Entscheidungsgründe
I.
Die
gem. §§ 64
Abs. 2 b), 8
Abs. 2
ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat seine Berufung fristgerecht eingereicht und ausreichend begründet.
1. Der Kläger hat seine Klage mit der Berufung mehrfach erweitert und ergänzt. Er fordert eine Entschädigung gemäß
§ 15 Abs. 2 AGG von insgesamt 20.000,00
EUR, statt wie in erster Instanz nur 10.000
EUR geltend zu machen. Außerdem hat er seine Zahlungsansprüche auf ungekürzte Zulagen für Januar 2017 bis Oktober 2018 neu berechnet und um die Zulagen für November 2018 bis März 2020 ergänzt. Seinen Beschäftigungsanspruch stützt er hilfsweise auf Tätigkeiten, die er im ersten Rechtszug noch nicht angeführt hatte.
Die Beklagte hat Klageerweiterungen widersprochen.
2. Die Klageerweiterung in der Berufung auf eine höhere Entschädigung nach § 15
Abs. 1
AGG ist zulässig gemäß § 533
ZPO i.V.m. § 67
ArbGG.
Im Übrigen liegen keine Klageerweiterungen im Rechtssinne vor.
a) Soweit der Kläger eine höhere Entschädigung gemäß § 15
Abs. 2
AGG fordert, liegt eine Klageerweiterung in der Berufung vor. Diese ist zulässig.
aa) Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf Entschädigung, ebenso wie eine Klage auf Schmerzensgeld nach § 253
BGB, unbeziffert erhoben werden kann. Ein Kläger muss aber ausreichende Tatsachen für die Bemessung des Anspruchs vortragen und die ungefähre Größenordnung angeben (
BAG Urteil vom 17. August 2010 -
9 AZR 839/08 - NZA 2011, 153, Rz. 16;
BAG Urteil vom 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 - NZA 2010, 387, Rz. 17; Bauer/Krie-ger/Günther,
AGG, 5. Aufl., § 15 Rz. 37).
Ebenso wie bei einer Klage auf Schmerzensgeld ist die klagende Partei durch ein Urteil beschwert, wenn das Gericht bei der Festsetzung der Höhe unter der angegeben Betragsvorstellung bleibt (
vgl. BGH Urteil vom 2. Oktober 2001 -VI ZR 356/00 - NJW 2002, 212, Rz. 6; zu einer Anschlussberufung auf höhere Entschädigung:
BAG Urteil vom 16. Februar 2012 -
8 AZR 697/10 - NZA 2012, 667, Rz. 75).
Bei einem Rechtsmittel auf eine höhere Entschädigung kann deshalb eine Klageerweiterung nur angenommen werden, wenn der Kläger nicht nur eine höhere Größenordnungsvorstellung äußert, sondern auch der Streitgegenstand verändert wird (
vgl. BGH Urteil vom 10. Oktober 2002 - III ZR 205/01 - NJW 2002, 3769, Rz. 10, 13). Dies ist hier anzunehmen. Der Kläger hat seine Klageforderung auf den Hinweis vom 19. Juli 2019 (Bl. 410 d.A.) und die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2019 klargestellt. Er macht nach der Antragsformulierung ausdrücklich eine "weitere Entschädigung" geltend und begründet die Erhöhung der Entschädigung von 10.000,00
EUR auf 20.000,00
EUR mit weiterem diskriminierenden Verhalten der Beklagten. Dieses habe sie nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils fortgesetzt, weil sie ihm auf seine Bewerbungen keine Anstellung als Fahrgastbetreuer anbot, ihn nicht behinderungsgerecht beschäftigte und kein ordnungsgemäßes Präventionsverfahren durchgeführt habe.
Prozessual bestimmt sich der Gegenstand eines Verfahrens nach dem im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff durch den gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrundeliegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund). Der Streitgegenstand
i.S.d. § 253
Abs. 2
Nr. 2
ZPO erfasst alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht unterbreitet hat (
BAG Urteil vom 30. Januar 2019 - 5 AZR 43/18 - NZA 2019, 768, Rz. 19). Da der Kläger seinen Entschädigungsanspruch auf Verhalten der Beklagten stützt, welches erst nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts am 16. November 2016 stattfand, hat er den Streitgegenstand erweitert und damit geändert. Daher ist seine Klage auf eine höhere Entschädigung gemäß § 15
Abs. 2
AGG als Klageerweiterung zu bewerten.
bb) Die Klageerweiterung ist als sachdienlich gemäß § 533
Nr. 1
ZPO anzusehen. Die Sachdienlichkeit einer Klageänderung ist im Allgemeinen erst dann zu verneinen, wenn in der Berufungsinstanz ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt würde, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden könnte (
BAG Urteil vom 6. Dezember 2001 - 2 AZR 733/00 - AP
Nr. 3 zu § 263
ZPO, Rz. 34). Für die Frage, welcher Prozessstoff zu berücksichtigen ist, ist auf § 67
ArbGG abzustellen.
Der Kläger begründet die Höhe der geforderten Entschädigung gerade damit, dass das diskriminierende Verhalten der Beklagten als Dauertatbestand bewertet werden müsse. Für eine Beurteilung, ob der Kläger gemäß
§ 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX behinderungsgerecht beschäftigt wird, ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (
BAG Urteil vom 10. Mai 2005 -
9 AZR 230/04 - NZA 2006, 155, Rz. 51). Daher ist der zur Begründung des Anspruchs nach § 15
Abs. 2
AGG vom Kläger herangezogene Sachverhalt ohnehin teilweise zu berücksichtigen. Er kann auch nicht von dem Sachverhalt getrennt werden, der für die Höhe der Entschädigung angeführt wird. Die Klageerweiterung ist damit sachdienlich
i.S.d. § 533
Nr. 1
ZPO i.V.m. § 67
ArbGG. Hiervon ist die Frage zu trennen, ob das Verhalten der Beklagten nach der Ablehnung der ersten Bewerbung des Klägers vom 15. Januar 2018 zu berücksichtigen war und diskriminierend ist. Das betrifft die Begründetheit des Anspruchs.
b) Durch seine Anträge auf Beschäftigung als Fahrgastbetreuer, hilfsweise als Mitarbeiter im TicketCenter und weiter hilfsweise mit anderen Tätigkeiten, hat der Kläger seine Klage in der Berufung nicht geändert oder erweitert. § 533
ZPO ist nicht zu prüfen.
aa) Der Kläger begehrt, dass ihm eine andere Beschäftigung zugewiesen wird als die, welche er ausübt. Er stützt seinen Anspruch auf § 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX. Der besondere Beschäftigungsanspruch eines schwerbehinderten Arbeitnehmers entsteht unmittelbar kraft Gesetzes und kann ohne vorherige Vertragsänderung geltend gemacht werden. Der Anspruch ist auf solche Tätigkeiten beschränkt, für die der Schwerbehinderte nach seinen Fähigkeiten und Kenntnissen unter Berücksichtigung seiner Behinderung befähigt ist (
BAG Urteil vom 10. Mai 2005 - 9 AZR 230/04 - NZA 2006, 155, Rz. 30, 36 f.).
Ein Klageantrag, in welchem mehrere Tätigkeiten zur Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs angeführt sind, ist nicht unbestimmt und verstößt nicht gegen § 253
Abs. 2
Nr. 2
ZPO. § 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX räumt keinen Anspruch auf einen selbst bestimmten Arbeitsplatz ein. Bei der Angabe eines einzigen konkreten Arbeitsplatzes liefe der Arbeitnehmer deshalb in Gefahr, dass seine Klage abgewiesen würde, weil der Arbeitgeber ihm einen anderen Arbeitsplatz zuweisen darf. Ein Antragsteller ist deshalb gehalten, unterschiedliche Tätigkeiten anzuführen, die nach seiner Auffassung entsprechend seinen Fähigkeiten und Kenntnissen unter Berücksichtigung seiner Behinderung und den festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen ausüben kann (
BAG Urteil vom 3. Dezember 2019 -
9 AZR 78/19 - NZA 2020, 578, Rz. 11;
BAG Urteil vom 10. Mai 2005 - 9 AZR 230/04 - NZA 2006, 155, Rz. 31, 34; Schlegel/Voelzke-Fabricius, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 164
SGB IX Rz. 29). Erforderlich und ausreichend ist die Bezeichnung eines Berufsbilds, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, wenn sich damit hinreichend bestimmt feststellen lässt, worin die ihm zuzuweisende Tätigkeit bestehen soll (
BAG Urteil vom 3. Dezember 2019 - 9 AZR 78/19 - NZA 2020, 578, Rz. 11).
bb) Der Kläger zeigt durch seine Antragstellung (vier Anträge, Wechsel bei der von ihm gebildeten Rangordnung der Tätigkeiten mit Einlegen der Berufung), dass er bestimmte Tätigkeiten als für ihn geeigneter beurteilt oder bevorzugt. Eine solche Konkretisierung, die über die vorstehend dargelegten Anforderungen hinausgeht, ist unschädlich. Streitgegenstand ist, ob die Beklagte dem Kläger eine andere Tätigkeit zuweisen muss, wenn die derzeit von ihm ausgeübte seinen Beschäftigungsanspruch als schwerbehinderter Mensch nicht erfüllt. Dieser Streitgegenstand ist nicht dadurch verändert worden, dass der Kläger mit der Berufung seine Prioritäten geändert und weitere Beschäftigungsalternativen aufgezeigt hat.
Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 24. April 2020 zusätzliche Hilfsanträge ankündigte, um auf aus seiner Sicht abweichende Bezeichnungen bestimmter Tätigkeiten durch die Beklagte zu reagieren, ist die Klage ebenfalls nicht erweitert worden. Er hat diese Tätigkeiten schon mit der Berufungsbegündung angeführt. Die Anträge zu 44.) und 45.) sind als Klarstellung der Anträge zu 3.) und 4.) ohne eigenen Gehalt zu verstehen.
c) Der Kläger kann im Berufungsverfahren seine Zahlungsansprüche neu berechnen und um während der Fortdauer des Rechtsstreits fällig gewordene weitere Ansprüche erweitern. Dies stellt keine Klageänderung und -erweiterung (§ 533
ZPO) dar, sondern wird von § 264
Nr. 2
ZPO erfasst. Sämtlichen Zahlungsansprüchen auf Differenzvergütung ist gemeinsam, dass der Kläger ihre Weiterzahlung in dem Umfang fordert, der ihm zustehen würde, falls für ihn noch die Regelungen für Fahrer im Fahrdienst gelten.
