Urteil
Konkurrentenklage - Bewerbungsverfahrensanspruch - Umsetzungsantrag aus gesundheitlichen Gründen

Gericht:

LAG Mecklenburg-Vorpommern 5. Kammer


Aktenzeichen:

5 Sa 296/20


Urteil vom:

01.06.2021


Grundlage:

  • GG Art. 33 Abs. 2

Leitsätze:

1. Der öffentlichen Arbeitgeber kann im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens festlegen, ob er eine freie Stelle ausschreibt oder aber zur Realisierung von Umsetzungs- bzw. Versetzungswünschen nutzt, es sei denn, dass es sich um eine Aufstiegs- oder Beförderungsstelle handelt. Bei der Ausübung des Ermessens können sowohl die Gründe des Umsetzungsantrags als auch die fachliche Eignung des Beschäftigten von Bedeutung sein.

2. Hat sich der öffentliche Arbeitgeber ermessensfehlerfrei für eine unbeschränkte Stellenausschreibung entschieden, ist ein dem Art. 33 Abs. 2 GG entsprechendes Auswahlverfahren durchzuführen.

Orientierungssätze:

1. Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat vor der Besetzung einer Stelle zwingend ein Anforderungsprofil festzulegen, welches im Hinblick auf die Anforderungen der Stelle sachlich nachvollziehbar sein muss.

2. Der Vergleich der Bewerber im Rahmen einer Auswahlentscheidung hat vor allem anhand dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen. Dabei sind zeitnahe beziehungsweise aktuelle dienstliche Beurteilungen heranzuziehen. Maßgeblich ist hierbei in erster Linie das abschließende Gesamturteil.

3. Sofern befristet Beschäftigte von einem Stellenbesetzungsverfahren nicht erkennbar ausgeschlossen sind, haben sie das Recht, sich zu bewerben und an dem Ausschreibungsverfahren teilzunehmen.

Rechtsweg:

ArbG Stralsund, Urteil vom 01.10.2020 - 13 Ca 500/19

Quelle:

Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 01.10.2020 - 13 Ca 500/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Vergabe zweier, intern ausgeschriebener Stellen, insbesondere die Berücksichtigungsfähigkeit gesundheitlicher Gründe.

Die im Juli 1969 geborene Klägerin ist seit dem 15.07.1991 bei der Beklagten beschäftigt. Sie war zunächst langjährig in der Agentur für Arbeit F. (O.) tätig und dort zuletzt als "Fachassistentin Eingangszone" im Jobcenter M.-O. eingesetzt, einer gemeinsamen Einrichtung der Agentur für Arbeit F. (O.) und des Landkreises M.-O..

Auf ihre Bewerbung hin versetzte die Beklagte sie mit Wirkung zum 01.02.2018 in das Jobcenter M. S.-S. in N.. Die Arbeitsaufgabe als "Fachassistentin Eingangszone" blieb ebenso unverändert wie die Eingruppierung. Die Klägerin bezieht die Vergütung der Tätigkeitsebene V des TV-BA. Anlässlich der Versetzung erhielt die Klägerin am 08.06.2018 eine Beurteilung vom Jobcenter M.-O. für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis zum 31.01.2018, die mit dem Gesamturteil "C" endet, der mittleren Note der insgesamt 5-stufigen Beurteilungsskala von A ("übertrifft erheblich die Anforderungen") bis E ("erfüllt die Anforderungen in geringem Maße").

Nachdem die Klägerin mehr als 6 Wochen arbeitsunfähig war, bot ihr die Beklagte mit Schreiben vom 03.04.2019 ein Gespräch zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) an. Am 08.04.2019 stellte die Klägerin einen Antrag auf sofortige Umsetzung aus gesundheitlichen Gründen unter Beibehaltung des Standorts N.. Zur Erläuterung teilte sie mit:

"- Für mich schlechtes und inakzeptables Arbeitsklima in der EZ des Jobcenters MSE S.
- Dieses wirkt sich auf meine Gesundheit aus."

Am 11.06.2019 fand das Gespräch zum betrieblichen Eingliederungsmanagement statt. Zum 01.07.2019 setzte die Beklagte die Klägerin für die Dauer eines halben Jahres als Telefonserviceberaterin in das Servicecenter der Familienkasse um, die nicht dem Jobcenter, sondern der Beklagte zugeordnet ist. Die Klägerin war die einzige Bewerberin auf diese Stelle. Die Eingruppierung änderte sich wiederum nicht. Aus Anlass des Aufgabenwechsels erhielt die Klägerin für die vorherige Tätigkeit im Jobcenter vom 01.02.2018 bis zum 30.06.2019 eine Beurteilung, die mit dem Gesamturteil "E" endet. In der Beurteilung finden sich umfangreiche Ausführungen zur Begründung dieser Bewertung.

