Urteil
Anspruch auf Bewilligung von Heimarbeit für Menschen mit einer Schwerhinderung - alternierende Telearbeit

Gericht:

VG Magdeburg 5. Kammer


Aktenzeichen:

5 A 67/21 MD


Urteil vom:

25.08.2022


Grundlage:

Leitsätze:

1. Ein Anspruch auf Bewilligung von Heimarbeit kann nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der Dienstvereinbarung zur alternierenden Telearbeit in der Zollverwaltung und der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein hergeleitet werden. Diese Regelungen begründen nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten.(Rn.22)

2. Dem Dienstherrn ist die Bewilligung von Heimarbeit gemäß § 164 Abs. 4 Satz 3 SGB IX (juris: SGB 9) nicht zumutbar, wenn die Einrichtung eines Tele(heim)arbeitsplatzes zu schwerwiegenden Äquivalenzstörungen führen würde.(Rn.35)

3. Die Bewilligung von Heimarbeit scheitert an der Grenze des § 164 Abs. 4 Satz 3 SGB IX (juris: SGB 9), wenn die Einrichtung eines Tele(heim)arbeitsplatzes im Widerspruch zu den beamtenrechtlichen Vorschriften steht.(Rn.38)

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justiz Sachsen-Anhalt

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin, die einen Grad der Behinderung von 40 aufweist und schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist, begehrt die Bewilligung von Heimarbeit.

Sie ist seit dem 01. September 2018 auf dem nach Besoldungsgruppe A 7 bis A 8 bewerteten Dienstposten einer Mitarbeiterin im Bereich Kraftfahrzeugsteuer im Sachgebiet B - Abgabenerhebung - des Hauptzollamtes A-Stadt eingesetzt.

Am 17. September 2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erstmals die Teilnahme an der alternierenden Telearbeit auf Grundlage der Dienstvereinbarung zur alternierenden Telearbeit in der Zollverwaltung und der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein (DV-Telearbeit Zoll). Im Rahmen dieses Bewilligungsverfahrens holte die Beklagte eine Stellungnahme bei der Leiterin des Sachgebietes Abgabenerhebung darüber ein, ob die Klägerin die persönlichen Voraussetzungen zur Verrichtung von Telearbeit erfüllt. Wegen des Inhalts der Stellungnahme wird auf den Vermerk vom 09. September 2019 Bezug genommen.

Unter dem 12. Februar 2020 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Heimarbeit auf Grundlage der Rahmeninklusionsvereinbarung zur Eingliederung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in der Bundesfinanzverwaltung (RIV). Sie führte aus, als die ihr im Rahmen der Heimarbeit zu erledigenden Tätigkeiten schlage sie zunächst die Erfassung von SEPA-Mandaten sowie die Bearbeitung von Post-Rückläufern aus dem Bereich der Kraftfahrzeugsteuer vor. Diese Tätigkeiten habe sie im September 2018 und auch schon im früheren Zeiten (Beginn ihrer Wiedereingliederung im November/Dezember 2017 sowie bei der aushilfsweisen Erfassung von SEPA-Mandaten im Sachgebiet Prüfungsdienst) ausgeübt. Im weiteren Zeitverlauf sei sie gerne bereit, andere Tätigkeiten aus dem Bereich der Kraftfahrzeugsteuer zu übernehmen.

