I. Der 1974 geborene Kläger begehrt vom Beklagten eine Entschädigungsleistung gemäß § 15
Abs. 2
AGG.
Nach dem Studium der Rechtswissenschaft mit anschließendem zweiten Staatsexamen war er von 2003 bis 2009 in einer eigenen Kanzlei als Rechtsanwalt tätig. Diese gab er nach seinen Angaben krankheitsbedingt wegen eines chronischen Schmerzsyndroms auf. Er ist als Schwerbehinderter mit einem Grad von 40 und Gleichstellungsbescheid vom 30.11.2009 anerkannt.
Am 16.12.2009 bewarb er sich für den Vorbereitungsdienst zur Laufbahn im mittleren Justizdienst beim Beklagten (Einstellungstermin 1.08.2010). Am 22.04.2010 fand hierzu ein Auswahlgespräch beim Oberlandesgericht statt, in dem unter anderem sein Lebenslauf und seine bisherigen beruflichen Tätigkeiten, Qualifikationen wie
PC-Kenntnisse und Tastenschreiben, Hobbys und Interessen erörtert wurden.
Unter dem 23.04.2010 lehnte der Beklagte die Bewerbung des Klägers ab. Dieser forderte mit Schreiben vom 30.04.2010 hierfür eine Begründung, welche der Beklagte mit Schreiben vom 4.05.2010 abgab: Danach habe die Auswahlkommission bei ihm einen Mangel an Teamfähigkeit sowie Zweifel an seinen Kenntnissen und Fertigkeiten im Tastenschreiben festgestellt. Unabhängig von seiner Behinderung seien außerdem erhebliche Zweifel an der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit aufgetreten. Der Bezirksvertrauensmann für schwerbehinderte Menschen habe dem Eignungsurteil zugestimmt.
Der Kläger begehrte unter dem 25.05.2010 die Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15
Abs. 2
AGG in Höhe von 5.815,20 Euro. Das Urteil über seine mangelnde Teamfähigkeit beruhe auf Spekulationen ins Blaue hinein. Hierzu seien von der Auswahlkommission nämlich keine konkreten Fragen gestellt oder Beispielfälle gebildet worden. Es sei lediglich sein Lebenslauf besprochen und nach der Anzahl der Mitarbeiter an den jeweiligen Arbeitsplätzen gefragt worden. Kenntnisse im Tastenschreiben müssten erst am Ende des Vorbereitungsdienstes vorhanden sein und auch hierzu habe keine Überprüfung stattgefunden. Die Berufung auf mangelnde Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit zeige, dass man die Bewerbung wegen seiner Behinderung ablehnen wollte. Die Auswahlkommission habe keine medizinische Kompetenz zur Beurteilung dieser Frage und es habe auch keine objektiven Leistungstests gegeben. Die Frage im Vorstellungsgespräch, wie er mit 16-jährigen Kollegen zurechtkommen werde, stelle eine Diskriminierung wegen seines Alters dar. Schließlich indiziere die entgegen § 81
SGB IX fehlende Begründung der Ablehnung vom 23.04.2010 eine Benachteiligung des Behinderten.
