Urteil
Vorläufiger Rechtsschutz eines Beamten gegen seine Umsetzung

Gericht:

OVG Sachsen-Anhalt 1. Senat


Aktenzeichen:

1 L 144/11 | 1 L 144.11


Urteil vom:

02.11.2011


Grundlage:

  • BeamtStG § 26 |
  • BG ST § 45 |
  • VwGO § 78 Abs. 1 Nr. 1 |
  • VwGO § 123 |
  • VwGO § 146

Leitsatz:

1. Zum vorläufigen Rechtsschutz eines Beamten gegen seine Umsetzung unter Geltendmachung gesundheitlicher Gründe.

2. Mit der organisatorischen Ermessensfreiheit des Dienstherrn bei Umsetzungen korrespondiert das Fehlen eines Anspruches des Beamten auf unveränderte und ungeschmälerte Ausübung des ihm übertragenen konkreten Amtes im funktionellen Sinne.

3. Nimmt ein Beamter seinen innegehabten Dienstposten aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr anforderungsgerecht wahr (Erfordernis der Weg-Umsetzung oder Weg-Versetzung) und scheidet aus ebensolchen Gründen eine anderweitige dauerhafte Verwendung des Beamten (Zu-Umsetzung oder Zu-Versetzung) aus, folgt daraus nicht ein Anspruch auf Weiterverwendung auf dem bisherigen Dienstposten, sondern gemäß §§ 26 f. BeamtStG, 45 f. LBG LSA vielmehr die Pflicht des Dienstherrn, wegen der Dienstunfähigkeit des Beamten das Zurruhesetzungsverfahren einzuleiten.

4. Mit dem bloßen Geltendmachen von Verfahrensfehlern kann eine Beschwerde im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht erfolgreich geführt werden, da es allein darauf ankommt, ob die Beschwerde in der Sache begründet ist.

5. Einer Klärung des Sachverhaltes mittels einer Beweisaufnahme bedarf es dem Zweck des Eilverfahrens entsprechend regelmäßig nicht.

Rechtsweg:

VG Halle Beschluss vom 12.09.2011 - 5 B 158/11

Quelle:

Justiz Sachsen-Anhalt

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 5. Kammer - vom 12. September 2011, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg. Die Einwendungen der Antragstellerin rechtfertigen die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn die Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen. Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen hingegen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 5. Januar 2007 - 1 M 1/07 -, juris [m. w. N.]).

Vorliegend kann dahinstehen, ob dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO schon deshalb der Erfolg versagt bleibt, weil die Antragstellerin entgegen § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ihre die Umsetzung anordnende Dienstbehörde und nicht das Land Sachsen-Anhalt in Anspruch nimmt (vgl. hierzu: OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15. März 2007 - 5 ME 295/06 -, juris).

