Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.
Die Ansprüche ihres Ehemanns auf Anerkennung und Entschädigung seiner Erkrankung als BK stehen nach dessen Tod der Klägerin gemäß § 56
Abs. 1 Nr 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch als Sonderrechtsnachfolgerin zu, da sie mit diesem zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat.
Streitig ist im Revisionsverfahren, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kehlkopfkrebserkrankung des A. als BK anzuerkennen und deren Folgen ab 1. Januar 1998 zu entschädigen. Diesen Anspruch hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht verneint; insoweit hat das
LSG ihre Berufung gegen das Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
Der erhobene Anspruch auf Anerkennung einer BK richtet sich allerdings entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht ausschließlich nach dem im August 1988 am Wohnsitz des A. damals geltenden Recht der DDR. Vielmehr ist der Anspruch auch nach dem bis zum Inkrafttreten des
SGB VII geltenden bundesdeutschen Recht der RVO zu beurteilen. Dies ergibt sich aus § 1150
Abs. 2 Satz 2 RVO, der nach §§ 212, 215
Abs. 1
SGB VII in der am Tag vor Inkrafttreten des
SGB VII (1. Januar 1997) geltenden Fassung für die Übernahme der vor dem 1. Januar 1992 eingetretenen Krankheiten als BKen nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung weiter anzuwenden ist.
Nach § 1150
Abs. 2 Satz 1 RVO gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und BKen der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und BKen im Sinne des Dritten Buches der RVO.
Nach § 1150
Abs. 2 Satz 2 Nr 1 RVO gilt dies jedoch nicht für Krankheiten, die einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden sind und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären. Diese Vorschrift ist hier zu beachten, weil A. nach den bindenden Feststellungen des
LSG zwar vor dem 1. Januar 1992, nämlich bereits im August 1988, an dem Kehlkopfkrebs erkrankt ist, aber erst im Oktober 1998 bei der Beklagten einen Antrag auf Anerkennung der Erkrankung als BK gestellt hat und weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Erkrankung bereits vor der Antragstellung einem für das Beitrittsgebiet ab 1. Januar 1991 zuständigen Träger der Unfallversicherung bekannt geworden wäre. Die Erkrankung kann daher nur dann als BK anerkannt werden, wenn die Voraussetzungen dafür sowohl nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht als auch nach der RVO erfüllt sind (
vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, BT-Drucks 12/405 S 116 Buchst b sowie S 154 zu § 1150 RVO,
BSG Urteil vom 4. Dezember 2001 - B 2 U 35/00 R - SozR 3-8440 Nr 50 Nr 1 S 2 f). Indes ist beim Kläger auch diese doppelte Anspruchsvoraussetzungen gegeben.
1. Nach § 221 Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. Juni 1977 (GBl DDR I, 185) und § 2
Abs. 1 BKVO-DDR vom 26. Februar 1981 (GBl DDR I, 137) ist eine BK eine Erkrankung, die durch arbeitsbedingte Einflüsse bei der Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten
bzw. Arbeitsaufgaben hervorgerufen wird und die in der vom Minister für Gesundheitswesen in Übereinstimmung mit dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes herausgegebenen Liste der BKen (Anlage zur Ersten Durchführungsbestimmung zur BKVO-DDR - Liste der BKen - vom 21. April 1981 (GBl DDR I, 139)) genannt it. Diese Rechtsvorschriften sin dim Beitrittsgebiet bis zum 31. Dezember 1991 in Kraft geblieben (Anl II Kap VII Sachgeb I Abschn III Nr 4 und 5 EinigVtr) und gemäß § 162 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) revisibel (vgl Senatsurteil vom 29. April 1997 - 8 RKnU 1/96 - SozR 3-8440 Nr 70 Nr 1 S 2).