Mit Bescheid vom 10.06.2010 lehnte der Beklagte das Begehren auf Schadensersatz ab mit der Begründung, die Auslese sei ausschließlich nach dem Leistungsgrundsatz erfolgt und die Ablehnung des Klägers habe weder auf seiner Behinderung noch auf seinem Alter, sondern auf seiner mangelnden Qualifikation beruht. Der Kläger erhob am 20.08.2010 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010, zugestellt am 2.11.2010, zurückwies. Hierin schilderte er den Ablauf des Vorstellungsgesprächs als strukturiertes Interview, das zur Feststellung der Eignung anhand des Verhaltens und der Angaben des Bewerbers diene. Dem Dienstherrn komme im Hinblick auf die Eignungsbeurteilung ein Beurteilungsspielraum zu. Objektive Eignungstests seien hierfür nicht erforderlich, das Urteil des Dienstherrn beruhe vielmehr in zulässiger Weise auf einer Vielzahl von persönlichen Eindrücken. Nuancen ließen sich nur unvollkommen erfassen und entzögen sich auch einer gerichtlichen Feststellung. Darin liege kein Indiz für eine Benachteiligung aufgrund mangelnder Objektivierbarkeit. Das Anforderungsprofil im mittleren Justizdienst verlange Belastbarkeit und Teamfähigkeit. Der Kläger habe von sich aus wiederholt geäußert, er sei oft müde, ohne Elan und müsse Stresssituationen vermeiden. Hieraus seien begründete Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit entstanden. Im Rahmen der Teamfähigkeit sei als nachteilig zu bewerten, dass er bislang ausschließlich allein gearbeitet habe. Sein Verhalten und seine Aussagen im Vorstellungsgespräch hätten zudem einen eher überheblichen Eindruck hinterlassen, so dass Zweifel an seiner Fähigkeit aufgekommen seien, sich in ein bestehendes Team zu integrieren und mit anderen in Serviceeinheiten zusammenzuarbeiten. Die Fertigkeiten im Tastenschreiben müssten zwar erst am Ende des Vorbereitungsdienstes vorliegen, das vom Kläger angewandte 2-Finger-System lasse aber eine eher schlechte Prognose zu. § 81
Abs. 1 Satz 9
SGB IX sei hier nicht anwendbar, weil beim
OLG die Beschäftigungsquote mit über 17 % übererfüllt sei, zudem habe die Schwerbehindertenvertretung der Auswahlentscheidung nicht widersprochen. Unzulässige Fragen im Hinblick auf sein Alter seien dem Kläger nicht gestellt worden. Ihn sei lediglich vor Augen geführt worden, dass er sich für einen Ausbildungsberuf bewerbe, für den schon 16-jährige Realschüler zugelassen seien. Einer Altersdiskriminierung stehe auch entgegen, dass in den mittleren Justizdienst mehrfach ältere Bewerber eingestellt worden seien.
Der Kläger hat nach positiver Entscheidung über seinen am 25.11.2010 gestellten Prozesskostenhilfeantrag durch Beschluss des Gerichts vom 8.03.2011 am 15.03.2011 Klage erhoben und gleichzeitig Wiedereinsetzung in die Klagefrist beantragt.
Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und rügt zusammenfassend die unzulässige Frage bezüglich des Zurechtkommens mit deutlich jüngeren Leuten im Vorstellungsgespräch, die eine Diskriminierung wegen des eigenen Lebensalters indiziere, die fehlende Begründung der Ablehnung entgegen § 81
Abs. 1
S. 9
SGB IX und schließlich, dass die spätere Begründung des Beklagten vorgeschoben und willkürlich sei, weil keine objektive Überprüfung seiner Eignung stattgefunden habe.
Der Kläger, der zunächst eine Entschädigungsleistung in Höhe von 5.815,20 Euro begehrt hat,
beantragt nunmehr, unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist den bescheid des Beklagten vom 10.06.2010 sowie den Widerspruchsbescheid vom 20.10.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 2.831,82 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor: Der im Prozesskostenhilfeverfahren behauptete Umstand, im Vorstellungsgespräch sei der Kläger nach den einzelnen gesundheitlichen Beeinträchtigungen gefragt worden, werde vom Kläger im Klageverfahren nicht aufrechterhalten und treffe auch nicht zu. Vielmehr habe der Kläger von sich aus im Rahmen der Erörterung seines Lebenslaufs Angaben zu seiner gesundheitlichen Verfassung und zur nötigen Stressreduktion gemacht. Es sei lediglich nachgefragt worden, wie ihn die chronische Schmerzsymptomatik an der Schulter im Alltag beeinträchtige, woraufhin er angegeben habe, dass dies beispielsweise beim Hochziehen von Fensterrollläden der Fall sei. In der Sache lägen keine willkürlichen Behauptungen der Auswahlkommission zur mangenden Eignung vor. Es bestehe vielmehr der Verdacht, dass es sich beim Kläger um einen professionellen Diskriminierungskläger handele, der sich nur beworben habe, um Schadensersatzleistungen nach dem
AGG verlangen zu können. Mittlerweile sei gegen ihn ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren anhängig, aus dem heraus Zweifel an seiner Prozessfähigkeit und damit an der Zulässigkeit der Klage bestünden.
