I.
Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64
Abs. 1, 2
ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch
gem. §§ 64
Abs. 6, 66
Abs. 1
ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519
ZPO form- und fristgerecht eingelegt und teilweise begründet worden.
II.
Das Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Denn entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten ist diese aufgrund der Umstände des hier zu entscheidenden konkreten Einzelfalles gemäß
§ 15 Abs. 1 Satz 1 AGG aufgrund eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet, den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Anspruch ist nicht gemäß § 15
Abs. 1 Satz 2
AGG deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Der Kläger kann folglich gemäß § 15
Abs. 2 Satz 1
AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Insoweit ist die Kammer davon ausgegangen, dass als angemessen ein Betrag in Höhe von 9.890,64
EUR nebst Zinsen anzusehen ist. Ob daneben auch die Voraussetzungen des § 15
Abs. 2 Satz 2
AGG erfüllt sind, wonach die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen darf, wenn der Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, oder aber ob insoweit auch eine höhere Entschädigung in Betracht kommt, kann dahinstehen. Denn nach Maßgabe der zu würdigenden Umstände des konkreten Einzelfalles war die Zuerkennung einer höheren Entschädigung nicht veranlasst. Die weitergehende Berufung des Klägers erwies sich folglich als unbegründet.
Die zulässige Klage ist in Höhe des aus dem Urteilstenor ersichtlichen Betrages begründet. Die Beklagte hat den Kläger im Auswahlverfahren entgegen
§ 7 Abs. 1 AGG wegen einer Schwerbehinderung benachteiligt, weshalb sie ihm nach § 15
Abs. 2
AGG eine Entschädigung schuldet.
Der persönliche Anwendungsbereich des
AGG ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter im Sinne des
AGG (
§ 6 Abs. 1 Satz 2 AGG). Die Beklagte ist Arbeitgeberin im Sinne von § 6
Abs. 2 Satz 1
AGG.
Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (
§ 15 Abs. 4 AGG, § 61 b
Abs. 1
ArbGG).
Die Beklagte ist verpflichtet an den Kläger eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Dies folgt auch § 15
Abs. 2
i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und § 7
Abs. 1
AGG i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 sowie
§ 82 Satz 2 SGB IX.
Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7
Abs. 1
AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus (§ 15
Abs. 2,
Abs. 1 Satz 1
AGG) und ist verschuldensunabhängig. Es untersagt im Anwendungsbereich des
AGG eine Benachteiligung wegen eines im
§ 1 AGG genannten Grundes,
u. a. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 81
Abs. 2 Satz 1
SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen (
vgl. § 81
Abs. 2 Satz 2
SGB IX, 1 ff
AGG).
Vorliegend wurde der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten von dieser unmittelbar wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt im Sinne von § 7
Abs. 1, § 3
Abs. 1, § 1
AGG i.V.m. § 81
Abs. 2 Satz 1
SGB IX.
§ 7
Abs. 1
AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach
§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine vorliegend gegebene unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes,
u. a. einer Behinderung, eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person, die in einer vergleichbaren Situation ist, erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Im Hinblick auf eine insbesondere bei einer Einstellung und Beförderung zu treffenden Auswahlentscheidung des Arbeitgebers befinden sich Personen grundsätzlich bereits dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie sich für dieselbe Stelle beworben haben (
vgl. BAG 07.08.2010 -
9 AZR 839/08). Dabei kommt es, sofern ein Bewerber vorab ausgenommen und damit vorzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wurde, nicht zwangsläufig ausschließlich auf den Vergleich mit dem/der letztlich eingestellten Bewerber/in an (
BAG 22.10.2015 -
8 AZR 384/14).
Das Benachteiligungsverbot des
§ 7 Abs. 1 AGG erfasst allerdings nur eine Ungleichbehandlung "wegen" eines in § 1
AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligten Behandlung und einem in § 1
AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund im Sinne von § 1
AGG das ausschließliche oder nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligten ist; er muss nicht gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund Hauptmotiv oder die "Triebfeder" des Verhaltens handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einem Grund im Sinne von § 1
AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei bloße Mitursächlichkeit genügt (
BAG 26.06.2014 -
8 AZR 547/13). Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs sind alle Umstände des Rechtsstreits im Sinne einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (EuGH 25.04.2013 - C 81/12;
BAG 22.10.2015 - 8 AZR 384/14).