II.
Die Berufung ist nur teilweise begründet.
1. Die Beklagte ist nicht gemäß § 15
Abs. 2
AGG verpflichtet, dem Kläger eine Entschädigung zu zahlen, deren Höhe über dem Betrag von 2.834,19
EUR liegt, den das Arbeitsgericht Frankfurt am Main schon zugesprochen hat. Die Berufung ist nicht begründet, soweit der Kläger eine höhere Entschädigung fordert.
a) Die Beklagte hat ihre Verurteilung zur Zahlung von 2.834,19
EUR an den Kläger als Entschädigung nicht durch eine eigene Berufung oder Anschlussberufung angegriffen. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur, ob der Kläger gemäß § 15
Abs. 2
AGG eine höhere Entschädigung verlangen kann.
b) Dem Kläger steht keine höhere Entschädigung zu, der festgesetzte Betrag ist angemessen.
Für die Beurteilung, welche Höhe einer festzusetzenden Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG angemessen ist, sind alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz gewähren und der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie eine abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (
BAG Urteil vom 11. August 2016 - 8 AZR 406/14 - AP
Nr. 22 zu § 15
AGG, Rz. 101).
aa) Es kann dahinstehen, ob die Bewertung des Arbeitsgerichts, die Beklagte sei dem Kläger in Bezug auf seine Bewerbung vom 15. Januar 2018 dem Grunde nach zu eine Entschädigung verpflichtet, in Rechtskraft erwachsen ist.
Denn die Beklagte ist auch nach Auffassung des Berufungsgerichts verpflichtet, dem Kläger einer Entschädigung gemäß § 15
Abs. 2
AGG zu zahlen, weil sie ihn anlässlich seiner Bewerbung vom 15. Januar 2018 benachteiligt hat. Die Beklagte hat die Vermutung der Benachteiligung nicht widerlegt. Diese ergibt sich daraus, dass sie die Schwerbehindertenvertretung im Bewerbungsverfahren entgegen § 164
Abs. 1
S. 6
SGB IX nicht beteiligte. Der Kläger hat seinen Anspruch frist- und formgerecht geltend gemacht. Es wird insoweit den Entscheidungsgründen des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. November 2018 gefolgt, auf welche gemäß § 69
Abs. 2
ArbGG verwiesen wird.
bb) Entgegen der Auffassung des Klägers ist das weitere Verhalten der Beklagten seit dem 19. März 2018, als sie die Bewerbung des Klägers ablehnte, nicht außerhalb der Klageerweiterung (dazu unten, siehe c) zu berücksichtigen. Der für die Festsetzung der Entschädigung als maßgeblich heranzuziehende Sachverhalt ist abgeschlossen.
(1) Es wird vermutet, dass die Beklagte den Kläger anlässlich seiner Bewerbung vom 15. Januar 2018 benachteiligte. Dieses Bewerbungsverfahren ist mit der Absage an den Kläger und der Einstellung eines anderen Bewerbers beendet worden.
Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe ihn auch bei seinen weiteren Bewerbungen vom 22. Oktober 2018 und 27. August 2019 auf eine Stelle als Fahrgastbetreuer diskriminiert, handelt es sich um eigenständig zu prüfende Lebenssachverhalte, die jeweils einen Entschädigungsanspruch nach § 15
Abs. 2
AGG auslösen können. Unterstellt man hier ohne weitere Prüfung, dass die Beklagte erneut gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen hat, würde ein weiterer Verstoß eine - gegenüber dem ersten Verstoß - höhere Entschädigung erfordern (
vgl. BAG Urteil vom 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - NZA 2010, 1412, Rz. 69; Bauer/Krieger/Günther,
AGG, 5. Aufl., § 15 Rz. 36; Schleusener/
Suckow/Voigt,
AGG, 4. Aufl., § 15 Rz. 51). Das Wiederholen einer Benachteiligung in einem weiteren Bewerbungsverfahren rechtfertigt aber nicht, rückschauend die für zeitlich erste Benachteiligung zu leistende Entschädigung zu erhöhen.
(2) Es ist auch nicht zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Kläger - wie er geltend macht - möglicherweise fortdauernd in seinem Recht auf eine behinderungsgerechte Beschäftigung gemäß § 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX verletzt, indem sie ihm auf seine Bewerbungen um Stellen als Fahrgastbetreuer keine der ausgeschriebenen Stellen zuweist, sondern diese mit anderen Personen besetzt.
Der Beschäftigungsanspruch nach § 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX ist von einer Bewerbung um eine ausgeschriebene Stelle und einer möglichen Diskriminierung im Bewerbungsverfahren zu trennen. Da der Beschäftigungsanspruch unmittelbar kraft Gesetzes entsteht, ist es gerade nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer eine Vertragsänderung verlangt und sich bewirbt (
BAG Beschluss vom 15. Oktober 2013 -
1 ABR 25/12 - NZA 2014, 214, Rz. 24;
BAG Urteil vom 10. Mai 2005 - 9 AZR 230/04 - NZA 2006, 155, Rz. 36). Bei einer unbeschränkten Ausschreibung einer Stelle hat ein/e Bewerber/in allenfalls ein subjektives Recht auf chancengleiche Teilnahme an dem Bewerbungsverfahren (für Stellen des öffentlichen Dienstes:
BAG Urteil vom 3. Dezember 2019 - 9 AZR 78/19 - NZA 2020, 578, Rz. 30;
BAG Urteil vom 19. Mai 2019 - 9 AZR 837/13 - NZA 2015, 1074, Rz. 16). Ein Bewerbungsverfahren ist mit der Besetzung der Stelle beendet.
Es entsteht kein Dauertatbestand seit einer (ersten) Bewerbung, welcher erst mit einer gerichtlichen Entscheidung über den Anspruch nach § 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX beendet würde, (nur) weil der/die Bewerber/in sich nach Fähigkeiten und Kenntnissen unter Berücksichtigung der Behinderung für geeignet hält.
cc) Die Entschädigungssumme ist angemessen. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger als Fachkraft Service & Info (Fahrgastbetreuer) in der
EG 5, Stufe 5, ein Monatsbruttogehalt von 2.384,19
EUR verdienen würde (
vgl. Monatsentgelttabelle als Anlage K18 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. November 2018, Bl. 232 d.A). Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten. Die ihm als fahrdienstunfähigen ehemaligen Fahrer weiter zu zahlenden Zuschläge sind nicht zu berücksichtigen. Der Kläger wurde darüber hinaus zum Zeitpunkt seiner Bewerbung von der Beklagten beschäftigt und vergütet.
Es ist auch keine Entschädigung in Höhe eines mehrfachen Bruttomonatseinkommens geboten. Es liegt keine besonders schwere Benachteiligung vor. Die Beklagte hat einen anderen, internen Bewerber eingestellt, der einem schwer behinderten Menschen gleichgestellt ist. Das weitere Verhalten der Beklagten ist in Bezug auf die Bewerbung des Klägers vom 15. Januar 2018, bei der er benachteiligt wurde, nach dem oben Ausgeführten nicht erheblich.
Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er bei benachteiligungsfreier Auswahl eingestellt worden wäre. Es ist als unstreitig anzusehen, dass die Beklagte verpflichtet ist, interne behinderte Bewerber bevorzugt einzustellen. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Kläger eingestellt worden wäre, da sich auf die Stelle auch andere interne Bewerber mit Einschränkungen beworben haben. Darüber hinaus ist der Stellenausschreibung der Beklagten (Anlage K7 zum Schriftsatz des Klägers vom 18. Mai 2018, Bl. 113 d.A.) zu entnehmen, dass Personen mit Englischkenntnissen bevorzugt gesucht wurden. Der Kläger verfügt über keine Englischkenntnisse.
c) Dem Kläger steht auch keine zusätzliche Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG zu.
Der Kläger kann wegen des Verhaltens der Beklagten nach der Ablehnung seiner Bewerbung vom 15. Januar 2018 am 19. März 2018 eine weitere nach
§ 7 AGG pönalisierte Benachteiligung erfahren haben. Insofern liegt eine Klageerweiterung vor.
Der Vortrag des Klägers genügt aber nicht, um eine weitere Diskriminierung feststellen zu können.
aa) Der Kläger hat mit Schreiben vom 13. März 2019 (Anlage BK2 zur Berufungsbegründung, Bl. 342 d.A.) eine Entschädigung wegen der Ablehnung seiner Bewerbung vom 22. Oktober 2018 durch das Schreiben vom 14. Januar 2019 (Anlage BK1 zur Berufungsbegründung, Bl. 341 d.A.) gefordert.
Die Beklagte ist Arbeitgeberin
i.S.v. §§ 164
Abs. 2
S. 1
SGB IX, 6
Abs. 2
S. 1
AGG. Der Kläger ist ein schwerbehinderter Mensch.
Die von dem Kläger vorgetragenen Tatsachen lassen keine Benachteiligung wegen dessen Behinderung vermuten. Die Schwerbehindertenbvertretung war beteiligt, der Kläger ist zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Der Vertrauensmann der Schwerbehinderten hat der Absage an den Kläger zugestimmt (
vgl. Anlage BB1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 26. Juni 2019, Bl. 408d.A.). Das von dem Kläger gerügte Desinteresse an seiner Person im Vorstellungsgespräch und die Einstellung anderer Bewerber/innen als Fahrgastbetreuer
bzw. Fahrgastbetreuerin genügen nicht als Indizien für eine Benachteiligung gemäß
§ 22 AGG. Auf das Bewerbungsverfahren hat die Beklagte einen schwerbehinderten Bewerber, Herrn J, eingestellt.
bb) Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass die Beklagte fortdauernd seinen Beschäftigungsanspruch nach § 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX vereitelte, rechtfertigt dies keine Entschädigung. Der Kläger macht zwar geltend, dass er im Verhältnis zu anderen Arbeitnehmern der Beklagten mit einem Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung benachteiligt werde, denn diese würden nicht als "Schienenbahnfahrer ohne Fahrertätigkeit" eingesetzt, sondern mit Aufgaben beschäftigt, für die er ebenfalls geeignet sei.