Die Ausschreibung und Besetzung von Dienstposten ist bei der Beklagten im Handbuch Personalrecht/Gremien (Stand Januar 2019) wie folgt geregelt:

"...

1. Ausschreibung von Dienstposten

1.1 Ausschreibungspflicht - gesetzlicher Rahmen

(1) Nach Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Diese Verfassungsnorm legt das Leistungsprinzip für alle Beschäftigtengruppen des öffentlichen Dienstes fest. Wesentliche Voraussetzung, diesem Verfassungsauftrag nachkommen zu können, ist die auf eine breite Zielgruppe gerichtete öffentliche oder interne Bekanntgabe freier oder frei werdender Dienstposten zur (Wieder-) Besetzung mit der Aufforderung, sich zu bewerben (Dienstpostenausschreibung). ...
...

1.2 Ausschreibungsgrundsätze in der BA

(1) Grundsätzlich sind alle bei der BA zu besetzenden Dienstposten sowie Ausbildungs- und Studienplätze auszuschreiben. Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, ob die Dienstposten haushaltsrechtlich aus Planstellen, Stellen oder Beschäftigungsgelegenheiten für befristete Kräfte (Ermächtigungen) finanziert werden oder ob der Dienstposten unbefristet oder befristet besetzt werden soll.
...

1.3 Verzicht auf Dienstpostenausschreibung

...
(2) Abweichend von Kap. 1.2 kann auf eine Dienstpostenausschreibung in folgenden Fällen verzichtet werden:

...
- bei Besetzung mit einer Statusbewerberin/einem Statusbewerber1)
...

(3) In folgenden Fällen soll bei Ansatz einer Statusbewerberin bzw. eines Statusbewerbers1) aus personalpolitischen Gründen auf eine Ausschreibung verzichtet werden:

...
- Maßnahmen zur betrieblichen Wiedereingliederung (§ 167 Abs. 2 SGB IX),
...
- Realisierung von Versetzungs- bzw. Umsetzungsanträgen aus familiären oder gesundheitlichen Gründen (siehe Ziffer 1.4)
...

(4) Sollen Statusbewerberinnen und Statusbewerber1) ohne vorangegangene Stellenausschreibung auf vakanten Dienstposten angesetzt werden, ist der Dienstherr nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Dienstpostenbesetzung nicht an die Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG (Auswahl nach Besteignung) gebunden, da eine Umsetzung bzw. Versetzung ohne Statusänderung im organisatorischen Ermessen des Dienstherrn steht.

...
1) Ein/e Statusbewerber/in ist eine Person, die bereits mindestens über das statusmäßige Amt hinsichtlich des vakanten Dienstpostens verfügt bzw. der bereits eine Tätigkeit der entsprechenden Tätigkeitsebene auf Dauer übertragen wurde. ...

1.4 Umgang mit Versetzungsbewerberinnen und Versetzungsbewerbern

(1) Versetzungsbewerberin bzw. Versetzungsbewerber ist, wer aus familiären oder gesundheitlichen Gründen (siehe unten) einen entsprechenden Antrag beim zuständigen IS Personal gestellt hat (siehe Vordruck in ...").

Ein Versetzungsantrag kann aus folgenden Gründen gestellt werden:

- Familienzusammenführung
...
- Verbesserung der Betreuungs- und/oder Pflegesituation
...
- eigene gesundheitliche Gründe

Beruft sich eine Versetzungsbewerberin oder ein Versetzungsbewerber auf gesundheitliche Gründe, so sind diese durch eine ärztliche Bescheinigung zu belegen. Zum Nachweis der Pflegebedürftigkeit sind Belege über die Festsetzung der Pflegestufe vorzulegen.

(2) Ein Anspruch auf Versetzung besteht auch bei Vorliegen der o.g. Gründe nicht. Im Rahmen der Personalfürsorge und zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf sollten entsprechende Anträge jedoch besonders unterstützt werden.
...

(4) Im Rahmen der Realisierung von Versetzungs- und Umsetzungsanträgen aus o.g. Gründen soll unter den Voraussetzungen der Ziffer 1.3. Abs. 3 auf eine Stellenausschreibung verzichtet werden.
...

