II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente unter Anerkennung der bei ihm bestehenden Parkinson-Erkrankung als BK, wie das
LSG rechtlich zutreffend entschieden hat.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich auch nach Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII) am 1. Januar 1997 nach den bis dahin geltenden Vorschriften der RVO; denn nach § 212
SGB VII gilt das neue Recht grundsätzlich erst für Versicherungsfälle, die nach dem 31. Dezember 1996 eingetreten sind. Einer der Ausnahmetatbestände nach §§ 213 ff
SGB VII ist nicht gegeben.
Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wird gemäß § 581 Abs 1 Nr 2
iVm § 548 RVO in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge des Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens ein Fünftel gemindert ist. Nach § 551 Abs 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Durch § 551 Abs 1 Satz 3 RVO wird die Bundesregierung ermächtigt, in der
Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Das geschieht in der BKVO, der in der Anlage 1 eine Liste der entschädigungspflichtigen BKen angefügt ist.
Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehören nach der Nr 1302 der Anlage 1 zur BKVO "Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe". Der Kläger macht geltend, er habe sich die bei ihm bestehende Parkinson-Erkrankung durch die berufsbedingten Einwirkungen eines solchen Schadstoffs zugezogen. Der von ihm angeschuldigte Stoff Tri gehört auch zu den Halogenkohlenwasserstoffen, ist also ein "Listenstoff" (vgl das vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zu Nr 1302 der Anlage 1 zur BKVO herausgebrachte "Merkblatt für die ärztliche Untersuchung" unter Punkt I 1.1 = BABl 6/1985) und auch die Parkinson-Erkrankung kommt nach Wortlaut und Sinn der Vorschrift als einschlägiges Krankheitsbild in Betracht. Denn durch die unbestimmte Bezeichnung von BKen als "Erkrankungen durch " will der Verordnungsgeber alle denkbaren Krankheiten zu BKen erklären, die nach den fortschreitenden Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die genannten Einwirkungen zurückzuführen sind (vgl BSGE 7, 89, 97; Elster, Berufskrankheitenrecht, 2. Aufl, S 120/1), ohne daß insoweit weitere Einschränkungen gemacht werden.
Voraussetzung für die Anerkennung und ggf Entschädigung einer Erkrankung als BK ist in diesen Fällen zum einen, daß der schädigende Stoff ("Listenstoff") generell geeignet ist, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern. Zum anderen muß die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch entsprechende Einwirkungen des Listenstoffs wesentlich verursacht bzw verschlimmert worden und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein (vgl Hauck/Nehls,
SGB VII, K § 9 RdNr 19 mwN). Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß iS des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (vgl Brackmann/Krasney, Handbuch des Sozialversicherungsrechts,
SGB VII, 12. Aufl, § 9 RdNrn 22, 23 mwN). Nach wohl einhelliger Ansicht (stellvertretend Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 490 m II mwN) gilt der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit jedenfalls für den konkret-individuellen Kausalzusammenhang zwischen der mit der versicherten Tätigkeit in innerem Zusammenhang stehenden Verrichtung und der schädigenden Einwirkung ("haftungsbegründende Kausalität") und zwischen dieser und dem Eintritt der Erkrankung ("haftungsausfüllende Kausalität"). Ob dies ebenso für das Vorliegen der generellen Geeignetheit der bestimmten Einwirkung für das Entstehen oder die Verschlimmerung der Erkrankung - etwa bei Berufskrankheitentatbeständen mit unbestimmter Krankheitsbezeichnung wie der hier einschlägigen Nr 1302 der Anlage 1 zur BKVO - gilt oder ob hier der strengere Maßstab des vollen Nachweises zu fordern ist (vgl zum Meinungsstand etwa Lauterbach/Koch, Unfallversicherung, § 9
SGB VII RdNr 105; Koch in Schulin,
HS-UV, § 35 RdNr 8; Kater/Leube,
SGB VII, § 9 RdNr 66), ist hier nicht zu entscheiden. Denn nach den bindenden Feststellungen des
LSG ist das Vorliegen einer generellen Geeignetheit der Einwirkungen des Listenstoffs Tri für das Entstehen oder die Verschlimmerung eines Morbus Parkinson auch unter Zugrundelegung des geringeren Maßstabs der Wahrscheinlichkeit nicht gegeben und besteht auch kein konkret-individueller Kausalzusammenhang zwischen der Erkrankung des Klägers und den konkreten Einwirkungen dieses Stoffs auf ihn.
Das
LSG ist nach eingehender Auseinandersetzung mit den ihm vorliegenden umfangreichen Erkenntnissen in Form von medizinischen Gutachten, Stellungnahmen und Fachliteratur zu dem Ergebnis gekommen, die medizinische Wissenschaft gehe derzeit hinsichtlich der hier zu beantwortenden Zusammenhangsfragen lediglich von nicht durch epidemiologische Studien gesicherten Arbeitshypothesen aus, was für die Annahme eines Kausalzusammenhangs zwischen versicherter Tätigkeit und Erkrankung nicht ausreiche. Das vom
LSG so gefundene Ergebnis ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die von der Revision hiergegen vorgebrachten Einwände sind im wesentlichen unzutreffend bzw nicht entscheidungserheblich.
