Urteil
Entschädigung - Benachteiligung - Stellenbesetzung - Schwerbehinderung

Gericht:

LAG Rheinland-Pfalz 7. Kammer


Aktenzeichen:

7 Sa 120/19


Urteil vom:

06.11.2019


Grundlage:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19. Februar 2019, Az. 3 Ca 1343/18, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über Entschädigung und Schadensersatz wegen einer vom Kläger behaupteten Benachteiligung bei einer Stellenbesetzung durch die US Stationierungsstreitkräfte.

Der 1967 geborene Kläger war bei den Streitkräften als Munitionsinstandhaltungsarbeiter (Explosives Operator) seit dem 1. Februar 2017 bis einschließlich 15. August 2019 befristet beschäftigt. Er hat einen Grad der Behinderung von 50 im Sinn des § 2 Abs. 2 SGB IX. Der Kläger verfügt über die mittlere Reife und ist sowohl ausgebildeter Industriekaufmann als auch Berufskraftfahrer für den Personenverkehr.

Auf das Arbeitsverhältnis war der TVAL II kraft individualvertraglicher Inbezugnahme anwendbar. Weiter zur Anwendung kamen die für die Dienststelle einschlägigen Dienstrichtlinien, einschließlich der Richtlinie AER 690-70-G ("Personalbeschaffung und Stellenbesetzung für ortsansässige Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland"), die "Richtlinien für die externe Personalbeschaffung und die interne Stellenbesetzung mit ortsansässigen Arbeitnehmern in der Bundesrepublik Deutschland" enthält. Diese lautet in Abschnitt III auszugsweise:

"11. ZUWEISUNG VON BEWERBERN
a. Bewerber, die die Mindestanforderungen der zu besetzenden Stelle erfüllen, werden dem zur Personalauswahl Berechtigten mittels Zuweisungsliste(n) zugewiesen. Bewerber, die die Qualifikationsanforderungen für die ausgeschriebene Stelle nicht erfüllen, sind nach Feststellung unverzüglich mit Angabe der Gründe schriftlich davon in Kenntnis zu setzen.

b. Es ist sicherzustellen, dass Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte nicht wegen ihrer Behinderung bei Bewerbungen, Höhergruppierungen und Umsetzungen benachteiligt werden und dass sie bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt werden.
(...)".

Der Kläger war in der Vergütungsgruppe A 4/3 eingruppiert und erzielte dabei bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden zuletzt einen monatlichen Bruttoverdienst nach Angaben des Klägers in Höhe von 2.477,73 Euro, nach Angaben der Beklagten in Höhe von 2.362,00 Euro.

Eine Schwerbehindertenvertretung ist gebildet.

Bei den Streitkräften wurde in der Zeit vom 20. April bis einschließlich 4. Mai 2018 eine unbefristete Stelle als Metallreinigungsmaschinenführer (Equipment Cleaner) mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden bei Eingruppierung in die Lohngruppe A 3/3 ausgeschrieben (Ausschreibung Bl. 5 d. A.). Die Aufgaben der ausgeschriebenen Position bestehen insbesondere in der Reinigung industrieller und militärischer Gerätschaften, Bedienung der betreffenden Gerätschaften, wobei die Funktionsweise der Gerätschaften pneumatische sowie elektrische Prozesse umfasst, Funktionskontrolle der Gerätschaften sowie deren präventive Instandsetzung. Eine schulische oder berufliche Ausbildung ist nicht erforderlich. In der Ausschreibung heißt es - entsprechend Abschnitt II Ziffer 5 Buchst. a S. 2 der AER 690-70-G - unter anderem (Bl. 6 d.A.):

"Schwerbehinderte oder ihnen Gleichgestellte werden bei gleicher Eignung für diese Planstelle bevorzugt berücksichtigt, wenn sie diesen Status im Bewerbungsbogen angeben. Sie haben ihren Status bei der Bewerbung nachzuweisen."

Der Kläger bewarb sich, ebenso wie sein Kollege L. und vier weitere ortsansässige Beschäftigte, auf die Stelle. Alle Bewerber waren bereits bei den US Stationierungsstreitkräften tätig und wurden zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen.

Der Mitbewerber L. war zum Bewerbungszeitpunkt seit April 2018 bei den US Stationierungsstreitkräften als Munitionsinstandhaltungsarbeiter (Explosives Operator) mit einem wöchentlichen Stundenumfang von 38, 5 Stunden - sachgrundlos befristet - beschäftigt. Herr L. hat einen Hauptschulabschluss, wurde in der Zeit vom 31. Januar 2003 bis einschließlich 17. April 2007 in der Gießereifachschule H. zum Gießereifachmann ausgebildet und absolvierte in der Zeit vom 9. Februar bis einschließlich 7. August 2009 eine Weiterbildung zum Maschinenführer.
Bei dem Bewerbungsgespräch des Klägers am 5. Juli 2018 war kein Mitglied der Schwerbehindertenvertretung anwesend.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2018 (Bl. 39 d. A.) wurde die Schwerbehindertenvertretung über die beabsichtigte Besetzung der Position mit Herrn L. informiert. Sie reagierte mit Schreiben vom 20. August 2018 (Bl. 40 ff. d. A.). Die US Stationierungsstreitkräfte antworteten mit Memoradum ohne Datum (Anlage B3, Bl. 42 f. d. A.). Die Betriebsvertretung stimmte der geplanten Einstellung des Herrn L. auf die Position als Metallreinigungsmaschinenführer (Equipment Cleaner) sodann mit Beschluss vom 23. August 2018 zu. Seit dem 1. Oktober 2018 wird Herr L. auf der von dem Kläger begehrten Stelle eingesetzt.