Dieser Vorwurf kann jedoch keine Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG rechtfertigen. Der Kläger ist nicht gemäß §§ 7,
1 AGG benachteiligt worden, weil die Beklagte, wie er geltend macht, ihn mit minderwertigen Tätigkeiten beschäftigt und über mehrere Jahre kein Präventionsverfahren nach
§ 167 SGB IX durchführte.
Einem auf eine Diskriminierung gestützten Anspruch steht zudem bereits entgegen, dass er nicht nach § 15
Abs. 4
AGG geltend gemacht wurde. Das Schreiben vom 13. März 2019 (Anlage BK2 zur Berufungsbegründung, Bl. 342 d.A.) bezieht sich nur auf die konkrete Bewerbung des Klägers vom 22. Oktober 2018, zu der er am 14. Januar 2019 eine Absage der Beklagten erhielt.
2. Die Berufung ist in Bezug auf die Forderung nach einer behinderungsgerechten Beschäftigung gerechtfertigt.
Die Beklagte ist gemäß § 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX verpflichtet, dem Kläger eine Tätigkeit in der Fahrgastbetreuung zuzuweisen und ihn nicht weiter als "Schienenbahnfahrer ohne Fahrertätigkeit im Endhaltestellenservice" zu beschäftigen.
a) Die Beklagte beschäftigt den Kläger derzeit nicht behinderungsgerecht, so dass er nach § 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX Anspruch auf eine Beschäftigung hat, bei der er seine Fähigkeiten und Kenntnisse verwerten und weiterentwickeln kann.
aa) Ein Beschäftigungsanspruch nach § 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX setzt voraus, dass der Arbeitgeber den schwerbehinderten Menschen nicht mehr vertragsgemäß beschäftigen kann. Aus der Vorschrift folgt kein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf einen bestimmten Arbeitsplatz, der den Neigungen entspricht (
BAG Urteil vom 3. Dezember 2019 - 9 AZR 78/19 - NZA 2020, 578, Rz. 11;
BAG Urteil vom 10. Mai 2005 - 9 AZR 230/04 - NZA 2006, 155, Rz. 34;
BAG Urteil vom 3. Dezember 2002 -
9 AZR 481/01 - NZA 2003, 1215, Rz. 22). Typischerweise wird in Rechtsstreiten um eine leidens- und behinderungs-gerechte Beschäftigung gestritten, in denen - unstreitig - die bisherige Tätigkeit überhaupt nicht mehr ausgeübt werden kann (
vgl. z.B. BAG Urteil vom 3. Dezember 2019 - 9 AZR 78/19 - NZA 2020, 578;
BAG Urteil vom 4. Oktober 2005 -
9 AZR 632/04 - NZA 2006, 1691;
BAG Urteil vom 10. Mai 2005 - 9 AZR 230/04 - NZA 2006, 155). Ein Anspruch auf eine behinderungsgerechte Beschäftigung kommt aber auch in Betracht, wenn ein Arbeitgeber einen schwerbehinderten Menschen zwar noch beschäftigt, ihn aber nur "unterwertig" einsetzt, obwohl Alternativen bestehen (
vgl. BAG Urteil vom 4. Mai 1962 -
1 AZR 128/61 - NJW 1962, 1083, Rz. 10). Ein Anspruch kann daher ebenfalls zu bejahen sein, wenn die dem Schwerbehinderten zugewiesene Arbeit nicht mehr als vertragsgemäß bewertet werden kann und der Arbeitgeber seine gesteigerte Fürsorgepflicht (
vgl. Schlegel/Voelzke-Fabricius, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 164
SGB IX Rz. 66) nicht erfüllt. Ein Arbeitgeber wird dem Anspruch auf eine vertragsgemäße Beschäftigung auch nicht dadurch gerecht, dass er eine Tätigkeit überträgt, die nur geringere Qualifikationsmerkmale erfüllt, aber die der bisherigen Tätigkeit entsprechende Vergütung weiterzahlt (
vgl. BAG Urteil vom 19. Mai 2010 -
5 AZR 162/09 - NZA 2010, 3112, Rz. 37; ErfK-Preis, 20. Aufl., § 106 GewO Rz. 22).
bb) Der Kläger wird als "Schienenbahnfahrer ohne Fahrertätigkeit im Endhaltestellenservice" nicht vertragsgemäß, sondern unterwertig beschäftigt. Die Tätigkeit genügt nicht den Anforderungen nach § 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX (bis 31.12.2017:
§ 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX aF).
(1) Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger werde mit allen Aufgaben eines Schienenbahnfahrers, ausschließlich der Fahrtätigkeit, beschäftigt. Seine berufliche Qualifikation sei für den Endhaltestellenservice erforderlich.
Dieser Bewertung kann nicht gefolgt werden, wobei auf die vom Kläger zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erfüllten Aufgaben abzustellen ist (
vgl. BAG Urteil vom 10. Mai 2005 - 9 AZR 230/04 - NZA 2006, 155, Rz. 51).
Der Kläger hat auf den Hinweis vom 19. Juli 2019, er möge darlegen, warum die von ihm ausgeübte Tätigkeit nicht den Anforderungen nach § 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX genüge (Bl. 410 d.A.) zusammengefasst vorgetragen, dass er faktisch keine Aufgaben wahrnehme, für die er die Ausbildung und Qualifikation eines Fahrers benötige. Die von der Beklagten geschilderte Entlastung der anderen Schienenbahnfahrer finde praktisch nicht statt, diese würden an den Endhaltestellen keine Aufgaben auf ihn übertragen. Seine Tätigkeit in Bezug auf die an den Endhaltestellen einfahrenden U-Bahnen beschränke sich darauf, durch den Zug zu gehen und Fundsachen an den Fahrer weiterzugeben oder Abfall zu beseitigen. In drei Jahren habe er nur
ca. viermal für einen Fahrer einen Fahrstandswechsel vorgenommen. Die Beklagte ist diesem Vorbringen nicht mit Tatsachenvortrag entgegengetreten. Sie hat sich darauf beschränkt vorzutragen, dass eine Delegation von Aufgaben durch einen Fahrer auf den Kläger rechtlich zulässig und sinnvoll sei. Entgegen der am 9. Oktober 2019 verkündeten Auflage (Sitzungsniederschrift Bl. 534 d.A) hat sie keine Angaben dazu gemacht, in welchem Umfang der Kläger tatsächlich die Aufgaben ausführen muss, für die er eine Qualifikation als Schienenbahnfahrer benötigt (Aufrüsten ankommender Züge/Bereitmachen zur Abfahrt, Signalanforderung bei Ausfahrt Endhaltestelle G). Soweit sie geltend macht, sie könne nicht überprüfen, mit welcher Häufigkeit bestimmte Tätigkeiten bei dem Kläger anfallen würden, dies würde gegen kollektivrechtliche Bestimmungen verstoßen, kann das nicht nachvollzogen werden. Der Einsatz der Klägers als Fahrer ohne Fahrtätigkeit an den Endhaltestellen ist von der Beklagten gerade damit begründet worden, dass der Kläger die Fahrer entlasten könne und dadurch auch Verspätungen vermieden würden. Es wäre zu erwarten, dass sie in eigenem Interesse überprüft, ob eine solche Entlastung stattfindet und die Pünktlichkeit der U-Bahnen durch den Einsatz eines Mitarbeiters mit der Qualifikation eines Schienenbahnfahrers verbessert wird. Außerdem müsste die Beklagte überprüfen, ob die Tätigkeit des Klägers noch ihrer Eingruppierung entspricht.
Auf der Grundlage dieses beiderseitigen Vortrags kann deshalb nicht festgestellt werden, dass der Kläger in einem überhaupt relevanten Umfang eine Tätigkeit ausübt, für welche er als Schienenbahnfahrer qualifiziert sein muss. Daher wird er nicht entsprechend den Vereinbarungen der Parteien vom 16. September 1999, 12. April 2000 und 15. Januar 2002 vertragsgemäß beschäftigt.
Die Tätigkeit ist unterwertig, soweit der Kläger nicht vorübergehend über den Bereich "Zentrale Servicedienste" in der Fahrgastinformation und -lenkung eingesetzt wird. Sie beschränkt sich im Wesentlichen auf das Durchschreiten der an den Endhaltestellen eingetroffenen Züge. Dabei hat der Kläger umherliegenden Abfall in die vorhandenen Behälter zu entsorgen, jedoch keine groben Verunreinigungen zu beseitigen, und den Zug auf Fundsachen und
evtl. im Zug verbliebene Fahrgäste zu kontrollieren. Die Verantwortung für nicht zuzuordnende Gegenstände, die einen Notruf oder die Räumung des Zuges erforderlich machen könnten, liegt bereits beim Fahrer des Zuges, ebenso für hilflose Fahrgäste. Soweit die Beklagte weitere Tätigkeiten des Klägers angeführt hat, betreffen diese - bis auf eine mögliche Brandentwicklung in einer U-Bahn - Kontroll- und Unterstützungsmaßnahmen an Stationen der U-Bahn, die überall anfallen können und keinen konkreten Bezug zu Endhaltestellen haben.