2. Ausschreibungsformen und -verfahren

2.1 Grundsätzliches

...
(3) Der Bewerberkreis kann für Ausschreibungen aus sachlich vertretbaren Gründen im Rahmen des Organisationsermessens des Dienstherrn auf bestimmte Beschäftigtengruppen (Bsp. vorhandene Dauerkräfte, befristet Beschäftigte) oder in regionaler Hinsicht beschränkt werden. An die sachliche Rechtfertigung sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen, damit der Bewerbungsverfahrensanspruch nicht unterlaufen wird (Art. 33 Abs. 2 GG). Nach der einschlägigen Rechtsprechung müssen z.B. konkrete haushaltsrechtliche Einschränkungen bestehen oder andere sachliche Gründen vorliegen. Diese sind für Dritte nachvollziehbar zu dokumentieren. Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass nach Einschränkung des Bewerberkreises noch eine hinreichende Bewerberauswahl möglich ist.
..."

Am 18.09.2019 schrieb die Beklagte unter dem Referenzcode 2019_I_006311 intern eine im Servicecenter der Arbeitsagentur N. zu besetzende Stelle der Tätigkeitsebene V für Telefonserviceberater (w/m/d) aus. Beschränkungen des Bewerberkreises enthielt die Stellenausschreibung - abgesehen von der Begrenzung auf interne Bewerber - nicht. Auf diese Stelle bewarben sich neben der Klägerin weitere zehn, überwiegend befristet beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit 4 Bewerberinnen, u. a. der Klägerin, führte die Auswahlkommission ein Interview, in dessen Verlauf sie kompetenzorientierte Fragen stellte und ein Rollenspiel simulierte. Laut Auswahlvermerk vom 27.11.2019 erreichte die Bewerberin E. mit 22,00 Punkten den 1. Rang unter den 4 verbliebenen Bewerberinnen, die Klägerin mit 14,00 Punkten den 3. Rang. Die Gesamtpunktzahl ermittelte die Auswahlkommission aus den Einzelwerten für Sorgfalt/Gewissenhaftigkeit, Kundenorientierung, Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Lern- und Kritikfähigkeit, Einsatz von Fachwissen sowie Motivation. Die Klägerin erhielt am 10.12.2019 eine Absage. Am 16.12.2019 übertrug die Beklagte Frau E. die ausgeschriebene Stelle als Telefonserviceberaterin mit Wirkung zum 01.01.2020.

Am 09.12.2019 schrieb die Beklagte unter dem Referenzcode 2019_I_008312 erneut Stellen für Telefonserviceberater (w/m/d) der Tätigkeitsebene V mit Dienstort N. zur internen Besetzung aus. Auf die vorhandenen 7 Stellen bewarben sich insgesamt 9 befristet und unbefristet beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sämtliche Bewerberinnen und Bewerber waren besser beurteilt als die Klägerin, nämlich mit dem Gesamturteil D bzw. eine Mitbewerberin mit dem Gesamturteil C. Diese Mitbewerberin platzierte die Auswahlkommission laut Auswahlvermerk vom 27.01.2020 auf Rang 1.

Die Klägerin bat mit Schreiben vom 17.12.2019 um Fortführung des Verfahrens zum betrieblichen Eingliederungsmanagement. Während des Einsatzes als Telefonserviceberaterin im Servicecenter der Familienkasse war sie im Oktober 2019 an einem Tag, im November 2019 an 17 Tagen und im Dezember 2019 an 10 Tagen arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom 20.12.2019 präzisierte die Klägerin ihren Umsetzungsantrag vom 08.04.2019 dahingehend, dass sie einen weiteren Einsatz als Telefonserviceberaterin im Servicecenter der Familienkasse aus gesundheitlichen Gründen priorisierte und sie sich an zweiter Stelle eine Tätigkeit als Fachassistentin in der Arbeitsagentur, nicht aber im Jobcenter, vorstellen konnte.

Die für das Servicecenter der Familienkasse zuständige Teamleiterin erstellte am 07.01.2020 eine Beurteilung für den Zeitraum 01.07.2019 bis 31.12.2019, in der sie die Tätigkeit der Klägerin als Telefonserviceberaterin mit dem Gesamturteil E bewertete. Sie ging u. a. davon aus, dass es der Klägerin nicht gelang, die vermittelten Fachkenntnisse zu festigen und in die Praxis umzusetzen. Die Teamleiterin sah nur eine geringe Bereitschaft der Klägerin, Hilfsangebote und konstruktive Kritik anzunehmen. Die Arbeitsqualität und -quantität sowie die Fachkompetenz entsprach ihrer Einschätzung nach noch nicht den üblichen Anforderungen und ließ auch keine positive Tendenz erkennen.

Am 27.01.2020 fand ein weiteres BEM-Gespräch mit der Klägerin statt. Zu diesem Zeitpunkt belief sich die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage in den vergangenen 12 Monaten auf insgesamt 137, verteilt auf 6 Zeiträume. In dem von der Klägerin beim Arbeitsgericht Stralsund (Kammer Neubrandenburg) - Aktenzeichen 13 Ga 1/20 - angestrengten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung schlossen die Parteien am 30.01.2020 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, eine der 7 unter dem Referenzcode 2019_I_008312 ausgeschriebenen Stellen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht dauerhaft zu besetzen. Die übrigen 6 Stellen vergab sie sodann zum 01.03.2020.

