Urteil
Voraussetzungen eines Anspruchs auf behinderungsgerechte bzw. leidensgerechte Beschäftigung - Annahmeverzug und Schadensersatz

Gericht:

ArbG Weiden


Aktenzeichen:

1 Ca 168/17


Urteil vom:

15.09.2017


Grundlage:

Leitsätze:

1. Ein Anspruch aus Annahmeverzug scheidet bei Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers gem. § 297 BGB aus, wobei im Rahmen der arbeitsvertraglichen Festlegung auf die letzte wirksame Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers abzustellen ist, um die geschuldete Leistung zu bestimmen (Leistungsfähigkeit für komplexe Programmiertätigkeiten nach einem unfallbedingten Hirnschaden verneint). (Rn. 13 - 16) (red. LS Ulf Kortstock)

2. Ein Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB scheidet bezüglich einer Nicht-Ausübung des Direktionsrechts zur Anpassung der Leistungsbestimmung aus, wenn nicht der Arbeitnehmer eine derartige Änderung nebst Angaben zu dem gewünschten Aufgabengebiet verlangt hat; dem Präventionsverfahren gem. § 84 Abs. 1 SGB IX aF ist - auch wenn anders als vorliegend die Schwerbehinderung/Gleichstellung bereits feststeht - nichts anderes zu entnehmen, wenn dem Arbeitgeber die Art der krankheitsbedingten Einschränkungen nicht bekannt ist; die Voraussetzungen für die Pflicht, ein betriebliches Eingliederungsmanagement und damit vielleicht eine konkrete Alternativtätigkeit anzubieten, lagen nicht vor. (Rn. 17 - 26) (red. LS Ulf Kortstock)

Rechtsweg:

ArbG Weiden/Oberpfalz, Urteil vom 15.09.2017 - 3 Ca 166/17
ArbG Weiden/Oberpfalz, Urteil vom 15.09.2017 - 1 Ca 167/17
ArbG Weiden/Oberpfalz, Urteil vom 15.09.2017 - 3 Ca 169/17
LAG Nürnberg, Urteil vom 18.04.2018 - 2 Sa 408/17
ArbG Weiden/Oberpfalz, Urteil vom 15.09.2017 - 3 Ca 1437/16

Quelle:

BAYERN.RECHT

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Der Streitwert wird festgesetzt auf 37.078,89 EUR.

IV. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im bestehenden Arbeitsverhältnis um Annahmeverzugslohn.

Der 1961 geborene und ledige Kläger ist seit 03.03.1997 bei der Beklagten als Elektrotechniker beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom gleichen Tag umschloss das Aufgabengebiet u.a. die Softwareerstellung, Projektbetreuung und -abwicklung, Inbetriebsetzung und Kundenschulung. Der Kläger erklärte sich darüber hinaus mit dem Einsatz auf Baustellen einverstanden. Die Beklagte lehnt sich an die Tarifverträge der bayerischen Metall- und Elektroindustrie an.

Der Kläger machte eine ausweislich seiner Prüfungszeugnisse vom 26.06.1980 und vom 04.02.1982 (Blatt 68 der Akte des beigezogenen Verfahrens) eine Ausbildung zum Elektrogerätemechaniker und zum Energiegeräteelektroniker. Anschließend diente er mehrere Jahre als Soldat und wurde dort zum Flugsicherungsradarmechanikermeister ausgebildet. Nach der Militärzeit machte er eine Ausbildung zum staatlich geprüften Elektrotechniker ausweislich seines Abschlusszeugnisses vom 31.07.1992 (Blatt 71f der Akte des beigezogenen Verfahrens). In dem Fach Englisch zeigte er sehr gute Leistungen.

Die Beklagte richtet im Geschäftsbereich Automation Robotik für ihre industriellen Kunden unter anderem die Sicherheitstechnik ein. Dazu zählt unter anderem die "Einzäunung" von Fertigungslinien, in denen Roboter arbeiten. Für die Sicherheit der Mitarbeiter des Kunden und von Servicefirmen muss auch umfangreiche Sicherheitssoftware programmiert werden, damit diese Mitarbeiter für notwendige Wartungs-, Umrüst- oder Reparaturarbeiten nicht in den Wirkbereich der Roboter kommen können, solange diese nicht zuverlässig stillstehen. Dazu zählen auch Notstopps der Fertigungsstraße, wenn Mitarbeiter des Kunden oder der Servicefirmen den Wirkbereich der Roboter während der laufenden Produktion betreten und dabei durch mit Lichtschranken geschützte Zugänge zu den Fertigungslinien gehen. Im Bereich der Programmierung dieser sogenannten Sicherheits-SPS war der Kläger seit seinem Eintritt bei der Beklagten beschäftigt.

Der Kläger erlitt am 23.11.2001 unverschuldet einen Verkehrsunfall, bei dem es zu einer schweren hirnorganischen Schädigung kam. Nach dem Bescheid der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik (BGFE) vom 07.03.2006 (Blatt 23 der Akte des beigezogenen Verfahrens) wurde als Unfallfolge unter anderem eine leichte bis mittelgradige Hirnleistungsstörung nach frontaler Hirnschädigung anerkannt. Für die Zeit vom 17.06.2002 bis 31.10.2004 wurde eine MdE von 40% und ab dem 01.11.2004 eine MdE von 30% anerkannt. Ferner war ab 01.11.2004 ein GdB von 30 nach § 69 Abs. 2 SGB IX gegeben.

Am 10.04.2006 beantragte der Kläger die Gleichstellung nach § 68 Abs. 2 SGB IX.

Der Kläger erhält in Folge des Unfalles eine Erwerbsminderungsrente. Die Erwerbsminderungsrente des Klägers erhöhte sich ab 01.07.2008 auf 609,83 EUR ab 01.07.2009 auf 624,53 EUR ab 01.07.2011 auf 630,71 EUR und ab 01.07.2012 auf 644,46 EUR.

Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers streitet einen Erwerbsausfallschaden ab. Ab 15.04.2002 nahm der Kläger nach weniger als fünf Monaten nach dem Unfall im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme seine Tätigkeit wieder auf, ab 17.06.2002 war er vollschichtig tätig. Im Laufe der wieder aufgenommenen Beschäftigung stellte sich heraus, dass der Kläger in quantitativer Hinsicht erheblich leistungsgemindert war und in qualitativer Hinsicht untypische und in der Vergangenheit vor dem Unfall nicht aufgetretene Programmierfehler machte. Im Herbst/Winter 2003/2004 war vom Kläger bei der Sicherheitssoftware für eine Lackieranlage eines großen süddeutschen Automobilproduzenten die Funktionalität des "Not-Aus" aus der Software gelöscht worden. Ab Mai 2004 beschäftigte die Beklagte den Kläger deshalb nicht mehr als Programmierer für SPS-Sicherheitssoftware.

Mit Schreiben vom 02.09.2004 (Blatt 42 der Akte des beigezogenen Verfahrens) teilte der Betriebsarzt mit, dass sich der Kläger bei ihm vorgestellt hatte und umfangreiche Unterlagen dabei hatte, aus denen hervorging, dass mehrere Gutachter einmütig eine Wesensveränderung wie auch eine Leistungseinschränkung bejahen. Im Nachgang dazu teilte der Betriebsarzt mit weiterem Schreiben vom 09.09.2004 (Blatt 43 der beigezogenen Akte) mit, dass im Rahmen einer Testaufgabe der Kläger für die gestellte Aufgabe knapp 140 Stunden für eine Station benötigte und ein unerfahrener Kollege dagegen nur 68 Stunden für 5 Stationen.