Es kann dahinstehen, ob die Tätigkeit von den Kollegen des Klägers als unterfordernd und ausgrenzend angesehen wird, wie er behauptet. Die angeführten Tätigkeitsinhalte stützen sich auf die Schilderung der Beklagten. Maßgeblich ist, dass Reinigungs- und einfache Kontrollaufgaben nur von der Entgeltgruppe 2 erfasst werden (Anlage 1 zum TV-N Hessen,
EG 2 "Arbeitnehmer mit einfachen Tätigkeiten"). Dort sind als Regelbeispiele Tätigkeiten in der Wagenreinigung, sonstige Reinigungskräfte, Hilfskräfte und Schaffner angeführt:
Offen bleiben kann ebenfalls, ob die von dem Kläger gerügten Arbeitsumstände, wie
z.B. der Zustand und die Ausstattung der Aufenthaltsräume, mittlerweile verbessert wurden. Diese betreffen nicht den Inhalt der Arbeitstätigkeit, sondern die äußeren Arbeitsumstände.
(2) Die Parteien haben sich auch nicht wirksam darauf geeinigt, dass der Kläger dauerhaft die Tätigkeit eines "Schienenbahnfahrers ohne Fahrertätigkeit" ausübt.
Der Kläger behauptet, er habe sich am 27. Dezember 2016 mit dieser Tätigkeit nur als vorübergehende Lösung einverstanden erklärt. Dem ist die Beklagte nicht rechtlich erheblich entgegengetreten. Die Aussage, der Kläger sei mit seiner Versetzung einverstanden gewesen, lässt gerade offen, ob bereits eine Einigung vorlag, die über eine zunächst versuchsweise Beschäftigung des Klägers an den Endhaltestellen hinausgehen sollte.
Soweit die Beklagte geltend macht, der Betriebsrat habe einer - als dauerhaft und nicht nur vorübergehend zu verstehenden - Versetzung des Kläger zugestimmt, trifft dies nicht zu. Die Beklagte hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 28. Dezember 2016 (Anlage A7 zum Schriftsatz der Beklagten vom 20. Oktober 2017, Bl. 68 d.A.) nachträglich angehört. Eine nachträgliche Information des Betriebsrats bei einer Versetzung ist gemäß § 2
Abs. 3 BV Versetzung (Anlage B1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 13. Juni 2018, Bl. 145-148 d.A.), auf welche die Beklagte sich beruft, nur bei einer vorübergehenden Versetzung zulässig. § 2 BV Versetzung lautet auszugsweise:
"Der Betriebsrat stimmt vorab pauschal der Versetzung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in folgenden Fällen zu:
(...)
(3) Versetzung bei vorübergehendem Einsatz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die aufgrund fehlender Voraussetzung nicht mehr im Fahrdienst eingesetzt werden können oder aufgrund von betriebsärztlichen Auflagen ihre arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit nicht wahrnehmen können (
z.B. im Schichtdienst) bis zu ihrem endgültigen Einsatz.
(...)"
(3) Es steht entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht rechtskräftig fest, dass dem Kläger wirksam eine Stelle als "Schienenbahnfahrer ohne Fahrertätigkeit im Endhaltestellenservice" (
vgl. Schreiben der Beklagten vom 27. Oktober 2017, Anlage K5 zum Schriftsatz des Klägers vom 24. November 2017, Bl. 85 d.A.) zugewiesen wurde. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Klägers, der auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer Versetzung vom 1. November 2017 gerichtet war, als unzulässig abgewiesen. Dies hat es damit begründet, dass der Kläger nicht versetzt wurde, sondern nur über das planmäßige Ende seiner befristeteten Versetzung in den Bereich TicketCenter informiert wurde. Eine positive oder negative Feststellung dazu, ob die - zunächst als vorläufig durchgeführte - Versetzung des Klägers in die Tätigkeit eines "Schienenbahnfahrers ohne Fahrertätigkeit" wirksam war, ist nicht erfolgt.
(4) Schließlich kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass der Kläger seit seiner Anerkennung als Schwerbehinderter im Oktober 2017 die Tätigkeit fortsetzen kann, welche er schon vorher - seit Januar 2017 - ausübte. Beide Parteien haben darauf hingewiesen, dass der Kläger im Dezember 2016 noch nicht als schwerbehinderter Mensch anerkannt war. Dies ist zutreffend. Der Kläger hatte aber bereits als gleichgestellter behinderter Mensch (
§ 2 Abs. 3 SGB IX) einen Anspruch auf eine behinderungsgerechte Beschäftigung (
BAG Urteil vom 3. Dezember 2019 - 9 AZR 78/19 - NZA 2020, 578, Rz. 26).
b) Der Kläger hat Anspruch auf eine leidens- und behinderungsgerechte Beschäftigung gemäß § 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX. Diese kann durch einen Einsatz in der Fahrgastbetreuung erfüllt werden, so dass die Beklagte ihn mit solchen Tätigkeiten zu beschäftigen hat.
aa) Der Berufungsantrag zu 3) des Klägers, mit welchem er eine Beschäftigung als Fahrgastbetreuer verlangt, ist hinreichend bestimmt gemäß § 252
Abs. 2
Nr. 2
ZPO.
(1) Der Kläger meint mit "Fahrgastbetreuung" solche Aufgaben, bei denen die Beklagte "Fachkräfte für Service & Info" einsetzt. Auf solche Stellen hat er sich wiederkehrend beworben. Die Beklagte hat selbst in der Ausschreibung vom Januar 2018 und in der Mitteilung vom 19. März 2018 an den Kläger (Anlagen K7 und K9 zum Schriftsatz des Klägers vom 18. Mai 2018, Bl. 113, 115 d.A.) die zu besetzenden Stellen als solche für "Fachkräfte für Service & Info (Fahrgastbetreuerinnen/Fahrgastbetreuer)" beschrieben. Der Hilfsantrag zu 44) des Klägers ist überflüssig, da inhaltlich mit dem Antrag zu 3) identisch, wie bereits angeführt.
Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 18. Mai 2020, der Kläger meine wohl eine Tätigkeit in der "Fahrgastbetreuung", ist soweit nachvollziehbar, als der Kläger sich auch auf ein Abkommen der Beklagten mit der Agentur für Arbeit bei der Besetzung von Stellen im "Fahrgastbegleitservice" berufen hat. Dass diese Tätigkeit tatsächlich nicht gemeint ist, folgt aus dem übrigen Vortrag des Klägers, insbesondere zu seiner Diskriminierung anlässlich seiner Bewerbungen auf Stellen für eine "Fachkraft für Service & Info" und seiner Klarstellung im Schriftsatz vom 24. April 2020, dass mit dem hilfsweise Klageantrag zu 44) keine andere Tätigkeit/Aufgabenstellung gefordert werden solle (Seite 25, Bl. 737 d.A.). Im Übrigen hat die Beklagte bei ihrer Ausschreibung im Januar 2018 für Fachkräfte für Service & Info (Anlage K7 zum Schriftsatz des Klägers vom 18. Mai 2018, Bl. 113 d.A.) selbst die Betreuung von mobilitätseingeschränkten Person als Arbeitsaufgabe für Fahrgastbetreuer/innen angegeben.
(2) Der Kläger hat einen Anspruch auf unmittelbare Zuweisung einer Beschäftigung nach § 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX, da die Beklagte ihn nicht mehr vertragsgerecht beschäftigt. Er ist nicht verpflichtet, die Beklagte vorab auf Zustimmung zur Vertragsänderung zu verklagen (
BAG Urteil vom 3. Dezember 2019 - 9 AZR 78/19 - NZA 2020, 578, Rz. 24;
BAG Urteil vom 10. Mai 2005 - 9 AZR 230/04 - NZA 2006, 155, Rz. 36;
BAG Beschluss vom 15. Oktober 2013 - ABR 25/12 - NZA 2014, 214, Rz. 24).
bb) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass der Kläger in der Tätigkeit eines "Schienenbahnfahrers ohne Fahrertätigkeit im Endhaltestellenservice" verbleiben könne, da diese Tätigkeit, wenn nicht vertragsgerecht, zumindest behinderungsgerecht sei und deshalb auch den Beschäftigungsanspruch erfülle.
Ein schwerbehinderter Mensch hat nach § 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX Anspruch auf eine Beschäftigung, bei der er seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann. Die Aufgabe eines "Schienenbahnfahrers ohne Fahrertätigkeit" ist unterwertig, wie dargelegt. Die Beklagte kann dem Kläger qualifiziertere Aufgaben zuweisen, die über das Durchschreiten von Zügen hinausgehen und seinen Fähigkeiten und Kenntnissen besser entsprechen. Es bestehen Alternativen, die ihrer Wertigkeit nach eher der bisherigen Eingruppierung des Klägers nahe kommen und auch schon wiederkehrend von ihm ausgeübt werden, wenn die Beklagte ihn über den Bereich "Zentrale Servicedienste" in der Fahrgastinformation und -lenkung einsetzt. Daher lässt sich der Beschäftigungsanspruch nicht damit erfüllen, dass die Beklagte den Kläger formell in seiner alten Tätigkeit als Fahrer belässt, ihm aber keine der Tätigkeit eines Fahrers entsprechenden Aufgaben mehr zuweist.
cc) Die Beklagte hat nicht ausreichend dargelegt, dass der Kläger für eine Tätigkeit als Fahrgastbetreuer nicht geeignet und seine Beschäftigung für sie unzumutbar ist.
Um eine behinderungsgerechte Beschäftigung zu ermöglichen, ist der Arbeitgeber auch zu einer Umgestaltung der Arbeitsorganisation verpflichtet. So kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer verlangen, dass er nur mit leichteren Arbeiten beschäftigt wird, sofern im Betrieb die Möglichkeit zu einer solchen Aufgabenumverteilung besteht. Der Arbeitgeber ist nur dann nicht zur Beschäftigung des schwerbehinderten Menschen verpflichtet, wenn ihm die Beschäftigung unzumutbar oder eine solche nur mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist. Der Arbeitgeber ist auch nicht verpflichtet, für den schwerbehinderten Menschen einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten (
BAG Urteil vom 14. März 2006 -
9 AZR 411/05 - NZA 2006, 1214, Rz. 18 f.; Schlegel/Voelzke-Fabricius, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 164
SGB IX Rz. 66 f.).