Mit Bescheid vom 09. September 2020 lehnte die Beklagten den Antrag der Klägerin vom 12. Februar 2020 ab. Zur Begründung führte sie aus, unverzichtbare persönliche Voraussetzung für die Ausübung von Telearbeit oder Heimarbeit nach § 2 DV-Telearbeit Zoll seien eine selbstständige und eigenverantwortliche Arbeitsweise sowie gute IT Kenntnisse, die ein selbstständiges Arbeiten mit Standard Anwendung erlauben. Mit Vermerk vom 09. September 2019 habe die Leiterin des Sachgebiets Abgabenerhebung im Rahmen ihrer dienstlichen Stellungnahme zu dem Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Telearbeit die persönliche und fachliche Eignung der Klägerin für den Zeitraum von Dezember 2017 bis Juni 2018 beurteilt. In dieser Beurteilung sei - bezogen auf einen siebenmonatigen Betrachtungszeitraum - festgestellt worden, dass die Klägerin die zuvor genannten persönlichen Teilnahmevoraussetzungen für die Telearbeit umfassend nicht erfülle. Insofern sei vorgetragen worden, dass der Klägerin ein überschaubarer Arbeitsbereich übertragen gewesen sei, der nur geringe Fachkenntnisse erfordere. Bei vorzunehmenden Eintragung in eine mit Excel geführte Bestandsliste sei die Klägerin überfordert gewesen und hätte sogar hilflos gewirkt, wenn in der Liste die Filterfunktion aktiv gewesen sei. Es sei häufiger zu Fehl- oder Doppelerfassung gekommen, weswegen die Klägerin auch mehrfach schriftlich auf die korrekte Datenerfassung hingewiesen worden sei. Eine selbstständige und eigenverantwortliche Arbeitsweise sei für den oben angegebenen Zeitraum nicht gegeben. Die von der Klägerin erbrachte Arbeitsleistung habe einer ständigen Kontrolle und Überwachung bedurft, um Fehlererfassung zu erkennen und zu beheben. Diese fachliche Beurteilung spreche der Klägerin die für die Ausübung von Tele- und Heimarbeit essenziell wichtigen Eigenschaften der selbstständigen und eigenverantwortlichen Arbeitsweise sowie die erforderlichen guten IT Kenntnisse trotz Einarbeitung und mehrfacher Anleitung in einem Zeitraum von sieben Monaten ab. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse im Sachgebiet Abgabenerhebung im Zeitraum von Dezember 2017 bis Juni 2018 erscheint es unwahrscheinlich, dass die Klägerin sich bei der Ausübung anderer einfacher statusgerechter Tätigkeiten eine selbstständige Arbeitsweise aneignen könne, die im Ergebnis auch einen Umfang erreicht, der die Bewilligung von Tele- und Heimarbeit zulasse.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit anwaltlichen Schriftsatz vom 06. Oktober 2020, bei der Beklagten am selben Tag eingegangen, Widerspruch, den die Klägerin mit anwaltlichen Schriftsatz vom 09. Oktober 2020 begründete. Sie führte aus, auf der Grundlage des Vermerkes vom 09. September 2019 könne eine Einschätzung der persönlichen Voraussetzung für die Ausübung von Tele- oder Heimarbeit nicht gestützt werden. Die Leiterin sei nicht geeignet gewesen, die vorgenommene Einschätzung vorzunehmen. Zum einen sei sie in dem Beurteilungszeitraum von Dezember 2017 bis Juni 2018 selbst nicht beim Hauptzollamt beschäftigt gewesen und zum anderen kenne die Leiterin sie nicht persönlich. Im Übrigen sei der Beurteilungszeitraum fehlerhaft gewählt. Für den Zeitraum vom 17. Oktober 2017 bis 05. Januar 2018 sei ihr durch die Beklagte eine Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell bewilligt worden. Somit sei der Zeitraum bei der Bewertung nicht zu berücksichtigen. Der übrige Beurteilungszeitraum sei durch Urlaubs- und Krankentage der unterbrochen gewesen. Unter Berücksichtigung dieser Fehltage habe sie lediglich 44 Arbeitstage ihre Tätigkeit auf den Dienstposten ausgeübt. Dieser Zeitraum der geleisteten Arbeit sei keine zuverlässige Grundlage für die vorgenommene Einschätzung zum Vorliegen der persönlichen Teilnahmevoraussetzungen. Es sei noch nicht einmal möglich gewesen, für diesen Zeitraum eine Beurteilung nach der geltenden Beurteilungsrichtlinie zu erstellen. Gemäß Ziff. 4 Tiret 5 der Richtlinie für die Beurteilung der Beamtinnen und Beamten der Zollverwaltung und der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein vom (BRZV) sei ein Mindestbeurteilungszeitraum von drei Monaten vorgeschrieben. Wenn bereits eine Regelbeurteilung für den Regelbeurteilungszeitraum nicht erstellt werden könne, wird dies erst recht für die hier vorgenommene Einschätzung zum Vorliegen der persönlichen Teilnahmevoraussetzungen gelten. Des Weiteren sei die Einarbeitung der Klägerin in das neue Arbeitsgebiet völlig unzureichend gewesen. Insbesondere sei vorausgesetzt worden, dass die Klägerin verbrauchersteuerliche Fachbegriffe kenne. Eine Einweisung an Beispielen oder Mustervorgängen sei nicht erfolgt. In den ersten Tagen der Einarbeitung haben sich Rückfragen zu den Vorgängen ergeben. Diese Nachfragen habe nur die Fachgebietsleiterin selbst beantworten können, weil sie die Systematik hierfür vorgebe. Die Fachgebietsleiterin sei allerdings in der Phase der Einarbeitung drei Wochen lang nicht anwesend gewesen, sodass Nachfragen nicht zu klären gewesen seien. Sofern im streitbefangenen Bescheid ausgeführt werde, dass "die erbrachte Arbeitsleistung einer ständigen Kontrolle und Überwachung bedurft hätte" stelle sich die Frage, wer diese bei ihren Tätigkeiten praktisch durchgeführt haben solle. Der erhobene Vorwurf fehlender IT Kenntnisse sei nicht haltbar, weil sie bei vorangegangenen Tätigkeiten besonders wegen guter IT-Fähigkeiten in bestimmten Bereichen eingesetzt worden sei.

Am 17. Februar 2021 hat die Klägerin vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, über ihren erhobenen Widerspruch sei noch nicht entschieden worden. Sie habe der Beklagten mit Schreiben vom 03. Februar 2021 zur Entscheidung bis zum 15. Februar 2021 aufgefordert. Mit Schreiben vom 08. Februar 2021 habe die Beklagte ihr lediglich mitgeteilt, dass die Sache zuständigkeitshalber an die Generalzolldirektion abgegeben worden sei. Von dort sei die Mitteilung erfolgt, dass die Entscheidung über den Widerspruch noch einige Zeit in Anspruch nehmen werde. Gründe für die Dauer der Widerspruchsentscheidung seien nicht weiter benannt worden. Die Klage sei daher als Untätigkeitsklage zulässig.

Während des laufenden gerichtlichen Verfahrens wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2021 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die persönlichen und sachlichen Teilnahmevoraussetzungen gemäß § 2 und 3 der DV-Telearbeit Zoll seien durch den Vorgesetzten festzustellen. Beim Hauptzollamt obliege diese Feststellung den jeweiligen Sachgebietsleitungen. Im Falle der Klägerin bei der damaligen Leiterin des Sachgebiets Abgabenerhebung. Hierfür sei es nicht notwendig gewesen, die zu beurteilende Person persönlich angeleitet oder beaufsichtigt zu haben. Aufgrund der Größe des Sachgebiets und des umfangreichen vielfältigen Aufgabenbereichs der Sachgebietsleiter sei dies auch nicht realisierbar. Im vorliegenden Fall habe die zuständige Fachgebietsleiterin über die für die Erstellung der Leistungseinschätzung notwendigen Angaben berichtet.