Die Beklagte sprach am 23.09.2004 eine Beendigungskündigung zum 31.12.2004 aus. In dem darum geführten Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Weiden - Außenkammer B-Stadt - machte der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 22.03.2005 (Blatt 198,, 201 der Akte) geltend:

"Aufgrund seiner Ausbildung wäre der Kläger daher jederzeit in der Lage, auch im Anlagenbau bzw. in der Anlagenfertigung bei der Beklagten beschäftigt zu werden. Diese Umstände müssten der Personalabteilung der Beklagten durchweg bekannt sein, da dieser auch diese Ausbildungszeugnisse bzw. -bescheinigungen vorliegen."

Im Berufungsverfahren vor dem LAG Nürnberg machte der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 08.09.2005 (Blatt 205, 210 der Akte) geltend: "Die Beklagte übersieht hier völlig, dass der Kläger eine Ausbildung zum Elektrogerätemechaniker sowie Energiegeräteelektroniker besitzt. In einer Weiterbildung wurde er zum Elektrotechniker ausgebildet. (...) Zumindest hätte eine Versetzungsmöglichkeit in diese Arbeitsbereiche, die die Beklagte auch unterhält, geprüft werden müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen."

Die Kündigungsschutzklage war erfolgreich.

Die Beklagte sprach am 19.07.2005 eine Änderungskündigung aus. In dem darum geführten Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Weiden - Außenkammer B-Stadt - machte der Kläger mit Klageschrift seines Prozessbevollmächtigten vom 01.08.2005 (Blatt 212, 215 der Akte) geltend:

"Der Kläger ist jedenfalls in der Lage, die von ihm arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen."

Er macht dort (Blatt 212, 216 der Akte) ferner geltend:

"Keinesfalls können dem Kläger in Anbetracht seiner Ausbildung und seiner Leistungsfähigkeit Lagerarbeiten zugewiesen werden.

Sofern überhaupt eine Umsetzung des Klägers gerechtfertigt sein sollte, sind die unterschiedlichen Versetzungsmöglichkeiten unter Beachtung der Vorschrift des § 84 SGB IX zu prüfen. Der Kläger könnte beispielsweise ggf. in der Dokumentation weiterarbeiten. Es wird bestritten, dass die Beklagte weitere Umsetzungsmöglichkeiten geprüft hat. Die Beklagte missachtet den Grundsatz, dass der Arbeitgeber alle Anstrengungen zu unternehmen hat, um den Arbeitnehmer möglichst dauerhaft weiter zu beschäftigen."

Auch diese Kündigungsschutzklage war erfolgreich.

Am 08.08.2005 nahm der Kläger im Rahmen eines Prozessbeschäftigungsverhältnisses seine Tätigkeit für die Beklagte wieder auf. Er wurde vorübergehend mit Übersetzungs- und Dokumentationsaufgaben betraut. Im Dezember 2005 führte die Beklagte mit dem Kläger einen Arbeitsversuch durch mit der von ihm arbeitsvertraglich geschuldeten Programmiertätigkeit. Auch hier machte er mehrere sicherheitsrelevante Fehler. Ab dem 01.01.2006 wurde der Kläger im Geschäftsbereich Automation Robotik als Lagerhelfer beschäftigt.

Ab August 2006 wurde der Kläger weiter im Geschäftsbereich Automation Robotik als Helfer bei der Kalt-Brünier-Anlage in der Lackiererei beschäftigt.

Ab Juli 2010 wurde der Kläger schließlich weiterhin im Bereich Automation Robotik in der CNC-Fräserei beschäftigt zum Umspannen von Serienteilen.

Unter dem 16.03.2006 erklärte die Beklagte ein weiteres Mal eine Änderungskündigung. Auch insoweit war eine hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage erfolgreich.

Unter dem 30.03.2006 erklärte die Beklagte eine weitere und bisher letzte Änderungskündigung zum 30.06.2006. Diese Änderungskündigung sollte zu einer Neubestimmung der vertraglichen Aufgaben des Klägers führen und damit einhergehend zu einer erheblichen Reduzierung seiner Vergütung. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an und erhob Kündigungsschutzklage. Deren Akten wurden dem Verfahren beigezogen.

In der Klageschrift vom 03.04.2006 (Blatt 7, 11 der Akte des beigezogenen Verfahrens) hielt der Kläger daran fest, dass er die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung als SPS-Programmierer weiterhin ausüben könne und an seinem Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 01.08.2005 im Vorverfahren. In dem weiteren Schriftsatz vom 14.07.2006 (Blatt 56, 64 der Akte des beigezogenen Verfahrens) machte er geltend, er könne im Anlagenbau bzw. in der Anlagenfertigung beschäftigt werden. Nach Beweisaufnahme wurde die Kündigungsschutzklage abgewiesen.

In der Berufungsbegründung vom 05.06.2007 (Blatt 145, 154, 155 der Akte des beigezogenen Verfahrens) wies der Kläger darauf hin, dass er ab dem 08.08.2005 einer Prozessbeschäftigung nachging mit Übersetzungs- und Dokumentationsarbeiten und im Anlagenbau bzw. der Anlagenfertigung arbeiten könne. Die Beklagte machte dazu geltend, dass es sich bei den Dokumentations- und Übersetzungsarbeiten nur um eine Prozessbeschäftigung gehandelt habe und ein Arbeitsplatz nicht dauerhaft zur Verfügung stünde. Dazu machte der Kläger mit Schriftsatz im Berufungsverfahren vom 23.08.2007 (Blatt 176, 183 der Akte des beigezogenen Verfahrens) geltend, dass eine externe Vergabe dieser Aufgaben erfolgt sei, es der Beklagten aber zuzumuten sei, diese Arbeiten nicht mehr fremd zu vergeben, sondern im eigenen Haus zu erledigen und hierfür den Kläger einzusetzen. Im Übrigen verwies der Kläger im beigezogenen Verfahren wiederholt auf verschiedene Arbeitsbereiche bei der Beklagten und vielfältige Stellenanzeigen der Beklagten. Er machte unter Berufung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geltend, er könne in diesen Arbeitsbereichen und auf diesen ausgeschriebenen Stellen arbeiten.

Im Berufungsverfahren wurden mehrere ärztliche Gutachten eingeholt zu der Frage der Leistungsfähigkeit des Klägers im Hinblick auf seine Befähigung, nach dem Unfall noch sicherheitsrelevante Software zu programmieren.

Der erste Gutachter T. L. teilte in dem psychiatrischen Teilgutachten vom 12.08.2010 (Blatt 326ff der beigezogenen Akte) mit, dass er sich im Ergebnis außerstande sieht, die Beweisfragen fachgerecht und sachgerecht zu beantworten (Blatt 334 der beigezogenen Akte) und eine fachgerechte neuropsychologische Untersuchung erforderlich sei. Im neurologischen Zusatzgutachten vom 17.01.2011 (Blatt 296ff der beigezogenen Akte) teilte der Gutachter Prof. Dr. med. Sch. mit, dass die Fragen des Gerichtes aus neuropsychologischer Sicht nicht abschließend beantwortet werden können, weil es dazu an einer exakten Spezifikation der zu leistenden Tätigkeit fehle (Blatt 323 der beigezogenen Akte).