(1) Der Kläger nimmt bereits in der jetzigen Tätigkeit Teilaufgaben einer Fachkraft für Service & Info (Fahrgastbetreuer) wahr.
Er wird nach der Aufstellung, welche die Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Mai 2020 wiederholt hat (Seite 8, Bl. 835 d.A.), schon jetzt wiederkehrend im Bereich "Zentrale Servicedienste" eingesetzt, er ist dann ist in der Fahrgastinformation tätig und informiert und betreut Fahrgäste bei Sondermaßnahmen an (Groß)Baustellen. Außerdem hat die Beklagte dargelegt, dass der Kläger auch im "Endhaltestellenservice" Fahrgäste durch Fahrplanauskünfte unterstützen, Hilfestellung beim Ticketkauf an den Fahrscheinautomaten und Hinweise anlässlich Verspätungen und Störungen im Betriebsablauf geben kann. Solche Tätigkeiten sind als (ein Teil der) Aufgaben der Fachkräfte für Service & Info in der Stellenausschreibung vom Januar 2018 angeführt worden (Anlage K7 zum Schriftsatz des Klägers vom 18. Mai 2018, Bl. 113 d.A.). Die Beklagte hat außerdem angegeben, dass im "Endhaltestellenservice" sogar kunden-dienstliche Tätigkeiten wie die Beratung zu Fahrstrecken, Fahrplanauskünfte, Stadtplanauskünfte und Auskünfte zu Sehenswürdigkeiten anfallen könnten.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte einerseits davon ausgeht, dass der Kläger im "Endhaltestellenservice" solche Tätigkeiten ausüben sollte, soweit er nicht gerade eine einfahrende U-Bahn kontrollieren muss, andererseits aber erklärt, der Kläger sei für einen Einsatz in der Fahrgastbetreuung nicht geeignet.
Die Argumentation der Beklagten, der Kläger verfüge über keine Ausbildung im Dienstleistungsbereich, ist nicht zutreffend. Der Kläger hat eine Ausbildung als Berufskraftfahrer und hat 16 Jahre in der Personenbeförderung gearbeitet. Soweit die Beklagte geltend macht, als Fahrgastbetreuer könne nur arbeiten, wer über Englischkenntnisse verfüge, wird dies durch die Stellenausschreibung vom Januar 2018 widerlegt. Danach sind Englisch-Grundkenntnisse nur "von Vorteil" (Anlage K7 zum Schriftsatz des Klägers vom 18. Mai 2018, Bl. 113 d.A.). Hieraus ergibt sich gerade nicht, dass sie zwingend erforderlich sind. Darüber hinaus spricht der Kläger italienisch, verfügt also über die in der Stellenausschreibung als wünschenswert angeführten weiteren Sprachkenntnisse.
Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Beklagte einerseits behauptet, sie schule nur solche Fahrgastbetreuer, welche schon über Grundkenntnisse der englischen Sprache verfügten (
vgl. Berufungserwiderung, Seite 11 Bl. 400 d.A.), andererseits aber auf kostenlose Englischkurse in ihrer Akademie hinweist, für die der Beklagte sich hätte anmelden können, um Grundkenntnisse der Sprache zu erlernen (Schriftsatz vom 18. Mai 2020, Seite 13, Bl. 840 d.A.). Ausweislich des Protokolls des "Präventionsgesprächs gemäß § 84
Abs. 1
SGB IX" (zutreffend: § 167
Abs. 1
SGB IX), welches am 31. Januar 2020 stattfand (Anlage BK 9 zum Schriftsatz der Beklagten vom 18. Mai 2020, Bl. 851 f. d.A.), kann der Kläger dagegen erst dann an einem Englischkurs teilnehmen, wenn ihm nach einem Auswahlverfahren eine Stelle zugewiesen wurde. Nach alledem ist nicht feststellbar, dass der Kläger für eine Tätigkeit in der Fahrgastbetreuung ausscheidet, weil er über keine Englischkenntnisse verfügt.
(2) Nach der oben angeführten Rechtsprechung ist es nicht notwendig, dass ein behinderter Mensch sämtliche Qualifikationsanforderungen für eine Tätigkeit erfüllt, um einen Anspruch auf eine Beschäftigung gemäß S 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX zu erlangen. Dem Arbeitgeber ist eine Umorganisation des Arbeitsplatzes und die Übertragung nur von Teilaufgaben grundsätzlich zumutbar. Die Bewertung der Beklagten aus den Bewerbungsverfahren, dass der Kläger nur bedingt für eine Tätigkeit als Fachkraft für Service & Info (Fahrgastbetreuer) geeignet ist und ihm andere Bewerber vorzuziehen waren, schließt nicht aus, dass sie ihn mit Teilaufgaben betraut, die er schon jetzt ausführt, wenn er vorübergehend über den Bereich "Zentrale Servicedienste" eingesetzt wird oder angehalten ist, die Zeit zwischen dem Eintreffen von U-Bahnen an den Endhaltestellen mit Aufgaben der Fahrgastbetreuung zu füllen. Daher ist auch nicht anzunehmen, dass der Kläger das von der Beklagen geforderte kundendienstfreundliche Serviceverhalten nicht erbringen kann.
Soweit die Beklagte argumentiert hat, der Kläger benötige eine Tätigkeit, bei der er ständig eine Toilette erreichen könne, was nur an Endhaltestellen einfach möglich sei, hat der Kläger darauf hingewiesen, dass eine solche Notwendigkeit für ihn nicht besteht. Aus der Akte ist auch kein Vortrag ersichtlich, dass der Kläger diese Anforderung gestellt hat. Die Beklagte kann eine Beschäftigung des Klägers in der Fahrgastbetreuung daher nicht ablehnen, weil er örtlich nur eingeschränkt einsetzbar wäre.
(3) Der Einwand der Beklagten, sie verfüge (derzeit) über keine freien Planstellen für Fachkräfte für Service & Info, ist nicht erheblich.
Der Kläger hat bereits mit der Klageerweiterung vom 13. Juli 2018 (hilfsweise) eine Tätigkeit in der Fahrgastbetreuung begehrt. Die Beklagte hat seither weitere Stellen für Fahrgastbetreuer ausgeschrieben. Sie hat also über freie Stellen verfügt.
Wenn sie dem Kläger keine Planstelle einer Fachkraft für Service & Info zuweisen will, ist dies zulässig. Der Kläger hat Anspruch nach § 164
Abs. 4
S. Nr. 1
SGB IX auf eine behinderungsgerechte Beschäftigung, nicht auf Zuweisung einer konkreten Stelle, die in einem formalisierten Bewerbungsverfahren ausgeschrieben wurde (
vgl. für den öffentlichen Dienst:
BAG Urteil vom 3. Dezember 2019 - 9 AZR 78/19 - NZA 2020, 578, Rz. 25).
Der Kläger kann sich weiter nicht darauf berufen, dass er mit anderen schwerbehinderten Bewerbern gleich zu behandeln wäre, von denen er weiß oder annimmt, dass diese eine Planstelle einer Fachkraft für Service & Info erhalten haben. Der individuelle Beschäftigungsanspruch eine behinderten Menschen rechtfertigt keinen automatischen Anspruch auf Zuweisung einer ausgeschriebenen Stelle, weil diese behinderungsgerecht ausgestaltet werden könnte. Über die Gründe für die erfolgreiche Bewerbung von Kollegen/innen des Klägers ist nicht so viel bekannt, dass von einer Ungleichbehandlung ausgegangen werden könnte. Auch § 15
Abs. 6
AGG schließt entgegen der Auffassung des Klägers aus, dass (nur) wegen eines Verstoßes gegen ein Benachteiligungsverbot ein Anspruch auf die Zuweisung einer konkreten Stelle entsteht.
Weiter wird durch eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger in der Fahrgastbetreuung einzusetzen, nicht unzulässig in deren Organisationsgewalt eingegriffen. Die Organisationsfreiheit eines Arbeitgebers ist durch die Verpflichtung zu einer behinderungsgerechten (Um-)Gestaltung der Arbeitsorganisation eingeschränkt (
BAG Urteil vom 16. Mai 2019 -
6 AZR 329/18 - NZA 2019, 1198, Rz. 35;
BAG Urteil vom 14. März 2006 -
9 AZR 411/05 - NZA 2006, 1214, Rz. 26). Der Vortrag der Beklagten genügt nicht, um feststellen zu können, das sie durch die Zuweisung weiterer Aufgaben in der Fahrgastbetreuung an den Kläger unzumutbar belastet würde. Die Beklagte wird auch nicht verpflichtet, zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Beschäftigungsanspruch des Klägers eine Planstelle zu schaffen. Sie ist nach ihrem eigenen Vortrag zudem in der Lage, Arbeitnehmer vorübergehend in der Fahrgastbetreuung einzusetzen.
Der Beschäftigungsanspruch des Klägers führt schließlich nicht zwingend dazu, dass er nach der
EG 5 zu vergüten ist. Die Stellen für Fachkräfte für Service & Info sind zwar von der Beklagten mit einer Vergütung der
EG 5 ausgeschrieben worden. Für die Vergütung ist nach § 5 TV-N
i.V.m. der Anlage 1 zum TV-N maßgeblich, welche Eingruppierungsvoraussetzungen durch die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit erfüllt werden. Damit wird darauf abzustellen sein, welche Tätigkeiten dem Kläger in der Fahrgastbetreuung zugewiesen werden. Ob der Kläger durch eine Beschäftigung in der Fahrgastbetreuung befördert wird, kann offen bleiben. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass Fahrer, die nach der
EG 4 vergütet werden, aufgrund ihrer Zuschläge und Zulagen eine höhere Vergütung erreichen können, als aus dem Tabellenentgelt ersichtlich. Zum anderen schließt der Beschäftigungsanspruch nach S 164
Abs. 4
S. 1
Nr. 1
SGB IX einen Beförderungsanspruch nicht grundsätzlich aus (
BAG Urteil vom 10. Mai 2005 - 9 AZR 230/04 - NZA 2006, 155, Rz. 52).
c) Die übrigen, vom Kläger hilfsweise angegebenen Tätigkeiten zur Erfüllung seines Anspruchs nach § 164
Abs. 4
S.1
Nr. 1
SGB IX scheiden aus.