Mit seiner am 3. Dezember 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 10. Dezember 2018 zugestellten Klage verfolgte der Kläger erstinstanzlich einen Anspruch auf Verurteilung der Beklagten zum Abschluss eines Änderungsvertrages, hilfsweise Entschädigung und Schadensersatz. Eine schriftliche Ablehnung von Seiten der US Stationierungsstreitkräfte ging dem Kläger bislang nicht zu.

Zwischenzeitlich hat der Kläger eine andere Stelle erhalten, die aber ebenfalls befristet ist.

Der Kläger war der Ansicht,

es dränge sich der Verdacht auf, dass mit der Bevorzugung des Konkurrenten versucht worden sei, ihn als schwerbehinderten Menschen durch Auslaufen der Befristung aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen. Weitere Qualifikationen oder eine Weiterbildung, die in der Stellenausschreibung nicht gefordert sei, nunmehr als Auswahlkriterium heranzuziehen, sei ein Indiz dafür, dass er die Stelle eigentlich wegen seiner Schwerbehinderung nicht erhalten habe. Die in der Stellenausschreibung genannte Selbstverpflichtung zur Bevorzugung von schwerbehinderten Menschen bei gleicher Eignung werde unterlaufen.

Die (rechtzeitige) Einladung der Schwerbehindertenvertretung zum Vorstellungstermin werde bestritten. Die Arbeitgeberseite habe den Termin offensichtlich so gewählt, dass dieser von der Schwerbehindertenvertretung nicht habe wahrgenommen werden können.

Seinen immateriellen Schaden mache er in Höhe von mindestens 3 Bruttogehältern geltend. Der materielle Schaden sei derzeit noch nicht bezifferbar. Er werde sich belaufen auf die Differenz des ausgezahlten Arbeitslosengeldes und der ihm fiktiv zustehenden Bruttovergütung der neuen Beschäftigungsstelle.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, mit ihm einen Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag mit einer geänderten Tätigkeit als Metallreinigungsmaschinenführer gemäß Jobnummer 123 abzuschließen;

2. hilfsweise für den Fall der Unbegründetheit des Antrages zu 1 die Beklagte zu verurteilen, ihm eine angemessene Entschädigung, deren Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. hilfsweise für den Fall der Unbegründetheit des Klageantrages zu 1 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm jeden materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Nichtberücksichtigung der im Antrag zu 1 genannten Stelle entstanden ist oder entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder übergehen wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie war der Ansicht,

bei den US Stationierungsstreitkräften handele es sich weder um einen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes noch um einen öffentlichen Arbeitgeber im Sinn des SGB IX (vgl. Art. 56 Abs. 1 lit. f ZA-NTS). Der Grundsatz der Bestenauslese finde auf die US Stationierungsstreitkräfte keine Anwendung.

Sie hat vorgetragen, Herr L. sei für die ausgeschriebene Position im Vergleich zum Kläger wesentlich geeigneter. Er könne eine unmittelbar auf die ausgeschriebene Position als Metallreinigungsmaschinenführer (Equipment Cleaner) zugeschnittene Weiterbildung nachweisen. Inhalt dieser Weiterbildung sei unter anderem die Vermittlung von Grundlagen der Werkstoffkunde, der Fertigung von Maschinenteilen, das Herstellen von einfachen Anlagen und Bauteilen sowie die Installation, Montage, Bedienung, Instandsetzung und Wartung unterschiedlicher Arten von Maschinen.