Im weiteren Gutachten vom 12.03.2012 (Blatt 340ff der beigezogenen Akten) teilt der Gutachter Prof. Dr. med. D. abschließend mit, es sei schwer beurteilbar, ob weiterhin komplexe SPS-Programmiertätigkeiten vorgenommen werden können, da es nicht möglich sei, dies vor Ort zu überprüfen (Blatt 359 der beigezogenen Akten).

Der letzte Gutachter Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. kommt mit Gutachten vom 08.08.2013 (Blatt 491ff der beigezogenen Akte) zu dem Ergebnis, er habe keinen vernünftigen Zweifel daran, "dass sich die erheblichen Defizite auf das Leistungsvermögen in dem komplexen und verantwortungsvollen Tätigkeitsfeld des SPS-Programmierers negativ auswirken. Dies schließt zwar nicht grundsätzlich aus, dass der Kläger noch in der Lage wäre, Programmierarbeiten zu erledigen. Soweit diese komplexer sind und unter Zeitdruck erfolgen, verliert der Kläger jedoch leicht die Übersicht, sodass dann in einem erheblich verstärkten Umfang die erbrachten Leistungen von Dritten kontrolliert und revidiert werden müssten. Versuche ich dies zu quantifizieren, erachte ich die Leistungsfähigkeit des Klägers in seinem konkreten Tätigkeitsfeld um in jedem Fall 30-40% gemindert." (Blatt 521 der beigezogenen Akte).

Diese Feststellungen führten im Ergebnis zur Zurückweisung der Berufung. Dagegen wandte sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde und begründete diese damit, dass das Berufungsgericht mangels Schwerbehinderung oder Gleichstellung des Klägers weder eine Notwendigkeit eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX vor der Kündigung erkennen konnte noch mangels einer ununterbrochenen oder wiederholten Arbeitsunfähigkeit des Klägers von mehr als sechs Wochen innerhalb eines Jahres die Notwendigkeit eines BEM-Verfahrens nach § 84 Abs. 2 SGB IX. Insoweit liege eine Divergenz nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG vor zu BAG, Urteil vom 12.07.2007 - 2 AZR 716/06 - . Darüber hinaus habe die Frage grundsätzliche Bedeutung nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG, ob § 84 Abs. 2 SGB IX bei Arbeitnehmern mit einer einfachen Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX voraussetze, dass diese ebenfalls länger als sechs Wochen im Kalenderjahr arbeitsunfähig krank waren, um die Notwendigkeit eines betrieblichen Eingliederungsmanagements auszulösen. Mit Beschluss des BAG vom 19.01.2016 wurde die Revision entsprechend § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG ohne Begründung zugelassen.

Mit Berichterstatterschreiben vom 16.11.2016 wurden die Parteien darauf hingewiesen, dass die Vorinstanzen die Frage der sozialen Rechtfertigung der Absenkung des Stundenlohnes auf 8,50 EUR brutto nicht geprüft hätten. Die Parteien erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Binnen gesetzter Frist teilte die Beklagte Namen und Stundenverdienste der übrigen mit Lagerhelfertätigkeiten beschäftigten Mitarbeiter mit. Diesen Tatsachenvortrag bestritt der Kläger mit Nichtwissen.

Mit weiterem Berichterstatterschreiben vom 09.01.2017 wurden die Parteien mit folgenden Überlegungen bekannt gemacht: "In pp. dürfte das mit der Kündigung vom 30. März 2006 unterbreitete Änderungsangebot aus dem grundsätzlich maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont des Klägers mehrere Auslegungsmöglichkeiten hinsichtlich der fortan geschuldeten Arbeitsleistung zulassen, was möglicherweise zu Zweifeln an seiner Bestimmtheit, jedenfalls aber an seinem Inhalt und seiner sozialen Rechtfertigung führen könnte.

Musste der Kläger davon ausgehen, dass er nach Ablauf der Kündigungsfrist Tätigkeiten eines Elektrotechnikers unter Einschluss von Arbeiten im Lager verrichten sollte? Sollte er künftig als Elektrotechniker und zusätzlich als "Lagermitarbeiter" eingesetzt werden können? Sollte er fortan ausschließlich mit Lagerarbeiten betraut werden können? Welchen Sinn hatten die Passagen, nach denen er als Elektrotechniker "eingestellt" werde und sich mit Einsätzen auf Baustellen einverstanden erkläre? Ist zwischen den Parteien im Vorfeld der Kündigung vom 30. März 2006 über den avisierten Aufgabenbereich gesprochen worden? Wenn dem Kläger nach Wirksamwerden der Änderungen nicht ausschließlich reine Lagertätigkeiten übertragen werden sollten: Wie ließe sich dies mit der angebotenen Vergütung vereinbaren?."

Im Hinblick auf den bevorstehenden Termin zur Revisionsverhandlung wurden die Parteien um möglichst kurzfristige Stellungnahme gebeten. Die Parteien trugen ergänzend vor.

Der Änderungskündigungsschutzklage wurde nach mündlicher Verhandlung am 26.01.2017 schließlich mit BAG, Urteil vom 26.01.2017 - 2 AZR 68/16 - stattgegeben. Eine Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht erfolgte nicht.

In der Begründung wird unter anderem Bezug genommen auf Sachvortrag der Beklagten, der erstmals im Verfahren vorgetragen wurde vor dem BAG mit Schreiben der beklagten Partei vom 12.12.2016 in Beantwortung des Schreibens des Berichterstatters vom 16.11.2016. In der Begründung wird ferner ausgeführt, entscheidungserheblicher weiterer Sachvortrag der Beklagten stehe nicht zu erwarten.

Der Kläger hat im Verlauf des langjährigen Kündigungsschutzverfahrens in verschiedenen beim Arbeitsgericht Weiden - Außenkammer B-Stadt - anhängigen Verfahren zur Wahrung der in Ziffer 8 des Arbeitsvertrages vereinbarten Ausschlussfristen den Differenzlohn zwischen der nach dem ursprünglich geschlossenen Vertrag geschuldeten Vergütung und der tatsächlich infolge der Änderungskündigung gezahlten Vergütung geltend gemacht. In dem Verfahren 3 Ca 169/17 macht der Kläger für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.05.2007 Differenzlohn geltend in Höhe von 21.891,16 EUR brutto. In dem Verfahren 3 Ca 166/17 macht der Kläger für die Zeit vom 01.06.2007 bis 31.12.2008 Differenzlohn geltend in Höhe von 28.004,14 EUR brutto. In dem hier streitgegenständlichen Verfahren 1 Ca 167/17 macht der Kläger für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 Differenzlohn geltend in Höhe von 45.360,77 EUR brutto.

In dem Verfahren 1 Ca 168/17 macht der Kläger für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2012 Differenzlohn geltend in Höhe von 37.078,89 EUR brutto.

In dem Verfahren 3 Ca 1437/17 macht der Kläger für die Zeit vom 01.01.2013 bis 31.12.2016 Differenzlohn geltend in Höhe von 81.147,16 EUR brutto.

Insgesamt begehrt der Kläger eine Nachzahlung von 213.482,12 EUR brutto.

Der Kläger macht geltend:

Ihm stehe der Differenzlohn als Annahmeverzugslohn zu.