II. Die Klage auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG ist zulässig.
Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist eröffnet, weil der Kläger sich für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis beim Beklagten beworben hatte (
vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22.06.2007 -
2 F 10596/07.OVG -, juris und IÖD 2007, 212). Das gemäß § 54 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG - erforderliche Vorverfahren wurde erfolglos durchlaufen und dem Kläger ist antragsgemäß nach § 60
VwGO Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen der versäumten Klagefrist zu gewähren, weil er nach rechtzeitiger Beantragung von Prozesskostenhilfe sodann binnen zwei Wochen nach Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses Klage erhoben hat. Schließlich hat die Kammer keine durchgreifende Zweifel an seiner Prozessfähigkeit aus den vom Beklagten angeführten Umständen, welche derzeit zum einen noch nicht strafgerichtlich festgestellt sind und zum andern jedenfalls zunächst nur die strafrechtliche Schuldfähigkeit betreffen.
Die auf § 15
Abs. 2
AGG gestützte Zahlungsklage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft, aber unbegründet, weil die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch in Höhe von drei Monatsgehältern (§ 15
Abs. 2 Satz 2
AGG) nicht erfüllt sind.
Die Regelungen des
AGG gelten gemäß § 24
Abs. 1
Nr. des Gesetzes für Beamtinnen und Beamte der Länder unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung. § 6
Abs. 1 Satz 2
AGG stellt klar, dass auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis unter den persönlichen Anwendungsbereich des
AGG fallen, was mithin auch für Beamtenbewerber zutrifft. Bewerber ist derjenige, der sich subjektiv ernsthaft um eine Stelle beworben hat und objektiv für die zu besetzende Stelle in Betracht kommt (
vgl. Däubler/Bertzbach, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2. Aufl. 2008, § 6 Rn. 21 c mit Hinweis auf
BAG, Urteil vom 12.11.1098 - 8 AZR 365/97 -). Es liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass dies beim Kläger nicht der Fall war und er ein so genannter professioneller Diskriminierungskläger wäre. Hierfür genügt insbesondere nicht die Tatsache, dass er an zwei weiteren Auswahlverfahren für den mittleren Justizdienst teilgenommen hat (
vgl. hierzu auch ausführlich Däubler/Bertzbach, a.a.O., § 15 Rn. 53, 54).
Gemäß § 15
Abs. 2
AGG kann der Betroffene bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen, die bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen darf, wenn er auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Diesen Anspruch macht der Kläger hier geltend. Gemäß § 7
Abs. 1
AGG dürfen Beschäftigte (
bzw. Bewerber) nicht wegen eines in § 1 des Gesetzes genannten Grundes benachteiligt werden. zu den in § 1
AGG genannten Gründen gehören u.a. eine Behinderung und das Alter, wegen derer der Kläger sich hier benachteiligt sieht. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, erfahren hat oder erfahren würde (§ 3
Abs. 1 Satz 1
AGG). Um eine mittelbare Benachteiligung handelt es sich, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich (§ 3
Abs. 2
AGG). Gemäß § 22
AGG genügt es, dass der Betroffene Indizien beweist, die eine Benachteiligung vermuten lassen, in diesem Fall trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
Diese Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch aus § 15
Abs. 2
AGG liegen hier nicht vor. Der Beklagte hat weder im Verfahren über die Vergabe von Ausbildungsstellen für den Vorbereitungsdienst zur Laufbahn im mittleren Justizdienst noch bei der Auswahlentscheidung gegenüber dem Kläger diesen wegen seines Alters oder seiner Behinderung benachteiligt, noch liegen Indizien für einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vor.