Entgegen der Ansicht der Revision hat das
LSG hinsichtlich des Vorliegens der generellen Geeignetheit nicht den Beweismaßstab des Vollbeweises angelegt, sondern sich mit dem der Wahrscheinlichkeit begnügt, allerdings auch eine solche nicht als feststellbar erachtet. Zwar hat das Berufungsgericht nicht ausdrücklich formuliert, daß dieser Beweismaßstab hier gelte. Aus seiner Auseinandersetzung mit dem Gesamtergebnis des Verfahrens in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ist indes eindeutig zu entnehmen, daß es hinsichtlich der Zusammenhangsfragen von der Beweisanforderung der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit ausgegangen ist und dessen Bedeutung nicht verkannt hat. Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn bei Abwägung aller Umstände den für den Kausalzusammenhang sprechenden ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl BSGE 45, 285, 286 = SozR 2200 § 548 Nr 38). Die dem
LSG bei seiner Würdigung vorliegenden Äußerungen von medizinischen Sachverständigen, die hier einen kausalen Zusammenhang - mit unterschiedlicher Begründung - bejahen, gehen nach der Darstellung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, die das
LSG zugrunde gelegt hat, im Ergebnis von einer - teilweise noch weiter relativierten - Wahrscheinlichkeit aus; keine von ihnen sieht einen solchen Zusammenhang als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, also iS des Vollbeweises (vgl BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr 15 zu § 1263a RVO
aF) nachgewiesen an. So ist es nach der von Gutachtern eingereichten Studie des
Dr. Gl. "denkbar", daß im zentralen Nervensystem abgelagerte Mengen von Lösungsmitteln bzw Blei zum Untergang der dopaminergen Ganglienzellen führen und daß zu "vermuten" ist, daß neben den für die Verursachung einer Parkinson-Erkrankung bekannten Schadstoffen ua den Lösungsmitteln besondere Bedeutung zukomme. Der Sachverständige
Dr. Ko. nimmt die "Wahrscheinlichkeit" eines Zusammenhangs zwischen Tri-Exposition und Morbus Parkinson an. Nach dem Sachverständigen
Prof. Dr. Pr. kann nach der clusterorientierten Erkenntnismethode hier die "Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs" begründet werden. Wäre das
LSG bei der Prüfung der generellen Geeignetheit vom Beweismaßstab des Vollbeweises ausgegangen, wäre die von ihm vorgenommene inhaltliche Auseinandersetzung zumindest mit diesen medizinischen Erkenntnissen nicht erforderlich gewesen, da eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ohnehin keinem von ihnen zu entnehmen war. Schließlich wäre bei Zugrundelegung des Vollbeweises als Beweismaßstab durch das
LSG auch die Feststellung entbehrlich gewesen, das SG habe lediglich die Möglichkeit - und nicht die Wahrscheinlichkeit - eines ursächlichen Zusammenhangs angenommen.
Auch die Auffassung der Revision, wenn das
LSG die Zusammenhangsfrage durch epidemilogische Studien als "nicht gesichert" ansehe, fordere es damit den Vollbeweis, trifft nicht zu. Wenn im Rahmen der hier in Frage stehenden Kausalitätsprüfung von "gesicherten Erkenntnissen" der medizinischen Wissenschaft die Rede ist, bedeutet dies nicht, daß diese Erkenntnisse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - also iS des Vollbeweises - nachgewiesen sind, sondern daß sie über bloße Vermutungen bzw Möglichkeiten in der Weise hinausgehen, daß ein Wahrscheinlichkeitsurteil auf sie gestützt werden kann. Daß das
LSG dies so verstanden hat, ist auch daraus zu entnehmen, daß es in den Entscheidungsgründen den Sachverständigen
Prof. Dr. Pr. mit der Erörterung eines "wissenschaftlich gesicherten Wahrscheinlichkeitsurteils" zitiert, die genannten Begriffe mithin im genannten Sinne versteht.