Dieser berechne sich unter Berücksichtigung der über die Jahre erfolgten Tariflohnerhöhungen wie folgt: Für das Jahr 2011:

01.01. bis 31.12.2011 37.867,81 EUR brutto zuzüglich vertragliches Urlaubsgeld 2.213,81 EUR brutto zuzüglich vertragliches Weihnachtsgeld 1.897,55 EUR brutto zuzüglich VWL 159,60 EUR brutto Summe: 42.138,77 EUR brutto.

Darauf sei von der Beklagten bezahlt worden 23.798,31 EUR brutto, sodass sich eine Nachforderung ergebe von 18.340,46 EUR brutto.

Und für das Jahr 2012:

01.01. bis 31.12.2012; 39.038,88 EUR brutto zuzüglich vertragliches Urlaubsgeld 2.309,00 EUR brutto zuzüglich vertragliches Weihnachtsgeld 1.979,14 EUR brutto zuzüglich VWL 159,60 EUR brutto Summe: 43.486,62 EUR brutto.

Darauf sei von der Beklagten bezahlt worden 24.748,19 EUR brutto, sodass sich eine Nachforderung ergebe von 18.738,43 EUR brutto.

Für beide Jahre ergebe sich eine Nachforderung von 37.078,89 EUR brutto.

Daraus errechne sich die Klageforderung. Die Beklagte könne nicht einwenden, dass sie sich an die Branchentarifverträge nur anlehne. Es bestehe eine betriebsübliche betriebliche Übung, die Tarifabschlüsse zu übernehmen und an die Beschäftigten weiterzugeben.

Die Beklagte könne nach dem Urteil des BAG nicht mehr damit gehört werden, er, der Kläger, sei nicht leistungsfähig gewesen im Sinne des ursprünglichen Vertrages. Er sei aber auch unabhängig von dieser rechtlichen Überlegung leistungsfähig gewesen. Dies ergebe sich aus den vor dem LAG Nürnberg im Kündigungsschutzverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten des Prof. Dr. D2. und des Prof. Dr. L., deren Beiziehung zu Beweiszwecken zum vorliegenden Verfahren beantragt werde. Auch die Berufsgenossenschaft habe schon 2002 festgestellt, dass er wieder voll einsatzfähig sei ausweislich des Aktenvermerks der Berufshilfe vom 02.07.2002 (Blatt 150 der Akte).

Einer Beschäftigung auf dem ursprünglichen Arbeitsplatz seien auch keine versicherungsrechtlichen oder arbeitsschutzrechtlichen Aspekte entgegengestanden. Das Vorbringen der Beklagten sei insoweit zu bestreiten.

Vorsorglich sei im Hinblick auf etwaige Schadensersatzansprüche in tatsächlicher Hinsicht geltend zu machen:

Darum gehe es gar nicht. Er habe nach der Wiedergenesung wieder erfolgreich auf der alten Stelle als SPS-Sicherheitssoftware-Programmierer gearbeitet.

Es sei der Beklagten jedenfalls möglich gewesen, ihn nicht nur als Lagerhelfer weiter zu beschäftigen mit einem Lohn von ursprünglich von 8,50 EUR brutto ab 01.07.2006. Dies ergebe sich schon aus dem tatsächlichen weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses nach der Wiedergenesung von dem Unfall und den verschiedenen ihm zugewiesenen Arbeitsplätzen und Arbeitsaufgaben.

Es hätte auch höherwertige Arbeitsplätze gegeben, wie die wiederholten Stellenausschreibungen bei der Beklagten in der Zeit danach gezeigt hätten. Es seien Projektleiter, Industriemechaniker/Schlosser, CNC-Fräser sowie Elektriker/Energieelektroniker gesucht worden. Solche seien auch eingestellt worden. Ihm sei dagegen keine solche Stelle angeboten worden. Selbst wenn er trotz seiner vielfachen Ausbildung auf diesen Stellen in Teilbereichen nicht einsetzbar gewesen wäre, so hätte er mit entsprechendem "learning on the job" in die jeweilige Tätigkeit hineinfinden können. Entsprechende Nachqualifizierungsmaßnahmen seien für die Beklagte sogar kostenneutral möglich gewesen über die Berufsgenossenschaft.

Es sei pflichtwidrig keine Maßnahme nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchgeführt worden.

Es sei auch pflichtwidrig kein BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt worden. In einem solchen Verfahren hätte sich ebenfalls eine höherwertige Tätigkeit als nur Lagertätigkeit für den Kläger finden lassen, wenn er schon nicht mehr habe programmieren können.

In rechtlicher Hinsicht sei darauf zu verweisen, dass es einer Fristsetzung nach § 281 Abs. 2 BGB nicht bedurft habe nach der ernsthaften und endgültigen Weigerung der Beklagten, dem Kläger einen (soweit überhaupt erforderlich) leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.

Er habe wiederholt eine leidensgerechte Arbeit angeboten.

Auch ein Einsatz als Elektrotechniker sei möglich gewesen. Die Beklagte gehe selbst nach den Urteilsgründen des BAG im Kündigungsschutzverfahren davon aus, dass der Kläger zumindest auf Baustellen als Elektrotechniker hätte eingesetzt werden können.

Auch ein Einsatz im Bereich der technischen Dokumentation und der entsprechenden Übersetzung sei möglich gewesen. Diese Tätigkeit wäre auch auf dem Standard der vertraglich vereinbarten Tätigkeit gewesen. In dieser Position habe er auch gearbeitet ab dem 08.08.2005. Darauf habe er auch Bezug genommen in der Kündigungsschutzklage mit dem Hinweis, dass unterschiedliche Versetzungsmöglichkeiten unter Beachtung der Vorschrift des § 84 SGB IX zu prüfen seien und er, der Kläger, beispielsweise ggf. in der Dokumentation weiterarbeiten könne.


Der Kläger beantragt zuletzt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 37.078,89 EUR brutto nebst Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.


Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

Der Kläger habe keinen Anspruch auf den Differenzlohn aus Annahmeverzug. Die Berechnung des Klägers sei schon fehlerbehaftet.

Die Beklagte lehne sich nur an die Flächentarifverträge an. Tariflohnerhöhungen würden deshalb auch nicht 1:1 an die eigenen Mitarbeiter weitergegeben. Ferner beziehe der Kläger eine Teilerwerbsminderungsrente, die gegebenenfalls auf den Annahmeverzugsanspruch anzurechnen sei.

Der Anspruch bestehe schon dem Grunde nach nicht.

Ansprüche aus Annahmeverzug setzten voraus, dass der Arbeitnehmer auch objektiv leistungsfähig sei. Dies sei der Kläger nicht gewesen. Nach Wiederaufnahme der Tätigkeit ab Sommer 2002 sei festgestellt worden, dass der Kläger die von der Beklagten erstellte Sicherheitssoftware nicht mehr fehlerfrei programmieren könne und die Leistung insgesamt um ca. 50% im Vergleich zur Normalleistung zurückgegangen sei. Darüber hinaus seien bei dem Programmiertest im Zusammenhang mit einem Projekt für den Autobauer massive Fehler gemacht worden. Die Programmierfehler des Klägers hätten zu unnötigen Bandstillegungen führen können wie bei dem Programmiertest für Daimler oder zu keinem Notstop der Roboter bei einem Betreten der Gefahrenzone durch Mitarbeiter des Kunden.