Die Bewertung sei an keinen festen Zeitraum gebunden. Der in diesem Zusammenhang gezogene Vergleich zu BRZV sei nicht zulässig. Die BRZV sei ein Beurteilungssystem welches bundesweit den Vergleich aller Bediensteten einer Besoldungsgruppe bzw. Entgeltgruppe ermögliche. Mit der Leistungseinschätzung Tele-/Heimarbeit werde einzelfallbezogen überprüft, ob die für die Bewilligung der Telearbeit notwendige persönliche Eignung vorliege. Rechtliche Grundlage der Leistungseinschätzung sei die DV-Telearbeit Zoll und nicht die BRZV. Die Fragestellung, ob eine Leistungseinschätzung zum Zwecke der Einschätzung der persönlichen Voraussetzung zum Ausüben von Tele-/Heimarbeit auch in Zeiten der Wiedereingliederung möglich sei, sei im vorliegenden Fall nicht von Relevanz. Anhand der in der Leistungseinschätzung aufgeführten beurteilten Aufgaben könne zweifelsfrei nachvollzogen werden, dass die Leistungseinschätzung nur Tätigkeiten des Fachgebietes B 2 und somit den Zeitraum außerhalb der Wiedereingliederung umfasse.

Die Klägerin sei durch die Fachgebietsleiterin B 2 in alle zu verrichtenden Tätigkeiten persönlich eingewiesen worden. Neben der persönlichen Einweisung seien ihr für ihre Tätigkeit ein Muster (Tätigkeit: Versenden einer E-Mail) und eine handschriftliche Übersicht (Tätigkeit: Eintragung in eine Microsoft Excel-Tabelle) zur Verfügung gestellt worden. Die Einarbeitung sei bezüglich der Aufgaben der Erfassung von Entlastungsanträgen des Strom- und Energiesteuerrechts sowie von Erlaubnisanträgen des Verbrauchersteuerrechts in einer Eingangsliste sowie der Austragung von bearbeiteten Vorgängen aus der Eingangsliste dahingehend erfolgt, dass der Klägerin die einzelnen Spalten der Tabelle erklärt und verschiedene Anträge gemeinsam in der Tabelle erfasst worden seien. Ferner sei der Klägerin erläutert worden, dass neben Erlaubnissen ausschließlich Entlastungsanträge und keine Steueranmeldung zu erfassen seien. Dieser Unterschied sei anhand von Beispielen erklärt worden. Die Aufgaben der Klägerin habe lediglich darin bestanden, Antragsdaten in einer vorbereiteten Microsoft Excel-Tabelle zu erfassen. Dies sei auch ohne tiefgreifende Kenntnisse über die fachlichen Hintergründe der jeweiligen Anträge möglich gewesen, da die Daten sich unmittelbar aus den Antragsvordrucken ergeben. Mit Ausnahme eines einwöchigen Urlaubs sei die Fachgebietsleiterin durchweg persönlich oder telefonisch bzw. per E-Mail erreichbar gewesen. Zwischen den Fachgebieten B 1 und B 2 habe eine gegenseitige Vertretung bestanden, sodass selbst in der einwöchigen Abwesenheit der Fachgebietsleitern jederzeit die Möglichkeit bestanden habe, Nachfragen zu klären. Zudem habe die Möglichkeit bestanden, Nachfragen an Kollegen stellen.

Die fehlerhaften Eintragungen in der Erfassungsliste seien der Klägerin zuzuordnen, weil diese bei ihrer Anwesenheit ausschließlich die Daten erfasst habe. In der Folge seien alle Einträge allein durch die Kenntnis der An- oder Abwesenheit der Klägerin ihr oder ihrer Vertretung zuzuordnen. Die Erfassungsfehler seien auch durch den Umstand auffällig geworden, dass regelmäßig Unternehmen nachgefragt haben, ob ihre Anträge eingegangen seien. Nur bei ordnungsgemäßer und richtiger Abfassung könne eine solche Nachfrage durch die Suchfunktionen in Microsoft Excel zutreffend beantwortet werden. Zudem seien Eintragungen grundsätzlich nicht zu erfassender Daten in die Erfassungsliste für die Fachgebietsleitung offensichtlich als Fehler erkennbar.

Die Ausführungen der Klägerin, der erhobene Vorwurf fehlender IT Kenntnisse sei nicht haltbar, weil sie bei vorangegangenen Tätigkeiten besonders wegen guter IT-Fähigkeiten in bestimmten Bereichen eingesetzt worden sei, könne nicht gefolgt werden. Ausweislich der Personalakte sei die Klägerin im Rahmen der Überleitung der Beschäftigten der Bundesanstalt für Arbeit zur Zollverwaltung in das Sachgebiet E - Finanzkontrolle Schwarzarbeit - umgesetzt worden. Dass sie aufgrund guter IT- und Statistikkenntnisse in Rahmen einer Geschäftsaushilfe im Sachgebiet Abgabenerhebung eingesetzt worden sei, können nicht nachvollzogen werden. Näherliegend sei der Grund innerhalb der Umstrukturierung der Zollverwaltung zu sehen. Aus der Personalakte lasse sich lediglich entnehmen, dass die Klägerin aus dienstlichen Gründen zur Geschäftsaushilfe vorübergehend umgesetzt worden sei.