Im Hinblick auf das vom Beklagten durchgeführte Auswahlverfahren rügt der Kläger, dass ihm im Vorstellungsgespräch unzulässige Fragen nach seinem Alter und seiner Behinderung gestellt worden seien, und dass die Absage des Beklagten vom 23.04.2010 unter Verstoß gegen § 81
Abs. 1
SGB IX keine Begründung erhalten habe, worin er Indizien für eine unzulässige Benachteiligung sieht.
Verfahrensfehler im Rahmen einer Bewerbung können Indizien für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot begründen. Insbesondere stellt eine unzulässige Frage nach einem verpönten Merkmal im Vorstellungsgespräch ein Indiz für eine Benachteiligung wegen dieses Merkmals dar (
vgl. Däubler/Bertzbach, a.a.O., § 7 Rn. 20ff und § 22 Rn. 44 e m. w. N.). Auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur Begründung der Auswahlentscheidung kann im Einzelfall eine Diskriminierung indizieren (
vgl. Däubler/Bertzbach, a.a.O., § 22 Rn. 23 d). Die vom Kläger geltend gemachten verfahrensrechtlichen Verstöße liegen aber hier nicht vor.
Die Unterrichtungs- und Begründungspflichten des Arbeitgebers
bzw. Dienstherrn aus § 81
Abs. 1 Satz 7
ff. SGB IX gelten nur unter den in § 81
Abs. 1 näher geregelten tatbestandlichen Voraussetzungen. Die Vorschrift normiert die Pflichten es Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Vergabe freier Arbeitsplätze und knüpft die Erörterungs- und Darlegungspflichten des Arbeitgebers an die Voraussetzung, dass dieser seine Beschäftigungspflicht für schwerbehinderte Menschen nicht erfüllt und die Schwerbehindertenvertretung mit der beabsichtigten Einstellungsentscheidung nicht einverstanden ist. Nur in diesem Fall ist die Entscheidung unter Darlegung der Gründe mit der Schwerbehindertenvertretung zu erörtern (Satz 7), der betroffene schwerbehinderte Mensch anzuhören (Satz 8) und alle Beteiligten sind vom Arbeitgeber über die abschließend getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten (Satz 9). Da der Beklagte vorliegend seine Beschäftigungspflicht erfüllt und außerdem nach seinen unbestrittenen Angaben der beim Vorstellungsgespräch anwesende Schwerbehindertenvertreter der Auswahlentscheidung zugestimmt hat, besteht keine Begründungspflicht aus § 81
Abs. 1 Satz 9
SGB IX (
vgl. schon Urteil der Kammer vom 30.03.2011 -
1 K 785/10.NW -).
Ein Verstoß gegen § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz - LVwVfG -
i.V.m. § 39
Abs. 1 Satz Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - liegt ebenfalls nicht vor, denn die Begründung für die ablehnende Entscheidung wurde unter dem 4.05.2010 nachgeholt und ein etwaiger Mangel damit noch innerhalb der Widerspruchsfrist geheilt (§ 45
Abs. 1
Nr. 2,
Abs. 2 VwVfG).
Aufgrund der mündlichen Verhandlung ist die Kammer ferner überzeugt, dass dem Kläger im Auswahlgespräch vom 22.04.2010 keine unzulässigen Fragen in Bezug auf die gemäß § 1
AGG verpönten Merkmale seines Alters und seiner Behinderung gestellt wurden. Da dem Beklagten das Geburtsdatum und die Tatsache der Gleichstellung aus der vom Kläger eingereichten Bewerbung bekannt waren, bestand zunächst gar kein Anlass zu einer direkten Frage nach diesen Merkmalen, was von ihm auch nicht vorgetragen wird.