Ursächlich für die Programmierfehler des Klägers sei der Unfall gewesen und die dabei erlittenen dauerhaften gesundheitlichen Schäden, die den Kläger außerstande setzten, komplexe Aufgaben wie Programmiertätigkeiten strukturiert und konzentriert und im Ergebnis fehlerfrei abzuarbeiten. Dies ergebe sich aus dem von dem LAG Nürnberg im Kündigungsschutzverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten des Prof. Dr. W., dessen Beiziehung zum vorliegenden Verfahren beantragt werde.

Der Kläger habe im Bereich der Programmierung von Sicherheitssoftware wegen dieser organischen Hirnschädigungen nicht mehr beschäftigt werden können aus haftungsrechtlichen Gründen wie auch aus Gründen des Arbeitsschutzes. So habe die Betriebshaftpflicht der Beklagten bestätigt, dass bei arbeitgeberseitiger Vorkenntnis der fehlenden Verlässlichkeit des Mitarbeiters darauf zurückführende Schäden nach § 61 VVG und § 4 Abs. 2 Ziffer 1 AHB (1997) nicht versichert seien. Dies sei ein für die Beklagte nicht hinnehmbares Haftungsrisiko. Ferner dürfe die Beklagte aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen Mitarbeiter nicht mit Arbeiten betrauen, die diese nicht erledigen können ohne Gefahr für sich und andere, wie sich aus der einschlägigen berufsgenossenschaftlichen UVV zur Prävention, dort § 7 ergebe.

Die Beklagte habe dem Kläger auch im Laufe der Zeit höherwertige Tätigkeiten übertragen, soweit der Kläger dazu in der Lage gewesen sei. Ursprünglich sei der Kläger beschäftigt worden im Bereich Automation Robotik, dort im Bereich Lager als Lagerhelfer. Ab August 2006 sei der Kläger dann versetzt worden innerhalb des Bereiches als Helfer in der Lackiererei. Ab Juli 2010 sei er dann zum Einsatz gekommen in der CNC-Fräserei.

In den vom Kläger genannten Bereichen sei ein Einsatz jedoch nicht möglich. Der Kläger könne weder unter Zeitdruck arbeiten noch mit komplexeren Aufgaben wie Projektleitung oder Anlagenbau und Schaltschrankbau betraut werden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll verwiesen, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 313 Abs. 2 ZPO. Die Kammer hat die Akten des Kündigungsschutzprozesses vor dem LAG - 7 (2) Sa 229/07 - und dem BAG - 2 AZR 68/16 - insbesondere hinsichtlich der Sachverständigengutachten Prof. Dr. med. Sch. (Blatt 297ff der dortigen Akte), Prof. Dr. med. D. (Blatt 340 ff der dortigen Akte) und Prof. Dr. med. W. (Blatt 491 ff der dortigen Akte) zu Beweiszwecken beigezogen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zum Arbeitsgericht ist eröffnet, § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG i.V.m. den §§ 46, 48 ArbGG. Das Arbeitsgericht Weiden - Außenkammer B-Stadt - ist zur Entscheidung des Rechtsstreites auch örtlich zuständig, § 48 Abs. 1a Satz 1 ArbGG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Nr.10, Art. 3 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 BayArbGOrgG.

II.

Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keine Ansprüche auf Differenzlohn in geltend gemachter Höhe gegen die Beklagte aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Annahmeverzuges nach §§ 611, 615 BGB oder aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Schadenersatzes nach § 280 Abs. 1 BGB.

A.

Ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn gemäß §§ 611, 615 Satz 1 BGB besteht nicht, weil sich die Beklagte während des streitigen Klagezeitraums nach § 297 BGB nicht in Annahmeverzug befand.

1. Nach § 297 BGB kommt der Gläubiger nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 BGB zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit nicht willens ist, die geschuldete Leistung zu erbringen, oder aber objektiv außerstande ist, die Leistung zu bewirken, BAG, Urteil vom 22.02.2012 - 5 AZR 249/11 - dort Rdz. 16, zitiert nach juris, in jüngerer Zeit auch BAG, Urteil vom 28.09.2016 -5 AZR 224/16 - dort Rdz. 23, zitiert nach juris.

a. Entfällt das objektive Leistungsvermögen des Arbeitnehmers, wird die vertraglich geschuldete Leistung unmöglich. Die Darlegungs- und Beweislast für das Unvermögen des Arbeitnehmers trägt der Arbeitgeber. Da er über den Gesundheitszustand und das Leistungsvermögen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum regelmäßig keine näheren Kenntnisse hat, können an seinen Vortrag zum Leistungsunvermögen keine hohen Anforderungen gestellt werden. Es genügt, wenn er Indizien vorträgt, aus denen auf Arbeitsunfähigkeit geschlossen werden kann. In Betracht kommen insbesondere Krankheitszeiten des Arbeitnehmers vor, in und nach dem Verzugszeitraum. Hat der Arbeitgeber solche Indizien vorgetragen, ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung zu erschüttern. Der Arbeitnehmer muss dartun, warum aus dem Vortrag des Arbeitgebers nicht auf Leistungsunvermögen geschlossen werden kann, BAG, Urteil vom 24.09.2014 - 5 AZR 611/12 - dort Rdz. 17, zitiert nach juris.

b. Zu der Frage des objektiven Leistungs(un)vermögens hat das BAG eine differenzierte Rechtsprechung entwickelt. Es ist nach der Rechtsprechung des BAG nicht darauf abzustellen, ob der Arbeitnehmer alle im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebenen Tätigkeiten nicht mehr ausüben kann. Es kommt vielmehr nur darauf, ob er noch objektiv in der Lage ist, die ihm im Rahmen des Direktionsrechtes zugewiesenen Arbeitsaufgaben zu erledigen.

Kann der Arbeitnehmer, dessen Tätigkeit im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben ist, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO wirksam näher bestimmte Tätigkeit aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr ausüben, aber eine andere, im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung liegende Tätigkeit verrichten, ist das Angebot einer "leidensgerechten Arbeit" durch den Arbeitnehmer ohne Belang, solange der Arbeitgeber nicht durch eine Neuausübung seines Direktionsrechts diese zu der iSv. § 294 BGB zu bewirkenden Arbeitsleistung bestimmt hat. Anderenfalls könnte der Arbeitnehmer den Inhalt der arbeitsvertraglich nur rahmenmäßig umschriebenen Arbeitsleistung selbst konkretisieren. Das widerspräche § 106 Satz 1 GewO. Die Konkretisierung der Arbeitspflicht ist nach § 106 Satz 1 GewO Sache des Arbeitgebers. Verlangt der Arbeitgeber eine bestimmte Arbeit in rechtlich einwandfreier Art und Weise, kommt er nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer diese Arbeit ablehnt und stattdessen eine andere, ebenfalls vertragsgemäße Arbeit anbietet, BAG, Urteil vom 30.04.2008 - 5 AZR 502/07 - dort Rdz. 24, zitiert nach juris. Mit der Ausübung des Direktionsrechts wird die vertraglich geschuldete Tätigkeit näher bestimmt und ist ab diesem Zeitpunkt bis zur - wirksamen - Neuausübung des Direktionsrechts die konkret geschuldete Leistung, BAG, Urteil vom 19.05.2010 - 5 AZR 162/09 - dort Rdz. 16, zitiert nach juris und in jüngerer Zeit BAG, Urteil vom 27.05.2015 -5 AZR 88/14 - dort Rdz. 19, zitiert nach juris. Das objektive Leistungsvermögen des Arbeitnehmers muss insoweit gegeben sein, damit dem Anspruch auf Annahmeverzugslohn nicht § 297 BGB entgegensteht. Auf diese Tätigkeit muss sich auch der Leistungswille des Arbeitnehmers, also sein Arbeitsangebot beziehen, BAG, Urteil vom 27.08.2008 - 5 AZR 16/08 - dort Rdz. 14, zitiert nach juris, BAG, Urteil vom 22.02.2012 - 5 AZR 249/11 - dort Rdz. 21, zitiert nach juris, BAG, Urteil vom 09.04.2014 -10 AZR 637/13 - dort Rdz.37, zitiert nach juris. Dieser Rechtsprechung haben sich auch die Landesarbeitsgerichte angeschlossen, LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.06.2012 - 4 Sa 2151/11 - dort 47, zitiert nach juris, LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.08.2013 - 2 Sa 248/13 - dort Rdz. 45.

