Urteil
Zustimmung zu einer Versetzung

Gericht:

LAG Düsseldorf 3. Kammer


Aktenzeichen:

3 TaBV 37/23


Urteil vom:

14.05.2024


Leitsatz:

Der Betriebsrat kann seinen Widerspurch nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG darauf gründen, dass ein Verstoß gegen § 164 SGB IX i.V.m. § 178 Abs. 2 SGB IX vorliegt.

Rechtsweg:

vorgehend ArbG Düsseldorf, Urteil vom 24.02.2023 - 7 BV 190/22

Quelle:

Justiz NRW

Tenor:

1. Es wird festgestellt, dass die am 31.08.2022 vorläufig durchgeführte Versetzung des Arbeitnehmers Z. aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

2. Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.

3. Die Wideranträge werden abgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Zustimmung zu einer Versetzung und die Frage, ob diese aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist oder aufzuheben ist.

Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist ein Unternehmen im Bereich der Automobilzulieferindustrie. Dort sind zurzeit ca. 910 Mitarbeiter beschäftigt. Beteiligter zu 2 und Antragsgegner ist der im Betrieb gewählte 15-köpfige Betriebsrat (im Folgenden: Betriebsrat).

Die Arbeitgeberin schrieb vom 04.08.2022 bis 18.08.2022 die Stelle „Betriebssanitäter“ aus. Auf die Stelle bewarben sich fünf interne und ein externer Mitarbeiter, u.a. der einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Mitarbeiter I.. Mit E-Mail vom 16.08.2022 um 08:21 Uhr schrieb die Arbeitgeberin an die Schwerbehindertenvertretung:

„Guten Morgen, ich möchte Sie kurz darüber informieren, dass sich Herr I. (SB-gleichgestellt) auf die interne Stelle des Betriebssanitäters beworben hat und er zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde.“

Mit Schreiben vom 23.08.2022 beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers Z. mit Wirkung zum 01.09.2022 auf die Stelle des Betriebssanitäters. Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat u.a. mit, in welchem Zeitraum eine Ausschreibung der Stelle erfolgte und unter Vorlage der Bewerbungsunterlagen nebst Notizen, welche Mitarbeiter sich beworben haben. Sie teilte unter Darlegung der Qualifikationen mit, Herr Z. habe überzeugen können; Nachteile für die im Betrieb Beschäftigten seien nicht zu befürchten. Hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilung verwies sie unter Angabe eines Links auf ein Laufwerk. Wegen der Einzelheiten der Anhörung wird auf Anlage AS 1, Bl. 56 ff. der Akte Bezug genommen.

Mit auf den 29.03.2022 datierten Schreiben (Anlage AS 2, Bl. 80 f. der Akte), der Arbeitgeberin am 26.08.2022 zugegangen, teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin u.a. mit, dass er die Unterrichtung für unzureichend halte und daher die Wochenfrist nicht zu laufen begonnen habe. Zudem teilte er mit, dass er seine Zustimmung u.a. deswegen verweigere, da die Arbeitgeberin es versäumt habe, hinsichtlich der Bewerbung des Herrn I. die Schwerbehindertenvertretung bei der Auswahl der Stellenbewerber hinzuzuziehen.

Mit Schreiben vom 31.08.2022 (Anlage AS 3, Bl. 82 ff. der Akte) übersandte die Arbeitgeberin weitere Informationen an den Betriebsrat und teilte mit, dass beabsichtigt sei, aus dringenden betrieblichen Gründen die Maßnahme ab dem 01.09.2022 vorläufig durchzuführen. Sie teilte u.a. mit, dass die bisher von Herrn Z. besetzte Stelle nachbesetzt werden solle. Weitere Notizen seien nicht angefertigt worden. Die Schwerbehindertenvertretung sei mit E-Mail vom 16.08.2022 über die Bewerbung von Herrn I. informiert worden. Hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilung verwies sie nochmals auf einen Link. Sie erklärte insbesondere, dass die Versetzung essentiell sei, um akuten Notfällen vorzubeugen. Aufgrund des Ausscheidens zweier Mitarbeiter käme es andernfalls zu einer Unterbesetzung.

Der Betriebsrat bestritt mit Schreiben vom 02.09.2022 (Anlage AS 4, Bl. 85 der Akte), der Arbeitgeberin zugegangen am selben Tag, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei.

Mit ihrem am 05.09.2022 beim Arbeitsgericht eingegangen Antrag begehrt die Arbeitgeberin die Feststellung, dass die Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers Z. als erteilt gilt, hilfsweise diese ersetzt wird, sowie die Feststellung, dass die vorläufige Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Der Betriebsrat begehrt mit am 22.09.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Widerantrag die Aufhebung der Maßnahme.

Die Arbeitgeberin rügt insgesamt die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrates. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass der Betriebsrat die Beschlüsse ordnungsgemäß getroffen habe. Der Wortlaut des jeweils zur Abstimmung gestellten Beschlussvorschlags lasse sich ebenso wie der gesetzlich normierte Grund dem Protokoll nicht entnehmen.