In der Liste der BKen nach der BKVO-DDR sind Erkrankungen durch ionisierende Strahlung an zwei Stellen erfasst. Zum einen unter Abschnitt III "Krankheiten durch physikalische Einwirkungen" in Nr 51: "Alle Krankheiten, Ausnahme: Bösartige Neubildungen werden unter Nr 92 erfasst", zum anderen unter Abschnitt VII "Beruflich verursachte bösartige Neubildungen" in Nr 92: "Bösartige Neubildungen oder ihre Vorstufen durch ionisierende Strahlung", Unter die bösartigen Neubildungen iS dieser BK fällt, wie der Senat in seinem heutigen Urteil in dem Rechtsstreit B 8 KN 2/03 U R entschieden hat, auch das hier in Rede stehende Kehlkopfkarzinom: Der Verordnungsgeber der DDR hat mit der Nr 92 die Ursächlichkeit einer beruflichen Strahlenschädigung für bösartige Neubildungen generell anerkannt und damit alle Krebserkrankungen, auch die extrapulmonalen, als solche für entschädigungswürdig befunden. Der Rechtsetzungsakt des Verordnungsgebers der DDR kann nicht an den Voraussetzungen des § 551 Abs 1 Satz 2, § 9
Abs. 1 Satz 2
SGB VII für eine Entscheidung des bundesdeutschen Verordnungsgebers über die sogenannte BK-Reife gemessen werden. Der Versicherungsträger unterliegt bei Anwendung der Listen-Nr 92 der BKVO-DDR nicht den Beschränkungen, denen er nach § 551 Abs 2 RVO, § 9
Abs. 2
SGB VII bei der Entscheidung über die Anerkennung einer Krankheit wie eine BK (so genannte Quasi-BK) unterworfen wäre.
Wie der Senat in dem oben genannten Urteil weiter dargelegt hat, ist ferner unerheblich, dass - worauf sich die Beklagte berufen hat - in der Verwaltungspraxis der DDR extrapulmonale Krebserkrankungen von Wismut-Beschäftigten nicht als BK anerkannt wurden, und es besteht insoweit auch kein Widerspruch zu dem von der Beklagten angeführten Urteil des 2. Senats des
BSG vom 4. Dezember 2001 (B 2 U 35/00 R - SozR 3-8440 Nr 50 Nr 1 - zur Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als BK nach Listen-Nr 50 BKVO-DDR ("Lärm, der Schwerhörigkeit mit sozialer Bedeutung verursacht")) und der darin herangezogenen Rechtsprechung. Vielmehr stellt sich allein die Frage, ob die Beklagte, die insoweit an die Stelle der DDR-Behörden getreten ist, auf der Grundlage der Listen-Nr 92 der BKVO-DDR die Kehlkopferkrankung des Klägers nach dem Erkenntnisstand zur Zeit der Verwaltungsentscheidung bzw im Fall der sozialgerichtlichen Kontrolle - wie hier - nach dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem
LSG hätte anerkennen müssen. Das
LSG ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass in Anwendung der Nr 92 der BK-Liste zur BKVO-DDR lediglich zu prüfen ist, ob bei A. auch die individuellen Voraussetzungen für die Anerkennung des Kehlkopfkarzinoms als BK vorlagen.
2. Nach § 581 Abs 1 Nr 2
iVm § 548 RVO wird Verletztenrente in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge des Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens ein Fünftel gemindert ist. Als Arbeitsunfall gilt nach § 551
Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind diejenigen Krankheiten, die die Bundesregierung durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551
Abs. 1 Satz 2 RV). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der
Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 551 Abs 1 Satz 3 RVO). Hiervon hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht und in der BKVO seit deren Änderung durch die Verordnung zur Änderung der Siebenten Berufskrankheiten-Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl I 3329) unter der Nr 2402 der Anlage 1 der BKVO als BK bezeichnet: "Erkrankungen durch ionisierende Strahlen".
Im bundesdeutschen Recht hat die Liste der BKen eine andere Systematik als die BK-Liste der BKVO-DDR. Die Obergliederung der Nr 2 "Durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten" führt zur Untergliederung der Nr 24 "Strahlen" und zu den weiteren Untergliederungen Nr 2401 "Grauer Star durch Wärmestrahlung" und Nr 2402 "Erkrankungen durch ionisierende Strahlen". Im Gegensatz zur Liste der BKVO-DDR sind die beruflich bedingten Krebserkrankungen durch ionisierende Strahlung also nicht eigens aufgeführt (anders als zB bei der BK Nr 5102 "Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthracen, Pech oder ähnliche Stoffe).
Bei der notwendigen Konkretisierung des Begriffs "Erkrankungen" genügt es nicht, auf diejenigen Erkenntnisse zurückzugreifen, die den Verordnungsgeber zur Aufnahme der Krankheit in die BK-Liste bewogen haben. Mit der unbestimmten Fassung "Erkrankungen durch ..." will der Verordnungsgeber alle denkbaren Krankheiten zu BKen erklären, die nach dem (fortschreitenden) Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die genannten Einwirkungen zurückzuführen sind, ohne dass insoweit weitere Einschränkungen gemacht werden. Voraussetzung für die Anerkennung und ggf Entschädigung einer Erkrankung als BK ist in diesen Fällen zum einen, dass die schädigende Einwirkung generell geeignet ist, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern. Zum anderen muss die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch entsprechende Einwirkungen wesentlich verursacht
bzw. verschlimmert worden und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein (
vgl. BSG Urteile vom 27. März 1958 - 5 RKn 32/56 - BSGE 7, 89, 97 und vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-INFO 2000, 2811, 2815 mwN).