Für den Rechtsschutz bei Diskriminierung sieht § 22
ArbGG im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach
§ 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (
BAG 11.08.2016 -
8 AZR 375/15).
Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes erfolgt ist (
vgl. BAG 21.06.2012 - 8 AZR 364/11; 15.03.2012 -
8 AZR 37/11). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (EuGH 25.04.2013 - C-81/12; 10.07.2008 - C-54/07;
BAG 26.09.2013 -
8 AZR 650/12). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (
vgl. BAG 18.09.2014 - 8 AZR 753/13). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und
ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1
AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (
vgl. BAG 17.08.2010 -
9 AZR 839/08). Die Beweiswürdigung erfolgt nach § 286
Abs. 1 Satz 1
ZPO unter Zugrundelegung der Vorgaben von § 22
AGG (
vgl. BAG 26.06.2014 -
8 AZR 547/13).
Die Verletzung der in
§ 82 Satz 2 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, eine/n schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Diese Pflichtverletzung ist nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (
vgl. BAG 22.10.2015 -
8 AZR 384/14; 26.06.2014 -
8 AZR 547/13).
Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts davon auszugehen, dass der Kläger eine ungünstigere Behandlung wegen seiner Schwerbehinderung erfahren hat und dass ihm deshalb eine Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG zusteht.
Der Kläger hat gegenüber dem letztlich eingestellten Bewerber sowie gegenüber anderen Bewerbern und Bewerberinnen, die zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden, eine ungünstigere Behandlung erfahren. Hierüber streiten die Parteien nicht.
Der Kläger wurde im Auswahlverfahren auch wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Die beklagte Stadt war als öffentliche Arbeitgeberin
i.S.d. § 71 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX nach § 82 Satz 2
SGB IX verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Von dieser Verpflichtung war sie nicht nach § 82 Satz 3
SGB IX ausnahmsweise wegen offensichtlichen Fehlens der fachlichen Eignung des Klägers befreit.
Bewirbt sich ein schwerbehinderter Mensch bei einem öffentlichen Arbeitgeber um eine zu besetzende Stelle, so hat dieser ihn nach § 82 Satz 2
SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Nach § 82 Satz 3
SGB IX ist eine Einladung nur dann entbehrlich, wenn dem schwerbehinderten Menschen die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Damit muss der öffentliche Arbeitgeber einem sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen die Chance eines Vorstellungsgesprächs auch dann gewähren, wenn dessen fachliche Eignung zwar zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist (
BAG 12.09.2006 -
9 AZR 807/05). Insoweit ist der schwerbehinderte Bewerber im Bewerbungsverfahren besser gestellt als nicht schwerbehinderte Konkurrenten (
BAG 22.10.2015 -
8 AZR 384/14).
Die beklagte Stadt hat gegen ihre Verpflichtung nach § 82 Satz 2
SGB IX verstoßen, den schwerbehinderten Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
Die beklagte Stadt kann hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, sie habe den Kläger bereits deshalb nicht zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, weil dieser nicht Bewerber
i.S.v. § 82 Satz 2
SGB IX gewesen sei. Der Kläger war "Bewerber"
i.S.d. § 82 Satz 2
SGB IX.
Der Begriff des Bewerbers
i.S.v. § 82 Satz 2
SGB IX entspricht dem Bewerberbegriff nach § 6
Abs. 1 Satz 2 Alt. 1
AGG. Diese Bestimmung enthält einen formalen Bewerberbegriff, wonach derjenige Bewerber ist, der eine Bewerbung eingereicht hat.