Die Arbeitgeberin meint, sie habe den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet. Die Schreiben des Betriebsrats vom 29.03.2022 sowie vom 02.09.2022 entsprächen nicht den gesetzlichen Formerfordernissen zur Erhebung eines Widerspruchs. Jedenfalls sei die Zustimmung zur Versetzung zu ersetzen. Die vom Betriebsrat geltend gemachten Widerspruchsgründe lägen nicht vor. Die Schwerbehindertenvertretung sei vor dem Bewerbungsgespräch informiert worden. Sie habe sich – insoweit unstreitig – auf die E-Mail nicht zurückgemeldet. Zudem habe sich die Schwerbehindertenvertretung bereits seit Januar 2022 mit Bewerbungen von Herrn I. beschäftigt. Darüber hinaus sei die Schwerbehindertenvertretung bei beiden Betriebsratsbeschlüssen als Betriebsratsmitglied involviert gewesen. Schließlich begründe ein Verstoß gegen § 164 SGB IX kein Zustimmungsverweigerungsrecht bei Versetzungen.

Die Versetzung sei auch aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen. Ohne die Versetzung könne die erforderliche Versorgung durch Betriebssanitäter nicht gewährleistet werden. Es seien unwiderrufliche Schäden – wie eine fehlende Versorgung im Notfall – zu befürchten.


Die Arbeitgeberin beantragt,

1. festzustellen, dass die Zustimmung des Antragsgegners zu der beabsichtigten Versetzung des Arbeitnehmers Z. als erteilt gilt;

2. hilfsweise

a) die von dem Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers Z. zu ersetzen;

b) festzustellen, dass die am 01.09.2022 vorläufig durchgeführte Versetzung des Arbeitnehmers Z. aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.


Der Betriebsrat beantragt,

die Anträge abzuweisen.


Des Weiteren beantragt er,

1. der Arbeitgeberin wird aufgegeben, die Versetzung des Arbeitnehmers Z. auf den Arbeitsplatz EB1 Sanitäter / Arb. Medizin. Unterstützung aufzuheben;

2. der Arbeitgeberin bei Meidung eines Zwangsgeldes in Höhe von bis zu 250,00 € für jeden Tag der Zuwiderhandlung aufzugeben, die Versetzung bis spätestens zwei Wochen nach Rechtskraft dieses Beschlusses aufzuheben.


Die Arbeitgeberin beantragt,

die Wideranträge abzuweisen.

Der Betriebsrat behauptet, er habe in einer ordnungsgemäß einberufenen Sitzung am 25.08.2022 den wirksamen Beschluss getroffen habe, der Versetzung nicht zuzustimmen. Der Betriebsrat nimmt insoweit Bezug auf die Einladungsschreiben, die Tagesordnung, die Anwesenheitsliste sowie die Niederschrift über die Sitzung zu den Akten (Anlagen AG 1 bis 3, Blatt 138 ff. der Gerichtsakte).

Auch der Beschluss über das Bestreiten der Dringlichkeit der Maßnahme sei am 02.09.2022 ordnungsgemäß gefasst worden. Der Betriebsrat nimmt insoweit Bezug die Einladungsschreiben, die Tagesordnung, die Anwesenheitsliste sowie die Niederschrift über die Sitzung zu den Akten (Anlagen AG 4 bis 6, Blatt 145 ff. der Gerichtsakte).

Der Betriebsrat ist der Auffassung, der Lauf der Frist nach § 99 Abs. 1 BetrVG habe aufgrund unzureichender Unterrichtung nicht begonnen. Er sei nicht über die Auswirkungen der geplanten Versetzung informiert worden. Ihm sei zudem nicht die ERA-Arbeitsaufgabenbeschreibung für den bisherigen und den neuen Arbeitsplatz vorgelegt worden. Die Beschreibung und Bewertung der Arbeitsaufgaben seien gemäß der Betriebsvereinbarung vom 01.09.2005 vorzunehmen.

Jedenfalls habe er, der Betriebsrat, die Zustimmung zur Versetzung zu Recht verweigert. Es bestehe ein Verweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Die Arbeitgeberin habe die Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt. Zum einen habe sie gegen § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX verstoßen. Die Schwerbehindertenvertretung sei nicht unmittelbar nach Eingang der Bewerbung von Herrn I. über diese unterrichtet worden. Zum anderen sei die Schwerbehindertenvertretung erst einen Tag nach dem erfolgten Bewerbungsgespräch von der Bewerbung unterrichtet worden. Auch sei die Schwerbehindertenvertretung nicht, wie nach § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX vorgesehen, im gesamten Bewerbungsverfahren beteiligt worden. Sie sei – insoweit unstreitig – nicht über die Termine der Bewerbungsgespräche unterrichtet worden und habe an keinem Bewerbungsgespräch teilgenommen.

Die Maßnahme sei nicht aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen. Er sei nicht unverzüglich unterrichtet worden. Der Arbeitgeberin sei seit Anfang des Jahres bekannt, dass ein Betriebssanitäter ab dem 01.11.2022 in Rente gehe. Auch sei ihr bereits über drei Monate vor der Unterrichtung bekannt gewesen, dass ein zweiter Betriebssanitäter das Unternehmen zum 30.06.2022 verlässt. Sie habe daher bereits bei der ersten Anhörung am 25.08.2022 den Betriebsrat nach § 100 Abs. 2 BetrVG unterrichten müssen und nicht fast eine Woche abwarten dürfen. Die Darlegungen der Arbeitgeberin hinsichtlich der Gründe seien zudem pauschal. Auch sei eine Ersatzkraft sofort verfügbar.

Der Widerantrag zu 1 sei begründet. Der Arbeitgeber habe ihn, den Betriebsrat, nicht ausreichend nach § 99 Abs. 1 BetrVG unterrichtet. Zudem sei die Zustimmungsverweigerung begründet. Die vorläufige Maßnahme sei aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und deren Anlagen sowie die Protokolle der öffentlichen Sitzungen Bezug genommen.

II.