Zum 01.01.2020 wies die Beklagte der Klägerin die Tätigkeit einer Fachassistentin Leistungsgewährung im Jobcenter zu, was sich auch im Protokoll des BEM-Gesprächs am 27.01.2020 wiederfindet. Die Klägerin war allerdings zunächst weiterhin arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom 27.10.2020 übersandte die Klägerin der Beklagten ein am 17.09.2020 ausgestelltes ärztliches Attest des behandelnden Hausarztes und teilte zugleich mit, den Umsetzungsantrag weiterhin aufrecht halten zu wollen. Der Hausarzt verwies auf die vorangegangenen Krankschreibungen mit der Diagnose F 43.9G (Reaktion auf schwere Belastung, nicht näher bezeichnet) und bescheinigte der Klägerin einen schlechten, deutlich reduzierten Allgemeinzustand. Seiner Einschätzung nach ist es für die Klägerin gesundheitlich nicht tragbar, weiterhin im Jobcenter zu arbeiten. Aus ärztlicher Sicht regte er an, die Klägerin in einem anderen Bereich der Agentur für Arbeit einzusetzen. Krankheitsbedingt konnte die Klägerin erst am 28.12.2020 mit der Einarbeitung als Fachassistentin Leistungsgewährung beginnen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass sie einen Anspruch auf Übertragung der Stelle als Telefonserviceberaterin im Servicecenter der Agentur für Arbeit N. habe. Nach den Verhältnissen des Einzelfalls stelle sich jede andere Entscheidung als rechtswidrig oder ermessensfehlerhaft dar. Zumindest könne sie eine erneute Entscheidung über ihre Bewerbung beanspruchen. Die Beklagte habe in den Bewerbungsverfahren auch befristet Beschäftigte berücksichtigt. Das sei unzulässig, da befristet Beschäftigte in der Stellenausschreibung nicht erwähnt seien. Ein befristet Beschäftigter sei kein Statusbewerber. Frau E. hätte deshalb bei der 1. Stellenausschreibung nicht berücksichtigt werden dürfen. Die Beurteilungen des Jobcenters M. S.-S. und des Servicecenters der Familienkasse habe die Klägerin nicht akzeptiert und auch nicht unterschrieben. Ihre tatsächlichen Kompetenzen und ihre Leistungsfähigkeit seien in den Beurteilungen falsch wiedergegeben, was ein Vergleich mit den vorherigen Beurteilungen des Jobcenters M.-O. zeige.

Abgesehen davon solle nach Ziffer 1.3 des Handbuchs Personalrecht/Gremien bei Maßnahmen zur betrieblichen Wiedereingliederung oder bei Realisierung von Versetzungsanträgen aus gesundheitlichen Gründen auf eine Ausschreibung verzichtet werden. In dem Gespräch zum betrieblichen Eingliederungsmanagement am 11.07.2019 sei bereits ein fester Ansatz der Klägerin als Fachassistentin im Servicecenter der Familienkasse ab 01.01.2020 angesprochen worden.


Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Klägerin für das öffentliche Amt Telefonserviceberater (w/m/d) im Servicecenter der Agentur für Arbeit N. (mehrere Stellen - Dienstort N.), Referenzcode 2019_I_006311, zu entscheiden, und

2. die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Klägerin für das öffentliche Amt Telefonserviceberater (w/m/d) in der Agentur für Arbeit N. (mehrere Stellen - Dienstort N.), Referenzcode 2019_I_008312, zu entscheiden.


Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie habe entschieden, die Stellen nach Art. 33 GG anhand der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zu vergeben und dabei auch befristet Beschäftigte einzubeziehen. Die Auswahlverfahren seien korrekt durchgeführt worden. Die Stelle 2019_I_006311 sei zu Recht an Frau E. vergeben worden, da diese sich als am besten geeignet erwiesen habe. Frau E. habe trotz des befristeten Arbeitsvertrages berücksichtigt werden dürfen und müssen, da der Bewerberkreis in der Stellenausschreibung gerade nicht beschränkt worden sei. Soweit sich die Klägerin auf ihren Umsetzungsantrag berufe, habe sie entgegen Ziffer 1.4 des Handbuchs Personalrecht/Gremien keine ärztliche Bescheinigung zu den behaupteten gesundheitlichen Gründen vorgelegt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar sei die Klage auch im Hinblick auf die bereits besetzte Stelle 2019_I_006311 zulässig, da die Beklagte es der Klägerin nicht ermöglicht habe, Eilrechtsschutz in Anspruch zu nehmen, sondern die Stelle noch vor Ablauf der Frist von 2 Wochen endgültig vergeben habe. Der geltend gemachte Anspruch stehe der Klägerin jedoch nicht zu. Sie habe weder bei der 1. noch bei der 2. Stellenausschreibung eine Verletzung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs dargelegt. Der Dienstherr verfüge im Hinblick auf die Merkmale Eignung, Befähigung und fachliche Leistung über einen Beurteilungsspielraum. Ein Versetzungs- oder Umsetzungsantrag aus gesundheitlichen Gründen führe nicht zu einer Bevorzugung im Auswahlverfahren oder zu einem Ausschluss anderer Bewerber. Selbst wenn die Beklagte die Stellen nicht hätte ausschreiben dürfen, ändere das nichts an den Kriterien für die Vergabe einer Stelle nach den Grundsätzen der Bestenauslese. Ggf. müsse die Klägerin ihren Umsetzungsantrag weiterverfolgen, was aber nicht Gegenstand des Rechtsstreits sei. Die Beklagte habe in den beiden Auswahlverfahren auch befristet Beschäftigte berücksichtigen dürfen, da der Bewerberkreis in den Stellenausschreibungen nicht beschränkt worden sei.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass sich die Klägerin schon gegen die Durchführung eines Stellenbesetzungsverfahrens richte, anstatt ihr die Stelle aufgrund des Umsetzungsantrags ohne Ausschreibung zu übertragen. Das Arbeitsgericht habe seine Hinweispflicht verletzt. Andernfalls hätte die Klägerin schon in der 1. Instanz beantragt, ohne vorherige Durchführung eines Stellenbesetzungsverfahrens über ihre Bewerbungen zu entscheiden. Zwar erkenne die Klägerin an, dass sie nach den Grundsätzen der Bestenauslese anderen Bewerbern gegenüber unterlegen gewesen sei. Darauf komme es aber nicht an, da die Beklagte die Stellenbesetzungsverfahren gar nicht hätte durchführen dürfen. Vielmehr hätte die Beklagte auf eine Ausschreibung und ein anschließendes Stellenbesetzungsverfahren verzichten müssen, da nach den Dienstanweisungen im Handbuch Personalrecht/Gremien zunächst die von der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen beantragte Umsetzung zu realisieren gewesen sei. Mit den Regelungen im Handbuch habe sich die Beklagte selbst gebunden und könne hiervon nicht nach eigenem Belieben wieder abweichen. Soweit die Beklagte einwende, dass die Klägerin zu ihrem Umsetzungsantrag keine ärztliche Bescheinigung eingereicht habe, missverstehe sie ihre arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht. Die Beklagte habe die Klägerin zu keinem Zeitpunkt aufgefordert, eine solche Bescheinigung nachzureichen. Ebenso wenig finde sich ein Hinweis hierauf in dem Formular für Umsetzungsanträge. Darüber hinaus sei es treuwidrig, die Erkenntnisse aus den Verfahren zum betrieblichen Eingliederungsmanagement nicht heranzuziehen. Die Klägerin entbinde sämtliche Mitglieder der BEM-Kommission von ihrer Pflicht zur Verschwiegenheit. Das gelte in gleicher Weise für den behandelnden Hausarzt. Gegen die Beurteilungen werde sie sich später zu Wehr setzen. In dem Gespräch zum betrieblichen Eingliederungsmanagement am 27.01.2020 sei vereinbart worden, dass die Klägerin hiermit bis zur vollständigen Gesundung warten dürfe. Für die Klägerin sei deshalb die letzte Beurteilung vom Jobcenter M.-O. für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis zum 31.01.2018 mit dem Gesamturteil "C" ausschlaggebend.

Im Nachgang zur Berufungsbegründung macht die Klägerin weiterhin geltend, dass das Stellenbesetzungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Zum einen habe die Beklagte befristet Beschäftigte einbezogen. Zum anderen habe sie sich auf Beurteilungen gestützt, die nicht maßgeblich seien. Bereits im Jahr 2018 habe die Beklagte die Erstellung von Regelbeurteilungen (Stichtagsbeurteilungen) nach Hinweisen des Datenschutzbeauftragten ausgesetzt.


Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 01.10.2020 - 13 Ca 500/19 - abzuändern und

1. die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Klägerin für das öffentliche Amt Telefonserviceberater (w/m/d) im Servicecenter der Agentur für Arbeit N. (mehrere Stellen - Dienstort N.), Referenzcode 2019_I_006311, zu entscheiden, und

2. die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Klägerin für das öffentliche Amt Telefonserviceberater (w/m/d) in der Agentur für Arbeit N. (mehrere Stellen - Dienstort N.), Referenzcode 2019_I_008312, zu entscheiden,

3. hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über die Bewerbungen der Klägerin

a) für das öffentliche Amt Telefonserviceberater (w/m/d) im Servicecenter der Agentur für Arbeit N. (mehrere Stellen - Dienstort N.), Referenzcode: 2019_I_006311,
b) für das öffentliche Amt Telefonserviceberater (w/m/d) in der Agentur für Arbeit N. (mehrere Stellen - Dienstort N., Referenzcode: 2019_I_008312,

jeweils neu und ermessenfehlerfrei - insbesondere ohne Durchführung eines vorherigen Stellenbesetzungsverfahrens - zu entscheiden,

4. höchst hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Arbeitsgericht Stralsund (Kammern Neubrandenburg) zurückzuverweisen.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Gegenstand des Verfahrens sei nicht eine ermessensfehlerfreie Bescheidung des Umsetzungsantrages, sondern eine ermessensfehlerfreie Bescheidung der beiden Bewerbungen. Zweitinstanzlich habe die Klägerin zu Recht anerkannt, dass sie in beiden Stellenbesetzungsverfahren nicht die besser geeignete Bewerberin gewesen sei. Im Übrigen ergebe sich aus einem Umsetzungsantrag, selbst wenn er familiär oder gesundheitlich begründet sei, kein Anspruch auf eine Umsetzung und erst recht nicht ein Anspruch auf Umsetzung auf eine bestimmte Stelle. Die Beklagte verweist auf Ziffer 1.4 Abs. 2 des Handbuchs Personalrecht/Gremien. Ein weiterer Einsatz der Klägerin auf der zunächst vorübergehend übertragenen Stelle im Servicecenter der Familienkasse sei nicht infrage gekommen, weil die Klägerin für diese Tätigkeit nicht geeignet sei, was sich auch in der Beurteilung niedergeschlagen habe. Abgesehen davon habe die Klägerin ihre pauschale Behauptung, dass sich die Tätigkeit in Jobcenter negativ auf ihre Gesundheit auswirke, nicht näher begründet.

Die weiteren Ausführungen der Klägerin seien verspätet, jedenfalls aber unzutreffend. Bei den beiden Auswahlverfahren seien jeweils auch befristet Beschäftigte zu berücksichtigen gewesen, weil der Bewerberkreis in den Ausschreibungen nicht beschränkt worden sei. Ebenso wenig habe die Beklagte falsche Beurteilungen herangezogen. Ausgesetzt worden sei nur die Erstellung von Regelbeurteilungen (Stichtagsbeurteilungen), nicht aber die Erstellung von Anlassbeurteilungen. Unabhängig davon sehe die Weisung jedoch ausdrücklich vor, dass im Falle eines Leistungsvergleichs nach Art. 33 Abs. 2 GG die letzten Regel- oder Anlassbeurteilungen heranzuziehen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine erneute (ermessensfehlerfreie) Entscheidung über ihre Bewerbung auf die Stelle 2019_I_006311 sowie ihre Bewerbung auf die Stelle 2019_I_008312. Die Beklagte hat bereits ermessensfehlerfrei über die Bewerbungen der Klägerin entschieden. Evtl. Ansprüche auf Umsetzung außerhalb der beiden Bewerbungsverfahren, z. B. auf Übertragung einer wie auch immer gearteten leidensgerechten Beschäftigung mit oder ohne Vertragsanpassung, sind nicht Gegenstand der Klageanträge. Die Klägerin fordert eine Neubescheidung ihrer beiden Bewerbungen, sei es mit oder ohne Auswahlverfahren.

Der öffentliche Arbeitgeber hat aufgrund seiner Organisationsfreiheit das Recht, zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine Stelle zu besetzen, zu wählen. Er ist nicht verpflichtet, offene Stellen ausschließlich auf Grund von Ausschreibungen und Auswahlverfahren zu besetzen. Er hat das Recht, zwischen Umsetzungen, Versetzungen oder Beförderungen zu wählen. Nur soweit es um den beruflichen Aufstieg von Bewerbern mit der Rangordnung nach niedrigeren Besoldungsgruppen geht (sog. Beförderung), ist zwingend eine Auswahl nach den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG geboten. Ein Art. 33 Abs. 2 GG entsprechendes Auswahlverfahren ist zudem durchzuführen, wenn der öffentliche Arbeitgeber die zu besetzende Stelle ermessensfehlerfrei unbeschränkt ausgeschrieben hat. Wie der öffentliche Arbeitgeber seine Organisationsfreiheit nutzt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen (BAG, Urteil vom 03. Dezember 2019 - 9 AZR 78/19 - Rn. 26, juris = ZTR 2020, 363; BAG, Urteil vom 12. April 2016 - 9 AZR 673/14 - Rn. 25, juris = NZA 2016, 1279).