Die Schwerbehindertenvertretung sei unmittelbar nach Eingang der Bewerbung des Klägers über diese informiert worden. Die Arbeitgeberseite habe die Vertrauensperson der Schwerbehinderten, Frau G. zum Vorstellungsgespräch des Klägers eingeladen. Diese habe aber wegen Urlaubs abgesagt. Ihre Stellvertreterin, Frau E., sei sodann eingeladen worden, habe aber wegen einer vorliegenden Arbeitsunfähigkeit nicht am Bewerbungsgespräch teilnehmen können. Die Schwerbehindertenvertretung sei aber gleichwohl ordnungsgemäß gemäß § 164 Abs. 1 SGB IX beteiligt worden und habe den Ablauf des Bewerbungsgesprächs nach ihrer Urlaubsrückkehr sowohl mit dem Kläger als auch mit dem zur Personalauswahl zuständigen Vorgesetzten B. telefonisch besprochen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 19. Februar 2019, berichtigt durch Beschluss vom 20. März 2019 (Bl. 75 f. d. A.), abgewiesen. Es hat - zusammengefasst - zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe weder Anspruch auf Abschluss eines Änderungsvertrages noch auf Entschädigung oder Schadensersatz. Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen Änderungsvertrag (korrekt: den Abschluss des Arbeitsvertrages auf die ausgeschriebene Stelle), da die Beklagte kein öffentlicher Arbeitgeber sei, der über Art. 33 Abs. 2 GG dazu verpflichtet sei, den "Besten" für die Besetzung einer Stelle auszuwählen. Die von den Streitkräften verwandte Formulierung "werden bevorzugt" gebe keinen individuell einklagbaren Anspruch. Das zeige sich schon aus dem Vergleich mit der Formulierung in Art. 33 Abs. 2 GG ("hat gleichen Zugang"). Daneben gebe es selbst bei einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des AGG nach § 5 Abs. 4 AGG keinen Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Selbst wenn die Formulierung in der Stellenausschreibung eine Auswahlrichtlinie darstellen würde (wozu es keinerlei Anhaltspunkt gebe), die zusammen mit der Betriebsvertretung erarbeitet worden wäre, gebe das dem betroffenen Arbeitnehmer noch keinen einklagbaren Individualanspruch, sondern nur ein Widerspruchsrecht der Betriebsvertretung bzw. des Betriebsrates im Fall des Verstoßes. Auf die Frage, ob der erfolgreiche Stellenbewerber gleich oder besser geeignet sei, komme es daher nicht an. Nach Auffassung der Kammer sei Eignung aber etwas anderes als die in der Stellenausschreibung angeführte Mindestqualifikation. Sie ergebe sich auch aus den in der Stellenausschreibung ausgeführten weiteren Aufgaben, die sich dem Metallbereich zuordnen ließen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Entschädigung oder Schadensersatz. Die Schwerbehinderung des Klägers reiche als Indiz nicht aus. Die gegen den Kläger getroffene Entscheidung sei sowohl gegenüber der Schwerbehindertenvertretung als auch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nachvollziehbar diskriminierungsfrei begründet worden. Aus dem Umstand, dass die Schwerbehindertenvertretung bei dem Bewerbungsgespräch nicht anwesend gewesen sei, ergebe sich auch kein Indiz für eine Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen. Die Teilnahme oder Nichtteilnahme an dem Vorstellungsgespräch sei die eigene autonome Entscheidung der Schwerbehindertenvertretung. Für die Behauptung der Klägerseite, die Terminierung sei so gelegt worden, dass die Schwerbehindertenvertretung nicht teilnehmen könne, gebe es keinerlei Anhaltspunkte. Die Formulierungen der Schwerbehindertenvertretung in dem Schreiben im Hinblick auf die Auswahlentscheidung ließen auch hierauf in keiner Weise schließen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 60 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 14. März 2019 sowie mit Berichtigungsbeschluss am 20. März 2019 zugestellt worden. Der Kläger hat hiergegen mit einem am 9. April 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt. Er hat die Berufung mit innerhalb der durch Beschluss vom 3. Mai 2019 bis einschließlich 14. Juni 2019 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 14. Juni 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 13. Juni 2019 begründet.

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 102 ff. d. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen zusammengefasst geltend, die Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei seinem Bewerbungsgespräch stelle ein Indiz nach § 22 AGG dar. Denn die Beklagte wäre unter Vorlage der Unterlagen durchaus in der Lage gewesen, konkret vorzutragen, wann die Entscheidung zur Einladung zum Bewerbungsgespräch erfolgt sei und wann die Schwerbehindertenvertretung einschließlich der Stellvertretung zu diesem Gespräch eingeladen worden sei. Es dränge sich daher der Verdacht auf, dass die Terminbestimmung und die Einladungen versandt worden seien, als die Urlaubs- und die Abwesenheitszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit schon bekannt gewesen seien. Als Mindestvoraussetzung müsse gewährleistet sein, dass die Schwerbehindertenvertretung überhaupt eine autonome Entscheidung habe treffen können, am Vorstellungsgespräch teilzunehmen. Weder die Vertrauensperson Frau G. noch ihre Stellvertreterin Frau E. hätten auf eine Teilnahme verzichtet. Daher hätte das Bewerbungsgespräch am 5. Juli 2018 nicht durchgeführt werden dürfen. Man müsse sich auch die Frage stellen, warum in einem "Hauruck-Verfahren" das Vorstellungsgespräch unbedingt am 5. Juli 2018 habe stattfinden müssen.

Die Beklagte habe auch die Schwerbehindertenvertretung beim Vorstellungsgespräch bei Herrn L. laden müssen. Dass dies geschehen sei, werde bestritten.

Er, der Kläger, erweise sich auch als mindestens ebenso geeignet und sei gegenüber Herrn L. gleichwertig. Da er seit Februar 2017 in M. beschäftigt sei, Herr L. erst seit April 2018 habe letzterer in der damals bezogenen "jetzigen" Tätigkeit keine größere Berufserfahrung haben können.

Die Beklagte habe sich in ihrer Stellenbeschreibung insoweit selbst gebunden, als sie bei gleicher Eignung Schwerbehinderte bevorzugen werde. Da beide Mitarbeiter die Voraussetzungen für die Stelle erfüllten, seien sie beide gleich geeignet. Auf zusätzliche Kenntnisse und Qualifikationen könne insofern nicht abgestellt werden, da es sich um eine Anlerntätigkeit handele und diese Kenntnisse für die Stelle überhaupt nicht benötigt würden. Herr L. habe die von der Beklagten angesprochenen zusätzlichen Kenntnisse seit dem 1. Oktober 2018 auch in keiner Weise verwenden müssen. Wenn beide Bewerber gleich geeignet seien, habe sich die Beklagte insofern selbst gebunden, als dass Schwerbehinderte zu bevorzugen seien. Denn die Beklagte ziehe zum Kriterium "besser" Unterlagen und Anforderungsprofile heran, die nicht Gegenstand der Stellenbeschreibung seien. Es fehle daher jeglicher Bezug zur ausgeschriebenen Stelle. Dafür spreche die Vermutung der Vollständigkeit des Inhalts der Stellenbeschreibung.