Die beklagte Stadt war von der Verpflichtung, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, auch nicht ausnahmsweise nach § 82 Satz 3
SGB IX befreit. Zur Beurteilung der fachlichen Eignung des/der Bewerbers/Bewerberin ist auf das in der veröffentlichten Stellenausschreibung enthaltene Anforderungsprofil abzustellen. Mit der Bestimmung eines Anforderungsprofils für die zu vergebende Stelle legt der Arbeitgeber die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest, an ihm werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber gemessen (
vgl. BVerfG 08.10.2017 - 2 BvR 1846/07). Der öffentliche Arbeitgeber hat im Anforderungsprofil die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie außerfachlichen Kompetenzen zu beschreiben, die ein Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigt und die dementsprechend der leistungsbezogenen Auswahl zugrunde zu legen sind. Aufgrund des Anforderungsprofils sollen einerseits geeignete Bewerber gefunden, andererseits ungeeignete Bewerber schon im Vorfeld der eigentlichen Auswahlentscheidung aus dem Kreis der in das engere Auswahlverfahren einzubeziehenden Bewerber ausgeschlossen werden. Mit der Festlegung des Anforderungsprofils wird ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen. Zugleich bestimmt der öffentliche Arbeitgeber mit dem Anforderungsprofil den Umfang seiner - der eigentlichen Auswahlentscheidung vorgelagerten - verfahrensrechtlichen Verpflichtung nach § 82 Satz 2 und Satz 3
SGB IX (
vgl. BAG 24.01.2013 -
8 AZR 188/12). Bei der Erstellung des Anforderungsprofils ist der öffentliche Arbeitgeber an die gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorgaben gebunden (
BVerwG 03.03.2011 -
5 C 16.10). Er hat das Anforderungsprofil ausschließlich nach objektiven Kriterien anzufertigen.
"Offensichtlich" fachlich nicht geeignet ist, wer "unzweifelhaft" insoweit nicht dem Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspricht (
vgl. BAG 20.01.2016 -
8 AZR 194/14). Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung rechtfertigen es nicht, von einer Einladung abzusehen, weil sich Zweifel im Vorstellungsgespräch ausräumen lassen können. Der schwerbehinderte Mensch soll nach § 82 Satz 2
SGB IX die Chance haben, sich in einem Vorstellungsgespräch zu präsentieren und den öffentlichen Arbeitgeber von seiner Eignung zu überzeugen (
vgl. BAG 22.10.2015 -
8 AZR 384/14).
Ob der schwerbehinderte Mensch für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet ist, ist anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil und dem (fachlichen) Leistungsprofil des Bewerbers oder der Bewerberin zu ermitteln (
BVerwG 03.03.2011 - 5 C 16.10). Lassen bereits die Bewerbungsunterlagen zweifelsfrei erkennen, dass die durch das Anforderungsprofil zulässig vorgegebenen fachlichen Kriterien nicht erfüllt werden, besteht für den öffentlichen Arbeitgeber keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
Zwar trifft den öffentlichen Arbeitgeber in einem Prozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der/die schwerbehinderte Bewerber/in offensichtlich fachlich ungeeignet ist. Bei § 82 Satz 3
SGB IX handelt es sich um einen Ausnahmetatbestand, nach dem die nach § 82 Satz 2
SGB IX erforderliche Einladung zu einem Vorstellungsgespräch "entbehrlich" ist. Allerdings muss der öffentliche Arbeitgeber bereits im Verlauf des Auswahlverfahrens prüfen und entscheiden können, ob er einen schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einladen muss oder ob er nach § 82 Satz 3
SGB IX von der Verpflichtung zur Einladung befreit ist. Diese Prüfung und Entscheidung muss der/die schwerbehinderte Bewerber/in dem öffentlichen Arbeitgeber durch entsprechende Angaben zu seinem/ihrem fachlichen Leistungsprofil in der Bewerbung
bzw. den beigefügten Bewerbungsunterlagen ermöglichen. Kommt der/die Bewerber/in dieser Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nach, geht dies regelmäßig zu seinen/ihren Lasten. Auch in einem solchen Fall besteht für den öffentlichen Arbeitgeber regelmäßig keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
In Anwendung dieser Grundsätze war die Beklagte vorliegend von der Verpflichtung, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht ausnahmsweise nach § 82 Satz 3