Die Anträge der Arbeitgeberin sind zulässig, aber nur teilweise begründet. Die Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers Z. gilt nicht bereits als erteilt und war auch nicht zu ersetzen. Die vorläufige Versetzung war hingegen aus sachlichen Gründen dringend erforderlich. Die Wideranträge sind unzulässig.

1.

Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet. Die Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Versetzung des Arbeitnehmers Z. gilt nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt, da der Betriebsrat die Verweigerung seiner Zustimmung unter Angabe von Gründen innerhalb der Frist nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG mitgeteilt hat. Eine erneute Zustimmungsverweigerung nach der erfolgten ergänzenden Anhörung war nicht erforderlich.

a)

Nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme als erteilt, wenn er seine Zustimmungsverweigerung dem Arbeitgeber nicht innerhalb einer Woche nach ordnungsgemäßer Unterrichtung unter Angabe von Gründen schriftlich mitteilt. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung nicht fristgerecht mit beachtlicher Begründung, so ist auf den Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers hin auszusprechen, dass die Zustimmung als erteilt gilt (vgl. BAG, Beschluss vom 09.10.2013 – 7 ABR 1/12 – juris; BAG, Beschluss vom 10.10.2012 – 7 ABR 42/11 – juris). Der Betriebsrat genügt der gesetzlichen Begründungspflicht, wenn es als möglich erscheint, dass mit seiner schriftlich gegebenen Begründung einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Verweigerungsgründe geltend gemacht wird. Eine Begründung, die offensichtlich auf keinen der gesetzlichen Verweigerungsgründe Bezug nimmt, ist dagegen unbeachtlich. Die Begründung des Betriebsrats braucht nicht schlüssig zu sein. Konkrete Tatsachen und Gründe müssen nur für die auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 6 BetrVG gestützte Verweigerung angegeben werden (vgl. BAG, Beschluss vom 10.10.2012 – 7 ABR 42/11 – juris; BAG, Beschluss vom 19.04.2012 – 7 ABR 52/10 – juris).

b)

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat der Betriebsrat im vorliegenden Rechtsstreit seine Zustimmung zur Versetzung innerhalb der Wochenfrist und unter Angabe von Gründen verweigert.

aa)

Der Betriebsrat hat mit Schreiben vom 29.03.2022 seine Zustimmung verweigert. Dieser Zustimmungsverweigerung lag ein wirksamer Betriebsratsbeschluss vom 25.08.2022 zugrunde. Auf das zulässige pauschale Bestreiten der Arbeitgeberin hat der Betriebsrat die Einladung zur Betriebsratssitzung einschließlich Tagesordnung sowie die Anwesenheitsliste und das Protokoll zur Akte gereicht. Ausweislich des Protokolls war der Betriebsrat beschlussfähig. Wie im Protokoll auf Seite 9 (Anlage AG 3/2, Bl. 143 der Akte) festgehalten, erfolgte mit 14 Ja-Stimmen und einer Enthaltung der Beschluss, die Zustimmung nicht zu erteilen; Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich. Es ist nicht erforderlich, dass der Wortlaut des zur Abstimmung gestellten Beschlussvorschlags dem Protokoll zu entnehmen ist. Ausweislich der Formulierung im Protokoll bestand für die Kammer keinerlei Zweifel, dass die Zustimmung zur Versetzung nach dem Beschluss des Betriebsrates nicht erteilt werden sollte (so auch ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22). Anders kann die Aussage: „Der Betriebsrat beschließt nach Beratung mit dem Abstimmungsergebnis: 14 Ja-Stimmen, 0 Nein-Stimmen, 1 Enthaltungen vorsorglich die Zustimmung zu der Maßnahme zu verweigern“ nicht verstanden werden. Die Maßnahme war zuvor als Versetzung des Herrn Z. auf die Stelle als Sanitäter beschrieben.

bb)

Die dargelegten Widerspruchsgründe lassen sich auch ohne Weiteres jedenfalls unter § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG subsumieren. Der Verweis auf eine angeblich unzureichende Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei der Auswahl der Stellenbewerber lässt sich ohne weitere konkrete Ausführungen § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, konkret auf einen Verstoß gegen die Bestimmungen des § 178 Abs. 2 SGB IX zuordnen (so auch ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22).

cc)

Die Zustimmung des Betriebsrats erfolgte fristgerecht. Dahingestellt bleiben kann, ob der Arbeitgeber den Betriebsrat hinreichend informiert hat und die Frist zu laufen begann. Selbst wenn man unterstellt, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat mit Anhörung vom 23.08.2022 hinreichend informiert hat, hat der Betriebsrat mit Schreiben vom 25.08.2022, der Arbeitgeberin am 26.08.2022 zugegangen, innerhalb einer Woche die Zustimmung verweigert.

dd)

Es war nicht erforderlich, dass der Betriebsrat erneut seine Zustimmung verweigerte, nachdem die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit Schreiben vom 31.08.2022 weitere Informationen zukommen ließ. Eine erneute Zustimmungsverweigerung im Anschluss an ein weiteres Informationsschreiben der Arbeitgeberin ist nicht erforderlich, wenn die Arbeitgeberin von ihrer ursprünglichen Maßnahme keinen Abstand genommen und keine eigenständige, neue personelle Einzelmaßnahme eingeleitet hat (vgl. BAG, Beschluss vom 29.01.2020 – 4 ABR 8/18 – juris; Beschluss vom 09.10.2013 – 7 ABR 1/12 – juris). Die Arbeitgeberin hat vorliegend offensichtlich weder von der Maßnahme Abstand genommen, noch eine eigenständige neue personelle Maßnahme eingeleitet (so auch ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22).