Die von ihm beanstandete Frage, wie er sich die Zusammenarbeit mit deutlich jüngeren Auszubildenden vorstelle, nimmt - selbst wenn sie so wie er behauptete hat, formuliert wurde, was der Beklagte indessen bestreitet - erkennbar nicht auf die Tatsache seines Alters, sondern auf das zu erwartende berufliche Umfeld, die besondere Ausbildungssituation und seine Integrationsfähigkeit in ein Team auch bei der späteren Laufbahnbeschäftigung Bezug. Sie ist damit einzuordnen in den Zusammenhang der erforderlichen Prognose über seine eigene Arbeitszufriedenheit und den voraussichtlichen Erfolg seiner Ausbildung. Eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters kann die Kammer darin nicht erkennen. Allenfalls könnte ein Indiz für eine mittelbare Benachteiligung vorliegen, weil hier nur scheinbar an neutrale Kriterien der Integrationsfähigkeit u. Ä. angeknüpft wird, welche jedenfalls in dieser Form aber nur gegenüber älteren Bewerbern thematisiert werden. Eine mittelbare Benachteiligung ist dann aber ausgeschlossen, weil sei durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die vom Beklagten angewandten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Das Erforschen einer künftigen Arbeitszufriedenheit und der Integrationsfähigkeit des künftigen Beamten mit Blick auf eine Ausbildungsgruppe mit bestimmten Merkmalen und in bestehende Serviceeinheiten dient, wie schon ausgeführt, der Prognose der Erfolgsaussichten der Ausbildung im Vorbereitungsdienst und der Chancen einer späteren dauerhaften Verwendung als Beamter für den ausbildenden Dienstherrn. Zur Gewährleistung dieser im öffentlichen Interesse liegenden Ziele erscheint die streitgegenständliche Frage des Beklagten sachlich gerechtfertigt, angemessen und erforderlich.
Auch unzulässige Fragen nach seiner Behinderung wurden dem Kläger im Vorstellungsgespräch nicht gestellt.
In der Frage nach bestimmten Erkrankungen oder Leiden kann je nach den Einzelfallumständen eine unzulässige Erkundigung nach einer Behinderung liegen (
vgl. BAG, Urteil vom 17.12.2009 -
8 AZR 670/08). Aus dem schriftlichen Vorbringen und den ergänzenden Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung lässt der Inhalt des Vorstellungsgesprächs vom 22.04.2010 aber diesen Schluss nicht zu. Danach ergab sich die Frage nach seiner gesundheitlichen Situation aus der - vor dem Hintergrund des
AGG zulässigen - Erörterung seines Lebenslaufs (
vgl. Däubler/Bertzbach, a.a.O. § 7 Rn. 47 c) und der hieraus ersichtlichen Aufgabe seiner früheren Berufstätigkeit als Rechtsanwalt. Nachdem er gesundheitliche Gründe dafür genannt habe, sei nachgefragt worden, weshalb dies im Einzelnen geschehen sei. Er habe geantwortet, dass der Facharzt ihm hierzu geraten habe wegen chronischer Schmerzen. Daraufhin habe man nachgefragt, was im Einzelnen passiert sei uns wie sich dies auf seine Tätigkeiten auswirke.
Diese Darstellung, die im Wesentlichen mit derjenigen des Beklagten übereinstimmt, bietet keinen Anhalt für die Annahme, dass der Beklagte gegen das Diskriminierungsverbot wegen Behinderung verstoßen hat.