Es ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger in Bezug auf seinen Anspruch nach § 164
Abs. 4
S.1
Nr. 1
SGB IX einen Hauptantrag [Anträge zu 3.) und 44.)] und einen Hilfsantrag mit mehreren Beschäftigungsalternativen [Anträge zu 4.) und 45.)] gestellt hat. Da der Beklagten eine Beschäftigung des Klägers in der Fahrgastbetreuung möglich und zumutbar ist, fallen die hilfsweise angeführten Beschäftigungsalternativen nicht zur Entscheidung an.
Darüber hinaus hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass ein Einsatz des Klägers im TicketCenter nicht möglich ist, da er dort überwiegend im Sitzen arbeiten müsste, was nicht behinderungsgerecht ist. Die Bedingungen, unter denen der Kläger vorübergehend von Juli bis Oktober 2017 wegen der Einführung des Schülertickets Hessen als Kundenlenker im Ticketverkauf arbeitete, lagen nur ausnahmsweise vor, wie vorgetragen wurde.
Die übrigen Tätigkeiten, die der Kläger mit den Hilfsanträgen zu 4) und 45) angeführt hat, könnten von der Kammer nicht als geeignet beurteilt werden. Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger für eine Tätigkeit als Mitarbeiter Poststelle, Fahrkartenautomatenabrechner, Kontrolleur, Mitarbeiter zur Qualitätssicherung Haltestellen oder im Einschaltdienst für Fahrtreppen qualifiziert ist. Soweit die Beklagte dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2020 einen Einsatz im Einschaltdienst für Fahrtreppen angeboten hat, ist dies nur anlässlich von Vergleichsgesprächen erfolgt.
Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Parteien sich auch auf eine andere behinderungsgerechte Beschäftigung des Klägers einigen, als nunmehr entsprechend dem Vortrag der Parteien in diesem Rechtsstreit ausgeurteilt.
3. Die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seiner Ansprüche auf höhere Zulagen ist nicht begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger anteilige Zulagen nachzuzahlen.
a) Dem Kläger steht für die Zeitspanne von Januar 2017 bis September 2019 keine weitere Vergütung von pauschalierten VA-Zeiten zu.
aa) Rechtsgrundlage der pauschalierten Vergütung von VA-Zeiten ist §§ 1 Satz 4, 3
Abs. 2 BV
Nr. 03/2007
i.V.m. § 22
Abs. 4 Unterabs.1 TV-N. Der TV-N ist auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbar. In § 2 des Arbeitsvertrags vom 12. April 2000 haben die Vertragspartner die Geltung des BMT-G und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzende Tarifverträge vereinbart. Der TV-N hat gemäß § 24
Abs. 1 TV-N u.a. den BMTG II ersetzt.
Nach § 22
Abs. 4 Unterabs.1 TV-N werden Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten mit 20 Minuten pro Dienst bewertet. Die Regelung der Frage, ob diese Zeiten in die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit fallen oder zusätzlich abgegolten werden, ist ausdrücklich auf betrieblicher Ebene vorgesehen, also durch ergänzende Betriebsvereinbarung (
§ 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG). Deshalb ist in Bezug auf die pauschalierten VA-Zeiten nicht zu prüfen, ob die BV
Nr. 03/2007 teilnichtig ist. Das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 19. August 2008, auf welches der Kläger verwiesen hat (Az. 8/2 Ca 2230/08, Kopie als Anlage BK16 zum Schriftsatz des Klägers vom 24. April 2020, Bl. 740-752 d.A.), hat nur Ausführungen zu der Fahrerpauschale und dem komb. Fahrerzuschlag gemacht.
Entgegen dem Wortlaut von § 3
Abs. 2 BV
Nr. 03/2007, der Bestimmungen über das Auslaufen der Sonderregelungen für "umgeschulte Busfahrer/innen" zum Oktober 2010 enthält, regelt § 3 BV
Nr. 03/2007 indirekt auch, dass die Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten vergütet werden, also nicht in die regelmäßige Arbeitszeit fallen (§ 22
Abs. 4 Unterabs. 1 TV-N). Denn die zusätzlichen "vergüteten Zeiten" kann es nur geben, wenn sie diese nicht der regelmäßigen Arbeitszeit zugerechnet und daher nicht bereits mit dem Monatsentgelt (§ 6 TV-N) abgegolten werden. Dieses Verständnis der Regelung wird durch § 1 Satz 4 BV
Nr. 03/2007 bestätigt, wonach (auch) die Vor- und Abschlussarbeiten mit der Betriebsvereinbarung neu geregelt werden.
bb) Voraussetzung für die vom Kläger geforderte Zahlung der VA-Zeiten ist danach, ob diese bei ihm seit Januar 2017 angefallen sind. Das ist zu verneinen, da der Kläger nicht als Fahrer eingesetzt wurde. § 22
Abs. 4 Unterabs. 1 TV-N ist auf den Kläger nicht anwendbar.
§ 22 TV-N enthält ausweislich seiner Überschrift "Besondere Bestimmungen für Arbeitnehmer im Fahrdienst". Im Fahrdienst müssen nicht zwingend ausschließlich Fahrer arbeiten. So könnte
z.B. auch die Tätigkeit der Einteilung von Fahrern in den Fahrdienst als dem Fahrdienst zugehörig angesehen werden.
§ 22 TV-N trifft aber nur Regelungen für die Tätigkeit eines Fahrers im Fahrdienst, nicht für sonstige Personen, die lediglich organisatorisch dem Fahrdienst zugeordnet sind, ohne als Fahrer zu arbeiten. "Arbeitnehmer im Fahrdienst" sind nur solche, die auch als Fahrer arbeiten.
Diese Auslegung folgt aus den besonderen und zusätzlichen Regelungen in § 22 TV-N, welche nur bei der Arbeitstätigkeit eines Fahrers anfallen können. § 22
Abs. 2 TV-N regelt ausdrücklich, dass der "Dienst" Arbeitszeiten, Pausen und Wendezeiten umfasst und dass zwischen zwei Diensten eine Ruhezeit von mindestens zehn Stunden eingehalten werden muss. Ein Dienst in diesem Sinne kann nur bei einer Fahrtätigkeit anfallen. Daneben sind hervorzuheben die Bestimmungen zu Lenk- und Wendezeiten, teilweise differenziert nach "Omnibusbereich" und "Schienenbahnbereich", die Regelungen zu Arbeitszeitüberschreitungen, zu denen es wegen Fahrzeugverspätungen kommen kann und der Bestimmung des Fahrzeug als Arbeitsplatz, alternativ zu dem - vor Aufnahme einer Fahrt - zugewiesenen Aufenthaltsplatz als Arbeitsplatz. Anzuführen sind auch die Regelung zu Lehrfahrern in § 22
Abs. 11 TV-N und das den Fahrern im Einmannbetrieb nach § 22
Abs. 14 TV-N zu zahlenden Mankogeld. All diese Regelungen sind nur notwendig, wenn das Führen eines Schienenfahrzeugs oder Busses als Arbeitsleistung geschuldet wird.
Da der Kläger nicht als Fahrer eingesetzt wurde, kann er keine nach § 22
Abs. 4 Unterabs. 1 TV-N
i.V.m. der BV
Nr. 03/2007 pauschal zu vergütenden VA-Zeiten verlangen. Es kann deshalb dahinstehen, ob er auch Tätigkeiten ausführen muss, die bei Fahrern von den tariflich geregelten Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten erfasst würden.
Die von dem Kläger besonders angeführten Aufgaben wie das Abrufen des aktuellen Dienstplans und das Herausschreiben von Planänderungen werden ebenso wie das Anlegen der Dienstkleidung nicht von § 22
Abs. 4 Unterabs. 1 TV-N erfasst. Nach dem Willen der Betriebspartner werde diese mit der Fahrerpauschale abgegolten, wie aus § 3 BV
Nr. 01/2018 folgt.
cc) Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf die behauptete Zusage des Referatsleiters Personal Schiene, Herrn A, stützen. Es war keine Beweisaufnahme über den Inhalt der Zusagen, die dem Kläger anlässlich des Gesprächs am 17. Dezember 2016 gemacht wurden, durchzuführen.
Der Kläger hat in der Berufung behauptet, Herr A habe ihm zugesichert, die Zulagen würden unverändert weitergezahlt. Hierzu beruft er sich auch auf das Zustimmungsersuchen von Herrn A zu seiner Versetzung an den Betriebsrat vom 28. Dezember 2016 (Anlage A7 zum Schriftsatz der Beklagten vom 20. Oktober 2017, Bl. 68 d.A.).
(1) Die Beklagte zahlt dem Kläger seit Januar 2017 25% der pauschalierten VA-Zeiten als Besitzstand wegen dessen Fahrdienstuntauglichkeit. In der Unterrichtung des Betriebsrats vom 28. Dezember 2016 hat die Beklagte für VA-Zeiten auf § 3 DV Dienstplan 1993 verwiesen, insofern fehlerhaft als BV (Betriebsvereinbarung) bezeichnet.
In § 3 DV Dienstplan 1993 ist auszugsweise bestimmt gewesen:
"Für den Fall, dass ein(e) Fahrdienstmitarbeiterin/Fahrdienstmitarbeiter (...) fahrdienstuntauglich (...) wird, wird vereinbart, dass die gemäß § 2 geleisteten Zahlungen (..) entsprechend der nachfolgenden Staffelung als sogenannter Besitzstand weitergewährt werden:
Bei einer Beschäftigung von
15 Jahren = 25% (...)."
In § 2 DV Dienstplan 1993 war bestimmt, dass der Vorbereitungs- und Abschlussdienst, der in § 1 DV Dienstplan 1993 dem Umfang nach pauschaliert wurde, als Mehrarbeit zu vergüten war.