2.

Der zulässigerweise unter einer innerprozessualen Bedingung gestellte Hilfsantrag zu 2 a ist unbegründet. Die Zustimmung des Betriebsrats war nicht zu ersetzen.

a)

Der Betriebsrat beruft sich zu Recht auf einen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Die Arbeitgeberin hat die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt (so auch ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22).

aa)

Nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung zu geplanten personellen Einzelmaßnahmen u.a. dann verweigern, wenn die Maßnahme gegen ein Gesetz verstößt. Dazu muss es sich nicht um ein Verbotsgesetz im technischen Sinn handeln, das unmittelbar die Unwirksamkeit der Maßnahme herbeiführt. Es muss aber hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, dass der Zweck der betreffenden Norm darin besteht, die personelle Maßnahme selbst zu verhindern. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist bei Versetzungen deshalb (nur) dann gegeben, wenn das Ziel der Verbotsnorm allein dadurch erreicht werden kann, dass die Versetzung insgesamt unterbleibt (BAG, Beschluss vom 17.06.2008 – 1 ABR 20/07 – juris).

bb)

Nach diesen Grundsätzen kann der Betriebsrat seinen Widerspruch darauf gründen, dass ein Verstoß gegen § 164 SGB IX i.V.m. § 178 Abs. 2 SGB IX vorliegt (so auch ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22 in einem Parallelfall).

(1)

Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Nach § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung zudem über eingehende Bewerbungen von Schwerbehinderten unmittelbar nach deren Eingang zu unterrichten. Nach § 164 Abs. 1 Satz 6 SGB IX i.V.m. § 178 Abs. 2 SGB IX steht der Schwerbehindertenvertretung des Weiteren das Recht zu, an den Vorstellungsgesprächen teilzunehmen und Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile aller Bewerbungsunterlagen zu nehmen.

Der weit gefasste Unterrichtungsanspruch erstreckt sich dabei nicht nur auf einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers, sondern auf alle Angelegenheiten, die sich spezifisch auf schwerbehinderte Menschen auswirken. Die Anhörungspflicht hingegen bezieht sich nicht auf sämtliche, die schwerbehinderten Menschen betreffenden Angelegenheiten, sondern nur auf die diesbezüglichen Entscheidungen des Arbeitgebers. Entscheidungen in diesem Sinne sind die einseitigen Willensakte des Arbeitgebers. Das entspricht dem Wortsinn des Begriffs und wird dadurch bestätigt, dass das Gesetz in § 178 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SGB IX von der „getroffenen“ Entscheidung spricht. Auch Sinn und Zweck des Anhörungsrechts zielen darauf, der Schwerbehindertenvertretung die Möglichkeit zu geben, an der Willensbildung des Arbeitgebers mitzuwirken (BAG, Beschluss vom 19.12.2018 – 7 ABR 80/16 – juris; BAG, Beschluss vom 20.6.2018 – 7 ABR 39/16 – juris). Danach steht der Schwerbehindertenvertretung ein Unterrichtungs- und Anhörungsrecht zu, wenn sich ein schwerbehinderter oder gleichgestellter behinderter Mensch um eine Stelle bewirbt. Die Entscheidung über Bewerbungen und die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ist eine personelle Einzelmaßnahme und damit eine „Angelegenheit“ im Sinne von § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Sie berührt den Bewerber als einzelnen schwerbehinderten Menschen (BAG, Beschluss vom 19.12.2018 – 7 ABR 80/16). Das Unterrichtungs- und Anhörungsrecht umfasst die Teilnahme am Auswahlverfahren. Der Gesetzgeber hat die Unterrichtungs- und Anhörungspflichten in § 164 Abs. 1 Satz 4, 7, 8 und 9 i.V.m. § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX näher ausgestaltet (BAG, Beschluss vom 19.12.2018 – 7 ABR 80/16 – juris). Die Schwerbehindertenvertretung ist von Anfang an in das Auswahlverfahren einzubeziehen, um den Schutz vor Benachteiligung im Bewerbungsverfahren zu gewährleisten. Sie soll an der Willensbildung des Arbeitgebers mitwirken. Dazu steht ihr das Recht auf Einsicht in die entscheidungserheblichen Teile der Bewerbungsunterlagen und das Recht auf Teilnahme an Vorstellungsgesprächen zu. Die Schwerbehindertenvertretung kann ihr Beteiligungsrecht nur dann sachgerecht ausüben, wenn sie Einsicht in die entscheidungserheblichen Teile der Bewerbungsunterlagen nehmen und an Vorstellungsgesprächen teilnehmen kann (BAG, Beschluss vom 19.12.2018 – 7 ABR 80/16 – juris).