Jedenfalls hat die Antragstellerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass sie schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn sie auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen würde. Dies wäre indes erforderlich gewesen, denn mit der hier begehrten Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO würde die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin gegenüber sowohl mit Verfügung vom 25. August 2011 als auch nunmehr mit Schriftsätzen vom 25. August 2011 und vom 18. Oktober 2011 ausdrücklich zugesichert, dass sie nicht nur die besonderen (ergonomischen) Büromöbel weiter verwenden, sondern zudem den regelmäßigen Botendienst oder diesen jederzeit auch auf gesonderte Anforderung in Anspruch nehmen könne. Ein Heben von Akten, damit verbundene bückende Tätigkeiten oder ein Herausziehen von Akten aus (hohen) Regalen kann somit ausgeschlossen oder jedenfalls auf dasjenige Maß reduziert werden, welches die Antragstellerin auf ihrem vorangegangenen Dienstposten wahrzunehmen hatte. Weitergehende gesundheitliche Beeinträchtigungen, welche mit der Wahrnehmung des neuen Dienstpostens verbunden wären und dessen Ausübung - auch vorübergehend - für sie unzumutbar machten, hat die Antragstellerin nach den zutreffenden und von ihr im Übrigen sachlich auch nicht schlüssig in Frage gestellten Feststellungen des Verwaltungsgerichtes nicht - ernstlich - zu befürchten. Die mit der Einarbeitung in eine neue Aufgabe verbundenen möglichen psychischen Belastungen, wie etwa Versagensängste, sind solche allgemeiner Natur und damit von jedem Beamten auszuhalten, da anderenfalls die Dispositionsbefugnis des Dienstherrn nicht mehr gewährleistet wäre. Darüber hinausgehende besondere psychische Belastungen, die mit dem neuen Dienstposten verbunden wären, legt die Beschwerde nicht dar. Insbesondere ist weder dargelegt noch anderweitig ersichtlich, dass die mit dem Dienstposten verbundenen Aufgaben solche sind, welche nicht mit der Laufbahn der Antragstellerin bzw. mit dem von ihr innegehabten Amt einer Steueramtsinspektorin konform gingen. Unzumutbare Belastungen körperlicher oder seelischer Art werden ebenso wenig mit dem nachgereichten Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 13. Oktober 2011 schlüssig dargelegt, weil die Antragstellerin darin lediglich gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wird. Ein konkreter oder gar unmittelbarer Bezug zu dem nunmehr wahrzunehmenden Dienstposten der Antragstellerin lässt sich diesem Bescheid demgegenüber nicht entnehmen. Der bloße Wunsch einer anderweitigen, nämlich der bisherigen Verwendung gibt jedenfalls keinen Anlass zu der Annahme, die Antragstellerin sei bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt.

Im Übrigen hat die Antragstellerin auch den erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat. Mit der organisatorischen Ermessensfreiheit des Dienstherrn bei Umsetzungen korrespondiert das Fehlen eines Anspruches des Beamten auf unveränderte und ungeschmälerte Ausübung des ihm übertragenen konkreten Amtes im funktionellen Sinne (OVG LSA, Beschluss vom 27. April 2009 - 1 M 42/09 -, juris [m. w. N.]). Ein Anspruch auf die Übertragung eines konkret-funktionellen Amtes besteht als solcher nicht, und zwar unabhängig davon, ob dieses im Wege der Beförderung, schlichten Versetzung, Abordnung oder gar nur Umsetzung erstrebt wird. Beschäftigte im öffentlichen Dienst haben nämlich bereits unabhängig von der Art des Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihnen bestimmte Aufgaben übertragen oder übertragene Aufgaben nicht wieder entzogen werden; Beamte wie Angestellte sind prinzipiell aus jedem sachlichen Grund umsetzbar (OVG LSA, Beschluss vom 15. Mai 2006 - 1 M 84/06 -, juris [m. w. N.]).