Es braucht nicht genauer geprüft zu werden, woraus sich die Fortgeltung der DV Dienstplan 1993 als Dienstvereinbarung nach der Privatisierung der Beklagten ergibt (
vgl. LAG Sachsen-Anhalt Urteil vom 17. September 2008 - 8 TaBVGa 10/08 - NZA-RR 2009, 536, Rz. 17; Frohner, Das Übergangsmandat des Personalats und die Weitergeltung von Dienstvereinbarungen bei der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, insbesondere im kommunalen Bereich, PR 1995, 99, 108
ff.). Die Beklagte zahlt dem Kläger 25% der pauschalen VA-Zeiten, die er als Schienenbahnfahrer erhielt. Diese anteilige Leistung steht nicht in Streit.
Erheblich ist vielmehr, dass nach dem Inhalt der Unterrichtung des Betriebsrats vom 28. Dezember 2016, auf welche der Kläger sich beruft, gerade keine Bestätigung durch Herrn A erfolgt ist, dass dem Kläger die pauschalen VA-Zeiten in unveränderter Höhe vergütet würden. Der Hinweis auf § 3 DV Dienstplan 1993 lässt vielmehr erkennen, dass nur ein Besitzstand gezahlt werde, welcher nach der Betriebszugehörigkeit des Klägers 25% beträgt. Lediglich hinsichtlich der Eingruppierung des Klägers wurde erklärt, dass keine Änderung eintrete.
(2) Darüber hinaus kann sogar unterstellt werden, dass der Referatsleiter Personal Schiene, Herr A, dem Kläger - inhaltlich abweichend von der Unterrichtung des Betriebsrats - erklärte, er werde seine Zulagen unverändert erhalten.
Der Kläger hat nicht dargelegt, dass Herr A befugt gewesen wäre, ihm verbindlich eine tariflich oder durch Betriebsnorm geregelte Leistung zuzusagen, ohne dass er in seiner Person die Anspruchsvoraussetzungen erfüllte. Es ist weder vorgetragen worden, dass ein Referatsleiter die Beklagte vertraglich binden, noch nach welchen Umständen der Kläger darauf vertrauen durfte, ihm werde eine über die bei der Beklagten geltenden Entgeltregelungen hinausgehende Leistung zugesagt. Es ist aus dem Vortrag des Klägers nicht ableitbar, dass ihm eine bindende Zusicherung gemacht wurde, die über den Normenvollzug hinausgehen sollte.
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Fahrerpauschale, die mehr als 25% der Pauschale beträgt, welche die tatsächlich als Schienenbahnfahrer/in im Fahrdienst der Beklagten eingesetzten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen erhalten. Damit kann dahinstehen, ob die Betriebsvereinbarungen BV
Nr. 01/2018 und BV
Nr. 03/2007 gegen § 77
Abs. 3
BetrVG verstoßen.
aa) Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien betrug die Pauschale in der Zeit von Januar 2017 bis April 2018 monatlich 68,56
EUR. Seit 1. Mai 2018 beträgt die Fahrerpauschale bei Vollzeittätigkeit 130,00
EUR (§ 2 BV
Nr. 01/2018).
bb) Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er persönlich die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine (ungekürzte) Fahrerpauschale erfüllt.
(1) Für den Zeitraum seit Mai 2018 ist die Fahrerpauschale durch die BV
Nr. 01/2018 geregelt, dort in § 2 als Aufwandsentschädigung (Fahrerzuschlag) bezeichnet. § 1 BV
Nr. 01/2018 bestimmt für den Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung, dass sie nur für Mitarbeiter/innen gilt, die als Schienenbahnfahrer
bzw. Schienenbahnfahrerin eingesetzt werden.
Der Kläger wird seit dem 28. Dezember 2016 nicht mehr als Schienenbahnfahrer beschäftigt, sondern als "Schienenbahnfahrer ohne Fahrertätigkeit". Ein "Schienenbahnfahrer ohne Fahrertätigkeit" wird nicht von der BV
Nr. 01/2018 erfasst. Schienenbahnfahrer
bzw. Schienenbahnfahrerin
i.S.d. Betriebsvereinbarung sind nur solche Personen, die auch als Fahrer/in arbeiten. Dies ergibt die Auslegung. In § 2
Abs. 1 BV
Nr. 01/2018 ist für die konkrete Leistung bestimmt, dass sie an "(...) Mitarbeiter
bzw. Mitarbeiterinnen (gezahlt wird), die im dienstplanmäßigen Linienverkehr auf Schienenfahrzeugen (U-Bahn oder Straßenbahn) eingesetzt sind, (...)". Für die als Fahrer
bzw. Fahrerin arbeitenden ist typisch, dass ihr Dienstplan sich an den einzuhaltenden Fahrplänen orientiert und zusätzlich neben der Arbeitsleistung "Fahren" auch Tätigkeiten anfallen, die außerhalb den Dienstplans zu erbringen sind, weil sie nicht gleichzeitig mit dem Lenken einer U-Bahn oder Straßenbahn zu erledigen sind oder die Fahrtätigkeit für sie nicht unterbrochen werden kann. Daher haben die Betriebspartner in §§ 2
Abs. 4, 3
Abs. 1 Satz 2 BV
Nr. 01/2018 klargestellt, dass die pauschal vergüteten Tätigkeiten außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeit anfallen.
(2) Auch die bis 30. April 2018 geltende BV
Nr. 03/2007 hat in § 2 Ziff. 1 eine Leistung nur für Personen vorgesehen, die tatsächlich im Fahrdienst als Fahrer/in arbeiten. Dort war bestimmt: "Für den Fahrdienst (F-Lohngruppen) auf Schienenfahrzeugen (U-Bahn und Straßenbahn) im Linienverkehr wird eine pauschalierte Aufwandsentschädigung (...) gezahlt." Auch daraus folgt, dass eine organisatorische Zuordnung des Arbeitnehmers
bzw. der Arbeitnehmerin zum Fahrdienst allein nicht anspruchsbegründend ist, sondern darüber hinaus auch tatsächlich ein Einsatz im Linienverkehr stattfinden muss.
(3) Da der Kläger zwar organisatorisch noch als Schienenbahnfahrer geführt wurde, soweit ihm nicht vorübergehend eine andere Tätigkeit zugewiesen worden war, aber seit Januar 2017 nicht mehr als Fahrer eines Schienenbahnfahrzeugs arbeitete, erfüllt er nicht die Anspruchsvoraussetzungen nach der BV
Nr. 01/2018
bzw. der BV
Nr. 03/2007.
Es muss nicht geklärt werden, welche der mit pauschalierten Fahrerzulage abgegoltenen Tätigkeit auch bei ihm teilweise noch anfallen, insbesondere ob er seine Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit anlegen muss. Dem steht nicht entgegen, dass der Dienst des Klägers weiterhin über das System Perdis geplant wird und er dem Betriebshof F zugeordnet ist. Auch für ihn gilt ein Dienstplan, jedoch mit dem Unterschied, dass er während des Dienstes nicht als Fahrer arbeitet. Sollte der Kläger Tätigkeiten außerhalb der für ihn geltenden Arbeitszeit erbringen, leistet er Mehrarbeit, jedoch nicht als Fahrer eines Schienenfahrzeugs. Deshalb kann eine Regelung über die pauschalierte Vergütung von Leistungen, die von Fahrern außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht wird, für ihn nicht greifen.
Die vom Kläger vorgenommene Differenzierung, er sei fahruntauglich, nicht fahrdienstuntauglich, ist nicht erheblich. Der Betriebsarzt hat am 12. Dezember 2016 die Fahrdienstuntauglichkeit des Klägers festgestellt (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 12. August 2019, Bl. 418 d.A.). Die Fahrdienstuntauglichkeit ist nach der Rechtsauffassung der Beklagten Voraussetzung für eine Fortzahlung anteiliger Zulagen, obwohl nicht mehr als Fahrer gearbeitet werden kann. Diese Leistung erhält der Kläger. Für den von ihm geltend gemachten Anspruch auf eine ungekürzte Fahrerpauschale nach § 2
Abs. 1 BV
Nr. 01/2018
bzw. § 2 Ziff. 1 BV
Nr. 03/2007 kommt es auf einen Einsatz als Fahrer im Linienverkehr an, nicht auf die Fahrdienstuntauglichkeit.
Da dem Kläger keine (weitere) Fahrerpauschale zusteht, kann dahinstehen, ob die Regelungen in § 2
Abs. 1 BV
Nr. 01/2018
bzw. § 2 Ziff. 1 BV
Nr. 03/2007 nicht gegen § 77
Abs. 3
BetrVG verstoßen, weil durch sie über § 22
Abs. 4 TV-N hinaus die Vergütung von Mehrarbeit außerhalb des Dienstplans geregelt wird.
c) Der Kläger kann von der Beklagten auch keine Nachzahlung von weiteren 75% des komb. Fahrerzuschlags verlangen.
aa) Rechtsgrundlage des komb. Fahrerzuschlags, der nach dem Vorbringen beider Parteien bei Auszahlung zu 100% einen Betrag von 327,27
EUR monatlich ausmacht, ist § 5
Abs. 1 Buchst. a BV 1/2000
i.V.m. § 1 BV
Nr. 01/2012.
In § 5
Abs. 1 Buchst. a BV 1/2000 wurde geregelt, dass den Busfahrern, die sich freiwillig zum Schienenbahnfahrer umschulen ließen und so eingesetzt werden, der Fahrerzuschlag für Busfahrer als Besitzstand weitergezahlt wird.
Die Regelung lautete wörtlich:
"(1) Für die freiwillig an den Umschulungsmaßnahmen teilnehmenden und als Schienenbahnfahrer weiterbeschäftigten Busfahrer gelten folgende Besitzstandsregelungen:
a) Weiterzahlung des pauschalierten Fahrerzuschlags für Busfahrer in dem Umfang, wie er bei unveränderter Tätigkeit als Busfahrer gezahlt worden wäre.
(...)"
