Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Feststellung zu, dass die Kündigung vom 31.10.2018 das Ausbildungsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat. Die Kündigung ist nach
§§ 7 Abs. 1,
1,
3 Abs. 1 AGG i.V.m. § 134
BGB nichtig.
I.1.
Die Kündigung vom 31.10.2018 gilt nicht bereits nach
§§ 7,
4 S. 1,
13 Abs. 1 S. 2 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Die Klägerin hat, soweit die Unzuständigkeit des Schlichtungsausschusses der Nichtexistenz gleichzusetzen ist, fristgerecht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung am 31.10.2018 durch die bei Gericht am 21.11.2018 eingegangene, der Beklagten am 07.12.2018 zugestellten Klageschrift, Klage erhoben (
vgl. Urteil des
BAG vom 23.07.2015, Az. 6 AZR 490/14, juris Rn.47, NZA-RR 2015,
S.628).
I.2.
Die Kündigung vom 31.10.2018 ist nach §§ 1, 3
Abs. 1, 7
Abs. 1.
AGG i.V.m. § 134
BGB,
Art. 21
Abs. 1 GRCh unwirksam. Die Benachteiligung der Klägerin aufgrund ihrer Schwerbehinderung ist zu vermuten. Die Klägerin hat dazu hinreichende Indizien vorgetragen. Die Beklagte hat nicht dargelegt und bewiesen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung wegen Behinderung vorgelegen hat.
I.2.a.
Grundsätzlich kann das Berufsausbildungsverhältnis während der Probezeit jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden, § 22
Abs. 1
BBiG.
Ausnahmsweise kann die Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses innerhalb der Probezeit nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 134, 138, 242
BGB im Rahmen der allgemeinen Rechtskontrolle unwirksam sein (Urteil des
LAG Düsseldorf vom 16.09.2011, Az. 6 Sa 909/11, juris Rn. 36 , NZA-RR 2012,
S.12; ErfK-Schlachter
BBiG, § 22 Rn. 2; KR-Weigand,
BBiG, §§ 21, 22 Rn. 42).
Die Bestimmungen des
AGG sind auf eine Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses in der Probezeit anzuwenden. Der Auszubildende befindet sich in einer mit einem Arbeitnehmer vergleichbaren Lage, auf dessen Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des
KSchG oder spezielle Kündigungsschutzbestimmungen nicht anwendbar sind. Für die Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses in der Probezeit gelten die Anforderungen, wie sie bei einer Kündigung in der Wartezeit des
§ 1 KSchG gelten. (
vgl. Urteil des
LAG Hamm vom 30.07.2014, Az. 3 Sa 523/13, juris Rn. 56).
Nach
§ 2 Abs. 4 AGG gelten für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung ist teleologisch einschränkend auszulegen. § 2
Abs. 4
AGG gilt nur für Kündigungen, für die das Kündigungsschutzgesetz und speziell auf Kündigungen zugeschnittene Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches oder besondere Kündigungsschutzbestimmungen gelten (Urteil des SAG vom 26.03.2015, Az. 2 AZR 237/14; juris Rn. 32, NZA 2015,
S.734; vom 19.12.2013, Az.
6 AZR 190/12, juris Rn.14-41; APS-Preis, Grundlagen J, Rn. 71e, 71g -711).
I.2.b.
Nach
§ 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in
§ 1 AGG genannten Grunde benachteiligt werden. Zu diesen Gründen zählt auch eine Behinderung. Das Benachteiligungsverbot bezieht sich auf unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3
Abs. 1 Satz 1
AGG vor, wenn ein schwerbehinderter Arbeitnehmer eine weniger günstige Behandlung erfährt, als ein nicht schwerbehinderter Arbeitnehmer in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
Eine Benachteiligung ist unmittelbar, wenn die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpft. Von § 3
Abs. 1
S. 1
AGG wird auch eine sogenannte verdeckte unmittelbare Ungleichbehandlung erfasst. Bei dieser erfolgt die Differenzierung zwar nicht ausdrücklich wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes. Vielmehr wird an ein in dieser Vorschrift nicht enthaltenes Merkmal angeknüpft, das jedoch in einem untrennbaren Zusammenhang mit einem in dieser Vorschrift genannten Grund steht (Urteil des
BAG vom 12.11.2013,
9 AZR 484/12, juris Rn. 14, ZTR 2014,
S.297).