SGB IX befreit. Denn der Kläger war seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen. Die Beklagte war aufgrund der Angaben des Klägers in seinen Bewerbungsunterlagen in der Lage zu prüfen und zu entscheiden, ob sie den Kläger nach § 82 Satz 2
SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einladen musste oder ob sie davon absehen durfte. Der Kläger hatte in seinem Bewerbungsschreiben Angaben zu seiner fachlichen Qualifikation gemacht und diesem Schreiben einen Lebenslauf beigefügt, in dem er seine Abschlüsse
usw. im Einzelnen erläutert hat. Nach § 82 Satz 2
SGB IX müssen schwerbehinderte Bewerber/innen zwingend zudem auch dann zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, wenn eine Ersichtung der Bewerbungsunterlagen sicher ergibt, dass andere Bewerber deutlich besser geeignet sind. Dem Kläger fehlte auch nicht offensichtlich die fachliche Eignung. Zweifel an der fachlichen Eignung des Klägers wären zudem nicht ausreichend gewesen, um von einer Einladung zum Vorstellungsgespräch abzusehen. Der Kläger hätte vielmehr offensichtlich,
d. h. unzweifelhaft fachlich nicht geeignet sein müssen. Diese Voraussetzung ist vorliegend aber nach Maßgabe der Würdigung aller Umstände nicht gegeben. Nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Person substantiiertes Vorbringen der Beklagten fehlt insoweit; allein der Hinweis auf den vergleichsweise längeren Zeitraum der zwischen der Bewerbung und der vormaligen beruflichen Beschäftigung des Klägers mit der arbeitsvertraglichen Rechtsmaterie einerseits und die Kenntnisse hinsichtlich landesrechtlicher Besonderheiten im Verwaltungsverfahren genügen diesen Anforderungen nicht.
Die Beklagte hat die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt wurde, auch nicht widerlegt. Insoweit genügt es zur Widerlegung der auf den Verstoß gegen § 82 Satz 2
SGB IX gestützten Kausalvermutung nicht, wenn die Beklagte Tatsachen vorgetragen und
ggf. bewiesen hätte, aus denen sich ergab, dass ausschließlich andere Gründe als die Behinderung für die Benachteiligung des Klägers ausschlaggebend waren. Insoweit muss vielmehr hinzukommen, dass diese Gründe nicht die fachliche Eignung des Klägers betreffen. Diese zusätzliche Anforderung folgt auch aus § 82 Satz 3
SGB IX, wonach eine Einladung des schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch nur dann entbehrlich ist, wenn diesem die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Diese abschließende Regelung bewirkt, dass sich der potenzielle Arbeitgeber zur Widerlegung der infolge der Verletzung des § 82 Satz 2
SGB IX vermuteten Kausalität nicht auf Umstände berufen kann, die die fachliche Eignung des Bewerbers berühren. Die Widerlegung dieser Vermutung setzt daher den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung des Bewerbers berühren (
BAG 11.08.2016 - 8 AZR 375/15).
Derartige Umstände hat die Beklagte vorliegend nicht vorgetragen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem Klagebegehren des Klägers auch nicht der Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242
BGB;
vgl. BAG 11.08.2016 - 8 AZR 809/14) entgegen.
Das Arbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt:
"a) Vorliegend sprach das Wesentliche schon für eine bloße Scheinbewerbung ohne hinreichenden Beschäftigtenbezug und damit dem entgegen.
aa) Zwar gelten als Beschäftigte
i.S.d. AGG nach
§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG auch Bewerberpersonen um Beschäftigungsverhältnisse - und ihnen gegenüber der Stelleninserierende folgerichtig als Arbeitgeber
i.S.v. § 6
Abs. 2 Satz 1
AGG (zuletzt etwa
BAG 22.10.2015 -
8 AZR 384/14 - Rn. 11, NZA 2016, 625). Soweit es allerdings bloße "Scheinbewerbungen" sind, scheidet eine Berufung auf dieses Verhältnis notwendigerweise wieder aus. Denn wer sich nicht zu dem Zweck bewirbt, einen "Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit" zu erlangen, sondern - in missbräuchlicher Ausnutzung einer formalen Rechtspositionen - bloß einen ungerechtfertigten Vorteil sucht, braucht nicht und hat auch nicht den mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zur Umsetzung gelangten Schutz des Unionsrechts der Richtlinien 2000/78/
EG und 2006/54/
EG (
vgl. EuGH 28.7.2016 - C-493/15 [Kratzer] - Rn. 35
ff., NZA 2016, 1014).