Die BV 1/2000 ist von den Betriebspartnern als Interessenausgleich gemäß
§§ 111,
112 BetrVG bezeichnet worden. Das ist im Wesentlichen zutreffend. Die Besitzstandsvereinbarungen in § 5 BV 1/2000 sind aber als Sozialplanregelung (§ 112
Abs. 1 Satz 2
BetrVG) zu qualifizieren. Sie regeln einen Ausgleich für die Nachteile, die den bis dahin als Busfahrer beschäftigten Arbeitnehmern der Beklagten durch den Abbau des Busverkehrs entstanden. Die dort auch angeführten Fahrerzuschläge für Busfahrer lagen über denen der Schienenbahnfahrer, da durch diese zusätzliche Belastungen (Einnahme von Geld und Abrechnung der Einnahmen, keine räumliche Trennung von Fahrgästen, Führen von Gelenkbussen) abgegolten wurden.
§ 77 Abs. 3 BetrVG nach § 112
Abs. 1 Satz 4
BetrVG auf den komb. Fahrerzuschlag nicht anwendbar, da es sich um eine Sozialplanleistung handelt.
Diese Sozialplanregelung ist nicht durch die BV
Nr. 03/2007 aufgehoben worden. § 3 BV
Nr. 03/2007 betrifft ausschließlich die pauschalierten VA-Zeiten ehemaliger Busfahrer. Dies folgt daraus, dass in § 3
Abs. 1 BV
Nr. 03/2007 nur die Regelung in § 5
Abs. 1 Buchst. b BV 1/2000 angeführt und in den folgenden Absätzen nur neue Vereinbarungen zu den VA-Zeiten getroffen wurden.
Nach der Kündigung der BV 1/2000 am 1. April 2009 ist deren Geltung durch die Zusatz BV 1/2000 zunächst bis 31. Dezember 2011 verlängert worden. Durch § 1 BV
Nr. 01/2012 haben sich die Betriebspartner auf die Fortgeltung der Besitzstandsregelung geeinigt. Die Regelung lautet wörtlich:
"§ 1 Die Arbeitgeberin verpflichtet sich, den unter § 5 (Besitzstandsregelungen)
Abs. 1 a der bisherigen - zum 31.12.2010 gekündigten - BV 1/2000 aufgeführten pauschalierten Fahrerzuschlag für Busfahrer über den 31.12.2011 weiterzugewähren
Der pauschalierte Fahrerzuschlag für Busfahrer wird in dem Umfang weiterhin gezahlt, wie er bei unveränderter Tätigkeit als Busfahrer gewährt worden wäre.
Die Regelung des § 1
Abs. 1 gilt ausschließlich für diejenigen Mitarbeiter, die bis zum 31.12.2010 unter den Geltungsbereich der BV 1/2000 fielen."
bb) Die Beklagte hat den komb. Fahrerzuschlag seit 1. Mai 2000 (§ 7
Abs. 1 BV 1/2000) an die als Schienenbahnfahrer arbeitenden ehemaligen Busfahrer zusätzlich zu dem Zuschlag gezahlt, den diese für das Führen eines Schienenfahrzeugs erhielten. Eine Anrechnung fand
bzw. findet nicht statt.
Der Kläger, der sich als ehemaliger Busfahrer freiwillig zum Schienenbahnfahrer umschulen ließ und seit Ende Dezember 2001 als solcher arbeitete, hatte bis Dezember 2016 Anspruch auf Zahlung des komb. Fahrerzuschlags als Sozialplanleistung gemäß § 5
Abs. 1 Buchst. a BV 1/2000
i.V.m. § 1 BV
Nr. 01.2012.
cc) Der Anspruch entfällt jedoch, weil der Kläger fahrdienstuntauglich ist. Denn der Anspruch setzt voraus, dass er als Schienenbahnfahrer arbeitet.
(1) Die Formulierung in § 1
Abs. 1 Satz 2 BV
Nr. 01/2012 ist auslegungsbedürftig. Da die Leistung nur in einem bestimmten "Umfang wie bei einer anderen Tätigkeit" weitergezahlt werden soll, lässt der Wortlaut erkennen, dass es nicht ausreichend ist, dass der Anspruchsberechtigte früher einmal als Busfahrer arbeitete, sich danach zum Schienenbahnfahrer ausbilden ließ und noch in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagte steht. Andererseits war für die Betriebspartner bei Abschluss der BV
Nr. 01/2012 klar, dass die Beklagte keinen Busfahrer mehr beschäftigte. Es kann wegen der Voraussetzung "wie (...) bei unveränderten Tätigkeit als Busfahrer" daher nicht maßgeblich sein, dass der Anspruchsteller von der Beklagten - unterstellt, sie unterhielte noch Busverkehre - als Busfahrer eingesetzt werden könnte.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass § 1 BV
Nr. 01/2012 ausdrücklich auf die Besitzstandsregelung unter § 5
Abs. 1 Buchst. a BV 1/2000 Bezug nimmt. Diese betraf nur die als Schienenbahnfahrer weiterbeschäftigten Busfahrer. Denn nur diese Gruppe ist im ersten Satz von § 5
Abs. 1 als anspruchsberechtigt angeführt worden. Lediglich für die Gruppe der als Schienenbahnfahrer arbeitenden ehemaligen Busfahrer bestand 2000 eine Regelungsnotwendigkeit. Die Busfahrer sollten durch den Zuschlag motiviert werden, sich umschulen zu lassen.
Es ist kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, dass die Betriebspartner 2012 die Anspruchsvoraussetzungen erweitern wollten. Zu diesem Zeitpunkt führte die Beklagte keine Busverkehre mehr durch. Die Leistung wurde von ihr als Besitzstand gezahlt, kein ehemaliger Busfahrer musste noch eine Befugnis zur Personenbeförderung mit Bussen aufrechterhalten. Die mit der Regelung in § 1
Abs. 1 Satz 1 BV
Nr. 01/2012 insoweit faktisch zurückgenommene Kündigung der BV 1/2000 zeigt, dass die Beklagte sich ursprünglich von der finanziellen Verpflichtung lösen wollte. Die schon angeführte ausdrückliche Bezugnahme spricht dafür, dass ausschließlich die bisherige Leistung - entgegen der Kündigung - weitergewährt werden sollte. Das wird auch durch die Bestimmung in § 1
Abs. 2 BV
Nr. 01/2012 bestätigt. Die Betriebspartner haben dort vereinbart, dass die Besitzstandsregelung nur für Mitarbeiter gilt, die bis zum 31. Dezember 2010 unter den Geltungsbereich der BV 1/2000 fielen. Damit dürften sie alle diejenigen ehemaligen Busfahrer von der Leistung ausgeschlossen haben, die schon vor dem 31. Dezember 2010 nicht mehr als Schienenbahnfahrer eingesetzt wurden. Eine solche Bestimmung wäre überflüssig, wenn die Betriebspartner nicht voraussetzen würden, dass nur derjenige Mitarbeiter
bzw. diejenige Mitarbeiterin den komb. Fahrerzuschlag erhält, der/die noch als Fahrer/in arbeitete.
Dieses Ergebnis wird auch durch den Umstand bestätigt, dass anlässlich Ablösung des BMT-G durch den TV-N ab 1. Juli 2010 der den Busfahrern zustehende Zuschlag, bezeichnet als "Einmannzuschlag", entfiel und nach der Überleitungsregel in § 23
Abs. 15 TV-N nur noch als Besitzstandszulage gezahlt wurde, "solange die anspruchsbegründende Tätigkeit weiterhin ununterbrochen (ausgeübt wurde) und die Zulage nach bisherigem Recht zu zahlen wäre". Diese Voraussetzung wäre von den ehemaligen Busfahrern der Beklagten, die mittlerweile als Schienenbahnfahrer arbeiteten, nicht mehr zu erfüllen gewesen. Es liegt deshalb nahe, dass durch § 1
Abs. Satz 2 BV
Nr. 01/2012 BV dieses Kriterium auf das Führen einer Schienenbahn übertragen wurde, um den ehemaligen Busfahrern ihren über die tarifliche Regelung hinausgehenden Besitzstand zu erhalten. Anderseits besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass der Kreis der Besitzstandsberechtigten erweitert, die Besitzstandsregelung also auch für solche Personen gelten sollte, die schon nicht mehr als Fahrer arbeiteten. Danach ist die Bestimmung so auszulegen, dass der komb. Fahrerzuschlag nur an solche Arbeitnehmer zu zahlen ist, die als Schienenbahnfahrer beschäftigt werden.
(2) Da der Kläger wegen seiner Fahrdienstuntauglichkeit seit 1. Januar 2017 nicht mehr als Schienenbahnfahrer arbeitete, erfüllt er die Anspruchsvoraussetzungen nicht. Es kommt nicht darauf an, dass die Beklagte ihm unabhängig von seiner Fahrdienstuntauglichkeit gar nicht als Busfahrer beschäftigen könnte und daher eine Einsatzfähigkeit als Busfahrer nicht vorliegen muss, um Anspruch auf den komb. Fahrerzuschlag zu erhalten.
dd) Ob dem Kläger ein Anspruch auf 25% des komb. Fahrerzuschlag nach § 11 DV
Nr. 141 zusteht, ist nicht erheblich, da die Beklagte ihm diese Leistung in Höhe von 81,82
EUR brutto monatlich zahlt. Der Kläger fordert mit seinen Anträgen in Bezug auf den komb. Fahrerzuschlag nur die Differenz von 245,50
EUR brutto.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92
Abs. 1
ZPO und berücksichtigt das Verhältnis von Obsiegen und Verlieren in beiden Instanzen.
Für den Wert der nicht in das Berufungsverfahren gelangten Anträge des Klägers wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen. Im übrigen sind - dies zur Erläuterung der Quotelung - die Zahlungsansprüche ihrer Gesamthöhe nach, die geforderte Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG mit 20.000,00
EUR und der Beschäftigungsanspruch des Klägers mit einem Bruttomonatsentgelt berücksichtigt worden.
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass nach § 72
Abs. 2
Nr. 1
ArbGG.