2. Für den vorliegenden Fall ergibt sich hieraus:

a. Der Kläger wurde als Elektrotechniker bei der Beklagten eingestellt. Die Tätigkeit, die ihm nach seinem Arbeitsvertrag oblag, umfasste u.a. die Softwareerstellung, die Projektbetreuung und -abwicklung, die Inbetriebsetzung und Kundenschulung. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Bei den Programmierarbeiten des Klägers handelte es sich ausschließlich um sog. Sicherheits-SPS (= speicherprogrammierbare Steuerung) bei Fertigungsanlagen. Dies ergibt sich aus dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten. Diese Tätigkeit war die zugewiesene Tätigkeit, hinsichtlich derer zur Begründung von Annahmeverzugsansprüchen objektive Leistungsfähigkeit und subjektiver Leistungswille erforderlich waren.

b. Die nach BAG, Urteil vom 27.05.2015, aaO für die Frage der objektiven Leistungsunfähigkeit maßgebliche vom Kläger geschuldete Tätigkeit war die des Programmierens von Sicherheits-SPS. Mit der Zuweisung dieser Tätigkeit bewegte sich die Beklagte im Rahmen ihres durch den Arbeitsvertrag umschriebenen Direktionsrechtes. Damit wurde die dem Kläger obliegende Arbeit letztmals innerhalb des Direktionsrechtes der Beklagten konkretisiert. Diese zuletzt zugewiesene Tätigkeit des Programmierens von SPS-Sicherheitssoftware kann der Kläger seit seinem Unfall dauerhaft nicht mehr ausüben. Insoweit schließt sich das erkennende Gericht den überzeugenden Ausführungen des LAG Nürnberg im Berufungsurteil zu den Feststellungen des letzten Gutachters im Gutachten vom 08.08.2013 an. Nach diesem Gutachten, das zu Beweiszwecken beigezogen wurde, ist davon auszugehen, dass beim Kläger eine irreversible hirnorganische Verletzung vorliegt, die dazu führt, dass er die an sich geschuldeten komplexen Programmierarbeiten nicht (mehr) durchführen kann.

Nach dem Gutachten ist beim Kläger eine rechts im Frontalhirn gelegene Narbenzone vorhanden. Diese beeinträchtigt nach den Ausführungen des Gutachters zwei kognitive Funktionen des Gehirns, nämlich temporal das Gedächtnis und die exekutiven Funktionen, wobei zu letzteren beispielsweise Planung, Kontaktfähigkeit und Problemlösung gehören.

Nach dem Ergebnis der gutachterlichen Untersuchung weist der Kläger in den Bereichen Gedächtnisleistung und Lernfähigkeit deutliche Defizite auf, die dazu führen, dass seine Leistungsfähigkeit in seinem Tätigkeitsfeld um 30 bis 40% gemindert ist. Diese Einschätzung beruht auf den vom Gutachter schriftlich dargestellten und nachvollziehbaren Testergebnissen. Die Leistungsminderung bedingt, dass die erbrachten Leistungen nicht von der Beklagten weiter übernommen werden können, sondern vorher von Dritten kontrolliert und revidiert werden müssen. Die vorgängigen Gutachten der anderen Gutachter stehen dem Gutachten vom 08.08.2013 nicht entgegen.

Im neurologischen Zusatzgutachten vom 17.01.2011 ist ausgeführt, dass es durchaus vorstellbar sei, dass der Kläger die frühere Tätigkeit wieder aufnehme. Diesbezüglich erfolgt eine Einschränkung, wenn im Ergebnis ausgeführt wird, es sei dem Kläger eine etwas längere Zeit zur Selbstkontrolle bzw. zur Zuhilfenahme von Gedächtnis- und Planungsstützen einzuräumen. Maßgebend ist indes die Feststellung auf Blatt 27 dieses Gutachtens, die Frage des Gerichtes, ob der Kläger wegen der beim Verkehrsunfall am 23.01.2001 erlittenen Hirnschädigung nicht mehr in der Lage sei, das ihm übertragene Aufgabengebiet zu bearbeiten, könne in dieser Form aus neurologischneuropsychologischer Sicht nicht abschließend beantwortet werden, weil es an einer exakten Spezifikation der zu leistenden Tätigkeit fehle, d.h., der Gutachter besaß keine konkrete Vorstellung davon, welche Arbeit der Kläger zu leisten hatte und welche Anforderungen neurologischer Art diese mit sich brachte.

Das Gleiche gilt im Ergebnis für das Gutachten vom 12.03.2012 und das psychiatrische Teilgutachten vom 12.08.2010. So wird im Gutachten vom 12.03.2012 auf Seite 20 (Bl. 359 der beigezogenen Akten) ausgeführt, inwieweit weiterhin komplexe SPS-Programmiertätigkeiten vorgenommen werden könnten, sei von den Gutachtern schwer beurteilbar, da sie nicht in der Lage seien, dies vor Ort zu überprüfen. Der Ersteller des Gutachtens beantwortet die gestellte Beweisfrage also mit der Aussage, dass er dies in seinem Gutachten nicht abschließend beurteilen konnte. Dies entspricht der Kernaussage im psychiatrischen Teilgutachten vom 12.08.2010. Dort wird von dem Gutachter auf der vorletzten Seite (Bl. 371 der beigezogenen Akte) ausgeführt, der Unterzeichner sehe sich im Ergebnis außerstande, die Beweisfragen fachgerecht und sachgerecht zu beantworten.

Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass der Kläger nach dem Unfall die ihm im Rahmen des Direktionsrechtes zugewiesene Arbeit als SPS-Sicherheitssoftware-Programmierer als Unfallfolge nicht mehr ausüben konnte.

Dem Kläger stehen daher Ansprüche gegen die Beklagte aus Annahmeverzug nicht zu.

B.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagte hat nicht schuldhaft ihre Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt dadurch, dass sie dem Kläger nicht im Rahmen ihres Direktionsrechtes einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuwies.

1. Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Im Arbeitsverhältnis können die Vertragspartner deshalb zur Verwirklichung des Leistungsinteresses zu leistungssichernden Maßnahmen verpflichtet sein. Dazu gehört auch die Pflicht, im Zusammenwirken mit dem Vertragspartner die Voraussetzungen für die Durchführung des Vertrags zu schaffen, Erfüllungshindernisse nicht entstehen zu lassen bzw. zu beseitigen und dem anderen Teil den angestrebten Leistungserfolg zukommen zu lassen. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht kann es auch geboten sein, auf den Wunsch nach Vertragsanpassung als Reaktion auf unerwartete Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse einzugehen, insbesondere wenn anderenfalls in Dauerschuldverhältnissen Unvermögen des Schuldners droht.

