Urteil
Offensichtliche Schwerbehinderung und Anfechtung des Arbeitsvertrages

Gericht:

LAG Nürnberg


Aktenzeichen:

2 AZR 380/99


Urteil vom:

18.10.2000


Die Falschbeantwortung der Frage nach einer Schwerbehinderung des Arbeitnehmers berechtigt nicht zur Anfechtung des Arbeitsvertrages, wenn die Schwerbehinderung für den Arbeitgeber offensichtlich war und deshalb bei ihm ein Irrtum nicht entstanden ist.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Behindertenrecht 03/2001

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht trotz der von der Beklagten erklärten Anfechtung fort.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Anfechtung sei trotz der unrichtigen Beantwortung der Frage nach der Schwerbehinderung unwirksam. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte die körperlichen Eigenschaften des Klägers, die ihn als schwerbehindert im Sinne des Schwerbehindertengesetzes gelten ließen, bei der Einstellung gekannt habe. Die im Bescheid vom 17.2.1989 zu Grunde gelegte Behinderung der Funktionseinschränkung der Gliedmaßen und des Rumpfes bei angeborenem Minderwuchs, sei im Hinblick auf das Erscheinungsbild des Klägers offenkundig. Die Schwerbehinderung des Klägers ergebe sich nicht allein aus dessen Minderwüchsigkeit, sondern aus der auch der Berufungskammer offen zutage getretenen Einschränkung der Bewegungsfähigkeit der Gliedmaßen und des Rumpfes. Die Erregung eines Irrtums über die kraft Gesetzes bestehende Schwerbehinderteneigenschaft sei unter diesen Umständen nicht möglich gewesen.

II. Das angefochtene Urteil hält mit dieser tragenden Begründung den Angriffen der Revision stand. Mangels Irrtums der Beklagten über die Schwerbehinderung des Klägers stand der Beklagten kein Anfechtungsrecht gemäß § 123 BGB zu.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (seit BAG 5.12.1957 - 1 AZR 594/56 - BAGE 5, 159) kann der Arbeitsvertrag grundsätzlich auch durch Anfechtung gemäß § 123 BGB beendet werden. Das Anfechtungsrecht wird nicht durch das Recht zur außerordentlichen Kündigung verdrängt. Der Tatbestand der arglistigen Täuschung gemäß § 123 BGB setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass der Täuschende durch Vorspielung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst. Allerdings stellt nicht jede falsche Angabe des Arbeitnehmers bei den Einstellungsverhandlungen bereits eine arglistige Täuschung im Sinne des § 123 BGB dar. Wird der Arbeitnehmer nach dem Vorliegen einer bestimmten Tatsache befragt, so ist er zu deren wahrheitsgemäßer Beantwortung verpflichtet, falls die gestellte Frage zulässig ist. Ein Fragerecht des Arbeitgebers bei den Einstellungsverhandlungen wird allerdings nur insoweit anerkannt, als der Arbeitgeber ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis hat (BAG 11.11.1993 - 2 AZR 467/93 - BAGE 75, 77 = br 1994, 156; 5.10.1995 - 2 AZR 923/94 - BAGE 81, 120 = br 1996, 121; jeweils m.w.N.).

Für den Bereich der Schwerbehinderten besteht sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass der Schwerbehinderte von sich aus nicht über die bestehende Behinderung aufklären muss, soweit ihm die Tätigkeit dadurch nicht unmöglich gemacht wird (BAG 25. 3.1976 - 2 AZR 136/75 - = br 1977, 16 = § 123 Nr. 19 = EzA BGB § 123 Nr. 16). Dem Arbeitgeber wird jedoch das Recht zugestanden, nach der Schwerbehinderteneigenschaft oder Gleichstellung zu fragen; der Arbeitnehmer hat die Pflicht, darauf wahrheitsgemäß zu antworten (BAG 1.8.1985 - 2 AZR 101/83 - BAGE 49, 214 = br 1986, 90; 5.10.1995 - 2 AZR 923/ 94 - BAGE 81, 120 = br 1996, 121; 3.12.1998 - 2 AZR 754/97 - BAGE 90, 251 = br 1999, 116; KR-Etzel 5. Aufl. §§ 15-20 SchwbG Rn. 32; teilw. a.A. ErfK/Dieterich Art. 3 GG Rn. 91).

2. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, der Kläger habe die Frage nach der Schwerbehinderung unrichtig beantwortet; es hat damit, mangels Gegenrüge bindend (§ 561 ZPO), eine Täuschungshandlung angenommen. Die weitere Annahme des Landesarbeitgerichts, die Erregung eines Irrtums über die kraft Gesetzes bestehende Schwerbehinderung sei trotz der wahrheitswidrigen Antwort nicht möglich gewesen, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

a) Der Tatbestand der arglistigen Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass durch die Täuschungshandlung beim Erklärungsgegner ein Irrtun über den wahren Sachverhalt hervorgerufen wird. Zwischen Täuschungshandlung und Irrtum muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Irrtum ist die Abweichung der Vorstellung von der Wirklichkeit. Auch wenn der Anfechtende die Täuschung nicht erkannt hat, diese aber hätte erkennen können, liegt ein zur Anfechtung berechtigter Irrtum vor. An einem Irrtum fehlt es allerdings, wenn derjenige, der getäuscht werden soll, die Wahrheit kennt (Erman/Palm BGB 10. Aufl. § 123 Rn. 24 m.w.N.).

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagte die körperlichen Eigenschaften des Klägers, die ihn als schwerbehindert im Sinne des Schwerbehindertengesetzes gelten ließen, bei der Einstellung gekannt habe. Die vom Versorgungsamt Lübeck dem Bescheid vom 17.2.1989 zu Grunde gelegte Funktionseinschränkung der Gliedmaßen und des Rumpfes bei angeborenem Minderwuchs sei im Hinblick auf das Erscheinungsbild des Klägers "offenkundig", die Erregung eine Irrtums über die kraft Gesetzes bestehende Schwerbehinderung des Klägers unter diesen Umständen trotz der wahrheitswidrigen Beantwortung der Frage nach der Schwerbehinderung nicht möglich gewesen. Damit hat das Landesgericht jeglichen, auch einen fahrlässigen, Irrtum der Beklagten ausgeschlossen.

b) An diesen in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils enthaltenen Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 561 Abs. 2 ZPO). Die hiergegen gerichteten Rügen der Revision greifen nicht durch.

aa) Zu Unrecht meint die Revision, das Landesarbeitsgericht habe den Begriff der Offenkundigkeit gemäß § 291 ZPO verkannt.

Zuzugeben ist der Revision allerdings, dass die Schwerbehinderung des Klägers nicht offenkundig im Sinne dieser Vorschrift ist. Sie stellt keine allgemeinkundige Tatsache dar, da sie nicht von so vielen wahrgenommen wird bzw. jederzeit wahrgenommen werden kann, dass die individuelle Wahrnehmung des Einzelnen und ihre Unsicherheit außer Betracht bleibt, und auch nicht allgemein anerkannt und verbreitet ist (vgl. Stein/ Jonas/ Leipold ZPO 21. Aufl. § 291 Rn. 2). Die Schwerbehinderung des Klägers ist ferner keine gerichtskundige Tatsache. Gerichtskundigkeit besteht nur dann, wenn es sich um amtliche Handlungen oder Wahrnehmungen der erkennenden Richter handelt, deren sie sich noch nicht mit einer die volle Überzeugung begründenden Sicherheit zu erinnern vermögen (Stein/ Jonas/ Leipold a.a.O. Rn. 4), nicht aber wenn sich die Richter erst noch informieren müssen (Zöller/ Greger ZPO 21. Aufl. § 291 Rn. 1) oder eine Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO erforderlich ist.
Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landesarbeitsgericht die Schwerbehinderung des Klägers aber nicht im Sinne der - im Urteil auch nicht erwähnten Vorschrift des § 291 ZPO als offenkundig angesehen. Das Landesarbeitsgericht hat den in der mündlichen Verhandlung vom 10.5.1999 von der Person des Klägers gewonnenen Eindruck (vgl. hierzu Thomas/ Putzo ZPO 22. Aufl. § 286 Rn. 6) vielmehr nach § 286 ZPO gewürdigt. Das wird aus dem Umstand deutlich, dass das Landesarbeitsgericht den Begriff "offenkundig" im Hinblick auf das "Erscheinungsbild des Klägers verwandt und ausgeführt hat, die Einschränkung der Bewegungsfähigkeit der Gliedmaßen und des Rumpfes sei "auch der Berufungskammer offen zu Tage getreten". Der Begriff "offenkundig" ist daher im Sinne von "offensichtlich" zu verstehen. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Beweiswürdigung ist rechtlich möglich, frei von Widersprüchen und lässt auch sonst keine revisionsrechtlichen beachtlichen Rechtsfehler erkennen.