Die Entscheidung der Beklagten, die Stellen für Telefonserviceberater (w/m/d) innerbetrieblich auszuschreiben, war nicht ermessensfehlerhaft. Insbesondere verstieß sie nicht gegen die Regelungen im Handbuch Personalrecht/Gremien. Danach sind zunächst alle zu besetzenden Dienstposten grundsätzlich auszuschreiben (Ziffer 1.2 Abs. 1 Handbuch Personalrecht/Gremien). Bei Besetzung einer Stelle mit einer Statusbewerberin/einem Statusbewerber kann auf eine Ausschreibung verzichtet werden, bei Maßnahmen zur betrieblichen Wiedereingliederung oder zur Realisierung von Umsetzungsanträgen aus gesundheitlichen Gründen soll auf eine Ausschreibung verzichtet werden.

Die Beklagte hatte nachvollziehbare Gründe, der Klägerin nicht dauerhaft die Aufgaben der Telefonserviceberaterin im Servicecenter der Familienkasse übertragen und somit von einer Ausschreibung abzusehen. Es erschien zweifelhaft, ob die Klägerin den Anforderungen dieser Stelle würde gerecht werden können. Dokumentiert sind diese Zweifel in der späteren Beurteilung vom 07.01.2020. Mit Blick auf ihre Verantwortung gegenüber den Kunden durfte es die Beklagte in Betracht ziehen, den Einsatz der Klägerin in der Familienkasse mit Ablauf des 31.12.2019 zu beenden, um sie anschließend auf einem anderen, ihrer Eingruppierung entsprechenden Arbeitsplatz zu beschäftigen. Die Beklagte hat der Klägerin weder im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements noch in sonstiger Weise eine verbindliche Zusage auf eine dauerhafte Beschäftigung als Telefonserviceberaterin gegeben. Ein dauerhafter Einsatz mag zwar im Falle einer erfolgreichen Einarbeitung beabsichtigt gewesen und in Aussicht gestellt worden sein. Eine rechtlich bindende Absprache oder Erklärung hat es hierzu aber nicht gegeben.

Ebenso wenig gebot es der auf gesundheitliche Gründe gestützte Umsetzungsantrag vom 08.04.2019, auf eine Ausschreibung der Stellen für Telefonserviceberater zu verzichten. Die Klägerin hat ihren Umsetzungsantrag mit dem sie gesundheitlich belastenden schlechten und inakzeptablen Arbeitsklima in der Eingangszone des Jobcenters begründet. Diese Begründung mag - abgesehen davon, dass es sich um eine pauschale, nicht durch Tatsachen belegte Behauptung handelt - einer Rückkehr der Klägerin dorthin entgegenstehen. Schlussfolgerungen für einen Einsatz als Telefonserviceberaterin ergeben sich daraus jedoch nicht. Vielmehr sind auch andere Einsatzmöglichkeiten denkbar, wie z. B. die ab Januar 2020 vorgesehene Beschäftigung im Bereich Leistungsgewährung.

Die Beklagte hat sich nicht nur ermessensfehlerfrei für eine Ausschreibung der beiden Stellen entschieden, sondern auch die Auswahlverfahren jeweils ermessensfehlerfrei durchgeführt.

Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die ein öffentlicher Arbeitgeber mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt (BAG, Urteil vom 01. Dezember 2020 - 9 AZR 192/20 - Rn. 26, juris = NJW 2021, 1180; BAG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 33, juris = NZA 2018, 515).

Der unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Grundsatz der Bestenauslese dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt die Verfassungsnorm dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst steht deshalb bei der Besetzung von Stellen des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlicher Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Daraus folgt angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren (BAG, Urteil vom 01. Dezember 2020 - 9 AZR 192/20 - Rn. 27, juris = NJW 2021, 1180; BAG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 33, juris = NZA 2018, 515). Der Bewerbungsverfahrensanspruch bezieht sich auf ein konkretes Stellenbesetzungsverfahren (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25. Januar 2017 - 2 BvR 2076/16 - Rn. 24, juris = NVwZ 2017, 472).

Art. 33 Abs. 2 GG eröffnet mit den Begriffen "Eignung, Befähigung und fachliche Leistung" und dem Prognosecharakter der Auswahlentscheidung von Verfassungs wegen einen Beurteilungsspielraum des Dienstherrn, der nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle ist daher beschränkt und hat sich nur darauf zu erstrecken, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, anzuwendende Begriffe oder den rechtlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09. August 2016 - 2 BvR 1287/16 - Rn. 77, juris = NVwZ 2017, 46; BAG, Urteil vom 17. Januar 2006 - 9 AZR 226/05 - Rn. 62, juris = AP Nr. 6 zu § 24 BAT-O; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Mai 2021 - 6 B 206/21 - Rn. 5, juris).

