I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
Sie ist nach § 64
Abs. 2 b
ArbGG statthaft und innerhalb der Fristen nach § 66
Abs. 1
ArbGG eingelegt und begründet worden.
II. In der Sache hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Hingegen ist auf die Anschlussberufung des Klägers, die fristgerecht während der Berufungsbeantwortungsfrist eingegangen ist (§ 64
Abs. 6
ArbGG iVm. § 524
ZPO), die Beklagte zur Zahlung eines um
EUR 4.378,58 erhöhten Entschädigungsbetrages zu verurteilen. Soweit mit der Anschlussberufung ein noch über
EUR 5.378,58 liegender Entschädigungsbetrag begehrt wurde, war sie zurückzuweisen.
Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger eine Entschädigung gemäß
§ 15 Abs. 2 AGG in Höhe von
EUR 5.378,58 zu zahlen.
1. Die Beklagte hat bei der Besetzung der Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters am Staatswissenschaftlichen Seminar im August 2010 gegen das Verbot verstoßen, einen schwerbehinderten Beschäftigten wegen seiner Behinderung zu benachteiligen (
§ 81 Abs. 2 S. 1 SGB IX, §§ 7 und 1
AGG). Der Kläger hat als benachteiligter schwerbehinderter Beschäftigter nach § 81
Abs. 2
S. 2
SGB IX, § 15
AGG Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.
a. Als Bewerber ist der Kläger nach
§ 6 Abs. 1 S. 2 AGG "Beschäftigter" und fällt in den persönlichen Anwendungsbereich des
AGG. Die Beklagte, die die Stelle ausgeschrieben hat, ist als "Arbeitgeberin" passiv legitimiert.
b. Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, hat der Kläger auch die gesetzlichen Fristen nach § 15
Abs. 4
AGG zur Geltendmachung des Anspruchs auf Entschädigung gewahrt. Es ist davon auszugehen, dass die 2-monatige Frist zur schriftlichen Geltendmachung am 24. Januar 2011 begann und mithin erst am 24. März 2011 ablief. An diesem Tag ist das Schreiben des Klägers vom 24. März 2011 bei der Beklagten eingegangen. Die am 24. Juni 2011 beim Arbeitsgericht Köln eingegangene Klage wahrte die Dreimonatsfrist nach § 61 b
Abs. 1
ArbGG.
c. Die Beklagte hat den Kläger auch benachteiligt. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach
§ 3 Abs. 1 S. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in
§ 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation.
aa. Der Kläger erfuhr eine weniger günstige Behandlung als die Bewerberin/der Bewerber, der zusammen mit weiteren Bewerbern tatsächlich zum Vorstellungsgespräch eingeladen, in die Auswahl einbezogen und schließlich eingestellt worden ist. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung liegt vor, wenn der Bewerber nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgeschieden worden ist (
vgl. BAG, Urteil vom 13. Oktober 2011 -
8 AZR 608/10 - ).
bb. Der Kläger und die erfolgreiche Bewerberperson befanden sich auch in einer vergleichbaren Situation, da der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war (
vgl. dazu:
BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 -
8 AZR 697/10 -). Die Beklagte hat mit der Ausschreibung einen wissenschaftlichen Mitarbeiter für das Staatswissenschaftliche Seminar gesucht und dazu ein Anforderungsprofil aufgestellt, wonach ein Universitätsabschluss, analytisches Denken, Teamgeist und die Fähigkeit, Forschungsergebnisse (zu energiewissenschaftlichen Fragestellungen) in deutscher und englischer Sprache zu präsentierten und die Bereitschaft, sich aktiv in die Fortentwicklung des Lehrstuhls einzubringen, verlangt wurden. Im Hinblick auf die von dem Kläger in dem Bewerbungsanschreiben aufgelistete Ausbildung und auch seinen beruflichen Werdegang ist von einer fachlichen Eignung des Klägers für die Tätigkeit auszugehen, was auch von der Beklagten nicht - begründet - in Zweifel gezogen wird. Soweit dabei die Anforderungen auf in der Person des Klägers liegende Fähigkeiten bezogen waren wie
z. B. die Teamfähigkeit hätten etwaige Defizite nur in einem Vorstellungsgespräch festgestellt werden können (
vgl. dazu:
BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 -).
cc. Die Beklagte behandelte den Kläger auch wegen seiner Behinderung weniger günstig.