(2)

Danach liegt ein Verstoß gegen § 164 SGB IX i.V.m. § 178 Abs. 2 SGB IX vor (so auch ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22). Nach den vorgenannten Grundsätzen hätte die Arbeitgeberin die Schwerbehindertenvertretung zumindest über die Bewerbung des Herrn I. sowie die weiteren Bewerber unter Vorlage der Bewerbungsunterlagen informieren, sie anhören und ihr die Teilnahme an den Vorstellungsgesprächen ermöglichen müssen. Die Arbeitgeberin hat hingegen die Schwerbehindertenvertretung mit einer kurzen E-Mail lediglich darüber informiert, dass sich Herr I. auf die streitgegenständliche Stelle beworben hat und dieser zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Weder waren dieser E-Mail die Bewerbungsunterlagen von Herrn I. bzw. der weiteren Bewerber beigefügt noch hat sie der Schwerbehindertenvertretung die Termine der Vorstellungsgespräche mitgeteilt bzw. sie hierzu eingeladen. Die Arbeitgeberin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Schwerbehindertenvertretung als Mitglied des Betriebsrats Kenntnis von den Bewerbungsunterlagen hatte. Zum einen hat sie diese Kenntnis nicht in ihrer Person als Schwerbehindertenvertretung erlangt, insbesondere aber verbleibt es dabei, dass sie nicht angehört wurde und ihr die Teilnahme an den Vorstellungsgesprächen insoweit nicht ermöglicht wurde (so auch ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22).

(3)

Die Bestimmungen des § 178 SGB IX sind insbesondere zugunsten der bereits beschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmer zu beachten und deren Verletzung kann die Zustimmungsverweigerung begründen (so auch zu § 180 SGB IX LAG Köln, Beschluss vom 28.08.2020 – 10 TaBV 8/19 – juris, Rdnr. 37; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.10.2011 – 8 TaBV 9/11 – juris; a.A. wohl LAG Köln, Beschluss vom 29.09.2008 – 2 TaBV 44/08 – juris). Der mit § 178 Abs. 2 SGB IX vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, die Schwerbehindertenvertretung bei Entscheidungen über solche Maßnahmen einzubeziehen, die einen schwerbehinderten Arbeitnehmer betreffen, kann nur dadurch erreicht werden, dass die Durchführung der Maßnahme unterbleibt, solange die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden ist (so auch ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22). Dies hat der Gesetzgeber in § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX deutlich zum Ausdruck gebracht. Nach dieser Bestimmung darf die Maßnahme ohne eine vorherige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nicht durchgeführt bzw. vollzogen werden (so auch LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.10.2011 - 8 TaBV 9/11; a.A. wohl LAG Köln, Beschluss vom 29.09.2008 – 2 TaBV 44/08 – juris).

(4)

Soweit die Arbeitgeberin darauf verweist, dass die 13. Kammer des Arbeitsgerichts K. im Rahmen eines Parallelverfahrens (Beschluss vom 22.11.2022 – 13 BV 123/22) keinen Verweigerungsgrund anerkannt habe, ist festzustellen, dass die Fälle sich erheblich unterscheiden. Streitgegenständlich ist – anders als in dem der Entscheidung der 13. Kammer zugrundeliegenden Fall – eine Bewerbung eines gleichgestellt schwerbehinderten internen Mitarbeiters. Durch die Versetzung eines bereits beschäftigten Arbeitnehmers auf einen freigewordenen oder neu geschaffenen Arbeitsplatz verwirklichen sich – wie auch von der 13. Kammer festgestellt – für arbeitslose schwerbehinderte Menschen nicht die mit der Schwerbehinderung verbundenen erhöhten Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. Sie konkurrieren nicht mit anderen, nicht schwerbehinderten externen Bewerbern, sondern sind wie diese zu Gunsten schon beschäftigter Arbeitnehmer von der Stellenbesetzung ausgeschlossen. Der zu vermutende Grund für ihre Nichtberücksichtigung liegt hier nicht in der Schwerbehinderteneigenschaft, sondern in dem Umstand, dass der versetzte Arbeitnehmer bereits beim Arbeitgeber beschäftigt ist und dieser die Versetzung – etwa aus Kostengründen, weil er die Kenntnisse, Leistungen und Fähigkeiten des bereits beschäftigten Arbeitnehmers besser beurteilen kann oder weil er betriebsinternen Auswahlrichtlinien genügen will – einer Neueinstellung vorzieht (BAG, Beschluss vom 17.06.2008 – 1 ABR 20/07 – juris; LAG Köln, Beschluss vom 28.08.2020 – 10 TaBV 8/19 – juris; ArbG K., Beschluss vom 22.11.2022 – 13 BV 123/22 – juris).

Im Streitfall liegt eine Bewerbung eines einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten internen Arbeitnehmers vor. Die Nichtberücksichtigung dieses Bewerbers kann somit durchaus in der Schwerbehinderteneigenschaft liegen. Die Bestimmungen des § 178 Abs. 2 SGB IX dienen insbesondere auch der Vorbeugung einer Benachteiligung eines schwerbehinderten bzw. gleichgestellten Mitarbeiters im Rahmen von internen Ausschreibungen und Versetzungen (so auch ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22).

b)

Auf die weiteren Einwendungen des Betriebsrats kommt es somit nicht an.

3.

Der Hilfsantrag zu 2 b ist zulässig und begründet. Die Arbeitgeberin hat dargelegt, dass die vorläufig durchgeführte Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

a)

Der Hilfsantrag ist zulässig. Ihm fehlt es nicht am erforderlichen Feststellungsinteresse, weil der Betriebsrat die Dringlichkeit nicht ordnungsgemäß bestritten hätte. Nachdem die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit Schreiben vom 31.08.2022 darüber unterrichtet hatte, dass sie beabsichtige, die Versetzung des Herrn Z.vorläufig gemäß § 100 BetrVG durchzuführen, bestritt der Betriebsrat mit Schreiben vom 02.09.2022 unverzüglich, dass die vorläufige Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei. Nach den vom Betriebsrat im Verfahren eingereichten Unterlagen lag diesem Bestreiten ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss aus der Sitzung vom 02.09.2022 zugrunde. Der Betriebsrat hat die Einladung zur Betriebsratssitzung, die Anwesenheitsliste sowie das Protokoll zur Akte gereicht. Aus Seite 2 des Protokolls folgt, dass der Betriebsrat mit 7 Ja-Stimmen, 0 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen beschlossen hat, die Dringlichkeit der Maßnahme zu bestreiten (Anlage AG 6/2, Bl. 148 der Akte). Gründe für die Unwirksamkeit des Beschlusses sind nicht ersichtlich.

