abs. 1
AGG scheidet aus, da der Kläger keinen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7
AGG darlegen konnte (
vgl. oben).
III.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Absatz 1
ZPO.
IV.
Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Berufung gemäß § 72
Abs. 2
ArbGG keine Veranlassung.
Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzung nach § 72a
ArbGG die Parteien hingewiesen werden, zulassen sollte.