Der Kausalzusammenhang zwischen nachteiliger Behandlung und Behinderung ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Behinderung anknüpft oder durch sie motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund,
d. h. die Behinderung, das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist, sondern es genügt, dass die Behinderung Bestandteil eines in die Entscheidung eingeflossenen Motivbündels gewesen ist. Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (
vgl. BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - ).
Nach der Beweislastregelung in
§ 22 AGG stellt sich bereits die unterlassene Einladung zum Vorstellungsgespräch als Indiz für einen Kausalzusammenhang zwischen der Schwerbehinderung und der Benachteiligung dar.
Unterlässt es der öffentliche Arbeitgeber entgegen § 82 Satz 2
SGB IX, den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, so ist dies eine geeignete Hilfstatsache nach § 22
AGG. Ein schwerbehinderter Bewerber muss bei einem öffentlichen Arbeitgeber die Chance eines Vorstellungsgesprächs bekommen, selbst wenn seine fachliche Eignung zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Er soll den öffentlichen Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von seiner Eignung überzeugen können. Wird ihm diese Möglichkeit genommen, liegt eine Benachteiligung vor, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung steht (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts,
z. B. Urteil vom 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - ).
dd. Die Pflichtverletzung nach § 82 Satz 2
SGB IX als Indiz i.
S. d. § 22
AGG kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht mit der Begründung verneint werden, sie habe die Schwerbehinderteneigenschaft nicht gekannt und sei auch von dem Kläger weder in dem Bewerbungsanschreiben noch an sonstiger exponierter Stelle auf die Behinderung hingewiesen worden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts genügt es für die Indizwirkung, dass sich der Arbeitgeber aufgrund der Bewerbungsunterlagen Kenntnis von der Schwerbehinderung hätte verschaffen können (
vgl. z. B. BAG, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - und vom 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - ). Der Arbeitgeber hat die Erledigung seiner Personalangelegenheit so zu organisieren, dass er seine gesetzlichen Pflichten zur Förderung schwerbehinderter Bewerber erfüllen kann. Die für ihn handelnden Personen sind verpflichtet, das Bewerbungsschreiben vollständig zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Ein ordnungsgemäßer Hinweis auf eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn die Mitteilung in einer Weise in den Empfangsbereich des Arbeitgebers gelangt ist, die es ihm ermöglicht, die Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers zur Kenntnis zu nehmen. Dazu genügt auf jeden Fall die Vorlage des gerade zum Nachweis im Rechtsverkehr ausgestellten Schwerbehindertenausweises (
vgl. BAG, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - ).
Danach darf der Bewerber davon ausgehen, dass der Arbeitgeber seine Bewerbungsunterlagen vollständig zur Kenntnis nimmt und sie wegen der Verpflichtung nach § 82 Satz 2
SGB IX insbesondere darauf überprüft, ob es sich um die Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen handelt. Es ist nicht etwa im Arbeitsleben üblich, nur Bewerbungsanschreiben und Lebenslauf zu lesen und danach die beigefügten Unterlagen nur zur Verifizierung der sich Anschreiben und Lebenslauf ergebenden Daten heranzuziehen. Dies zeigt im Übrigen auch die eigene Praxis der Beklagten. Die erste Bewerbung des Klägers vom 16. Juni 2010, die wie die hier streitgegenständliche vom 26. Juli 2010 keinen Hinweis im Anschreiben und Lebenslauf auf die Schwerbehinderung enthielt, sondern (nur) in den beigefügten Unterlagen auch eine Ablichtung des Schwerbehindertenausweises aufwies, war vollständig gelesen worden. Sie hatte auch zu der vorgeschriebenen Einladung zu einem Vorstellungsgespräch und zu einer Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung geführt. Das Vorstellungsgespräch hatte am 28. Juni 2010 stattgefunden, also noch vor der hier streitgegenständlichen zweiten Bewerbung vom 26. Juli 2010. Durch die an ihn gerichtete Email der Schwerbehindertenvertretung vom 28. Juni 2010 war dem Kläger bekannt, dass für das Vorstellungsgespräch seine Schwerbehinderung festgestellt war.