Im Beamtenrecht, dessen Besonderheiten gemäß § 24
AGG bei der Anwendung des Gesetzes stets zu berücksichtigen sind, gehört zu der vom Dienstherrn gemäß
Art. 33
Abs. 2
GG, § 9 BeamtStG zwingend zu prüfenden Eignung des Bewerbers auch seine gesundheitliche Eignung für das angestrebte Amt (
vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.12.2008 - 2 BvR 1571/07 -, ZBR 2009, 125). Wegen dieser Besonderheit müssen auch im Einstellungsverfahren Fragen des Dienstherrn zur gesundheitlichen Situation des Beamtenbewerbers zulässig sein, welche seine gesundheitliche Eignung zur Wahrnehmung der Laufbahnaufgaben betreffen. Nur hierauf, nicht auf die Behinderung des Klägers, zielten die von ihm berichteten Nachfragen im Vorstellungsgespräch indessen ab. Nach der schlüssigen Darlegung des Beklagten, die der Kläger nach seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich teilt, setzt die Wahrnehmung der Dienstaufgaben in der Laufbahn und psychische Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit voraus, weil dort regelmäßig eine hohe Arbeitsbelastung zu verzeichnen ist. Dies gilt umso mehr, als hier von den Bewerbern noch eine Ausbildung zu durchlaufen und eine Laufbahnprüfung abzulegen ist. Nachdem der Kläger für die Aufgabe seiner früheren Berufstätigkeit ausdrücklich gesundheitliche Gründe angeführt hatte, durfte der Beklagte dies im Hinblick auf die von ihm zu prüfende gesundheitliche Eignung zum Anlass nehmen, diesbezüglich Nachfragen zu stellen. Denn es war nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die gesundheitlichen Gründe - unabhängig von den damals offenbar nicht im Einzelnen erörterten Hintergründen der Gleichstellung - noch fortbestünden und den Kläger bei der Wahrnehmung seiner Dienstaufgaben als Beamter mit u.a. im Sitzen am
PC zu verrichtenden Büro- und Schreibtätigkeiten beeinträchtigen könnten. Dies konnte überhaupt erst auf der Grundlage weiterer und nur durch gezieltes Nachfragen zu gewinnender Erkenntnisse beurteilt werden. Wie die Beteiligten insoweit übereinstimmend ausgeführt haben, beinhaltete das weitere Gespräch zu diesen Themen im Wesentlichen der Frage nach der Stressresistenz und -bewältigung durch den Kläger, was angesichts der vom Beklagten beschriebenen Laufbahnanforderungen sachbezogen war und ebenfalls nicht gleichzusetzen ist mit seiner anerkannten Gleichstellung als Schwerbehinderter wegen chronischem Schmerzsyndrom und Migräne.
Die Auswahlentscheidung des Beklagten beinhaltete auch materiell-rechtlich keinen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot. Hierzu macht der Kläger geltend, die Entscheidung sei willkürlich und die vom Beklagten genannten Ablehnungsgründe seien lediglich vorgeschoben, denn sie beruhten nicht auf einer objektiven Überprüfung seiner Fähigkeiten und seiner Eignung. Diese Einwände greifen indessen nicht durch.
Der Beklagte hat vielmehr zutreffend darauf hingewiesen, dass er bei der Entscheidung über die Einstellung von Beamtenbewerbern an den Leistungsgrundsatz gebunden ist, der es gebietet, die nach Eignung und Befähigung am besten geeigneten Bewerber auszuwählen. Dieser Grundsatz verbietet von vornherein eine Diskriminierung beispielsweise wegen des Alters oder einer Behinderung und geht inhaltlich noch weiter als die Regelungen des
AGG (
vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.12.2008 - a.a.O.; BayVGH, Beschluss vom 1.07.2010 - 3
ZB 08.1676). Das Gericht erkennt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte seine Bewerberauswahl nicht gemessen an diesem Leistungsgrundsatz getroffen hat, sondern diese Begründung nur vorgeschoben und den Kläger in Wahrheit wegen seines Alters und/oder seiner Behinderung abgelehnt hat. Dafür gibt es auch keine Indizien im Sinne des § 22
AGG.
Insbesondere spricht für eine solche willkürliche Entscheidung gegenüber dem Kläger nicht der Umstand, dass der Beklagte die Auswahlentscheidung auf der Grundlage von Vorstellungsgesprächen mit den Bewerben vorgenommen hat, in deren Verlauf keine objektiven Leistungstests
bzw. Überprüfungen zur Teamfähigkeit, zur Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit sowie zu den Fertigkeiten im Tastenschreiben durchgeführt wurden. Da es vorliegend um die erstmalige Übernahme ins Beamtenverhältnis ging, konnte der Beklagte nicht auf das sonst für Auswahlentscheidungen nach dem Leistungsgrundsatz in erster Linie maßgebliche Instrument dienstlicher Beurteilungen zurückgreifen. In dieser Situation sind für den Dienstherrn strukturierte Auswahlgespräche sachgerecht und angemessen, um sich ein Bild über die Eignung und Befähigung der Bewerber zu machen (
vgl. BVerwG, Urteil vom 30.01.2003 - 2 A 1/02).