Hiergegen wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt im gerichtlichen Verfahren vertiefend vor, ungewöhnlich sei, dass der von ihr gestellte Antrag auf Heimarbeit unter dem 12. Februar 2020 gestellt worden sei, die für die Entscheidung dieses Antrages berücksichtigte Leistungseinschätzung sei jedoch bereits mehrere Monate zuvor unter dem 09. September 2019 abgegeben worden. Offenkundig sei die Leistungseinschätzung nicht im Zusammenhang mit dem streitbefangenen Antrag auf Heimarbeit erfolgt. Zudem stütze sich ihre Leistungseinschätzung einzig und allein auf die Stellungnahme der Fachgebietsleiterin von Frau Müller. Die Eignung der Fachgebietsleiter werde ebenfalls in Zweifel gezogen. Sie habe bereits damals mit mehreren Mitarbeitern Probleme gehabt.


Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 09. September 2020 in Gestalt ihres Widerspruchbescheides vom 21. April 2021 zu verurteilen, ihr antragsgemäß Heimarbeit zu bewilligen.


Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages nimmt die Beklagte Bezug auf die Begründung ihres Widerspruchsbescheides und trägt vertiefend vor, es sei zutreffend, dass im Rahmen der Prüfung des Antrages auf Heimarbeit vom 12. Februar 2020 die Einschätzung der Sachgebietsleiterin vom 09. September 2019 berücksichtigt worden sei, die aufgrund des Antrages auf Teilnahme an der alternierenden Telearbeit vom 17. September 2018 erstellt worden sei. Dies sei allerdings zulässig und vorliegend auch geboten. Heimarbeit nach Ziff. 1.4.1 RIV stelle keine zusätzliche Form der Arbeitsplatzorganisation dar, sondern solle - soweit es rechtlich und dienstlich vertretbar sei - die Anwendung der bestehenden Regelung zur Telearbeit zugunsten von Schwerbehinderten oder diesen gleichgestellten Beschäftigten flexibilisieren. Telearbeit sei nach der DV-Telearbeit Zoll nur bis zu 2/3 der wöchentlichen Arbeitszeit bewilligungsfähig. So sei z.B. der Umfang der Arbeitstage am Heimarbeitsplatz auf Grundlage der RIV erweiterbar. Die zwingenden persönlichen und fachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Telearbeit bleiben hiervon jedoch unberührt. Insbesondere seien die Bewilligungsvoraussetzungen von Heimarbeit, besonders die unverzichtbaren Kriterien der alternierenden Telearbeit "persönliche Eignung" und "dienstliche Zumutbarkeit" weiterhin zu berücksichtigen. Daher müsse für die Entscheidung über den Antrag auf Heimarbeit keine erneute Leistungseinschätzung der Vorgesetzten eingeholt werden, zumal die Klägerin seit der Stellung des Antrages auf Telearbeit nicht mehr im Dienst gewesen sei. Eine weitere Leistungseinschätzung sei daher auch nur auf den Zeitraum zu erstrecken, in dem die Klägerin dienstlich anwesend gewesen sei. Zudem sei die Heimarbeit auch bereits nach § 2 Abs. 2 Punkt 2 DV-Telearbeit Zoll nicht bewilligungsfähig. Hiernach sollen die Beschäftigten die Tätigkeit, die sie auf ihren Dienstposten in Telearbeit ausführen wollen, seit mindestens sechs Kalendermonaten wahrgenommen haben. Da die Klägerin lediglich an 12 Tagen auf dem maßgeblichen Dienstposten im Fachgebiet B 4 tätig gewesen sei, habe sie diese Voraussetzung nicht erfüllt. Diese Voraussetzung könne zwar nach § 2 Abs. 2 Punkt 2 DV-Telearbeit Zoll auch durch die Ausübung einer unmittelbar vorausgegangenen gleichartigen Tätigkeit erfüllt werden. Eine solche sei jedoch nicht in den Aushilfstätigkeiten im Fachgebiet B 4 zu sehen. Zwar habe die Klägerin mehrmals die Eingabe von SEPA-Mandaten und die Bearbeitung von Post-Rückläufern für dieses Fachgebiet übernommen. Dies seien jedoch einfachste Tätigkeiten die keinerlei besondere IT- oder Fachkenntnisse erfordern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als - auf Aufhebung des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 09. September 2020 in Gestalt ihres Widerspruchbescheides vom 16. Februar 2021 sowie auf die Bewilligung von Heimarbeit durch eine an die Klägerin als Amtswalterin adressierte, mangels Außenwirkung nicht als Verwaltungsakt ergehende dienstliche Anordnung gerichtete - kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 113 Abs. 4 VwGO zulässig, aber unbegründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Heimarbeit weder aus der Rechtsgrundlage Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der DV-Telearbeit Zoll (1.), noch aus der Rechtsgrundlage § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX in Verbindung mit der RIV (2.) zu. Deshalb ist der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 09. September 2020 in Gestalt ihres Widerspruchbescheides vom 16. Februar 2021 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Bewilligung von Heim(tele)arbeit aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit DV-Telearbeit Zoll. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 DV-Telearbeit Zoll wird Telearbeit im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten für alle Laufbahn- und Entgeltgruppen angeboten. Gemäß § 2 Abs. 1 DV-Telearbeit Zoll sind in erster Linie für die Heimarbeit Beschäftigte mit einer besonderen familiären oder persönlichen Situation, z.B. Betreuung mindestens eines minderjährigen Kindes, Pflege/Betreuung naher Angehöriger oder eigene Schwerbehinderung, zu berücksichtigen. Diese Regelungen begründen keinen individuellen Rechtsanspruch auf Heim(tele)arbeit. Es besteht vielmehr nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten, der sich aus dem Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der DV-Telearbeit Zoll ergibt. Die DV-Telearbeit Zoll begründet als ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfaltet erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Die gerichtliche Überprüfung hat sich gemäß § 114 Satz 1 VwGO allein darauf zu beschränken, ob bei der Anwendung der DV-Telearbeit Zoll im Einzelfall der Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist.