Nach
§ 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
§ 22 AGG bestimmt, wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes vermuten lassen, die andere Partei die Beweislast dafür trägt, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
§ 22 trifft hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen Nachteil und durch § 1
AGG verbotenem Anknüpfungsmerkmal eine Beweislastregelung, die sich zugleich auf die Darlegungslast auswirkt. Dies gilt auch bei einer möglichen Benachteiligung durch eine ordentliche Kündigung, die nicht den Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes genügen muss (Urteil des
BAG vom 23.07.2015, Az. 6 AZR 457/14, juris Rn. 25, NZA 2015,
S.1380).
Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs sind alle Umstände des Rechtsstreits im Sinne einer Gesamtbetrachtung und Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen. Für die Vermutungswirkung des § 22
AGG ist ausreichend, dass ein in § 1 genannter Grund Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat. Eine bloße Mitursächlichkeit genügt (Urteile des
BAG vom 23.11.2017, Az. 8 AZR 372/16 juris Rn. 20, 21; vom 23.07.2015, Az. 6 AZR 457/14, juris Rn. 25; vom 26.06.2014, Az.
8 AZR 547/13, juris Rn.31-33; des
LAG Rheinland-Pfalz vom 31.07.2018, Az.
8 Sa 16/18, juris Rn. 56; APS-Preis, Grundlagen J, Rn. 73a). Die Indizien müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes erfolgt ist (Urteil des
BAG vom 23.11.2017, Az. 8 AZR 372/16 juris Rn. 22; 29; vom 26.06.2014, Az.
8 AZR 547/13, juris Rn. 29).
Dabei haben die Gerichte darauf zu achten, dass im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, die Verwirklichung des mit der RL 2000/78/
EG verfolgten Ziels nicht beeinträchtigt wird (Urteil des
BAG vom 26.06.2014, Az. 8 AZR 547/13, juris Rn.39).
Art. 21 GRCH ist bei der Durchsetzbarkeit der Diskriminierungsverbote im Rahmen der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung zu beachten (Urteil des
BAG vom 26.06.2014, Az. 8 AZR 547/13, juris Rn. 39; Kainer, NZA 2018,
S.894 (896)). Das Diskriminierungsverbot wegen Behinderung nach
Art. 21
Abs. 1 der GRC beinhaltet ein subjektives, unmittelbares Recht des Einzelnen, das er in einem Rechtsstreit, der einen vom Unionsrecht erfassten Bereich betrifft, als solches geltend machen kann. Die nationalen Gerichte sind verpflichtet, im Rahmen der Befugnisse den dem Einzelnen aus den
Art. 21 und 47 der GRCh erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten (Urteil des EuGH vom 17.04.2018, Az. C-414/16, juris RN.76-79, NZA 2018,
S.569).
I.2.c.
Eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin aufgrund der Kündigung vom 31.10.2018 wegen ihrer Behinderung gegenüber Auszubildenden ohne Behinderung ist zu vermuten. Die Beklagte konnte nicht darlegen, dass es ausschließlich andere Gründe waren als die Behinderung der Klägerin, die zu dem Ausspruch der Kündigung vom 31.10.2018 geführt haben.
Die Kündigung der Klägerin wegen einer Überbelastungsreaktion, einmaliges Einschlafen am Arbeitsplatz im September 2019, steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Schwerbehinderung der Klägerin.
Schon die nicht leidensgerechte Arbeitsumgebung stellt ein hinreichendes Indiz für eine Diskriminierung der Klägerin wegen ihrer Schwerbehinderung im Rahmen eines Motivbündels dar.
Die Arbeitsumgebung der Klägerin, insbesondere der Weg zur Toilette, ist nicht ausschließlich barrierefrei eingerichtet. Aufgrund der dann von der Klägerin als Rollstuhlfahrerin zu erbringenden Anstrengung überhaupt über zwei ausschließlich manuell zu betätigende Türen zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen, und auf die, sich eine Etage höher befindliche Toilette stellt die Arbeitsumgebung an die Klägerin wesentlich höhere körperliche Anforderungen als an einen nicht behinderten Auszubildenden.