Die generelle Eignung ionisiender Strahlen, das hier in Rede stehende Larynxkarzinom hervorzurufen, ist gegeben (nachfolgend unter a). Insoweit bedarf es auch bei Anwendung der Nr 2402 der bundesdeutschen BK-Liste für den hier maßgeblichen Zeitpunkt keines Nachweises, dass diese Erkrankung in einem bestimmten Kollektiv gehäuft auftritt
bzw. aufgetreten ist (nachfolgend unter b). Die Anerkennung und ggf Entschädigung des Larynxkarzinoms im Einzelfall setzt (lediglich) voraus, dass es auch konkret-individuell durch die entsprechenden Einwirkungen wesentlich verursacht und diese Einwirkungen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sind. Auch diese Voraussetzung ist hier gegeben (nachfolgend unter 3).
a) Spätestens seit der Bekanntmachung des vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat - Sektion Berufskrankheiten - zur BK Nr 2402 verfassten Merkblatts durch den damals zuständigen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung vom 13. Mai 1991 (BArbl 1991, Heft 7-8, 72) ist davon auszugehen, dass mit der BK Nr 2402 ua die hier vorliegende Krebserkrankung iS der generellen Geeignetheit erfasst wird. Das Merkblatt ist zwar kein Bestandteil der BKVO; es stellt aber den vom Sachverständigenbeirat ermittelten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und ärztlichen Erfahrungen dar und lässt sich insoweit als Interpretationshilfe und Wiedergabe des bei seiner Herausgabe aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes heranziehen (
vgl. dazu
BSG Beschluss vom 4. August 1987 - 2 BU 109/87 - veröffentlicht in JURIS;
BSG Urteile vom 23. September 1997 - 2 RU 10/96 - SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2401 Nr 1 S 3, vom 22. August 2000 - B 2 U 34/99 R - SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 2 S 5 und vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 16 S 85 f mwN).
Das Merkblatt enthält in seinem Teil II Angaben zur Pathophysiologie ionisierender Strahlen, die besagen, dass alle energiereichen ionisierenden Strahlen im lebenden Gewebe zu Störungen der Zelltätigkeit, zum Zelluntergang und damit zu funktionellen und morphologischen Veränderungen führen können und dass das Ausmaß der biologischen Wirkung von physikalischen Komponenten (wie Strahlenart und Dosis sowie zeitlicher und räumlicher Verteilung der Dosis) und von biologischen Faktoren (wie Alter, Geschlecht und Strahlenempfindlichkeit des betroffenen Gewebes) abhängig ist. Nach den Ausführungen unter Abschnitt III D und E des Merkblatts können Krebserkrankungen (Lungenkrebs, Leukämien und "andere maligne Tumoren") als Spätschaden einer Strahleneinwirkung auftreten, wobei die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Erkrankungen in Bezug auf die Lokalisation von der Empfindlichkeit der betroffenen Organe und der einwirkenden Strahlendosis abhängt (Abschnitt III E
iVm mit Anhang 2 des Merkblatts). Insoweit lässt sich dem Merkblatt entnehmen, dass grundsätzlich jede ionisierende Strahlung in jedem Körpergewebe maligne Neubildungen hervorrufen kann, und dass es keine Grenzwerte gibt, dh die Risikoerhöhung eintritt, sobald die natürliche Strahlenbelastung der Umgebung überschritten ist. Dass in der Anlage 2 zum Merkblatt "Strahlenempfindlichkeit einzelner Organe und Gewebe in Hinsicht auf die Verursachung maligner Erkrankungen" der Kehlkopfkrebs nicht aufgeführt ist, lässt keinen gegenteiligen, sondern lediglich den Schluss zu, dass bei Abfassung des Merkblatts für dieses Organ keine Einschätzung seiner Empfindlichkeit gegenüber ionisierenden Strahlen gemacht werden konnte.