Diesen Grundsätzen folgend ist die Ermessensausübung der Beklagten, soweit das Gericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO prüft, rechtlich nicht zu beanstanden. Dieser regelt: Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Ein zweckwidriger Ermessensgebrauch im Sinne von § 114 Satz 1 Alt. 2 VwGO liegt dann vor, wenn die Wahl einer der Möglichkeiten, die innerhalb der gesetzlichen Grenzen des Ermessens liegt, angreifbar ist. Dieser Verstoß wird noch einmal unterteilt, je nachdem, ob die behördliche Entscheidung auf unzureichenden (Ermessensdefizit) oder sachwidrigen Erwägungen (Ermessensfehlgebrauch) beruht (Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 114 Rn. 81).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Beklagte ihre Ermessensausübung gemäß § 114 Satz 1 Alt. 2 VwGO am Zweck der Ermächtigung orientiert, da kein Ermessensdefizit (a)) und kein Ermessensfehlgebrauch (b)) vorliegt.

a) Es liegt kein Ermessensdefizit vor. Die Beklagte hat den Sachverhalt im Hinblick auf die erwägungsbedürftigen Tatsachen vollständig ermittelt und sämtliche relevanten Gesichtspunkte in ihrer Entscheidung eingestellt.

Ob ein Beschäftigter die persönlichen Teilnahmevoraussetzungen für die Heim(tele)arbeit erfüllt ist nach § 2 Abs. 2 DV-Telearbeit zu ermessen. Danach sollten Beschäftigte grundsätzlich folgende Anforderungen erfüllen: mindestens einjährige Zugehörigkeit zur Bundesfinanzverwaltung, Tätigkeit auf dem Dienstposten/Arbeitsplatz seit mindestens sechs Kalendermonaten oder eine unmittelbar vorangegangene gleichartige Tätigkeit, Beschäftigung mit mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit, gute IT-Kenntnisse, die ein selbstständiges Arbeiten mit Standardanwendungen erlauben, selbstständige und eigenverantwortliche Arbeitsweise und Flexibilität hinsichtlich Abstimmung von Arbeitsaufträgen, Arbeitszeit und Arbeitsort. Ob diese an die persönliche Eignung des Antragstellers zur Heimarbeit anknüpfenden Voraussetzungen erfüllt sind, ist gemäß § 4 Abs. 2 DV-Telearbeit auf Grundlage der Stellungnahme des zuständigen Vorgesetzten zu beurteilen. Eine solche Stellungnahme ist durch die Beklagte von der gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 DV-Telearbeit zuständige Leiterin des Sachgebiets Abgabenerhebung mit dem Vermerk vom 09. September 2019 eingeholt worden.

Soweit die Klägerin vorträgt, die Sachgebietsleiterin sei nicht geeignet gewesen, die vorgenommene Einschätzung vorzunehmen, weil sie in dem Beurteilungszeitraum vom Dezember 2017 bis Juni 2018 selbst nicht beim Hauptzollamt beschäftigt gewesen sei und sie nicht persönlich kenne, führt dies nicht zu einem Ermessensdefizit. Auch wenn die Leiterin des Sachgebiets Abgabenerhebung im Beurteilungszeitraum nicht beim Hauptzollamt beschäftigt war, ist für die Zuständigkeitsregelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 DV-Telearbeit Zoll allein maßgeblich, dass die Sachgebietsleiterin - wie hier - im Zeitpunkt der Antragstellung auf Ausübung von Heim(tele)arbeit - hier am 17. September 2018 - die zuständige Vorgesetzte der Klägerin gewesen ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für die Beurteilung nicht darauf, dass die zuständigen Vorgesetzten den zu beurteilenden Antragsteller persönlich kennen muss. Verfügt ein Vorgesetzter über keinen hinreichenden Kenntnisstand in Bezug auf das Leistungsbild der zu beurteilenden Person, so holt er sich - wie auch im Beurteilungswesen - Stellungnahmen bzw. Zuarbeiten von den nachgeordneten Vorgesetzten der Person ein, auf deren Erkenntnisse er seine Beurteilung stützt. So liegt der Fall hier. Ausweislich des Vermerks der Beklagten vom 27. November 2020 (Bl. 99 d. BA C) hat die nachgeordnete Vorgesetzte der Klägerin - die Fachgebietsleiterin - der zuständigen Sachgebietsleiterin zugearbeitet. Soweit die Klägerin ebenfalls die Eignung der Fachgebietsleiterin zu ihrer Beurteilung im Zweifel zieht, weil diese mit mehreren Mitarbeitern Probleme gehabt habe, ist ihr Vorbringen weder hinreichend substantiiert, noch lässt es den Schluss zu, dass die Zuarbeit der Fachgebietsleiterin auf sachwidrigen Erwägungen beruht. Es ist nicht ersichtlich, dass Frau Müller ein Interesse daran gehabt hat, der Klägerin zu schaden. Vielmehr liegt es in der Natur der Sache, dass es zu Konflikten zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern im Berufsalltag kommt.