Die Beschwerde legt insoweit, auch im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen des Senates, nicht schlüssig dar, dass die Antragstellerin aus erkennbar sachwidrigen Gründen umgesetzt worden ist. Der Antragsgegner hat die Umsetzung ihr gegenüber mündlich als auch hiernach mit Verfügung vom 25. August 2011 schriftlich mit den "gesundheitlichen Belangen" bzw. "Rücksichtnahme auf den Gesundheitszustand" der Antragstellerin begründet. Er hat dies mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2011 dahingehend präzisiert, dass die Antragstellerin nach der Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit, insbesondere noch nach dem Ende der betrieblichen Wiedereingliederungsmaßnahmen "nicht die volle Leistungsfähigkeit, die auf dem Dienstposten ... aufgrund der Leitungs- und Organisationsverantwortung erforderlich" sei, gezeigt habe. Der Antragsgegner hat dies näher ausgeführt und beispielhaft unterlegt. Soweit die Beschwerde diese Ausführungen bestreitet bzw. ihnen entgegen tritt, führt ein damit noch offener, ungeklärter Sachverhalt jedenfalls nicht dazu, dass der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird. Einer Klärung des Sachverhaltes mittels einer Beweisaufnahme bedarf es dem Zweck des Eilverfahrens entsprechend jedenfalls regelmäßig nicht (vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 16. Februar 2011 - 1 M 9/11 -, juris [m. w. N.]). Dass die Umsetzung mithin aus erkennbar sachwidrigen Gründen, d. h. willkürlich erfolgt wäre, insbesondere die Antragstellerin "strafversetzt" worden sei, ist damit seitens der Beschwerde nicht glaubhaft gemacht. Die Beschwerde legt im Übrigen auch nicht schlüssig dar, worauf ein sachfremder Grund auf Seiten des Antragsgegners beruhen bzw. worin ein solcher liegen sollte, mithin weshalb er die Antragstellerin aus sachfremden Erwägungen habe "strafversetzen" wollen. Nimmt jedenfalls ein Beamter - wie hier vom Antragsgegner angenommen - seinen innegehabten Dienstposten aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr anforderungsgerecht wahr (Erfordernis der Weg-Umsetzung oder Weg-Versetzung) und scheidet aus ebensolchen Gründen eine anderweitige dauerhafte Verwendung des Beamten (Zu-Umsetzung oder Zu-Versetzung) aus, folgt daraus nicht - wie die Antragstellerin wohl meint - ein Anspruch auf Weiterverwendung auf dem bisherigen Dienstposten, sondern gemäß §§ 26 f. BeamtStG, 45 f. LBG LSA vielmehr die Pflicht des Dienstherrn, wegen der Dienstunfähigkeit des Beamten das Zurruhesetzungsverfahren einzuleiten.

Es ist im Übrigen weder dargetan noch anderweitig für den Senat ersichtlich, dass der Antragstellerin etwa Nachteile im Hinblick auf ihr berufliches Fortkommen (ernstlich) drohen. Im Übrigen hat ein Beamter keinen Anspruch darauf hat, befördert oder in ähnlicher Weise beruflich gefördert zu werden (BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1987 - 6 C 32.85 -, Buchholz 236.1 § 31 SG Nr. 21 [m. w. N.]). Eine schuldhafte Verletzung des sich aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ergebenden Verbotes, das berufliche Fortkommen eines Beamten ohne rechtlichen Grund zu behindern, vermag insoweit lediglich einen Anspruch des Betroffenen auf Schadensersatz in Geld zu begründen (vgl. BVerwG, a. a. O.; OVG LSA, a. a. O.). Hiernach ist nicht anzunehmen, dass der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird.

Schließlich bleibt dem Beschwerdevorbringen schon dem Grunde nach der Erfolg versagt, soweit die Antragstellerin Aufklärungs- und Gehörsrügen in Bezug auf die angefochtene Entscheidung erhebt und damit Verfahrensmängel geltend macht. Mit dem bloßen Geltendmachen von Verfahrensfehlern kann eine Beschwerde im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nämlich nicht erfolgreich geführt werden, da es vielmehr allein darauf ankommt, ob die Beschwerde in der Sache begründet ist (OVG LSA, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 1 M 73/11 -, Beschluss vom 3. April 2007 - 2 M 53/07 -, juris [m. w. N.]).

Mangels Glaubhaftmachung unzumutbarer Nachteile überwiegt nach alledem das Interesse der Funktionsfähigkeit der Verwaltung, insbesondere das Interesse des Dienstherrn an der Aufgabenerfüllung und -wahrnehmung durch Beamte nach Maßgabe seiner Dispositionsbefugnis.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die Höhe des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 40, 47 GKG, wobei im Hinblick auf die Vorläufigkeit des gestellten Antrages der hälftige Auffangstreitwert zugrunde gelegt wurde (siehe Ziffer II., 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2004, NVwZ 2004, 1327; vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 1. August 2007 - 1 M 138/07 -).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Referenznummer:

R/R6643


Informationsstand: 06.04.2016