Wenn demnach der Umstand, dass der Kläger schwerbehindert ist, im zweiten Bewerbungsverfahren bei der Beklagten nicht berücksichtigt worden ist, so liegt dies an einer nicht genügenden Organisation der Personalangelegenheiten bei der Beklagten. Sie hat alle dezentralen Stellen, denen das Auswahlverfahren obliegt, anzuweisen, die Bewerbungsunterlagen vollständig zu lesen, insbesondere auch darauf, ob sie einen Schwerbehindertenausweis enthalten.
ee. Die Beklagte hat die sich danach ergebende Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung nicht widerlegt. Es können nur Gründe herangezogen werden, die nicht die fachliche Eignung betreffen. Hierfür enthält die in § 82 Satz 2
SGB IX geregelte Ausnahme mit dem Erfordernis der - hier nicht einschlägigen - "offensichtlichen" Nichteignung eine abschließende Regelung (
vgl. BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - ). Derartige Umstände sind von der Beklagten nicht dargetan worden.
2. Der Entschädigungsanspruch des Klägers ist nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs, § 242
BGB, ausgeschlossen.
a. Bei Ansprüchen nach
§ 15 AGG kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles der Erwerb der Rechtsstellung als Bewerber dann als unredlich erscheinen, wenn die Bewerbung allein deshalb erfolgte, um Entschädigungsansprüche zu erlangen. Für die fehlende subjektive Ernsthaftigkeit,
d. h. den Rechtsmissbrauch ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet. Er hat dazu geeignete Indizien vorzutragen wie
z. B. ein - hier nicht vorliegendes - krasses Missverhältnis zwischen Anforderungsprofil der Stelle und der Qualifikation des Bewerbers (
vgl. BAG, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - ).
b. Allein der Umstand, dass der Kläger mehrere Entschädigungsklagen gegen öffentliche Arbeitgeber in Folge von Bewerbungen angestrengt hat, rechtfertigt nicht den Schluss, die hier streitgegenständliche Bewerbung sei nicht ernsthaft erfolgt. Der Kläger hat sich im fortgeschrittenen Alter nach Krankheit und Arbeitslosigkeit um eine Anstellung bei öffentlichen Arbeitgebern beworben, was schließlich auch zum Erfolg geführt hat. Er handelte unter Würdigung der Arbeitsmarktlage, wenn er dabei an mehrere Arbeitgeber seine Bewerbungen richtete und dabei auch nicht von vornherein nur ein Stellenprofil suchte, das der von ihm zuletzt ausgeübten Tätigkeit entsprach.
3. Die Kammer hält eine Entschädigung in Höhe von
EUR 5.378,58 für angemessen.
a. § 15
Abs. 2
S. 1
AGG räumt dem Gericht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein. Es sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen wie die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, so dass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Entschädigung geeignet sein muss, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu haben und in jedem Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss (
vgl. z. B. BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10- ).
b. Auch der Kläger hat nicht geltend gemacht, er sei bei benachteiligungsfreier Auswahl eingestellt worden. Es gilt daher die Begrenzung nach § 15
Abs. 2
S. 2
AGG auf maximal drei Monatsgehälter. Der Kläger hat seine Klageforderung hiernach ausgerichtet und drei Monatsgehälter nach der in der Stellenausschreibung genannten Entgeltgruppe 13 TV-L gefordert (3 x
EUR 3.585,72). Davon ausgehend erscheint nach Art und Schwere des Verstoßes, der Folgen und der Bedeutung für den Kläger und das Nichtvorliegen eines Wiederholungsfalles gegenüber dem Kläger die Hälfte des von ihm begehrten Entschädigungsbetrages als angemessen. Der Verstoß ist von mittlerer Schwere, da an der Verpflichtung, die Bewerbungsunterlagen insgesamt zur Kenntnis zu nehmen, keine ernsthaften Zweifel bestehen konnten. Der Kläger kann auch darauf verweisen, dass er als Schwerbehinderter von der Beklagten durch die Ausschreibung besonders eingeladen worden war, sich zu bewerben, und umso mehr von der Verfahrensweise enttäuscht sein konnte. Er hat auch nicht etwa kurzfristig eine andere Stelle gefunden, sondern musste sich mit der Beklagten auch wegen der dritten Bewerbung vom 1. Oktober 2010 um einen Entschädigungsanspruch wegen seiner Behinderung als Schwerbehinderter streiten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92
Abs. 1
ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der sich keine grundsätzlichen Rechtsfragen stellten, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht beantwortet sind.