Ist der Arbeitnehmer aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr in der Lage, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO näher bestimmte Leistung zu erbringen, kann es die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB gebieten, dass der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht erneut Gebrauch macht und die vom Arbeitnehmer zu erbringende Leistung innerhalb des arbeitsvertraglich vereinbarten Rahmens anderweitig derart konkretisiert, dass dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung wieder möglich wird. Dementsprechend ist kündigungsrechtlich der Arbeitgeber auch bei dauernder Unmöglichkeit, den Arbeitnehmer in seinem bisherigen Tätigkeitsbereich zu beschäftigen, erst dann zur (Änderungs-)Kündigung berechtigt, wenn das aus der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers resultierende Hindernis nicht nur einer vertragsgemäßen Weiterbeschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz und mit den bisherigen Arbeitsaufgaben, sondern auch einer vertragsgemäßen Beschäftigung an anderer Stelle und/oder mit anderen Aufgaben entgegensteht., also eine vertragsgemäße Beschäftigung nicht mehr möglich ist.

Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Neubestimmung der Tätigkeit des Arbeitnehmers setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die Umsetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz verlangt und dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, wie er sich seine weitere, die aufgetretenen Leistungshindernisse ausräumende Beschäftigung vorstellt. Dem Verlangen des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber regelmäßig entsprechen, wenn ihm die in der Zuweisung einer anderen Tätigkeit liegende Neubestimmung der zu bewirkenden Arbeitsleistung zumutbar und rechtlich möglich ist, vergleiche oben zitierte Rechtsprechung, insbesondere BAG, Urteil vom 19.05.2010, aaO, Rdz. 26, zitiert nach juris und BAG, Urteil vom 27.05.2015, aaO, Rdz. 26, zitiert nach juris. Insoweit unterscheidet das BAG unter Hervorhebung des Direktionsrechtes des Arbeitgebers nicht zwischen der Fallgestaltung, dass die zuletzt zugewiesene Arbeit nicht mehr ausgeübt werden kann, aber eine andere Arbeit ohne Änderung des Arbeitsvertrages zugewiesen werden könnte, so BAG, Urteile vom 19.05.2010 und vom 27.05.2015 oder keine vertraglich vereinbarte Tätigkeit mehr ausgeübt werden kann, sondern nur eine Tätigkeit, die eine Änderung des Arbeitsvertrages voraussetzt, so BAG, Urteil vom 13.08.2009 - 6 AZR 330/08 - dort Rdz. 28 ff, zitiert nach juris.

In diesem Zusammenhang muss der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Darlegungslast konkret vortragen, mit welchen Aufgaben er in welchen Bereichen vertragsgerecht und leidensgerecht beschäftigt werden kann und wann er eine solche Tätigkeit von dem Arbeitgeber verlangt hat, BAG, Urteil vom 27.05.2017, aaO., Rdz. 35 bzw. wann er initiativ geworden ist und dem Arbeitgeber signalisiert hat, dass er im Rahmen einer leidensgerechten Beschäftigung auch konkrete andere Tätigkeiten außerhalb des arbeitsvertraglich geschuldeten Bereiches ausüben kann, BAG, Urteil vom 13.08.2009, aaO. Rdz. 30f.

2. Der Hinweis des Klägers auf die Notwendigkeit eines Präventionsverfahrens ändert daran nichts.

Die Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX kann helfen, Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis zu beseitigen und eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu ermöglichen. Ein Präventionsverfahren ist geboten bei Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis von schwerbehinderten Menschen und im Hinblick auf § 68 Abs. 3 SGB III behinderten Menschen mit Gleichstellung, vergleiche Knittel, SGB IX, Kommentar, 7. Auflage, Rdz. 1.

Zu diesem Personenkreis zählte der Kläger nach seinem Vorbringen und nach Aktenlage jedenfalls bis zum Ausspruch der letzten Änderungskündigung vom 30.03.2006 nicht. Er beantragte erst am 10.04.2006 die Gleichstellung. Bei positivem Bescheid über die Gleichstellung wird diese erst wirksam mit dem Tag des Eingangs des Antrages bei der zuständigen Behörde, § 68 Abs. 2 Satz 2 SGB IX. Es ist auch nicht aus der Akte ersichtlich, wann der Kläger der Beklagten Kenntnis davon verschafft hätte, dass und ab wann er gleichgestellt ist. Ein pflichtwidriges Handeln der Beklagten ist deshalb vor dem Hintergrund des § 84 Abs. 1 SGB IX nicht ersichtlich.

Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob eine etwaige Verletzung der Pflichten aus § 84 Abs. 1 SGB IX seitens der Beklagten überhaupt dazu führt, dass nicht mehr der Kläger eine konkrete leidensgerechte Beschäftigung anbieten müsste, sondern die Beklagte nunmehr von sich aus zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen die leidensgerechte Beschäftigung definieren und anbieten müsste. Denn dazu ist sie ohne nähere Sachverhaltskenntnis von den krankheitsbedingten Einschränkungen im Leistungsvermögen des Klägers auch weiterhin nicht in der Lage. Insoweit ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte in einer Initiativlast gewesen wäre, für den Kläger von sich aus im Rahmen des Arbeitsvertrages eine andere Tätigkeit zuzuweisen wie Projektbetreuung und -abwicklung, Inbetriebsetzung, Kundenschulung, usw.

3. Der Hinweis des Klägers auf die Notwendigkeit eines BEM-Verfahrens ändert daran ebenfalls nichts.

Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX kann helfen, einen leidensgerechten Arbeitsplatz innerhalb der Grenzen des bestehenden Arbeitsvertrages mit den notwendigen Hilfen einzurichten, wenn dies dem Arbeitgeber in organisatorischer wie auch finanzieller Hinsicht zumutbar ist. Unterlässt der Arbeitgeber es, ein gebotenes betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, so kann dies bei der Frage der Möglichkeit einer leidensgerechten Beschäftigung und einer im Sinne eines Verschuldens vorwerfbaren Verantwortung des Arbeitgebers dafür, dass es zu einer leidensgerechten Beschäftigung nicht gekommen ist, eine Rolle spielen. Allerdings ist die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement nach der gesetzlichen Regelung nur dort geboten, wo der Mitarbeiter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt ist.

Der Kläger hat nicht dazu vorgetragen, dass er in der Zeit vor dem 01.01.2009 einmal innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr länger als sechs Wochen wiederholt oder ununterbrochen arbeitsunfähig krank gewesen wäre. Solche Fehlzeiten ergeben sich auch nicht aus der Akte. Ein pflichtwidriges Handeln der Beklagten ist vor dem Hintergrund des § 84 Abs. 2 SGB IX nicht ersichtlich.