An der Erkenntnis, dass ionisierende Strahlen geeignet sind, Krebserkrankungen hervorzurufen, hat sich seit der Herausgabe des Merkblatts offensichtlich nichts geändert. Alle in diesem Verfahren - wie auch in den anderen bekannt gewordenen Verfahren über die Anerkennung von Krebserkrankungen durch ionisierende Strahlen - eingeführten Aussagen medizinischer Sachverständiger gehen von dieser Wirkung aus (
vgl. auch
LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 13. Mai 1998 - L 17 U 24/94, Sächsisches
LSG Urteil vom 29. Juni 2000 - L 2 KN 28/96 U - HVBG Rdschr VB 91/2001,
LSG Berlin Urteil vom 14. Januar 2003 - L 2 U 7/98 - und
LSG Baden-Württemberg Urteil vom 17. Februar 2004 - L 13 KN 1768/00 -, alle veröffentlicht in JURIS). Der Verordnungsgeber hat die Fassung der BK Nr 2402 in den nachfolgenden Änderungen
bzw. Neufassungen der BK-Liste bislang nicht verändert (
vgl. Nr. 2402 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV - vom 31. Oktober 1997 BGBl I 2623
idF der BKV- ÄndV vom 5. September 2002 BGBl I 3541; zur Aufgabe des Verordnungsgebers, nach Einführung einer neuen BK zu prüfen, ob nach den gesammelten Erkenntnissen eine Konkretisierung, Einschränkung, Ausweitung oder Klarstellung der Fassung der BK notwendig oder angezeigt ist, vgl
BSG Urteile vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 16 S 82 f und vom 18. März 2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 RdNr 11 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1 RdNr 11). Insofern ist bei den Krebserkrankungen durch Einwirkungen ionisierender Strahlen eine andere Situation gegeben als zB bei den in Nr 4104 und 4109, 4110 und 4112, 4203 und 5102 der Anlage zur BKV aufgeführten Krebserkrankungen, bei denen im Hinblick auf die dort genannten Einwirkungen bestimmter Stoffe eine Eingrenzung auf bestimmte Organe oder Körpergewebe vorgenommen worden ist.
b) Die mit der Revision vorgetragene Auffassung, hinsichtlich der Anerkennung einer Krebserkrankung speziell des Kehlkopfes als BK gemäß Nr 2402 bedürfe es zusätzlich der Feststellung einer besonderen Gruppentypik durch den epidemiologischen Nachweis einer signifikanten Häufung dieser Erkrankung bei einer bestimmten Personengruppe, etwa Beschäftigten im Uranerzbergbau, findet im Gesetz keine Stütze.
aa) Die Gruppentypik als Nachweis einer höheren Gefährdung bestimmter Personengruppen wird für die Aufnahme einer Erkrankung in die BK-Liste nach § 551
Abs. 1 Satz 3 RVO, § 9
Abs. 1 Satz 2
SGB VII durch den Verordnungsgeber und für die Entschädigung
bzw. Anerkennung einer nicht durch
Rechtsverordnung bezeichneten Erkrankung wie eine BK nach § 551 Abs 2 RVO, § 9 Abs 2
SGB VII (so genannte Quasi-BK) verlangt (vgl
BSG Urteil vom 5. Februar 1980 - 2 RU 63/78 - veröffentlicht in JURIS, vom 29. Oktober 1981 - 8/8a RU 82/80 - BSGE 52, 272 = SozR 2200 § 551 Nr 20, vom 12. Juni 1990 - 2 RU 21/89 - HVBG-INFO 1990, 2085 und vom 14. November 1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250 = SozR 3-2200 § 551
Nr. 9; vgl auch Brandenburg in SGb 2004, S 70, 72, zur Relevanz des erhöhten Erkrankungsrisikos der exponierten Berufsgruppe als methodisches Kriterium zum Nachweis der generellen Eignung). Abgesehen davon, dass der Nachweis einer gegenüber der übrigen Bevölkerung besonderen Gefährdung bestimmter Personengruppen bereits im Rahmen des § 551 Abs 1 Satz 3 und Abs 2 RVO nicht auf epidemiologische Untersuchungen beschränkt ist (vgl dazu
BSG Urteile vom 29. Oktober 1981 - 8/8a RU 82/80 - BSGE 52, 272, 275 = SozR 2200 § 551 Nr 20 und vom 23. März 1999 - B 2 U 12/98 R - BSGE 84, 30, 33 ff = SozR 3-2200 § 551 Nr 12 S 37 ff; zum Beurteilungsspielraum des Verordnungsgebers vgl auch
BSG Urteil vom 18. März 2003 -
B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1), geht es vorliegend nicht um die Anerkennung einer Quasi-BK. Die Beschränkungen, denen der Versicherungsträger bei der Anerkunng einer Quasi-BK unterliegt, lassen sich nicht ohne weiteres auf den Verordnungsgeber übertragen. Denn dies würde seinen ihm gesetzlich zuerkannten Beurteilungsspielraum praktisch beseitigen (