bb) Für
AGG-Hopper, die sich weder subjektiv um eine Einstellung bemühen, noch objektiv für eine zu besetzenden Stellen ernsthaft in Betracht kommen, gilt kein Bewerberschutz (
vgl. nur Schaub/ Linck Arbeitsrechts-Handbuch 15. Aufl. § 36 Rn. 93). Das subjektiv-negative Merkmal wird bei hinreichenden Anhaltspunkten dafür erfüllt, dass wesentlicher Zweck der Bewerbungshandlung nur ein ungerechtfertigter Vorteil ist (sei es aufgrund künstlichen Charakters der Bewerbung oder anders). Das objektive Merkmal greift aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren Umstände, die für eine Nichterreichung des gesetzlichen Ziels (hier: dem Zugang zum konkreten Beruf) sprechen, durch (
vgl. zuletzt EuGH 28.7.2016 - C-493/15 [Kratzer] - Rn. 40
ff., a.a.O.).
cc) Der Kläger ist nach nicht substantiiert angegriffenem Beklagtenvortrag
AGG-Hopper, indem er sich immer wieder bei öffentlichen Arbeitgebern ohne Einstellungsziel, sondern allein um auf Absagen Entschädigungsklagen zu erheben und sein Einkommen aufzubessern, bewirbt. Seit 2006 fällt er den Beklagtenbevollmächtigten in dieser Weise auf und ebenso den kommunalen Arbeitgeberverbänden der großen Flächenbundesländer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern, wo vertretene Kommunen bereits auf ebensolche Zahlungen in Anspruch genommen wurden. Waren allein schon bei der benannten Kommunalversicherungsgesellschaft bis Mitte 2016 neben dem anhängigen noch weitere drei Entschädigungsverfahren des Klägers vorangemeldet, musste man unschwer auf das doppelte für das Jahr und das mithin zigfache Klägervorgehen in den aus den zurückliegenden Jahren schließen. Da sich dem Klägereinwand, die behaupteten Umstände seien "zum Teil" frei erfunden, nicht zweifelsfrei entnehmen ließ, was er in Abrede stellen und was gegen sich gelten lassen wollte, war der gesamte Einwand nach § 138
Abs. 2 und
Abs. 3
ZPO unerheblich.
dd) Der Klägerbewerbung war - subjektiv besehen - ein erkennbar künstlicher Gehalt eigen. Es konnte und musste dabei schon einen Eindruck von bloßem Anschein ausmachen, wenn die für entschädigungsträchtig erachteten Umstände im Bewerbungszusammenhang allenfalls verklausuliert ausgeführt waren (Busch jurisPR-ArbR 37/2016
Anm. 4 zu C). Hatte der Kläger in seinem Anschreiben nur am Ende eines längeren Textabschnitts und ohne optische Hervorhebung bloß annexhaft und ohne Bezug zum Vorstehenden die Worte "meine Schwerbehinderung " eingestreut, war ein solcher Eindruck bereits ausgelöst. Indem er hierzu gleich im Nachsatz noch entkräftend anschloss, solches sei für die Bewerbung belanglos ("..., die jedoch keinerlei Auswirkung ... hat"), erschwerte er dem verständigen Leser den im vorliegenden Streit für beanstandeten Behandlungszusammenhang im Hinblick auf Statusrechte nach
§§ 68 ff. SGB IX in nicht unerheblicher Weise. Ein nicht unwesentlicher Aspekt der Künstlichkeit ergab sich auch aufgrund des Klägerverweises auf primären E-Mail-Kontakt ("Für eine kurzfristige Kontaktaufnahme stehe ich Ihnen unter meiner E-Mail-Adresse ... jederzeit zur Verfügung.").