b)

Der Antrag ist begründet. Die Arbeitgeberin hat dargelegt, dass die vorläufig durchgeführte Versetzung des Arbeitnehmers Michalski aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

aa)

Die Dreitagesfrist des § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG ist eingehalten.

bb)

Es kann dahingestellt bleiben, ob es für den Antrag gemäß § 100 BetrVG einer ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrats durch die Arbeitgeberin nach § 99 Abs. 1 BetrVG bedarf (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 14.02.2017 – 7 TaBV 91/16 – juris m.w.N.). Jedenfalls hat die Arbeitgeberin den Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 99 Abs. 1 BetrVG unterrichtet (so auch ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22).

(1)

Für eine ordnungsgemäße Unterrichtung hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen ausreichend zu unterrichten. Der Betriebsrat muss aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt werden zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt (BAG, Beschluss vom 20.10.2021 – 7 ABR 34/20 – juris; BAG, Beschluss vom 09.04.2019 – 1 ABR 25/17 - juris; BAG, Beschluss vom 14.04.2015 – 1 ABR 58/13 – juris).

(2)

In Anwendung dieser Grundsätze hat die Arbeitgeberin den Betriebsrat spätestens in Verbindung mit der ergänzenden Anhörung ordnungsgemäß unterrichtet. Der Betriebsrat wurde unter Vorlage der eingereichten Bewerbungsunterlagen über die Personen der Bewerber, den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die Begründung der getroffenen Auswahlentscheidung hinreichend unterrichtet. Die einzelnen Einwände des Betriebsrats sind unerheblich.

(a)

Soweit der Betriebsrat erstmals mit der Antragserwiderung rügt, dass die Arbeitgeberin die Gründe für die Versetzung nicht hinreichend dargelegt habe, ist der Einwand verfristet, da er nicht innerhalb der Wochenfrist gerügt wurde. Zudem hat die Arbeitgeberin im Rahmen der Anhörung mitgeteilt, dass die Versetzung aufgrund des Ausscheidens zweier Betriebssanitäter für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung erfolge; damit hat sie Gründe für die Versetzung mitgeteilt.

(b)

Soweit der Betriebsrat rügt, dass die Arbeitgeberin die Auswirkungen der Maßnahme nicht dargelegt habe, war die Unterrichtung nicht unvollständig. Die Arbeitgeberin führte mit Schreiben vom 23.08.2022 aus, dass die Prüfung möglicher negativer Auswirkungen oder Nachteile für im Betrieb beschäftigte ergeben habe, dass solche nicht eintreten würden oder zu befürchten seien. Mit Schreiben vom 31.08.2022 teilte sie zudem mit, dass die Stelle nachbesetzt werden soll, und daher keine negativen Auswirkungen entstünden.

(c)

Auch die Rüge, dass es an einer Gefährdungsbeurteilung für die Stelle fehle, ist unbegründet. So hat zum einen bereits die 13. Kammer des Arbeitsgerichts K. (Beschluss vom 22.11.2022 – 13 BV 146/22) ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, inwiefern sich aus einer fehlenden oder unzutreffenden Gefährdungsbeurteilung ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 BetrVG ableiten sollte. § 5 ArbSchG enthalte keine Regelung, wonach eine Gefährdungsbeurteilung vor dem Einsatz von Arbeitnehmern durchgeführt werden müsse (BAG, Beschluss vom 09.10.2013 – 7 ABR 1/12 – juris). Insofern stelle eine fehlende oder unzureichende Gefährdungsbeurteilung keinen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 BetrVG dar (LAG München, Beschluss vom 30.11.2011 – 11 TaBV 62/11 – juris; LAG München, Beschluss vom 06.12.2011 – 6 TaBV 67/11 – juris). Die Kammer schließt sich dieser Bewertung an. Mangels rechtlicher Relevanz musste die Arbeitgeberin den Betriebsrat daher nicht über die Gefährdungsbeurteilung unterrichten. Zudem hat die Arbeitgeberin im Rahmen der ergänzenden Anhörung auf einen Pfad im Intranet hingewiesen, wo die Gefährdungsbeurteilung hinterlegt sei, nachdem der Betriebsrat auf die erste Anhörung hin gerügt hatte, dass die Gefährdungsbeurteilung auf dem im Rahmen der ersten Anhörung genannten Laufwerk nicht zu finden sei. Dem ist der Betriebsrat nicht weiter entgegengetreten. Sollte die Gefährdungsbeurteilung auch auf dem zuletzt angegebenen Pfad nicht auffindbar gewesen sein, hätte der Betriebsrat dies innerhalb der Wochenfrist, die ab der ergänzenden Anhörung vom 31.08.2022 zu laufen begann, rügen müssen (vgl. ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22; ArbG K., Beschluss vom 04.10.2022 – 10 BV 191/22).

(d)

Auch der Einwand des Betriebsrats, die Arbeitgeberin hätte ihm mutmaßliche Aufzeichnungen aus dem Bewerbungsverfahren vorlegen müssen, ist unerheblich.