vgl. BSG aaO BSGE 84, 30, 33 ff = SozR 3-2200 § 551 Nr 12 S 37 ff). Der Verordnungsgeber hat die besondere Gefährdung durch ionisierende Strahlen für beruflich strahlenexponierte Personen ohne Begrenzung auf ein bestimmtes Kollektiv anerkannt. Dies entspricht dem Zweck der Ermächtigung, solche Krankheiten dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu unterstellen, die wesentlich durch die versicherte Tätigkeit hervorgerufen werden. Der Hinweis der Beklagten auf die Gesetzesbegründung zum Tatbestand der Quasi-BK (BT-Drucks 13/2204 S 78 zu § 9 Abs 2
SGB VII) geht daher fehl; im Übrigen findet hier - wie eingangs dargelegt - das
SGB VII für die Anerkennung der BK auch keine Anwendung.
bb) Die in der Revisionsbegründung angeführten Urteile des 2. Senats des
BSG vom 31. Januar 1984 (2 RU 67/82 - SozSich 1984, RsprNr 3827), vom 27. Juni 2000 (
B 2 U 29/99 R - HVBG-INFO 2000, 2811) und vom 4. Juni 2002 (B 2 U 20/01 R, veröffentlicht in JURIS) geben für die Auffassung der Beklagten nichts her. Von ihnen befasst sich überhaupt nur das Urteil vom 27. Juni 2000 mit einer Listen-BK, während es in den anderen Entscheidungen lediglich um Anerkennungen nach § 551 Abs 2 RVO ging. In dem Fall, der dem Urteil des 2. Senats vom 27. Juni 2000 (aaO HVBG-INFO 2000, 2811) zu Grunde lag, ging es allerdings nicht - wie hier - um eine BK nach Nr 2402, sondern um die Anerkennung eines Morbus Parkinson als BK gemäß Nr 1302 der Anlage 1 zur BKVO ("Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe"). Der 2. Senat hat ausgeführt, dass das für die Erkrankung angeschuldigte Trichlorethylen (Tri) zwar zu den Halogenkohlenwasserstoffen gehöre; es habe sich aber nach den bindenden Feststellungen des
LSG weder die generelle Geeignetheit dieses Stoffs für die Entstehung oder Verschlimmerung einer Parkinson-Erkrankung noch der konkret-individuelle Zusammenhang zwischen der Tri-Exposition und der vorliegenden Parkinson-Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen. Wie der 2. Senat ausdrücklich hervorgehoben hat, konnte bei seiner Entscheidung offen bleiben, wie die vom Kläger aufgeworfene Frage zu beantworten sei, "ob die Rechtsprechung ... des
BSG so zu verstehen ist, dass bei der Zusammenhangsfrage von schädigender Einwirkung und vorhandener Erkrankung nur dann im Sinne einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit gesprochen werden kann, wenn ... anhand 'statistisch relevanter Zahlen' für eine Vielzahl von typischen Geschehensabläufen dies bestätigt werden kann". Ebenso wurde offen gelassen, ob der für den konkret-individuellen Kausalzusammenhang zwischen der mit der versicherten Tätigkeit in innerem Zusammenhang stehenden Verrichtung und der schädigenden Einwirkung und zwischen dieser und dem Eintritt der Erkrankung geltende Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit ebenso für das Vorliegen der generellen Geeignetheit der bestimmten Einwirkung - etwa bei BK-Tatbeständen mit unbestimmter Krankheitsbezeichnung wie der im entschiedenen Fall einschlägigen Nr 1302 der Anlage 1 zur BKVO - gelte oder hier der strengere Maßstab des vollen Nachweises zu fordern sei. Nach den bindenen Feststellungen des
LSG sei das Vorliegen der generellen Geeignetheit der Einwirkungen des Listenstoffs auch unter Zugrundelegung des geringeren Maßstabs der Wahrscheinlichkeit nicht gegeben. Dabei habe das
LSG nicht allein das Fehlen gesicherter epidemiologischer Erkenntnisse berücksichtigt, sondern alle nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens für eine positive Beantwortung der sich hier stellenden Zusammenhangsfragen in Betracht kommenden sonstigen Beweismittel gewürdigt und nicht bereits wegen prinzipieller Ungeeignetheit von vornherein ausgeschlossen.
