I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Januar 2020 - 55 Ca 4691/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt Entschädigungsansprüche wegen Diskriminierung aufgrund seiner Schwerbehinderung in Höhe von zuletzt 2.000,00
EUR brutto. Hinsichtlich des übrigen unstreitigen Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien in der 1. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69
Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz).
Mit Urteil vom 22.01.2020 hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen, mit der noch eine Entschädigung i.H.v. 5.000,00
EUR verlangt worden war. Da die Beklagten keine öffentlichen Arbeitgeber seien, hätte der Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden müssen. Die Stellenausschreibung und auch die Absage gegenüber dem Kläger seien neutral gehaltenen und ließen keinen Verstoß gegen
§§ 11,
7 Abs. 1 AGG erkennen. Soweit der Kläger Verstöße der Beklagten in Bezug auf die Beteiligung des Betriebsrates, der Schwerbehindertenvertretung und der Bestellung eines Inklusionsbeauftragten behauptet, trage er keinerlei Indizien vor, warum er insoweit von Pflichtverletzungen der Beklagten ausgeht. Er behauptet vielmehr solche Pflichtverletzungen anlasslos ins Blaue hinein.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er ist weiterhin der Ansicht, dass die Verletzung von Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, Indizwirkung im Sinne des
§ 22 AGG hätte. Dies beträfe die unterbliebene Bestellung eines Inklusionsbeauftragten (
§ 181 SGB IX), die Nichtbeteiligung der Arbeitsagentur (
§ 164 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IX) und die unterbliebene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrats (
§§ 164 Abs. 1,
178 Abs. 2 SGB IX). Diese Behauptungen seien auch nicht ins Blaue hinein aufgestellt worden. Eine Prozesspartei dürfe vermutete Tatsachen vortragen, wenn sie keinen genauen Einblick in die Geschehensabläufe bei der Gegenseite habe. Hier sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die Beklagten um Auskunft gebeten habe. Aus dem Schweigen der Beklagten hätte er die Schlussfolgerung ziehen dürfen, dass entsprechende Pflichtverletzung vorgelegen hätten. Gegen eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrats spreche auch die kurze Zeit zwischen dem Eingang der Bewerbung und der Absage. Auch im Rahmen einer Gesamtschau seien diese Indizien ausreichend.
Der Kläger beantragt,
das am 22.01.2020 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin, 55 Ca 4691/19 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.000,00
EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.03.2019 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten sind der Ansicht, für den Entschädigungsanspruch fehle es an der erforderlichen Kausalität. Im Hinblick auf mögliche Indizien sei zu berücksichtigen, dass sie die Mindestbeschäftigungsquote von Schwerbehinderten erfüllt hätten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Ausschlussfrist bzgl. der Beklagten zu 2) eingehalten worden sei.
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist daher zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin in der angegriffenen Entscheidung einen Entschädigungsanspruch abgelehnt. Es hat insofern zutreffend angenommen, dass der Kläger keine Indizien im Sinne des
§ 22 AGG dargelegt hätte, die für eine Benachteiligung aufgrund der Schwerbehinderung sprechen könnten. Die Behauptungen des Klägers seien insofern unbeachtlich, da sie ins Blaue erhoben worden waren. Dem ist zuzustimmen. Daher war die Berufung zurückzuweisen.
Für die Darlegung von Indizien im Sinne des § 22
AGG ist der Anspruchsteller in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet. Insofern gelten die allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze. Insofern dürfen auch vermutete Tatsachen dann vorgetragen werden, wenn die Partei über keinerlei Einblicke in die dem Gegner bekannten Geschehensabläufe hat. Solche Behauptungen sind jedoch dann unzulässig, wenn die Behauptungen lediglich "ins Blaue hinein" aufgestellt werden, ohne dass die Partei tatsächliche Anhaltspunkte für ihre Behauptung darlegt (
BAG 27.03.2019 - 10 AZR 318/17 - juris Rn. 19;
BAG 25.04.2013 - 8 AZR 287/08 - juris Rn. 36;
BAG 12.09.2012 - 6 AZR 980/11 - juris Rn. 82;
BAG 28.04.2004 - 10 AZR 370/03 - juris Rn. 39). Auch nach der allgemeinen Zivilrechtsprechung müssen insofern Anhaltspunkte vorliegen (
BGH 26.03.2019 - VI ZR 163/17 -, juris Rn 13).