(aa)

Zwar gehören zu den dem Betriebsrat vorzulegenden Bewerbungsunterlagen grundsätzlich auch solche Unterlagen, die der Arbeitgeber anlässlich einer Bewerbung über die Person des Bewerbers gefertigt hat. Dies sind vor allem Schriftstücke, die der Arbeitgeber allein oder zusammen mit dem jeweiligen Bewerber erstellt hat, um auf ihrer Grundlage seine Auswahlentscheidung zu treffen, wie etwa Personalfragebögen, standardisierte Interview- oder Prüfungsergebnisse oder schriftliche Protokolle über Bewerbungsgespräche (BAG, Beschluss vom 14.12.2004 – 1 ABR 55/03 – juris). Aufzeichnungen, die für die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers ohne jegliche Bedeutung sind, wie formlose, unstrukturierte Gesprächsnotizen, muss dieser dem Betriebsrat jedoch nicht vorlegen. Die Unterrichtung soll dem Betriebsrat eine verantwortliche (Mit- )Entscheidung bei der personellen Maßnahme ermöglichen. Hierzu ist es nicht erforderlich, dass ihm Notizen überlassen werden, auf die es für die Entscheidung des Arbeitgebers nicht ankommt (BAG, Beschluss vom 14.04.2015 – 1 ABR 58/13 - juris; BAG, Beschluss vom 07.06.2008 – 1 ABR 20/07 – juris). Auch ist er nicht verpflichtet, Unterlagen, die er selbst nicht hat, für den Betriebsrat zu erstellen (Fitting, BetrVG, 31. Auflage 2022, § 99 Rdnr. 175).

(bb)

Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, sie habe keine relevanten Unterlagen im Bewerbungsverfahren gefertigt. Der Betriebsrat hat keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass dies unzutreffend sein sollte und dass insbesondere Aufzeichnungen von Bedeutung gefertigt wurden.

(e)

Schließlich war es auch nicht erforderlich, dass die Arbeitgeberin weitere Anforderungsmerkmale für die vorgesehene Stelle aufstellt oder dem Betriebsrat eine Arbeitsaufgabenbeschreibung zukommen lässt. Die Arbeitgeberin hat die im Bewerbungsverfahren von ihr erstellten Unterlagen unstreitig dem Betriebsrat zur Verfügung gestellt. Sie überließ dem Betriebsrat die Stellenausschreibung, die im Betrieb ausgehängt war. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, weitere Unterlagen, als solche die im Laufe des Stellenbesetzungsverfahrens genutzt wurden, für den Betriebsrat zu erstellen (ArbG K., Beschluss vom 26.01.2023 – 10 BV 191/22; ArbG K., Beschluss vom 22.11.2022 – 13 BV 123/22; ArbG München, Beschluss vom 16.03.2017– 12 BV 394/16; Fitting, BetrVG, 31. Auflage 2022, § 99 Rdnr. 175). Soweit sich der Betriebsrat auf die freiwillige Betriebsvereinbarung vom 01.09.2005 beruft, vermochte die Kammer diese Einwendung bereits nicht nachzuvollziehen. Denn bewertet wird nicht ein Arbeitnehmer, sondern ein Arbeitsplatz. Der Arbeitsplatz EB1 Sanitäter wurde aber nicht neu geschaffen, sondern bestand bei der Arbeitgeberin schon vor der Versetzung. Insoweit ist schon nicht ersichtlich, wieso sich an der Bewertung des Arbeitsplatzes etwas geändert haben soll. Letztlich kann dies aber auch dahinstehen, da ein Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung vom 01.09.2005 keinen Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG darstellen würde (so auch ArbG K., Beschluss vom 26.01.2023 – 10 BV 191/22). Nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme u.a. dann verweigern, wenn diese gegen eine Bestimmung in einer Betriebsvereinbarung verstößt. Voraussetzung dieses Zustimmungsverweigerungsgrunds ist bei Einstellungen und Versetzungen, dass der Verstoß gegen die Bestimmung nur durch das Unterbleiben der personellen Maßnahme verhindert werden kann. Das kann der Fall sein, wenn die Norm die Beschäftigung als solche verbietet oder sie nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt (vgl. BAG, Beschluss vom 18.03.2008 – 1 ABR 81/06 – juris; Beschluss vom 14.12.2004 – 1 ABR 54/03 – zu B II 3 a aa der Gründe, juris). Dagegen genügt es nicht, dass einzelne Vertragsbedingungen rechtswidrig sind. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einstellungen ist kein Instrument zur umfassenden Vertragsinhaltskontrolle (BAG, Beschluss vom 27.10.2010 – 7 ABR 86/09 – juris; BAG, Beschluss vom 14.12.2004 – 1 ABR 54/03 – juris; BAG, Beschluss vom 28.03.2000 – 1 ABR 16/99 – juris).

dd)

Die vorläufige Durchführung der Maßnahme war auch aus sachlichen Gründen dringend erforderlich.

(1)

Ein Recht zur vorläufigen Durchführung der personellen Maßnahme hat der Arbeitgeber nur, wenn diese Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Dringend erforderlich ist die geplante Maßnahme, wenn sie keinen Aufschub duldet und ein verantwortungsbewusster Arbeitgeber im Interesse des Betriebs und des Betriebsablaufs sofort handeln muss. Die geplante Maßnahme muss mithin unaufschiebbar sein. Bloße Unbequemlichkeiten, die z.B. aus einer nicht besetzten Stelle herrühren, genügen nicht. Dem Arbeitgeber müssen vielmehr nicht unerhebliche spürbare Nachteile entstehen oder Vorteile entgehen, wenn er die Maßnahme nicht vorläufig durchführt (LAG Hamm, Beschluss vom 06.10.2006 – 10 TaBV 23/06 – juris; Fitting, BetrVG, 31. Auflage 2022, § 100 Rdnr. 4).