Mit Nichtwissen würden zusätzliche Kenntnisse des Herrn L., insbesondere solche, die er bei Ausübung der ausgeschriebenen Position benötige und einsetzen könne und die hierfür von hervorragender Bedeutung seien, bestritten. Die Tätigkeit der damaligen Ausschreibung umfasse gerade keine Fertigung von Maschinenteilen, sodass Werkstoffkunde überhaupt nicht benötigt werde. Auch solle die Herstellung von einfachen Anlagen und Bauteilen gerade nicht im Rahmen dieser Stelle erfolgen. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass Herr L. zum Zeitpunkt der Bewerbung und Einstellung die Fahrerlaubnis B besessen habe.

Unabhängig davon könne auf das "besser" nicht abgestellt werden, da hierdurch stets die Selbstbindung in Form der Bevorzugung von Schwerbehinderten bei gleicher Eignung unterlaufen werden könne.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihm eine angemessene Entschädigung, deren Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. weiterhin festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm jeden materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Nichtberücksichtigung als Metallreinigungsmaschinenführer gemäß Job-Nr. 123 als unbefristete Stelle entstanden ist oder entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder übergehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 19. August 2019, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 123 ff. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen als rechtlich zutreffend.

Vor dem Bewerbungsgespräch des Klägers habe der für die Personalauswahl zuständige Vorgesetzte der ausgeschriebenen Position, Herr B., am 27. Juni 2018 die Vertrauensperson für schwerbehinderte Menschen Frau G., angerufen und mit dieser gemeinsam vereinbart, dass die Vorstellungsgespräche - einschließlich des Vorstellungsgesprächs mit dem Kläger und demjenigen mit dem letztlich ausgewählten Bewerber Herrn L. - am 5. Juli 2018 stattfinden sollten. Frau G. habe Herrn B. im Rahmen des Telefonats mitgeteilt, dass sie sich in der Zeit vom 29. Juni 2018 bis einschließlich 4. Juli 2018 in Urlaub befinden werde. Da Herr B. wiederum ab dem 9. Juli 2018 Urlaub geplant gehabt habe, hätten sich die Gesprächsteilnehmer auf den vorgenannten Tag verständigt. Mit E-Mail des Herrn B. vom 3. Juli 2018 an die Schwerbehindertenvertretung habe dieser nochmals die geplanten Bewerbungsgespräche dreier Bewerber für den 5. Juli 2018 bestätigt. Die übrigen Bewerber hätten sich für den 5. Juli 2018 angekündigt im Krankenstand befunden oder bereits eine andere neue Stelle angetreten gehabt. Daraufhin habe Herr B. von der Schwerbehindertenvertretung die automatisierte Antwort erhalten, dass sich die Vertrauensperson noch bis einschließlich 4. Juli 2018 in Urlaub befinden würde. Am Tag des Vorstellungsgesprächs sei die Vertrauensperson - unangekündigt und für Herrn B. insoweit unerwartet - wegen verlängerter Urlaubsnahme nicht erschienen. Herr B. habe bereits aus datenschutzrechtlichen Gründen weder Kenntnis von den Urlaubsdaten der Schwerbehindertenvertretung noch von deren möglichen Krankenstand gehabt. Das anwesende Betriebsvertretungsmitglied K. habe am 5. Juli 2018 Herrn B. kurz vor 9.00 Uhr mitgeteilt, dass für den Fall, dass Frau G. nicht kommen würde, dieser die stellvertretende Vertrauensperson, Frau E., kontaktieren könne. Herr K. habe Herrn B. sowohl den Namen als auch die Telefonnummer der stellvertretenden Vertrauensperson bekannt gegeben. Herr B. habe daraufhin unverzüglich die ihm mitgeteilte Rufnummer von Frau E. angerufen. Da sich dort niemand gemeldet habe, habe er um 9.11 Uhr eine E-Mail an Frau E. geschrieben, habe aber ebenfalls keine Antwort erhalten. Dass Frau E. aufgrund einer vorliegenden Arbeitsunfähigkeit nicht habe teilnehmen können, habe Herr B. am 6. Juli 2019 per E-Mail von Frau E. erfahren. Herr B. habe den Kläger über das Nichterscheinen der Vertrauensperson unterrichtet. Der Kläger habe sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass das Bewerbungsgespräch gleichwohl wie geplant habe stattfinden sollen.

Herr L. sei für die ausgeschriebene Position im Vergleich zum Kläger wesentlich geeigneter gewesen. Er habe - anders als der Kläger - eine unmittelbar auf die ausgeschriebene Position als Metallreinigungsmaschinenführer (Equipment Cleaner) zugeschnittene Weiterbildung nachweisen können. Zudem habe er jahrelang als Stahlarbeiter in Gusswerken schwere und schmutzige Arbeiten verrichtet und sei es gewohnt gewesen, ständig unbequeme Schutzausrüstung zu tragen. Herr B. habe Herrn L. - anders als dem Kläger - auf Anhieb abgenommen, dass er die in Ausübung der neuen Position anstehenden Reinigungsarbeiten dauerhaft werde erledigen können. Zudem sei aufgrund seiner positiven Art und Einstellung zu erwarten gewesen, dass er sich ins Reinigungsteam schnell eingliedern werde.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 6. November 2019 (Bl. 142 ff. d. A.) Bezug genommen.