bb) Die Rüge der Revision, es gebe keinen allgemeinen Erfahrungssatz mit dem Inhalt, dass Kleinwüchsigkeit bzw. die Einschränkung der Bewegungsfreiheit mit der Schwerbehinderteneigenschaft gleichzusetzen sei, ist nicht begründet. Einen solchen Erfahrungssatz hat das Landesarbeitsgericht gerade nicht aufgestellt, sondern maßgeblich auf die offen zu Tage tretende Funktionseinschränkung der Gliedmaßen und des Rumpfes abgehoben. Es hat den in der mündlichen Verhandlung von der Person des Klägers gewonnenen Eindruck einzelfallbezogen gewürdigt und dabei auch darauf abgestellt, der Grad der Behinderung des Klägers bewege sich mit 100 nicht etwa an der Grenze von 50, was eventuell die Möglichkeit eines Irrtums eher nahelegen würde. Insoweit gehört die Beweiswürdigung zur grundsätzlich bindenden Tatsachenfeststellung (vgl. Thomas/ Putzo/ a.a.O. § 550 Rn. 10, § 561 Rn. 15).

cc) Auch die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.

(1) Die Rüge der Verletzung von § 139, § 278 Abs. 3 ZPO sowie des Art. 103 Abs. 1 GG, weil das Landesarbeitsgericht den Hinweis unterlassen habe, von der Vorschrift des § 291 ZPO Gebrauch machen zu wollen, bedarf der Auslegung. Mit ihrem Angriff beanstandet die Revision den unterbliebenen Hinweis, dass die Schwerbehinderung des Klägers nach Auffassung des Berufungsgerichts offensichtlich und deshalb ein Irrtum über die Schwerbehinderteneigenschaft nicht möglich gewesen sei.
Die Verfahrensrüge ist bereits unzulässig, da sie nicht der nach § 554 Abs. 3 Nr. 3b ZPO gebotenen Form entspricht. Erforderlich ist nicht nur die Angabe, welche Fragen bzw. welche rechtlichen Hinweise hätten angebracht werden müssen, sondern auch was die Partei daraufhin vorgetragen hätte. Der Vortrag muss vollständig nachgeholt und über die Verfahrensrügen schlüssig gemacht werden (BAG 5.7.1979 - 3 AZR 197/78 - BAGE 32, 56/66; 30.11.1962 - 3 AZR 86/59 - BAGE 13, 340/344; Germelmann/ Matthes/ Prütting ArbGG 3. Aufl. § 74 Rn. 39). Dem genügt es nicht, wenn die Revision in diesem Zusammenhang allgemein auf die entgangene Gelegenheit zur ergänzenden Äußerung verweist.