Der Feststellungsantrag ist dann aber gleichwohl nur abzuweisen, wenn die Maßnahme „offensichtlich“ nicht dringend war. Ob diese offensichtliche Verkennung vorliegt, hat das Arbeitsgericht von Amts wegen zu prüfen (Fitting, BetrVG, 31. Auflage 2022, § 100 Rdnr. 13). Offensichtlichkeit liegt vor, wenn es keiner besonderen Aufklärung bedarf, dass eine Dringlichkeit für die Durchführung der personellen Maßnahme nicht gegeben war. Das Merkmal „offensichtlich“ erfordert eine grobe Verkennung der sachlich-betrieblichen Notwendigkeit der vorläufigen Durchführung der Personalmaßnahme seitens des Arbeitgebers (Richardi/Thüsing, BetrVG, 17. Auflage 2022, § 100 Rdnr. 41).

Umstritten ist, ob es eine Rolle spielt, ob der Arbeitgeber durch Nachlässigkeit oder Versäumnis verschuldet hat, dass er zur Sicherung der betrieblichen Notwendigkeit die Einstellung oder Versetzung vorläufig durchführen muss (dagegen: Richardi/Thüsing, BetrVG, 17. Auflage 2022, § 100 Rdnr. 9 m.w.N.; dafür: LAG Hamm, Beschluss vom 12.08.2014 – 7 TaBV 29/14 – juris; Fitting, BetrVG, 31. Auflage 2022, § 100 Rdnr. 4 m.w.N.). Jedenfalls aber darf der Arbeitgeber sich nicht missbräuchlich selbst bewusst in Zugzwang setzen, um nach § 100 BetrVG handeln zu können (LAG Hamm, Beschluss vom 06.10.2006 – 10 TaBV 23/06 – juris).

(2)

Nach diesen Grundsätzen hat die Arbeitgeberin nachvollziehbar dargelegt, dass die vorläufige Durchführung der Versetzung zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung erforderlich ist. Dies ist aus Sicht der Kammer bei einem Verlust von zwei Betriebssanitätern durchaus plausibel. Substantiierten Sachvortrag, aus dem zu schließen wäre, dass die Maßnahme offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, hat der Betriebsrat nicht gehalten (so auch ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22).

Die Arbeitgeberin hat eine Dringlichkeit auch nicht selbst widerlegt, indem sie erst im August das Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet und den Betriebsrat über die vorläufige Durchführung unterrichtet hat. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Arbeitgeberin bereits seit Anfang des Jahres der Renteneintritt eines Betriebssanitäters und seit drei Monaten das Ausscheiden des weiteren Sanitäters bekannt war. Dabei kann dahinstehen, ob es für die Dringlichkeit schädlich ist, wenn sich der Arbeitgeber selbst unter Zugzwang setzt und welcher Ansicht hierbei zu folgen ist. Es ist nach Ansicht der Kammer bereits nicht anzunehmen, dass sich die Arbeitgeberin vorliegend selbst unter Zugzwang gesetzt hat. Insbesondere das Ausscheiden des weiteren Betriebssanitäters war der Arbeitgeberin erst seit drei Monaten bekannt. Hierbei handelt es sich nach Ansicht der Kammer nicht bereits um einen derart langen Zeitraum, der die Annahme rechtfertigen würde, die Arbeitgeberin habe sich selbst unter Zugzwang gesetzt. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten trägt der Betriebsrat selbst nicht vor (so auch ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22).

ee)

Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat auch unverzüglich über die beabsichtigte vorläufige Versetzung unterrichtet. Sie hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 31.08.2022 hierüber informiert. Die Arbeitgeberin musste den Betriebsrat nicht bereits mit Anhörungsschreiben vom 23.08.2022 über die vorläufige Versetzung informieren, sondern durfte abwarten, ob der Betriebsrat der Versetzung ggf. zustimmt. Im letzteren Fall hätte es nämlich keiner vorläufigen Versetzung bedurft. Nachdem der Betriebsrat seine Zustimmung mit Schreiben vom 26.08.2022 verweigert hat, erfolgte die Unterrichtung innerhalb von fünf Tagen; dies ist nach Auffassung der Kammer jedenfalls noch als unverzüglich anzusehen (so auch ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22).

4.

Der Widerantrag zu 1 ist unzulässig. Es handelt sich bei dem Antrag um eine Klage auf zukünftige Leistung, für deren Zulässigkeit die allgemeinen Maßstäbe der §§ 257 ff. ZPO gelten (vgl. LAG Hessen, Beschluss vom 19.03.2013 – 4 TaBV 252/11 – juris). Voraussetzung für die Stattgabe eines derartigen Widerantrags ist deshalb nach § 259 ZPO eine nach den Umständen gerechtfertigte Besorgnis, dass sich der Arbeitgeber der rechtzeitigen Erfüllung des Anspruchs entziehen könnte. Umstände die eine derartige Besorgnis rechtfertigen könnte, ergeben sich aus dem Vortrag des Betriebsrates nicht (vgl. auch ArbG K., Beschluss vom 22.02.2023 – 6 BV 189/22).

5.

Wegen der Abweisung des Widerantrags zu 1 war auch der Widerantrag zu 2 abzuweisen.

Referenznummer:

R/R9821


Informationsstand: 24.02.2025