Rechtsweg:

ArbG Kaiserslautern, Urteil vom 19.02.2019 - 3 Ca 1343/18

Quelle:

Landesrecht Rheinland-Pfalz

Entscheidungsgründe:

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hatte die Berufung des Klägers keinen Erfolg.

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie zutreffend gegen die Bundesrepublik Deutschland als Prozesstandschafterin nach Art. 56 Abs. 8 S. 2 ZA-NTS gerichtet. Der auf Entschädigung gerichtete Antrag zu 1 ist auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 15 Abs. 2 S.1 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist (vgl. BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 11).

II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens (§15 Abs. 2 AGG) noch einen Schadensersatzanspruch, gerichtet auf den Ersatz eines Vermögensschadens, § 15 Abs. 1 AGG.

1. Die US Streitkräfte haben bei der Besetzung der unbefristeten Stelle eines Metallreinigungsmaschinenführers (Equipment Cleaner) nicht gegen das Verbot verstoßen, schwerbehinderte Beschäftigte wegen ihrer Behinderung zu benachteiligten (§§ 7, 1 AGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld als benachteiligter schwerbehinderter Beschäftigter nach § 15 Abs. 2 AGG.

a) Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist "Beschäftigter" im Sinn des AGG, § 6 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 AGG. Das folgt bereits aus dem Umstand, dass er eine Bewerbung eingereicht hat (vgl. BAG 19. Mai 2016 - 8 AZR 583/14 - Rn. 53).

Die US Streitkräfte sind Arbeitgeberin im Sinne des § 6 Abs. 2 S. 1 AGG. Nach § 6 Abs. 2 S. 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer "Personen nach Absatz  1" des § 6 AGG "beschäftigt". Arbeitgeber ist also derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 25). Dies trifft auf die US Stationierungsstreitkräfte auf Grund der Stellenausschreibung zu.

b) Der Kläger hat seinen Anspruch auch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt, §§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG. Ein schriftliches Ablehnungsschreiben war dem Kläger auch im Zeitpunkt des zweitinstanzlichen Kammertermins noch nicht zugegangen. Anstelle einer schriftlichen Geltendmachung konnte der Kläger unmittelbar Klage erheben.

c) Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist, dass der abgelehnte Bewerber entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wurde. § 15 Abs. 2 AGG enthält nur eine Rechtsfolgenregelung, für die Voraussetzungen des Anspruchs ist - bis auf das Verschulden - auf § 15 Abs. 1 AGG zurückzugreifen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang (BAG 22. August 2013 - 8 AZR 574/12 - Rn. 26; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 30, jeweils mwN.).

§ 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch eine mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt eine - vorliegend ausschließlich in Betracht kommende - unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, u. a. wegen einer Behinderung, eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in vergleichbarer Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Da das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine solche wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfasst, muss zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund im Sinn von § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; es muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder "Triebfeder" des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund im Sinn von § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 53; 19. Mai 2016 - 8 AZR 477/14 - Rn. 44; 19. Mai 2016 - 8 AZR 583/14 - Rn. 41; 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 24; jeweils mwN.).

Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstehenden Schaden zu ersetzen, § 15 Abs. 1 AGG. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann der Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

§ 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sogenannten Vollbeweises. Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (BAG 26. Januar 2017 - 8 AZR 736/15 - Rn. 26 ff.; 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 54; 19. Mai 2016 - 8 AZR 477/14 - Rn. 45; 19. Mai 2016 - 8 AZR 583/14 - Rn. 42, jeweils mwN.).

(1) Der Kläger hat jedoch keine Benachteiligung im Hinblick auf seine Behinderung erfahren.

Der Begriff der Behinderung im Sinne von § 1 AGG, wegen der Beschäftigte gemäß § 7 AGG nicht benachteiligt werden dürfen, entspricht den gesetzlichen Definitionen in § 2 Abs. 1 SGB IX und § 3 BGG. Auf einen bestimmten Grad der Behinderung kommt es nicht an. Der Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung von 50 im Sinn des § 2 Abs. 2 SGB IX, d. h. eine Schwerbehinderung, festgestellt ist, unterfällt dem Behindertenbegriff des § 1 AGG (vgl. BAG 22. August 2013 - 8 AZR 574/12 - Rn. 27 mwN.).

(2) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation.

Der Kläger erfuhr eine weniger günstige Behandlung als der eingestellte Mitbewerber L., weil er nicht berücksichtigt wurde. Der Kläger und der letztlich eingestellte Bewerber befanden sich auch in einer vergleichbaren Situation (§ 3 Abs. 1 S. 1 AGG), da sie sich beide auf die ausgeschriebene Stelle beworben hatten.

(3) Die US Stationierungsstreitkräfte behandelten den Kläger aber nicht wegen seiner Behinderung weniger günstig.

aa) Der Kläger hat Indizien für einen solchen Kausalzusammenhang zwischen dem Vorliegen einer Behinderung des Klägers und seiner Nichtberücksichtigung bei der Stellenbesetzung weder schlüssig dargelegt noch bewiesen. Die von dem Kläger vorgetragenen Umstände lassen weder jeweils für sich betrachtet noch in einer Gesamtschau mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass ein in § 1 AGG genannter Grund (mit-)ursächlich für die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle mit dem Mitbewerber L. statt mit dem Kläger gewesen ist.