Bei der gerichtlichen Kontrolle ist auf den Zeitpunkt der Auswahlentscheidung abzustellen. Für die Kontrolle sind dabei die Umstände zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (BAG, Urteil vom 17. Januar 2006 - 9 AZR 226/05 - Rn. 62, juris = AP Nr. 6 zu § 24 BAT-O; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Juni 2020 - 2 Sa 227/19 - Rn. 63, juris = öAT 2020, 236).

Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat vor der Besetzung einer Stelle zwingend ein Anforderungsprofil festzulegen. Dabei fällt die Entscheidung darüber, welchen Zuschnitt eine Stelle haben soll, welche Zuständigkeiten ihr im Einzelnen zugewiesen sind und welche Fachkenntnisse zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, in das Organisationsermessen des Arbeitgebers. Die Festlegung des Anforderungsprofils muss jedoch im Hinblick auf die Anforderungen der zu besetzenden Stelle sachlich nachvollziehbar sein, d. h. es dürfen keine sachfremden Erwägungen zu Grunde liegen. Ob der Arbeitgeber seine Auswahlentscheidung an dem Anforderungsprofil ausgerichtet hat, ist gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar (BAG, Urteil vom 28. Januar 2020 - 9 AZR 91/19 - Rn. 30, juris = NJW 2020, 1754; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Juni 2020 - 2 Sa 227/19 - Rn. 55 ff., juris = öAT 2020, 236).

Der Vergleich der Bewerber im Rahmen einer Auswahlentscheidung hat vor allem anhand dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen. Dabei sind zeitnahe bzw. aktuelle dienstliche Beurteilungen heranzuziehen. Die Beurteilungen sind, soweit sie aussagekräftig sind, in ihrer Gesamtheit zugrunde zu legen. Maßgeblich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, welches anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gebildet wurde (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09. August 2016 - 2 BvR 1287/16 - Rn. 78 f., juris = NVwZ 2017, 46).

Die Beklagte hat bei der Besetzung der Stellen 2019_I_006311 und 2019_I_008312 nicht gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, den ihr zustehenden rechtlichen Rahmen nicht verkannt, allgemeine Wertmaßstäbe nicht missachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt.

Die Beklagte hat ein nachvollziehbares Anforderungsprofil erstellt und die Besetzung der beiden Stellen daran ausgerichtet. Die jeweils ausgewählten Bewerber erfüllen - wie auch die Klägerin - dieses Anforderungsprofil. Befristet Beschäftigte waren ebenso wie unbefristet Beschäftigte zu berücksichtigen. Die Stellenausschreibungen richteten sich nicht nur an Mitarbeiter in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bzw. Beamtenverhältnis. Der Bewerberkreis ist in beiden Stellenausschreibungen nicht beschränkt. Auch den befristet beschäftigten Mitarbeitern steht ebenso wie der Klägerin ein von der Beklagten zu beachtender Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Sofern befristet Beschäftigte nicht erkennbar ausgeschlossen sind, haben sie das Recht, sich zu bewerben und an einem Ausschreibungsverfahren teilzunehmen.

Die Klägerin ist nach den vorliegenden Beurteilungen für die Tätigkeit einer Telefonserviceberaterin nicht besser geeignet als die jeweils ausgewählten Mitbewerber. Bei der Auswahlentscheidung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung sind vorrangig die aktuellen Beurteilungen zu berücksichtigen. Die letzten beiden Anlassbeurteilungen der Klägerin gelangen zu dem Gesamturteil E ("erfüllt die Anforderungen in geringem Maße"). Diese Anlassbeurteilungen sind weiterhin gültig und Bestandteil der Personalakte. Weder hat die Beklagte sie aufgehoben noch ist sie hierzu gerichtlich verurteilt worden.

Die frühere Anlassbeurteilung des Jobcenters M.-O. vom 08.06.2018 ist hingegen nicht ausschlaggebend, da diese Beurteilung nicht mehr aktuell ist. Die Beklagte hat keine Dienstanweisung erlassen, die dem entgegensteht. Der Rückgriff auf aktuelle Anlassbeurteilungen in Stellenbesetzungsverfahren ist in keiner Weise eingeschränkt. Ebenso wenig hat die Beklagte ihre Auswahlentscheidung auf ggf. weisungswidrig ausgefertigte Regelbeurteilungen gestützt.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Referenznummer:

R/R8802


Informationsstand: 13.12.2021