Der Senat sieht auch keinen Widerspruch zum Beschluss des 2. Senats des
BSG vom 18. Juni 2001 (B 2 U 104/01 B - veröffentlicht in JURIS) über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 1. Februar 2001 (L 6 KN 59/98 U). Der 2. Senat hat darin zwar ausgeführt, die Nr 92 der BK-Liste der BKVO-DDR setze "- anders als die BK Nr 2402 der Anlage 1 der (bundesdeutschen) BKVO - voraus, dass ionisierende Stoffe bösartige Neubildungen generell auslösen können". Diese Ausführungen können aber nicht dahin verstanden werden, der 2. Senat habe damit auch entschieden, dass bösartige Neubildungen von der bundesdeutschen BK Nr 2402 iS der generellen Geeignetheit nicht erfasst seien. Die Auslegung dieses BK-Tatbestands war nicht Gegenstand der Entscheidung. Der 2. Senat ist auf ihn lediglich eingegangen, um deutlich zu machen, dass sich die Nr 92 der BK-Liste der BKVO-DDR in ihrer Begriffsbestimmung auch wesentlich von den BKen Nr 1302 und 2108 der Anlage 1 zur bundesdeutschen BKVO unterscheide, über die das
BSG in den in der Beschwerdebegründung angeführten, angeblich abweichenden Urteilen entschieden habe, und dass die Beschwerdebegründung diese unterschiedliche Begriffsbestimmung zur hinreichenden Bezeichnung der Divergenz hätte berücksichtigen müssen.
3. Da es sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft bei einer Krebserkrankung einerseits um ein multifaktorielles Geschehen handelt, bei dem auch andere Faktoren zur Auslösung (Initiation) und Entwicklung (Promotion) eines Tumors beitragen, und Körpergewebe bzw -organe nicht von gleicher Strahlenempfindlichkeit sind (vgl Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl 2003, 1145, 1256), andererseits die Bevölkerung auch außerberuflich einer Strahlenbelastung ausgesetzt ist ( natürliche Strahlung, medizinische Behandlung mit Röntgen- und anderen ionisierenden Strahlen), kommt es für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der bei A. unstreitig gegebenen beruflichen Strahleneinwirkung und dem bei ihm aufgetretenen Larynxkarzinom darauf an, ob die bei ihm festgestellte berufliche Strahleneinwirkung nach Art und Dosis ausreichte, um nach der im Recht der Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre als wesentliche Bedingung für diese Erkrankung angesehen zu werden (vgl
BSG Urteil vom 29. Januar 1974 - 8/7 RU 18/72 - SozR 2200 § 551 Nr 1 zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs einer berufsbedingten Strahlenerkrankung mit einer Erkrankung an Leukämie; Krasney, Die Kausalgrundsätze des geltenden Berufskrankheitenrechts, in Süddeutsche Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft Mainz, Kolloquium Krebserkrankungen und berufliche Tätigkeit, 1988, S 67, 68 f).
Diese individuellen Voraussetzungen für die Anerkennung und Berentung des Kehlkopfkrebsleidens hat das
LSG rechtsfehlerfrei bejaht. Nach seinen Feststellungen begründete die von der Beklagten selbst ermittelte Strahlenbelastung, der A. bei seiner beruflichen Tätigkeit ab 1951 ausgesetzt war, eine Verursachungswahrscheinlichkeit von wenigstens 52,3 %. Insoweit konnte sich das
LSG auf die Beurteilung durch die gerichtlichen Sachverständigen
Prof. Dr. A und
Prof. Dr. H stützen, deren Meinung es zudem nicht kritiklos übernommen, sondern anhand der wissenschaftlichen Äußerungen beim Fachgespräch "Extrapulmonale Krebserkrankungen Wismut" (HVBG BK-Report 4/99) sowie des Gutachtens Jacobi II überprüft hat. Diese Beweiswürdigung des Gerichts (§ 128 Abs 1 Satz 1
SGG) wurde von der Beklagten nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffen, ebenso wenig wurden von der Beklagten sonstige zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben. Die Feststellungen des
LSG sind deshalb für den Senat nach § 163
SGG verbindlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.