Einen Erfahrungssatz gibt, wonach jede Ungleichbehandlung auf diskriminierenden Motiven beruht, gibt es nicht (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 57 mwN.). Allein ein solcher Vortrag würde entweder eine bloße Mutmaßung oder eine unzulässige Behauptung "ins Blaue hinein" darstellen. Dies gilt vor allem deshalb, weil jeder Mensch zwangsläufig mehrere der in § 1 AGG genannten Merkmale aufweist (BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 37; 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 57,jeweils mwN.).

Ein Indiz für einen Kausalzusammenhang zwischen dem Vorliegen einer Behinderung des Klägers und der Nichtberücksichtigung bei der Stellenbesetzung ist vorliegend auch weder, dass die US Stationierungsstreitkräfte das von Ihnen gesetzte Erfordernis, Schwerbehinderte oder ihnen Gleichgestellte bei gleicher Eignung für eine Planstelle bevorzugt zu berücksichtigen, verletzt hätten, noch die Nichtteilnahme eines Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung am Vorstellungsgespräch des Klägers.

bb) Indiz für eine Diskriminierung des Klägers ist nicht, dass die US Stationierungsstreitkräfte zwar einerseits in der Ausschreibung mitgeteilt haben, dass Schwerbehinderte oder ihnen Gleichgestellte bei gleicher Eignung für diese Planstelle bevorzugt berücksichtigt werden, wenn sie diesen Status im Bewerbungsbogen angeben, andererseits aber nicht den schwerbehinderten Kläger, sondern seinen nicht schwerbehinderten Mitbewerber ausgewählt haben.

Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 37 mwN.) davon auszugehen, dass Verstöße gegen gesetzliche Verfahrensregelungen, die zur Förderung der Chancen der schwerbehinderter Menschen geschaffen wurden, eine Indizwirkung im Sinn von § 22 AGG einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung begründen können. Es handelt sich hierbei um bestimmte Förderpflichten im Sinn von § 5 AGG und Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000. Diese Rechtsprechung betrifft die Verletzung gesetzlicher Vorschriften, ganz überwiegend derjenigen aus dem SGB IX (bspw. die Pflicht zur Anzeige einer freien Stelle gegenüber der Agentur für Arbeit, die unterbliebene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung [BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 36 ff.] sowie die unterbliebene Einladung des Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch nach § 82 S. 2 SGB IX) und das gesetzlich vorgesehene Erfordernis der Darlegung der Gründe der getroffenen Entscheidung (BAG 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 37 mwN.), nicht jedoch vom Arbeitgeber selbst aufgestellte Programmsätze.

Die US Stationierungsstreitkräfte gelten nicht gemäß § 154 Abs. 2 SGB IX als öffentlicher Arbeitgeber im Sinn des dritten Teils des SGB IX. Ihnen obliegen daher nicht die Pflichten aus §§ 154 ff. SGB IX.

Außerdem ergibt sich daraus, dass sowohl der Kläger als auch die Mitbewerber die Mindestanforderungen der ausgeschriebenen Stelle erfüllen, noch nicht, dass alle gleich geeignet sind und daher die Stelle an den Kläger zu vergeben gewesen wäre. Die Erfüllung der Mindestvoraussetzungen ist nicht mit gleicher Eignung gleichzusetzen. Wie sich aus den Abschnitt II Ziffer 11 Buchst. a und b der AER 690-70-G ergibt, werden die Begriffe nicht synonym verwendet. Sonst müsste stets der schwerbehinderte Bewerber eingestellt werden, wenn er die Mindestanforderungen erfüllt. Die bevorzugte Berücksichtigung schwerbehinderter Bewerber soll jedoch sowohl nach der AER 690-70-G als auch nach der Formulierung in der konkreten Stellenausschreibung nicht bei "einer Eignung", sondern lediglich bei "gleicher Eignung" erfolgen.

Die US Stationierungsstreitkräfte durften auch neben den in der Stellenausschreibung Mindestanforderungen weitere Gesichtspunkte bei der Bewerberauswahl berücksichtigen oder von diesen abweichen. Die Tätigkeit der zivilen Arbeitskräfte bei einer Truppe und einem zivilen Gefolge gilt nicht als Tätigkeit im deutschen öffentlichen Dienst, Art. 56 Abs. 1 Buchst. f ZA-NTS. Die US Stationierungsstreitkräfte sind nicht Adressat der den deutschen öffentlichen Dienst verpflichtenden Regelung des Art. 33 Abs. 2 GG, wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu einem öffentlichen Amt hat (LAG Rheinland-Pfalz 3. Dezember 2015 - 5 Sa 285/15 - Rn. 16). Anders als ein öffentlicher Arbeitgeber kann ein privater Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers ebenso wie darüber, ob er bei seiner Auswahlentscheidung von einzelnen dieser geforderten Qualifikationen abweicht, frei entscheiden (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 -Rn. 30). Er darf nur die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich dadurch gestalten, dass er Anforderungen an den Bewerber stellt, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt sind, und dadurch den Schutz des AGG de facto beseitigen. Die Berücksichtigung der Weiterbildung des Mitbewerbers L. zum Maschinenführer ist keine Qualifikation, der jeglicher Bezug zur ausgeschriebenen Stelle fehlen würde und die dadurch nicht nachvollziehbar wäre. Durch ihre Berücksichtigung wird der dem Kläger durch das AGG zukommende Schutz nicht de facto beseitigt.

cc) Auch darin, dass kein Mitglied der Schwerbehindertenvertretung am Vorstellungsgespräch des Klägers teilgenommen hat, liegt kein Indiz für eine Benachteiligung des Klägers bei der Besetzung der Stelle als Metallreinigungsmaschinenführer/in.