Nach Aktenlage ist nur eine längere Erkrankung des Klägers ersichtlich. Dabei handelt es sich um die längere Zeit der Arbeitsunfähigkeit im Zusammenhang mit dem schweren Unfall des Klägers im Jahr 2001. Diese Arbeitsunfähigkeit hat eine Pflicht der Beklagten zur Einleitung eines BEM-Prozesses nicht auslösen können. Die Vorschrift zum BEM als "Jedermannparagraph" ohne Beschränkung auf schwerbehinderte Menschen oder behinderte Menschen mit Gleichstellung in der aktuellen Fassung des § 84 Abs. 2 SGB IX ist erst neu und erstmals in Kraft getreten zum 01.05.2004. Nur Zeiten der ununterbrochenen oder wiederholten Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen innerhalb eines Jahres seit dem Inkrafttreten dieser Norm können deshalb die Pflicht zum BEM-Prozess auslösen.

Zu dem Personenkreis mit einer krankheitsbedingten Fehlzeit von mehr als sechs Wochen in einem Jahr, bei dem der Arbeitgeber in der Pflicht ist, ein BEM anzubieten und bei Mitwirkungsbereitschaft des Arbeitnehmers durchzuführen, zählt der Kläger nach Aktenlage und nach seinem eigenen Vorbringen nicht. Ein pflichtwidriges Handeln der Beklagten ist vor dem Hintergrund des § 84 Abs. 2 SGB IX nicht ersichtlich. Insoweit ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte in einer Initiativlast gewesen wäre, für den Kläger von sich aus im Rahmen des Arbeitsvertrages eine andere Tätigkeit zuzuweisen wie Projektbetreuung und -abwicklung, Inbetriebsetzung, Kundenschulung, usw.

4. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass die Initiativlast beim Kläger lag, er also gehalten war, in einem ersten Schritt die ihm vor dem Hintergrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen noch mögliche Arbeiten im Rahmen oder außerhalb des Rahmens des Arbeitsvertrages näher zu umschreiben und der Beklagten als seine ihm mögliche Arbeitsleistung anzubieten.

Er hat außerhalb der Prozessakte des Kündigungsschutzverfahrens die Beklagte nicht aufgefordert, ihm eine andere Tätigkeit im Rahmen des Arbeitsvertrages zuzuweisen wie Projektbetreuung, Inbetriebsetzung oder Kundenschulung. Dazu hat er nach den gerichtlichen Hinweisen im Termin zur streitigen Verhandlung in dem nachgelassenen Schriftsatz nichts vorgetragen. Entsprechende Aufforderungen finden sich auch nicht im Akt oder in der beigezogenen Akte.

Er hat auch außerhalb der Prozessakte des Kündigungsschutzverfahrens die Beklagte nicht darauf hingewiesen, dass ihm eine andere Tätigkeit außerhalb des Rahmens des Arbeitsvertrages als leidensgerechte Arbeit möglich wäre und welche Tätigkeit er sich in diesem Zusammenhang vorstelle. Dazu hat er nach den gerichtlichen Hinweisen im Termin zur streitigen Verhandlung in dem nachgelassenen Schriftsatz nichts vorgetragen. Entsprechende Aufforderungen finden sich auch nicht im Akt oder in der beigezogenen Akte.

Der Kläger hat nach seinem eigenen Vorbringen sowie nach Aktenlage zu keinem Zeitpunkt der Beklagten eine andere im Rahmen des bestehenden Arbeitsvertrages mögliche Tätigkeit als leidensgerechte Tätigkeit mitgeteilt. Er hat konsequent darauf beharrt, seine bisherige Tätigkeit als Programmierer von SPS-Sicherheitssoftware weiter ausüben zu können. Nach dem Arbeitsvertrag war der Kläger eingestellt als Elektrotechniker. Zu seinem Aufgabengebiet als Elektrotechniker zählte u.a. Softwareerstellung, Projektbetreuung und -abwicklung, Inbetriebsetzung und Kundenschulung. Der Kläger hat nach Aktenlage wie auch nach seinem eigenen Vorbringen gegenüber der Beklagten kein konkretes Angebot gemacht, welche Arbeiten er für die Beklagte künftig leidensgerecht noch ausüben könnte. Er hat in dem Kündigungsschutzverfahren konsequent daran festgehalten, dass er in der Lage ist, seine ursprünglich zugewiesene Arbeit als SPS-Programmierer ausüben zu können.

Soweit er im Kündigungsschutzverfahren auf andere vertragsgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten wie Projektbetreuung, Projektabwicklung, Inbetriebsetzung und Kundenschulung hingewiesen hat, lag darin kein konkretes Arbeitsangebot, sondern nur der Hinweis auf die fehlende Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch die Beklagte bei Ausspruch der Änderungskündigung.

Soweit er auf andere nicht vertragsgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten wie Anlagenbau und Anlagenfertigung verwiesen hat, ging es dem Kläger dabei ebenfalls nicht um die Darstellung und das Angebot einer konkreten leidensgerechten Beschäftigungsmöglichkeit, sondern um die Darstellung von im Vergleich zu Helfertätigkeiten höherwertigen Beschäftigungsmöglichkeiten wieder vor dem Hintergrund des im Kündigungsschutzrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Diese Beschäftigungsmöglichkeiten wie im Anlagenbau konnten von der Beklagten nicht im Rahmen des bestehenden Arbeitsvertrages und in Ausübung des Weisungsrechtes realisiert werden, sondern nur durch einvernehmliche Vertragsänderung. Eine solche Vertragsänderung hat der Kläger ebenfalls nicht nachgesucht, da er im Grunde daran festgehalten hat, weiter als SPS-Programmierer arbeiten zu können. Abgesehen davon werden bei der Beklagten im Anlagenbau wie auch in der Anlagenfertigung verschiedene Arbeitsplätze für unterschiedlichste Ausbildungen und Qualifikationen angeboten. Eine entsprechende Konkretisierung seitens des Klägers, welcher Arbeitsplatz im Anlagenbau oder in der Anlagenfertigung leidensgerecht wäre, ist nicht ersichtlich.

5. Das Angebot einer konkreten leidensgerechten Beschäftigung innerhalb des Direktionsrechtes des bestehenden Vertrages war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Beklagte eine solche Beschäftigung von vorneherein abgelehnt hätte, wie der Kläger unter Hinweis auf § 281 Abs. 2 BGB geltend macht.

Nach § 281 Abs. 2 BGB ist nur eine Fristsetzung zur Leistungserbringung durch den Schuldner unter den dort genannten Voraussetzungen entbehrlich, nicht aber die hier in Frage stehende Pflicht des Arbeitnehmers als Gläubiger, die vom Schuldner zu erbringende Leistung, den leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und die leidensgerechte Beschäftigung zuzuweisen, in einem ersten Schritt zu konkretisieren. Erst wenn der Arbeitgeber mit dieser Konkretisierung durch den Arbeitnehmer weiß, was die von ihm zu erbringende Leistung iSd § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, kann er deren Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigern iSd § 280 Abs. 2 BGB. Dies war der Beklagten hier schon deshalb nicht möglich, weil aus dem Vorbringen des Klägers in der Vergangenheit nicht konkret hervorging, ob die ihm noch mögliche Arbeitsleistung nach seiner Beurteilung innerhalb des Arbeitsvertrages möglich war oder eine Änderung des Arbeitsvertrages bedingte.

Die Klage war daher abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG gebotene Streitwertfestsetzung folgt § 3 ZPO.

V.

Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen nach § 64 Abs. 2 a) ArbGG, da sie ohnehin zulässig ist nach § 64 Abs. 2 b) ArbGG und die Zulassungsvoraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vorliegen.

Referenznummer:

R/R7964


Informationsstand: 25.02.2019