Es kann offenbleiben, wie die vom Kläger aufgeworfene Frage, "ob die Rechtsprechung - wie vom
LSG benannt (SozR 2200 § 551 Nr 10) - des
BSG so zu verstehen ist, daß bei der Zusammenhangsfrage von schädigender Einwirkung und vorhandener Erkrankung nur dann im Sinne einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit gesprochen werden kann, wenn - wie das
LSG meint - anhand statistisch relevanter Zahlen für eine Vielzahl von typischen Geschehensabläufen dies bestätigt werden kann", zu beantworten ist. Denn das
LSG hat seine Entscheidung nicht auf diese von ihm angegebene Rechtsprechung gestützt, sondern die Frage, ob der Kritik an der vom
BSG in der zitierten Entscheidung für die Feststellung des Kausalzusammenhangs zwischen Erkrankungen und der versicherten Tätigkeit für (allein) sachgerecht gehaltenen epidemiologischen Erkenntnismethode zu folgen ist, ausdrücklich offengelassen. Es hat nicht allein das Fehlen gesicherter epidemiologischer Erkenntnisse berücksichtigt, sondern alle nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens für die positive Beantwortung der sich hier stellenden Zusammenhangsfragen in Betracht kommenden sonstigen Beweismittel - allerdings mit negativem Ergebnis - gewürdigt und nicht bereits wegen prinzipieller Ungeeignetheit von vornherein ausgeschlossen. So hat das Berufungsgericht etwa die Ausführungen des Sachverständigen
Dr. Ko. zur konkret-individuellen Kausalitätsbeurteilung mit Hilfe der sachkundigen Stellungnahme des
Dr. M. im Hinblick auf die von diesem bemängelte fehlende Darlegung der quantitativen Größenordnungen - nicht wegen Fehlens der vom
BSG gemachten Vorgaben - sinngemäß als nicht hinreichend plausibel dargetan abgelehnt. Weiter hat es die von
Prof. Dr. Pr. erläuterte clusterorientierte Erkenntnismethode untersucht und ist wegen fehlender Grundlagen für die geforderte "genaue Definition" (Fehlen der genauen Bestimmbarkeit des Umfangs der Einwirkung des Listenstoffs Tri und unterschiedliche "Verstoffwechselung" dieses Stoffs im Menschen) zu dem Schluß gekommen, daß diese Methode für die hier zu beurteilenden Zusammenhangsfragen nicht geeignet sei. Soweit das
LSG dabei zum Schluß anführt, diese Grundlagen wichen so weit von den vom
BSG für die Annahme einer BK angelegten Voraussetzungen ab, daß sie ein Abweichen von dieser Rechtsprechung nicht rechtfertigen könnten, kann dies angesichts der bereits aus anderen Gründen angenommenen Ungeeignetheit lediglich als nicht entscheidungserhebliche Anmerkung verstanden werden. Weiterhin hat das
LSG bei seiner Erörterung des erstinstanzlichen Urteils die vom SG zur Begründung seiner zusprechenden Entscheidung herangezogenen Beweismittel und Erwägungen unabhängig von den Vorgaben der zitierten Rechtsprechung des
BSG - gewürdigt und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß sich auch daraus der in Frage stehende Kausalzusammenhang nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit ergibt, sondern lediglich als Möglichkeit erscheint.
Erst aufgrund dieser umfassenden Würdigung ist das
LSG der Sache nach zu dem Ergebnis gelangt, daß sich weder die generelle Eignung des Listenstoffes Tri für die Entstehung einer Parkinson-Erkrankung noch der konkret-individuelle Kausalzusammenhang zwischen der Tri-Exposition des Klägers und der bei ihm vorliegenden Parkinson-Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen. Bei Unaufklärbarkeit eines Umstands fallen die Folgen der objektiven Beweislosigkeit dem, der eine ihm günstige Rechtsfolge geltend macht, zur Last, wobei es keinen Unterschied begründet, ob die Unmöglichkeit des Nachweises in den besonderen Umständen des Einzelfalls oder in der generellen Eigenart des Leidens wurzelt; in beiden Fällen muß der Beweisfällige eine Ablehnung seines Begehrens hinnehmen, obwohl nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, daß der geltend gemachte Anspruch in Wahrheit begründet ist (
BSG SozR 2200 § 551 Nr 1 mwN). Da der Kläger sich auf das Vorliegen des für den von ihm geltend gemachten Anspruch erforderlichen Kausalzusammenhangs zwischen versicherter Tätigkeit und Erkrankung beruft, muß er die Folgen der objektiven Beweislosigkeit tragen.
Als BK nach Nr 1317 der Anlage 1 zur BKVO (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) kann die Erkrankung des Klägers bereits deshalb nicht anerkannt und entschädigt werden, weil nach den auch insoweit nicht mit zulässigen und begründeten und daher für den Senat bindenden (§ 163
SGG) Feststellungen des
LSG nicht - wie erforderlich - bewiesen ist, daß bei dem Kläger eines der bezeichneten Krankheitsbilder vorliegt. Bereits am nach den bindenden berufungsgerichtlichen Feststellungen mangelnden Nachweis des Umfangs der arbeitsplatzbedingten Einwirkung des Listenstoffs Blei auf den Kläger scheitert eine Anerkennung und Entschädigung als BK nach Nr 1101 der Anlage 1 zur BKVO (Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen). Das
LSG ist sowohl bei der Frage des Beweises des Vorliegens einer Listenkrankheit als auch der des Nachweises von Art und Ausmaß der durch die versicherte Tätigkeit bedingten schädigenden Einwirkung rechtlich zutreffend vom Beweismaßstab des Vollbeweises ausgegangen (vgl Brackmann/Krasney, Handbuch des Sozialversicherungsrechts,
SGB VII, 12. Aufl, § 9 RdNr 22; Elster, Berufskrankheitenrecht, 2. Aufl, S 67) und hat die Ansprüche - entsprechend dem Grundsatz der objektiven Beweislast - abgelehnt.
Nach alledem war die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193
SGG.