ee) Objektiv sprach gegen die Ernsthaftigkeit der Klägerbewerbung, dass der Kläger trotz Beklagtenaufforderung keine Umstände angeführt hatte, die sein anschreibensgemäßes Interesse an der Stelle verdeutlichten. Bei geboten generalisierender Betrachtung kennzeichnete die Klägerlaufbahn einen stetig positiven Verlauf. Nach Absolvierung beider Examen folgte auf die Einstiegsbeschäftigung als Volljurist im großstädtischen Rechtsamt die Leitung einer Rechtsschutzabteilung im flächendeckend operierenden Sozialverband und die anschließend eigene Kanzleigründung mit fortbildungsnachweisgemäß offensichtlich nicht unerheblichem Engagement und Anspruch. Sich hieraus um die Anstellung im bloß noch gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienst einer kreisangehörigen (Klein-) Stadt zu bewerben, ließ sich angesichts dessen nur als krasser Abstieg auffassen, der der Erklärung bedurfte. Selbst wenn der Kläger zuletzt nicht mehr den erwünschten Kanzleiertrag erwirtschaftet haben mochte, war solches weder in seiner Bewerbung irgendwie kenntlich gemacht, noch im vorliegenden Verfahren weiter substantiiert. Dem Kläger war auch aufgrund seiner mehr als ein Jahrzehnt zurückliegenden Einstiegsbeschäftigung im kommunalen Rechtsbereich ein vollständig passendes Bewerberprofil eigen. Mochte er auch aus den Anforderungsalternativen ("... Berufsausbildung/ Studium") eine der mehreren Alternativen, nämlich die "... Rechtswissenschaft [Erste Juristische Prüfung], Hochschulabschluss: Staatsexamen ..." erfüllt haben und bei seiner beruflichen Erstbeschäftigung vereinzelte Aufgaben erfüllt haben, die den Aufgabenschwerpunkten des ausgeschriebenen Stellen gleichkamen, blieben für den ganz überwiegenden Teil schon keinerlei konkretisierbare Erfahrungen mehr nachvollziehbar (namentlich nicht zu den der Spiegelstriche 1, 2, 4 und 9-15 der Ausschreibung). Der Kläger hatte im Übrigen zu den in neun Unterpunkte untergliederten Wunscheignungen ("Vorausgesetzt werden: ...") in seiner Bewerbung kein einziges Wort verloren. Der Beklagten war darüber hinaus zuzugestehen, dass neben dem beruflichen offensichtlich auch ein erhebliches örtliches Hindernis entgegenzustehen hatte. Der Kläger war den eingereichten Bewerbungsunterlagen nach in über fünfzig Jahren anscheinend nie nennenswert aus seiner Geburts- und Heimatstadt herausgekommen. Der mit Stellenerhalt eintretende soziale Einschnitt ließ sich nicht allein mit Hinweis auf den Unverheiratetenstatus ausblenden."
Dem folgt die Kammer nicht.
Nach § 242
BGB sind zwar durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (
vgl. BAG 17.03.2016 - 8 AZR 677/14). Allerdings führt nicht jedes Rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung
i.S.v. § 242
BGB vor (
BGH 28.10.2009 -
IV ZR 140/08).
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den - rechtshindernden - Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (
vgl. BAG 18.06.2015 -
8 AZR 848/13 (A)).
Danach hätte der Kläger die Rechtsstellung als Bewerber
i.S.v. § 6
Abs. 1 Satz 2
AGG treuwidrig erworben mit der Folge, dass die Ausnutzung dieser Rechtsposition rechtsmissbräuchlich wäre, wenn er sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber
i.S.v. § 6
Abs. 1 Satz 2
AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen (
vgl. BAG 13.10.2011 -
8 AZR 608/10).
Nach § 1
AGG ist es das Ziel des
AGG, in seinem Anwendungsbereich Benachteiligungen aus den in dieser Bestimmung genannten Gründen zu verhindern oder zu beseitigen. Nach § 2
Abs. 1
Nr. 1
AGG wird auch der Zugang zur Beschäftigung vom sachlichen Anwendungsbereich des
AGG erfasst. Nach dieser Bestimmung sind Benachteiligungen aus einem in § 1
AGG genannten Grund nach Maßgabe des Gesetzes
u. a. unzulässig in Bezug auf die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit. Aus diesem Grund fallen nicht nur Beschäftigte
i.S.v. § 6
Abs. 1 Satz 1
AGG, sondern auch Bewerber/innen für ein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 6
Abs. 1 Satz 2
AGG unter den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes, sie gelten danach als Beschäftigte
i.S.v. § 6
Abs. 1 Satz 1
AGG.
Bereits mit diesen Bestimmungen des
AGG hat der nationale Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass nur derjenige den Schutz des
AGG vor Diskriminierung einschließlich der in § 15
AGG geregelten Ersatzleistungen für sich beanspruchen kann, der auch tatsächlich Schutz vor Diskriminierung beim Zugang zur Erwerbstätigkeit sucht und dass hingegen eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers
i.S.v. § 6
Abs. 1 Satz 2
AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG geltend zu machen, sich nicht auf den durch das
AGG vermittelten Schutz berufen kann, sie kann nicht Opfer einer verbotenen Diskriminierung sein mit der Folge, dass ihr die in § 15
AGG vorgesehenen Sanktionen mit abschreckender Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber (
vgl. EuGH 25.04.2013 - C-81/12) zugutekommen müssten. Eine Person, die ihre Position als Bewerber
i.S.v. § 6
Abs. 1 Satz 2
AGG treuwidrig herbeiführt, missbraucht vielmehr den vom
AGG gewährten Schutz vor Diskriminierung.
Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242
BGB auch keinen unionsrechtlichen Bedenken (
vgl. EuGH 28.07.2016 - C-423/15).
Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt unionsrechtlich das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der betreffenden Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte (EuGH 28.07.2016 - C-423/15) die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden. Das Missbrauchsverbot ist allerdings nicht relevant, wenn das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils (EuGH 28.07.2016 - C-423/15). Die Prüfung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer missbräuchlichen Praxis erfüllt sind, hat gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts zu erfolgen. Diese Regeln dürfen jedoch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen (EuGH 17.12.2015 - C-419/14).
Sowohl aus dem Titel, als auch aus den Erwägungsgründen und dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78/
EG folgt, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder "in Beschäftigung und Beruf" gleichbehandelt wird, indem dem Betroffenen ein wirksamer Schutz vor Diskriminierung aus einem der in ihrem
Art. 1 genannten Gründe - darunter das Alter - geboten wird (EuGH 26.09.2013 - C-546/11). Ferner ergibt sich aus
Art. 3
Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/
EG - ebenso wie aus
Art. 1 Satz 2 Buchst. a und
Art. 14
Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/54/
EG -, dass diese Richtlinie für eine Person gilt, die eine Beschäftigung sucht und dies auch in Bezug auf die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für diese Beschäftigung (
vgl. EuGH 19.04.2012 - C-415/10).
Damit handelt eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers
i.S.v. § 6 abs. 1 Satz 2
AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG geltend zu machen, auch nach Unionsrecht rechtsmissbräuchlich (
vgl. EuGH 28.07.2016 - C-423/15).