Der Einwand der Klägerin, der Beurteilungszeitraum von Dezember 2017 bis Juni 2018 sei fehlerhaft ausgewählt, ist kein relevanter erwägungsbedürftiger Gesichtspunkt. Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt im vorliegenden Fall ein Mindestbeurteilungszeitraum vom 3 Monaten gemäß Ziff. 4 Spiegelstrich 5 BRZV. Denn die Beurteilung der an die persönliche Eignung des Antragstellers zur Heim(tele)arbeit anknüpfenden Voraussetzungen erfolgt alleine auf Grundlage der DV-Telearbeit Zoll. Diese Regelung kennt keinen Mindestbeurteilungszeitraum. Insofern ist es rechtlich nicht zu erinnern, dass die zuständige Sachgebietsleiterin ihrer Stellungnahme einen Beurteilungszeitraum von Dezember 2017 bis Juni 2018 zugrunde gelegt hat. Dies gilt auch, soweit sich die Klägerin vom 17. Oktober 2017 bis 05. Januar 2018 in einer Wiedereingliederungsphase befunden hat. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Stellungnahme der zuständigen Sachgebietsleiterin sowie die Zuarbeiten der nachgeordneten Fachgebietsleiterin alleine auf den Wiedereingliederungszeitraum fußen. Vielmehr umfasst der Beurteilungszeitraum etwa sechs weitere Monate, die zur Beurteilung der an die persönliche Eignung der Klägerin zur Heimarbeit anknüpfenden Voraussetzungen herangezogen worden sind.

Soweit die Klägerin vorträgt, die Leistungseinschätzung sei offenkundig nicht im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Antrag auf Heimarbeit erfolgt, führt dies nicht zu einem Ermessensdefizit. Zutreffend ist zwar, dass die Stellungnahme der zuständigen Leiterin des Sachgebiets Abgabenerhebung mit dem Vermerk vom 09. September 2019 im Rahmen der Antragstellung der Klägerin auf alternierende Telearbeit vom 17. September 2018 und mithin vor dem Antrag der Klägerin auf Heimarbeit vom 12. Februar 2020 von der Beklagten eingeholt worden ist. Ungeachtet dessen, dass es sich bei den Anträgen vom 17. September 2018 und vom 12. Februar 2020 um ein einheitliches Bewilligungsverfahren von Heimarbeit handelt, weil die Beklagte ausweislich ihres Ablehnungsbescheides vom 09. September 2020 auf beide Anträge Bezug nimmt, ist es ihr indes nicht möglich gewesen eine erneute Stellungnahme des zuständigen Vorgesetzten einzuholen und insoweit weitere erwägungsbedürftige Tatsachen zu ermitteln. Denn die Klägerin ist nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung seit dem 19. September 2018 nicht mehr im Dienst gewesen. Vor diesem Hintergrund ist es der Beklagten auch nicht möglich gewesen, die an die persönliche Eignung der Klägerin zur Heim(tele)arbeit anknüpfenden Voraussetzungen erneut durch den zuständigen Vorgesetzten beurteilen zu lassen. Es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Stellungnahme der zuständigen Sachgebietsleiterin beigezogen hat.

Der Einwand der Klägerin, die Einarbeitung in das neue Arbeitsgebiet sei völlig unzureichend, ist ebenfalls kein relevanter erwägungsbedürftiger Gesichtspunkt. Die Klägerin ist im Fachbereich Verbrauchsteuern mit den Aufgaben der Erfassung von Entlastungsanträgen des Strom- und Energiesteuerrechts sowie von Erlaubnisanträgen des Verbrauchsteuerrechts in einer Eingangsliste (a), der Abfrage von offenen Forderungen beim Sachgebiet Vollstreckung (b), der Austragung von bearbeiteten Vorgängen aus der Eingangsliste (c) und dem Abgleich von Insolvenzmitteilungen verschiedener Amtsgerichte mit Daten im IT-Verfahren BISON/PRÜF (d) betraut gewesen. Ausweislich des Vermerks der Beklagten vom 27. November 2020 ist eine Einarbeitung in die vorbenannten Aufgaben durch die Beklagte erfolgt. Danach sei eine Einarbeitung bezüglich der unter (a) und (c) genannten Aufgaben dahin erfolgt, dass der Klägerin einzelne Spalten in der Tabelle erklärt und verschiedene Anträgen zunächst gemeinsam in der Tabelle erfasst worden seien. Ferner sei der Klägerin erläutert worden, dass neben Erlaubnissen ausschließlich Entlastungsanträge und keine Steueranmeldung zu erfassen seien. Der Unterschied zwischen Entlastungsanträge und Steueranmeldung sei ihr anhand von Beispielen erklärt worden. Zusätzlich sei ihr eine handschriftliche Übersicht über alle möglichen Arten von Erlaubnisanträgen sowie alle Verbrauchsteuerarten übergeben worden, sodass sie jederzeit in der Lage gewesen sei, die rechtlichen Fachbegriffe dahingehend abzugleichen, ob diese für eine Erfassung relevant seien. Bezüglich der unter (b) genannten Aufgaben sei der Klägerin eine Muster-E-Mail übergeben worden, die sie für die besagten Abfragen nutzen konnte. Die unter (d) genannten Aufgaben seien der Beamtin aus ihrer Arbeit im Sachgebiet Prüfungsdienst bekannt gewesen, da dort die Überprüfung zuvor angesiedelt gewesen sei. Zudem habe die Möglichkeit bestanden, dass die Klägerin während ihrer Einarbeitungszeit jedenfalls in Form einer E-Mail Fragen an die zuständige Fachgebietsleiterin bzw. deren Vertreter stellen konnte. Nach alldem ist eine unzureichende Einarbeitung der Klägerin bereits nicht erwägungsbedürftig. Zudem ist es nicht erwägungsbedürftig, weshalb die Klägerin nicht anforderungsgerecht selbstständig und eigenverantwortlich gearbeitet hat, weil ein "Verschulden" der Klägerin oder Beklagten nicht von Bedeutung ist. Dass die Klägerin besser gewesen ist, als sie in dem Vermerk vom 09. September 2019 bewertet wurde, macht sie nicht geltend.