Die schriftliche Stellungnahme von Frau
Dr. vom 10.09.2018 zeigt auf, dass die Klägerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes bezüglich des Arbeitstempos nur eingeschränkt belastbar ist. Auf Koordinationsstörungen und eine dadurch bedingte verlangsamte Arbeit mit der Tastatur hatte bereits
Dr. bei der Einstellungsuntersuchung am 09.03.2018 hingewiesen.
Hinzu tritt, dass allein die Umstellung von einem Schulalltag auf einen Berufsalltag für einen nicht behinderten Auszubildenden im Regelfall eine körperliche Belastung darstellt. Diese Umstellung ist für einen schwerbehinderten Menschen größer. Daher ist bei einer schwerbehinderten Auszubildenden dem Ausbildenden auch eine stärkere Rücksichtnahme eine längere Umstellungs- und Anpassungszeit zumutbar.
Die nicht leidensgerechte Arbeitsumgebung trifft auf eine durch die Schwerbehinderung reduzierte körperliche Belastbarkeit der Klägerin. Damit ist die Überlastung als Grund für die Kündigung in der Probezeit nicht von der Schwerbehinderung der Klägerin zu trennen und stellt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein hinreichendes Indiz eines möglichen Motivbündels unter Berücksichtigung des Grundrechtsschutzes nach
Art. 21 GRCh dar.
Das für die Beklagte mit der Untersuchung vom 06.09.2018 mögliche neue Aspekte der Erkrankung der Klägerin hinzugetreten sind, hebt den Ursachenzusammenhang bei der Beurteilung der Indizien nicht auf. Die Klägerin steht nach einer ersten, ablehnenden Reaktion bereits vor Ausspruch der Kündigung den von Frau
Dr. vorgeschlagenen Maßnahmen aufgeschlossen gegenüber und hat dazu zum Teil bereits die Initiative zur Umsetzung
bspw. bezüglich eines Notrufsystems ergriffen.
II.
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen des Berufsausbildungsvertrages als Verwaltungsfachangestellte nach §§ 611, 242
BGB,
Art. 1
Abs. 1, 2
Abs. 1
GG zu.
Nach den von dem Großen Senat des
BAG aufgestellten Grundsätzen besteht eine allgemeine Beschäftigungspflicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Darüber hinaus besteht bei einem anhängigen Rechtsstreit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für die Dauer des Rechtsstreits eine Beschäftigungspflicht, wenn in 1. Instanz das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses festgestellt worden ist und keine stützenswerten Interessen des Arbeitgebers bestehen, die über die Unsicherheit des Prozessausgangs hinausgehen (Urteil des Großen Senats des
BAG vom 27.02.1985, GS/84 AP-
Nr. 14 zu § 611
BGB Beschäftigungspflicht). Diese Grundsätze sind auf das Berufsausbildungsverhältnis zu übertragen (
vgl. Urteil des
LAG Rheinland-Pfalz vom 20.11.2018, Az. 8 Sa 24/18, juris Rn. 75).
Das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses ist festgestellt worden. Die Kündigung der Beklagten ist nicht sozial gerechtfertigt. Schutzwürdige Interessen der Beklagten, die über die Unsicherheit des Prozessausgangs hinausgehen, ebenso wie Tatsachen, die eine Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers begründen können, hat die Beklagte nicht hinreichend genug dargelegt.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte als unterlegene Partei, §§ 91
Abs. 1
ZPO, 46
Abs. 2
S. 1
ArbGG. Der Teilklagerücknahme kommt im Rahme der Kostenentscheidung mangels eigenem Streitwert des allgemeinen Feststellungsantrags keine Bedeutung zu.
Der im Urteil nach § 61
Abs. 1
ArbGG festzusetzende Streitwert entspricht einem 1/4 Jahreseinkommen nach § 42
Abs. 2
S. 1 GKG sowie einem Bruttomonatsgehalt bzgl. des Weiterbeschäftigungsantrages § 48
Abs. 1
S. 1 GKG, § 3
ZPO.