(2) Die weitere Prozessrüge der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG erfüllt ebenfalls nicht die nach § 554 Abs. 3 Nr. 3b ZPO zu beachtende Voraussetzungen. Soweit die Beklagte beanstandet, das Landesarbeitsgericht habe der angegriffenen Entscheidung einen von ihr substantiiert bestrittenen Sachverhalt zugrunde gelegt, macht sie der Sache nach zwar geltend, dass entscheidungserheblicher Vortrag übergangen worden sei, ohne aber im Einzelnen zu bezeichnen, welcher konkrete Vortrag aus welchen Schriftsätzen unberücksichtigt geblieben sein soll.
Jedenfalls ist die Verfahrensrüge nicht begründet. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet die Verpflichtung des Gerichts, durch die mit dem Verfahren befassten Richter die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (z.B. BVerfG 2.7.1979 - 1 BvR 1292/78 - AP GG Art. 103 Nr. 31; 3.8.1989 - 1 BvR 1178/88 - AP GG Art. 103 Nr. 40 m.w.N.). Es ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG 3.8.1989 - 1 BvR 1178/88 - a.a.O.). Das Landesarbeitsgericht hat u.a. die Behautung der Beklagten, sie habe aus der Kleinwüchsigkeit des Klägers nicht erkennen können, dass es sich um einen Schwerbehinderten gehandelt habe, in den streitigen Tatbestand aufgenommen, ferner den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätzen und das erstinstanzliche Parteivorbringen allgemein in Bezug genommen. Das Landesarbeitsgericht hat den Sachvortrag demnach vollständig erfasst, der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt lassen. Selbst wenn das einfache Recht nicht in jeder Hinsicht richtig angewandt worden war, führte dies nicht zu einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Diese Vorschrift verpflichtet die Gerichte nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (vgl. BVerfG 3.8.1989 - 1 BvR 1178/88 - a.a.O.).

(3) Schon aus formellen Gründen unbeachtlich ist schließlich auch die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe die angebotenen Beweise, dass sie aus dem äußeren Erscheinungsbild des Klägers dessen Schwerbehinderung nicht habe ableiten können, nicht erhoben.

Unschädlich ist allerdings, dass die Revision entgegen dem Wortlaut des § 554 Abs. 3 Nr. 3a ZPO die aus ihrer Sicht verletzten Rechtsnormen nicht bezeichnet, da die Richtung des Prozessangriffs eindeutig ist (vgl. BAG 19.6.1957 - 4 AZR 499/55 - BAGE 4, 291/294f.). Die Revision rügt die Verletzung des § 286 ZPO. Die Verfahrensrüge ist gleichwohl unzulässig, da sie nicht den Erfordernissen des § 554 Abs. 3 Nr. 3b ZPO genügt. Zur Zulässigkeit der Prozessrüge gehört, dass Beweismittel, Beweisantrag und Beweisthema sowie die vorinstanzliche Fundstelle des Beweisantritts, in der Regel nach Schriftsatz und - jedenfalls bei umfangreichen Schriftsätzen - Seitenzahl genau angegeben werden, ferner die Darlegung, dass die Unterlassung der Beweiserhebung kausal für die Entscheidung gewesen ist (BAG 11.4.1985 - 2 AZR 239/84 - BAGE 49, 39/52; 29. 7.1992 - 4 AZR 502/91 - BAGE 71, 56/67). Das Beweisthema ist zwar genannt, nicht aber das konkrete Beweismittel bzw. der konkrete Beweisantrag; die pauschale Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 6.4.1999 und auf den erstinstanzlichen Schriftsatz vom 10.11.1998 kann diese Angaben nicht ersetzen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Revision die Fundstellen nicht nach Seitenzahlen bezeichnet hat, da beide Schriftsätze einen relativ geringen Umfang aufweisen. Auch der Umstand, dass die Beklagte nicht ausdrücklich darlegt, die aus ihrer Sicht übergangenen Beweisangebote aus dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 10.11.1998 in der Berufungsinstanz aufrechterhalten zu haben (dazu BAG 11.4.1985 - 2AZR 239/84 - BAGE 49, 53), ist unschädlich; indem die Revision geltend macht, das Landesarbeitsgerichts sei verpflichtet gewesen, die insoweit angebotenen Beweise auszuschöpfen, bringt sie die Aufrechterhaltung des Beweisantritts in zweiter Instanz schlüssig zum Ausdruck. Entscheident ist vielmehr, dass weder der Schriftsatz vom 6. April 1999 noch derjenige vom 10. November 1998 das von der Revision angeführte konkrete Beweisthema, sie habe aus dem äußeren Erscheinungsbild des Klägers dessen Schwerbehinderung nicht ableiten können, beinhaltet; demzufolge fehlt es an der Angabe entsprechender Beweismittel bzw. Beweisanträge. Außerdem hat die Beklagte nicht dargelegt, dass der Verfahrensmangel der unterlassenen Bweiserhebung für die Entscheidung des Landesarbeitsgericht kausal gewesen sei (BAG 29.7.1992 - 4 AZR 502/91 - a.a.O.; Germelmann/Matthes/Prüttimg a. a.O. Rn. 38).