Schließlich ist auch der Einwand der Klägerin, der Vorwurf der fehlenden IT-Kenntnisse sei nicht haltbar, weil sie bei vorangegangenen Tätigkeiten besonders wegen guter IT-Fähigkeiten in bestimmten Bereichen eingesetzt worden sei, kein relevanter erwägungsbedürftiger Gesichtspunkt. Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 DV-Telearbeit Zoll geben die zuständigen Vorgesetzten eine Stellungnahme ab, ob das Aufgabengebiet des Antragstellers für Telearbeit geeignet ist und sie dessen Teilnahme befürworten. Da sich demnach die Stellungnahme auf das konkrete Aufgabengebiet des Antragstellers bezieht, müssen auch nur die IT-Kenntnisse des Antragstellers für die Beurteilungen der persönlichen Eignung zur Heim(tele)arbeit im Sinne des § 2 Abs. 2 DV-Telearbeit Zoll erwogen werden, die der Antragsteller während der Erledigung der ihm im entsprechenden Gebiet anvertrauten Aufgaben zu Tage fördert. Die von der Klägerin beim Einsatz in vorangegangenen Aufgabengebieten gezeigten IT-Kenntnisse sind insofern nicht erwägungsbedürftig.

b) Es liegt auch kein Ermessensfehlgebrauch vor. Die Erwägungen der Beklagten in den streitbefangenen Bescheiden sind sachgemäß.

Die Entscheidung der Beklagten, die Klägerin erfülle nicht die persönlichen Teilnahmevoraussetzungen gemäß § 2 Abs. 2 DV-Telearbeit Zoll ist sachgemäß. Aufgrund der Stellungnahme der zuständigen Leiterin des Sachgebiets Abgabenerhebung mit dem Vermerk vom 09. September 2019 ist es nachvollziehbar, dass die Klägerin nicht die Voraussetzungen der guten IT-Kenntnisse, die ein selbstständiges Arbeiten mit Standardanwendungen erlauben sowie der selbständigen und eigenverantwortlichen Arbeitsweise erfüllt. Nach der Stellungnahme sei die Klägerin im Zeitraum Dezember 2017 bis Juni 2018 im Fachbereich B 2 tätig gewesen. Trotz eines überschaubaren Arbeitsbereiches, der zudem nur geringe Fachkenntnisse erfordere, habe die Klägerin oftmals Unterstützung benötigt. Insbesondere sei ihr das Arbeiten mit Excel schwergefallen. So sei die Klägerin überfordert gewesen und habe sogar hilflos gewirkt, wenn die Eingangsliste, die in Excel zuführen sei, gefiltert gewesen sei und deshalb keine Eintragung vorgenommen werden konnten. Zudem sei es häufig zu Fehl- oder Doppelerfassungen gekommen, weshalb die Klägerin auch mehrfach schriftlich auf die korrekte Datenerfassung hingewiesen worden sei. Eine selbstständige und eigenverantwortliche Arbeitsweise sei für den oben angegebenen Zeitraum nicht gegeben. Die von der Klägerin erbrachte Arbeitsleistung habe einer ständigen Kontrolle und Überwachung bedurft, um Fehlererfassung zu erkennen und zu beheben. Die Beamten erfülle im oben angegebenen Zeitraum nicht die persönlichen Voraussetzungen zur Verrichtung von Telearbeit.

Soweit die Klägerin vorträgt, die Ausführung im streitbefangenen Bescheid "die erbrachte Arbeitsleistung einer ständigen Kontrolle und Überwachung bedurft hätte" sowie der Vorwurf fehlender IT-Kenntnisse seien nicht haltbar, führt dies nicht zu einem Ermessensfehlgebrauch. Ob die Klägerin die persönlichen Teilnahmevoraussetzungen für die Heim(tele)arbeit nach § 2 Abs. 2 DV-Telearbeit Zoll erfüllt, ist gemäß § 4 Abs. 2 DV-Telearbeit Zoll auf Grundlage der Stellungnahme des zuständigen Vorgesetzten zu beurteilen. Insoweit sind die oben genannten Ausführungen im streitbefangenen Bescheid sachgemäß, weil sie auf Grundlage der Stellungnahme der zuständigen Sachgebietsleiterin - wie ausgeführt - nachvollziehbar sind.

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Ausübung von Heimarbeit aus § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX in Verbindung mit RIV. § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX, der im Beamtenverhältnis uneingeschränkt Anwendung findet (VGH BW, Urteil vom 24. Juni 2019 - 4 S 1716/18 -, juris, Rn. 38), vermittelt schwerbehinderten Beamten eine Rechtsposition, die über den nach §§ 15, 16 Abs. 2 BGleiG in Verbindung mit DV-Telearbeit Zoll bestehenden Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gestaltung alternierender Telearbeit im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten hinausgeht und einklagbare Rechtsansprüche auf die Einrichtung von Tele(heim)arbeitsplätze begründen kann (BayVGH, Beschluss vom 29. Oktober 2019 - 6 CE 19.1386 -, juris, Rn. 21). Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX haben die schwerbehinderten Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfelds, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr. Dieser Anspruch gilt nicht schrankenlos. Er besteht nach § 164 Abs. 4 Satz 3 SGB IX nicht, soweit seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen. In Übereinstimmung mit diesen gesetzlichen Vorgaben enthält die RIV, die auf der Grundlage von § 166 SGB IX zwischen dem Bundesministerium der Finanzen, der Hauptschwerbehindertenvertretung und dem Hauptpersonalrat geschlossen worden ist, in Nr. 1.4.1. ausdrückliche Regelungen zur Tele- und Heimarbeit. Sie verweist auf § 164 Abs. 4 SGB IX als Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Telearbeit, sofern es ihrer besonderen Situation dient, insbesondere sofern die leidensgerechte Beschäftigung nur am heimischen Telearbeitsplatz erreicht werden kann, und bestimmt weiter, dass ungeachtet der Regelungen zur alternierenden Telearbeit es in Einzelfällen erforderlich sein kann, Heimarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen einzurichten, um z.B. eine vorzeitige Zurruhesetzung zu vermeiden.