Wie der Dienstherr diese Bewerbergespräche gestaltet, bleibt seinem Organisationsermessen überlassen. Hinsichtlich der maßgeblichen Eignungsfragen steht ihm nämlich ein Einschätzungs- und Beurteilungsermessen zu, das auch schon für die Verfahrensweise gelten muss, mittels derer er sich die aus seiner Sicht notwendigen Erkenntnisse verschaffen will. Unter Beachtung der - wiederum unabhängig vom
AGG bestehenden - Bewerbungsverfahrensansprüche der Betroffenen ist er allerdings gehalten, hierbei die Grundsätze der Chancengleichheit und der Sachbezogenheit zu wahren, Daran bestehen vorliegend aber keine Zweifel, denn die Auswahlgespräche wurden in der Form strukturierter Interviews mit allen Bewerbern gleichmäßig geführt und sie richteten sich inhaltlich nachvollziehbar an sachbezogenen Fragen des - auch vom Kläger anerkannten - Anforderungsprofils für die Laufbahn des mittleren Justizdienstes aus. Aus dem so gewonnenen Gesamteindruck vom Verhalten und den Äußerungen der Bewerber durfte der Beklagte auch ohne bestimmte Leistungstests sein Eignungsurteil in zulässiger Weise bilden (
vgl. erneut
BVerwG, Urteil vom 30.01.2003, a.a.=.).
Dabei ist nämlich auch zu sehen, dass hierzu eine Prognose des Dienstherrn erforderlich war unter Einbeziehung der konkreten Anforderungen auf dem künftig auszufüllenden Dienstposten zunächst als Beamter im Vorbereitungsdienst und später in der Laufbahn des mittleren Dienstes. Für diese zukunftsgerichtete Prognose können aktuelle Leistungstests im Zeitpunkt der Bewerbung ohnehin nur eingeschränkt Aufschluss geben. Anhaltspunkte für eine inhaltlich willkürliche Einschätzung des Beklagten bestehen hier nicht. Zu den zulässigen und leistungsorientierten Anforderungen gehören, wie schon ausgeführt, namentlich die Leistungsfähigkeit, die Belastungsfähigkeit und die Teamfähigkeit des Bewerbers.
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung nochmals im Einzelnen dargelegt, dass er seiner Bewertungen über den Kläger maßgeblich aus den - von diesem nicht bestrittenen - Äußerungen gewonnen hat, er sei oft müde und ohne Elan und müsse Stress vermeiden. Die hierauf beruhende Einschätzung, es bestünden Zweifel an der ausreichenden Leistungs- und Belastungsfähigkeit sind nachvollziehbar und knüpfen nicht an die Tatsache seiner Gleichstellung als Schwerbehinderter an. Eine Behinderung ist mit der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit oder der Flexibilität eines Bewerbers nicht identisch (
vgl. zur Definition der Behinderung
i.S.d. AGG BAG, Urteil vom 22.10.2009 -
8 AZR 642/08 -, und zu den zulässigen Kriterien der Belastbarkeit und Flexibilität
LAG Nürnberg, Urteil vom 19.02.2008 -
6 Sa 675/07 -, NJW 2009, 148).
Auch im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass eine solche Verknüpfung zwischen dem Auftreten und den Äußerungen des Klägers im Vorstellungsgespräch und den hinter seiner Behinderung stehenden Leiden an einem chronischen Schmerzsyndrom und einer Migräne bestünde. Es liegen ferner keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beklagte einen anderen, nicht behinderten Bewerber, der mit gleichen Aussagen und gleichem Verhalten im Vorstellungsgespräch aufgetreten wäre, nicht ebenfalls wegen fehlender Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit abgelehnt hätte. Mithin ist nicht dargetan, dass der Kläger wegen seiner Behinderung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfahren hat (§ 3
Abs. 1
AGG). Diese Überlegungen gelten erst recht für das Merkmal der Teamfähigkeit, das keinen erkennbaren Bezug zu einer bestehenden Behinderung hat.
Quelle: Behindertenrecht 02/2012