III. Dem Ergebnis, dass der fehlende Irrtum der Beklagten über die Schwerbehinderung des Klägers eine Anfechtung des Arbeitsvertrages gemäß § 123 BGB ausschließt; lässt sich schließlich auch nicht entgegenhalten, die Frage nach der Schwerbehinderung im Personalfragebogen habe sich in Wahrheit auf die amtlich festgestellte Schwerbehinderteneigenschaft bezogen. Die im Senatsurteil vom 5.10.1995 (- 2 AZR 923/94 - BAGE 81, 120 = br 1996, 121) angesprochenen Pflichten des Arbeitgebers hängen im Prinzip nicht von der amtlichen Feststellung der Schwerbehinderung ab (vgl. Neumann/ Pahlen SchwbG 9. Aufl. § 1 Rn. 11, § 4 Rn. 37; GK-SchwbG/ Schimansky 2. Aufl. § 1 Rn. 1, 28, 31; GK-SchwbG/ Großmann § 5 Rn. 29, § 14 Rn. 17, § 47 Rn. 15; GK-SchwbG/ Steinbrück § 15 Rn. 54 ff.). Auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.10.1987 (- 5 C 42/84 - NZA 1988, 431), wonach die Berücksichtigung eines Arbeitnehmers bei der Berechnung der Zahl der besetzten Pflichtplätze die förmliche Feststellung seiner Schwerbehinderung vor aussetzt, betraf keinen Fall offensichtlicher Schwerbehinderung. Selbst wenn dieses Urteil aber dahin zu verstehen wäre, auch bei offensichtlicher Schwerbehinderung sei die förmliche Feststellung zwingende Voraussetzung der Berücksichtigung, könnte daraus nicht geschlossen werden, die Frage im Personalfragebogen ziele entgegen ihrem Wortlaut nicht auf die Schwerbehinderung im Sinne des § 1 SchwbG, sondern auf deren amtliche Feststellung, denn unter diesem Blickwinkel könnte eine Täuschung durch den Arbeitnehmer schon nicht kausal für den Einstellungsentschluss des Arbeitgebers sein.

Der Arbeitgeber würde, wenn es ihm wegen seiner Beschäftigungspflicht gemäß § 5 SchwbG um die Einstellung eines amtlich anerkannten Schwerbehinderten ginge, einen Arbeitnehmer gerade dann nicht einstellen, wenn dieser die Frage nach seiner Schwerbehinderung wahrheitswidrig verneint.

Verfahrensgang:

vorhergehend Urteil des LAG Nürnberg vom 10.06.1999 - 5 Sa 12/99 -

weitere Fundstellen:

Juristisches Internetprojekt

Referenznummer:

R/R1464


Informationsstand: 08.01.2001