Gemessen an diesen gesetzlichen Voraussetzungen vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass der Klägerin ein Rechtsanspruch darauf zusteht, ihre Arbeitszeit in Tele(heim)arbeit zu erbringen. Ein solcher Anspruch scheitert im konkreten Einzelfall der Klägerin an den Grenzen des § 164 Abs. 4 Satz 3 SGB IX, da die Tele(heim)arbeit gegenwärtig für den Dienstherrn nicht zumutbar ist (a)) und im Widerspruch zu den beamtenrechtlichen Vorschriften steht (b)).

a) Die Tele(heim)arbeit der Klägerin ist gegenwärtig für den Dienstherrn nicht zumutbar. Das Kriterium der Zumutbarkeit erfordert eine Abwägung der gesetzlich geschützten Interessen des schwerbehinderten Menschen auf der einen und der entgegenstehenden Belange des Dienstherrn auf der anderen Seite (Rolfs, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Auflage 2022, § 164 SGB IX Rn. 14). Eine Unzumutbarkeit kommt insbesondere in Betracht, wenn die behinderungsgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes - hier ein Tele(heim)arbeitsplatz - zu schwerwiegenden Äquivalenzstörungen führen würde (Kohte, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 7. Auflage 2021, §§ 164, 165 SGB IX Rn. 22). So liegt der Fall hier. Nach der Stellungnahme der zuständigen Leiterin des Sachgebiets Abgabenerhebung mit dem Vermerk vom 09. September 2019 erfüllt die Klägerin nicht die Voraussetzungen der guten IT-Kenntnisse, die ein selbstständiges Arbeiten mit Standardanwendungen erlauben sowie der selbständigen und eigenverantwortlichen Arbeitsweise. In Anbetracht dessen, dass es sich bei diesen beiden persönlichen Teilnahmevoraussetzungen um unabdingbare Anforderungen handelt, um generell Aufgaben im Wege der Tele(heim)arbeit erfüllen zu können, würde die Einrichtung eines Tele(heim)arbeitsplatzes im konkreten Einzelfall der Klägerin zu schwerwiegenden Äquivalenzstörungen im Hinblick auf die der Klägerin anvertrauten Aufgaben, beispielweise in Gestalt von Fehl- und Doppelerfassungen, führen. Die Hinnahme derartiger defizitärer Arbeitsergebnisse, die der Nach- oder Neubearbeitung durch andere Beschäftigte bedürfen, ist der Beklagten nicht zuzumuten.

b) Die Tele(heim)arbeit der Klägerin steht auch im Widerspruch zu den beamtenrechtlichen Vorschriften. Die Schwerbehinderung der Klägerin ändert nichts daran, dass sie nach den Grundsätzen des Art. 33 Abs. 5 GG amtsangemessen beschäftigt werden muss. Dem schwerbehinderten Beamten wird durch § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB IX kein Anspruch auf einen bestimmten oder gar unterwertigen Dienstposten eingeräumt, der seinen Interessen entgegen kommt. Der Anspruch erstreckt sich vielmehr nur darauf, einen amtsangemessenen Dienstposten behinderungsgerecht einzurichten oder umzugestalten oder unter Umständen auch freizuräumen und dem Schwerbehinderten zuzuweisen (BayVGH, Beschluss vom 29. Oktober 2019, a.a.O, Rn. 31 m.w.N.). So ist auch für schwerbehinderte Beamte der Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit im Sinn von § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG nicht das zuletzt wahrgenommene Amt im konkret-funktionellen Sinn (Dienstposten), sondern das Amt im abstrakt-funktionellen Sinn, das alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten umfasst, auf denen der Beamte amtsangemessen beschäftigt werden kann. Daher setzt Dienstunfähigkeit voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist (BVerwG, Urteil vom 16. November 2017 - 2 A 5.16 - juris, Rn. 21). Nur unter den Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 BBG kann einem - bezogen auf amtsangemessene Tätigkeiten - dienstunfähigen Beamten zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand unter Beibehaltung des übertragenen Amtes auch eine geringerwertige Tätigkeit übertragen werden. Solange aber - wie im vorliegenden Fall - auf der Grundlage des § 44 Abs. 3 BBG keine geringerwertige Tätigkeit übertragen wird, kann eine unterwertige Beschäftigung nicht auf der Grundlage von § 164 Abs. 4 SGB IX beansprucht werden (BayVGH, Beschluss vom 29. Oktober 2019, a.a.O, Rn. 31).

Diesen Grundsätzen folgend liefe es dem Gebot der amtsangemessenen Beschäftigung zuwider, der Klägerin als Zollobersekretärin (Besoldungsgruppe A 7) in der Laufbahn des mittleren Dienstes ihren Antrag auf Heimarbeit vom 12. Februar 2020 entsprechend, sei es auch nur vorübergehend, lediglich die Aufgaben der Erfassung von SEPA-Mandaten sowie die Bearbeitung von Post-Rückläufern aus dem Bereich der Kraftfahrzeugsteuer zu übertragen, die allenfalls das Amt im abstrakt-funktionellen Sinne einer Zollsekretärin (Besoldungsgruppe A 6) entsprechen. Eine derartige unterwertige Beschäftigung der Klägerin in Tele(heim)arbeit ist der Beklagten ebenfalls nicht zuzumuten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1, Satz 2 ZPO.

Referenznummer:

R/R9584


Informationsstand: 16.03.2023