Auch bei der Darlegung von Indizien im Rahmen eines Diskriminierungsprozesses reichen Behauptungen ins Blaue hinein nicht aus (
LAG Rheinland-Pfalz 17.06.2009 - 8 Sa 639/08 - juris Rn. 23). Die allgemeine Behauptung, der Beklagte habe die Verfahrensvorschriften zur Beteiligung der Bundesagentur nach
§ 81 Abs. 1 S. 1, 2 SGB IX a.F. missachtet (
LAG Berlin-Brandenburg 08.01.2018 -
4 Ta 1489/17 - juris Rn. 26), oder der Vortrag, die Schwerbehindertenvertretung sei nicht beteiligt worden (Hessisches
LAG 28.08.2009 -
19/3 Sa 1742/08 - juris Rn. 50) wurden insofern jeweils als unbeachtlich gewertet, weil sie ins Blaue hinein erhoben worden waren.
Bei Anwendung dieser Kriterien gilt dies auch für den Vortrag des Klägers hinsichtlich der unterbliebenen Bestellung eines Inklusionsbeauftragten (
§ 181 SGB IX), der Nichtbeteiligung der Arbeitsagentur (
§ 164 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IX) und der unterbliebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrats (§§ 164
Abs. 1,
178 Abs. 2 SGB IX). Zwar hat der Kläger insofern keinen Einblick in die Geschehensabläufe bei den Beklagten, doch benennt er nicht genügend Anhaltspunkte dafür, warum er diese Tatsachen vermutet. Ohne nähere Anhaltspunkte könnten solche Verfahrensverstöße im Grunde gegenüber jedem Arbeitgeber erhoben werden, der die Bewerbung des Klägers ablehnt. Der Kläger beruft sich vorliegend zum einen darauf, von den Beklagten zu den behaupteten Verfahrensverstößen keinerlei nähere Auskünfte erhalten zu haben. Dies ist deswegen unbeachtlich, weil ein solcher Auskunftsanspruch nicht besteht (
BAG 25.04.2013 - 8 AZR 287/08 - juris Rn. 55). Zum anderen verweist er darauf, dass zwischen dem Eingang der Bewerbung und der Absage (24.01.2019 bis 30.01.2019) nur eine kurze Zeitspanne gelegen habe. Bezogen auf die Bestellung eines Inklusionsbeauftragten und die einer Stellenausschreibung vorangehende Beteiligung der Bundesagentur (und insofern auch der Einbeziehung der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrats) ist schon keinerlei zeitlicher Zusammenhang zu erblicken. Bei Eingang seiner Bewerbung ist nach
§ 164 Abs. 1 S. 4 SGB IX die Schwerbehindertenvertretung und der Betriebsrat unverzüglich zu informieren. Dies kann problemlos in der hiesigen Zeitspanne erfolgt sein. Sollte der Kläger auf die weitere Erörterungspflicht nach § 164
Abs. 1
S. 7
SGB IX abstellen wollen, so wird diese Pflicht nur dann ausgelöst, wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht bezogen auf Schwerbehinderte nicht erfüllt. Diese Voraussetzung war vorliegend nicht gegeben. Weitere Anhaltspunkte hat der Kläger nicht vorgetragen. Sie sind auch nicht ersichtlich. Die Stellenausschreibung selbst und die Absage gegenüber dem Kläger waren neutral gehalten, was schon das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hatte.
Andere Tatsachen, die für eine Diskriminierung sprechen könnten, hat der Kläger nicht behauptet.
Der Kläger hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97
ZPO). Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72
Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz) liegen nicht vor. Insofern ist gegen die hiesige Entscheidung ein Rechtsmittel nicht gegeben.