Grundsätzlich kann der Umstand, dass entgegen § 178 Abs. 2 SGB IX kein Mitglied der Schwerbehindertenvertretung an einem Vorstellungsgespräch eines schwerbehinderten Menschen teilnimmt, als Indiz für eine Benachteiligung gewertet werden (BAG 26. Januar 2017 - 8 AZR 736/15 - Rn. 33; 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 36 ff., 40; 22. August 2013 - 8 AZR 574/12 - Rn. 35; 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 37, jeweils mwN.). Gerade für Bewerbungsverfahren enthalten die Vorschriften des SGB IX einen umfassenden Pflichtenkatalog, dem entsprechende Rechte der Schwerbehindertenvertretung und einzelner schwerbehinderter Bewerber entnommen werden können (BAG 22. August 2013 - 8 AZR 574/12 - Rn. 35).

§ 164 Abs. 1 Satz 6 SGB IX in Verbindung mit § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX findet aber keine Anwendung auf die US Stationierungsstreitkräfte. Unter Berücksichtigung des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 Abs. IX ZA-NTS sind die US Stationierungsstreitkräfte nicht den dem 16. Januar 1991 nachfolgenden Änderungen des deutschen Rechts der Schwerbehindertenvertretung unterworfen. Es kommt insoweit weiterhin das SchwbG vom 16. Januar 1991 zur Anwendung (LAG Rheinland-Pfalz 13. Juni 2016 - 3 TaBV 6/16 - Rn. 23; 26. Februar 2016 - 1 TaBV 24/15 - Rn. 18, jeweils mwN.). Art. 56 Abs. IX ZA-NTS enthält eine statische Verweisung auf das BPersVG i. d. F. vom 16. Januar 1991 (BAG 11. September 2013 - 7 ABR 18/11 - Rn. 15). Dabei erfasst der in Art. 56 Abs. IX ZA-NTS verwendete Begriff der "Betriebsvertretung" nicht nur ein auf die gesamte Belegschaft eines Betriebs oder einer Dienststelle bezogenes Vertretungsgremium wie Betriebsrat oder Personalrat, sondern jede Form der kollektiven Vertretung der Arbeitnehmer durch ein gesetzliches Organ der Verfassung des Betriebs oder der Dienststelle (BAG 11. September 2013 - 7 ABR 18/11 - Rn. 23). Erfasst wird damit auch die Schwerbehindertenvertretung. Das SchwbG aus dem Jahr 1991 enthält - anders als die heute geltende Regelung - eine bloße Sollvorschrift. Sie sieht kein Teilnahmerecht der Schwerbehindertenvertretung an Vorstellungsgesprächen vor (LAG Rheinland-Pfalz 13. Juni 2016 - 3 TaBV 6/16 - Rn. 24). Nach § 14 Abs. 1 S. 2 SchwbG in der im Jahr 1991 gültigen Fassung sind Bewerbungen von Schwerbehinderten mit der Schwerbehindertenvertretung zu erörtern und mit ihrer Stellungnahme dem Betriebs- oder Personalrat mitzuteilen. Nach § 25 Abs. 2 SchwbG in der genannten Fassung ist die Schwerbehindertenvertretung vom Arbeitgeber in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen Schwerbehinderten oder die Schwerbehinderten als Gruppe berühren, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung zu hören; die getroffene Entscheidung ist ihr unverzüglich mitzuteilen. Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung gemäß § 23 Abs. 2 S. 1 SchwbG in der im Jahr 1991 gültigen Fassung getroffenen Entscheidung ist auszusetzen; die Beteiligung ist innerhalb von 7 Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. § 14 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 2 SchwbG in der im Jahr 1991 gültigen Fassung stellte ersichtlich auf die endgültige Entscheidung ab, nicht auf die Teilnahme am Vorstellungsgespräch oder etwaige Vorentscheidungen. Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung diente danach dazu, den Arbeitgeber durch Argumente gegebenenfalls überzeugen zu können, von einem Vorhaben abzulassen oder diese zu ändern, wenn die Schwerbehindertenvertretung dies nicht für sachgerecht hielt. Es genügte daher die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Treffen der endgültigen Entscheidung (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 13. Juni 2016 - 3 TaBV 6/16 - Rn. 25).