Vorliegend sind nach dem Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen die Voraussetzungen für den durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand nicht gegeben. Das gilt weder für die maßgeblichen Einzelumstände für sich betrachtet noch in der Gesamtschau. Das gilt insbesondere für den Hinweis der Beklagten, dass sich der Kläger als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei nach zwölfjähriger selbstständiger Tätigkeit ernstlich auf eine Sachbearbeitertätigkeit wie vorliegend, noch dazu räumlich weit entfernt, bewerbe. Denn das ein bisher in eigener Kanzlei tätiger Anwalt - wie der Kläger - einen beruflichen Wechsel anstrebt, kann vielfältige Gründe haben (
vgl. BAG 11.08.2016 - 8 AZR 809/14). Insbesondere hat der Kläger ohne weiteres unter Vorlage seiner Einkommenssteuerbescheide belegt, dass seine selbstständige Tätigkeit keineswegs hinreichend auskömmlich ist und dass es ihm darum ging, für sich die Möglichkeit einer neuen beruflichen Betätigung mit einem gesicherten Einkommen zu eröffnen, auch wenn dies mit einem Ortswechsel verbunden ist. Im Übrigen hat der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, im Prinzip örtlich ungebunden zu sein. Aus dem Bewerbungsschreiben des Klägers lassen sich keine objektiven Umstände entnehmen, die den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten erlauben würden. Gleiches gilt für das Geltendmachungsschreiben des Klägers sowie die Umstände der späteren gerichtlichen Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs. Auf Rechtsmissbrauch kann zudem nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versandt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat (
BAG 18.06.2015 - 8 AZR 848/13 (A); 24.01.2013 - 8 AZR 429/11). Denn ein solches Verhalten für sich betrachtet lässt sich ebenso damit erklären, dass ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der jeweiligen Stelle besteht und dass der Bewerber, weil er sich entgegen den Vorgaben des
AGG bei der Auswahl- und Besetzungsentscheidung diskriminiert sieht, mit der Entschädigungsklage zulässigerweise sein Recht nach dem
AGG wahrnimmt. Insoweit müssen im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten rechtfertigen. Dies kann in diesem Zusammenhang nur angenommen werden, wenn sich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen der Person feststellen lässt, das auf der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher "Gewinn" verbleiben, weil der Arbeitgeber - sei es bereits unter dem Druck einer angekündigten Entschädigungsklage oder im Verlaufe eines Entschädigungsprozesses - freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlässt (
BAG 11.08.2016 - 8 AZR 809/14). Selbst wenn der Kläger sich aber häufig auf Stellen beworben hat und bewirbt, rechtfertigt dies nicht den Schluss auf ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Klägers. Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer der gegenteiligen Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten vorliegend nicht zu folgen.
Gemäß § 15
Abs. 2
AGG kann der Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs dient § 15
Abs. 2
AGG dazu, die Forderung der RL 2000/78/
EG sowie der Rechtsprechung des EuGH (22.04.1997 - C-180/95) nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestatteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbots durch den Arbeitgeber umzusetzen (
BAG 22.10.2015 -
8 AZR 384/14).
Ausgehend von der Berechnung des Klägers hinsichtlich des insoweit zu berücksichtigenden Monatseinkommens, dem die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten ist, hält die Kammer drei Monatsentgelte für angemessen, erforderlich, um eine ausreichende Sanktion darzustellen, aber auch letztlich für ausreichend. Anhaltspunkte für die Festsetzung eines höheren Betrages bestehen nicht. Deshalb kann dahinstehen, ob der Kläger auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Besondere Umstände für die Festsetzung einer höheren angemessenen Entschädigung ergeben sich insbesondere nicht aus einem besonderen wirtschaftlichen Interesse des Klägers. Der Kläger hat zwar unter Vorlage von Ablichtungen seiner Einkommensteuerbescheide belegt, dass er mit seiner selbstständigen Anwaltstätigkeit kein auskömmliches Einkommen erzielt hat. Ob und inwieweit er weitere Einkünfte, aus welcher Rechtsgrundlage auch immer, erzielt, lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen. Insbesondere hat er trotz einer entsprechenden Auflage der Kammer keinerlei Angaben zu den zusätzlichen Einkünften wegen entsprechender Diskriminierungsentschädigung gemacht, sondern lediglich darauf hingewiesen, über weitere als die nachgewiesenen steuerpflichtigen Einkünfte verfüge er nicht.
Das weitere Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts.
Folglich war die angefochtene Entscheidung teilweise aufzuheben und der Klage im ausgeurteilten Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, 97
Abs. 1
ZPO.
Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72
ArbGG keine Veranlassung gegeben.