Zudem beruhte die Nichtteilnahme der Schwerbehindertenvertretung am Vorstellungsgespräch des Klägers und seines Mitbewerbers nicht auf einem hierauf gerichteten Verhalten der US Stationierungsstreitkräfte. Der Kläger müsste beweisen, dass die US Stationierungsstreitkräfte die Schwerbehindertenvertretung bewusst dergestalt eingeladen hätte, dass die Vertrauensperson der Schwerbehinderten und deren Stellvertreter nicht an dem Vorstellungsgespräch teilnehmen konnten. Insoweit ist die Darlegung von Vermutungen nicht ausreichend. Die Beklagte hat dargelegt, dass die Schwerbehindertenvertretung unmittelbar nach Eingang der Bewerbung des Klägers über diese informiert worden sei. Sie habe Frau G. zum Vorstellungsgespräch des Klägers eingeladen. Diese habe wegen Urlaubs abgesagt. Die sodann eingeladene Stellvertreterin, Frau E., habe wegen einer vorliegenden Arbeitsunfähigkeit nicht am Vorstellungsgespräch teilnehmen können. Als Beleg hierfür hat die Beklagte die E-Mail vom 3. Juli 2018 (Bl. 136 d. A.) an die Vertrauensperson der Schwerbehinderten, Frau G., vorgelegt, in dem die Arbeitgeberseite dieser - unter Bezugnahme auf eine telefonische Besprechung in der letzten Woche - die Termine der angesetzten Vorstellungsgespräche (5. Juli 2018) mitteilt. Weiter hat sie die Abwesenheitsnotiz dieser Vertrauensperson vom 3. Juli 2018 betreffend die Zeit vom 29. Juni bis 4. Juli 2018 zur Gerichtsakte gereicht. Ebenso hat sie die Einladung an die stellvertretende Vertrauensperson Frau E. vom 5. Juli 2018 sowie deren Antwort ("I’m sick und cannot attend") vorgelegt (Bl. 138 d. A.). Auf die Vorlage dieser E-Mails durch die Beklagte hat der Kläger nicht im Einzelnen dargelegt, woraus sich dennoch ergibt, dass die Vertrauensfrau der schwerbehinderten Menschen nicht ordnungsgemäß zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden wäre. Daraus, dass die Vertrauensfrau der schwerbehinderten Menschen kurzfristig entschied, ihren Urlaub in Kenntnis der anstehenden Vorstellungsgespräche um einen Tag zu verlängern, begründet sich kein Indiz nach § 22 AGG, dass die Beklagte den Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt hat. Die - rechtzeitig von dem Termin in Kenntnis gesetzte - Schwerbehindertenvertretung entscheidet autonom darüber, ob und auf welche Art und Weise sie sich in das Bewerbungsverfahren einschaltet. Der Arbeitgeber hat nicht eine Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung an Vorstellungsgesprächen zu erwirken.

Die US Stationierungsstreitkräfte mussten das Vorstellungsgespräch auch nicht kurzfristig auf einen späteren Zeitpunkt verlegen. Im Hinblick auf die erforderliche Mitwirkung der Betriebsvertretung bei Einstellungen gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG iVm. Abs. 6 (a) (vii) und (b) des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS müssen die Bewerbungsgespräche frühzeitig geführt werden, damit gegebenenfalls das Verfahren nach § 72 Abs. 4 BPersVG rechtzeitig durchgeführt werden kann.

Der schwerbehinderte Bewerber kann schließlich - auch im Anwendungsbereich der Vorschriften des SGB IX - auf die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei seiner Bewerbung verzichten (vgl. nunmehr § 164 Abs. 1 S. 10 SGB IX). Der Kläger hat zwar vorliegend nicht die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung abgelehnt, zu berücksichtigen aber ist, dass der Kläger dem Vortrag der Beklagten, er sei ausdrücklich mit der Durchführung des Vorstellungsgesprächs in Abwesenheit der Schwerbehindertenvertretung einverstanden gewesen, nicht entgegengetreten ist.

Soweit der Kläger mit Nichtwissen bestritten hat, dass die Schwerbehindertenvertretung zum Vorstellungsgespräch des Herrn L. eingeladen worden ist, ergibt sich aus der E-Mail vom 3. Juli 2018, dass dieses am selben Tag stattfand und die Schwerbehindertenvertretung hierüber informiert worden ist. Der Kläger hat auch insoweit nicht darlegt und unter Beweis gestellt, dass die Schwerbehindertenvertretung dennoch nicht eingeladen wurde.

dd) Die vorgetragenen Hilfstatsachen können nach Auffassung der Kammer auch nicht im Zusammenwirken die Vermutungswirkung begründen (vgl. hierzu ErfK/Schlachter, 20. Aufl. 2020, AGG § 22 Rn. 11). Die Entscheidung der US Stationierungsstreitkräften den Kläger trotz Eignung und Schwerbehinderteneigenschaft nicht einzustellen, nachdem die Schwerbehindertenvertretung an seinem Vorstellungsgespräch nicht teilgenommen hat, stellt unter den gegebenen Umständen, vor allem auch im Hinblick darauf, dass die US Stationierungsstreitkräfte kein öffentlicher Arbeitgeber im Sinn des Art. 33 Abs. 2 GG sind und § 178 Abs. 2 S. 4 SGB IX im vorliegenden Fall keine Anwendung findet, kein Indiz dafür dar, dass er wegen seiner Behinderung benachteiligt wurde.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Schadensersatzanspruch, gerichtet auf Ersatz eines Vermögensschadens, § 15 Abs. 1 AGG. Wie unter B. II. 1 dargelegt, haben die US Stationierungsstreitkräfte den Kläger nicht diskriminiert.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

Referenznummer:

R/R9122


Informationsstand: 26.11.2020