Urteil
Frage der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers

Gericht:

VG Berlin 37. Kammer


Aktenzeichen:

37 L 355.12


Urteil vom:

25.10.2012


Grundlage:

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Berlin

Gründe:

Die Entscheidung konnte aufgrund des Übertragungsbeschlusses vom 23. Oktober 2012 durch den Berichterstatter als Einzelrichter getroffen werden (§ 6 Abs. 1 VwGO).

Der sinngemäße Antrag,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die mit Bescheid vom 31. Juli 2012 ausgesprochene Zustimmung des Integrationsamtes des Antragsgegners zur ordentlichen (fristgemäßen) Kündigung des mit der K... bestehenden Arbeitsverhältnisses anzuordnen,

ist zwar aufgrund der Regelung des § 88 Abs. 4 SGB IX, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung keine aufschiebende Wirkung haben, gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO im Hinblick auf den gegen den Bescheid vom 31. Juli 2012 erhobenen Widerspruch statthaft.

Er ist jedoch mangels Vorliegens eines allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Der Antragsteller kann mit seinem Antrag seine Rechtsposition unter keinem Blickwinkel verbessern, weil die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Entscheidung des Integrationsamtes keine rechtlichen Auswirkungen auf den arbeitsgerichtlichen Rechtsschutz hat.

Dies folgt daraus, dass - jedenfalls nach Ausspruch der Kündigung - die angefochtene Erteilung der Zustimmung zur Kündigung keines weiteren Vollzuges mehr bedarf. Als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt mit Doppelwirkung, der die Möglichkeit eröffnet, dass ein Privatrechtsvertrag (Arbeitsvertrag) durch den Arbeitgeber gekündigt werden kann, entfaltet er mit der Zustellung an die Beteiligten des Arbeitsvertrages seine gestaltende Wirkung. Weiterer Vollzugshandlungen seitens der Behörde bedarf es nicht. Die Tatsache, dass in einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die Kündigungszustimmung angeordnet worden ist, wäre nicht geeignet, die Erfolgsaussichten im arbeitsgerichtlichen Kündigungsstreit zu verbessern, da die Wirksamkeit der ausgesprochenen Zustimmung zur Kündigung davon unberührt bliebe. Nach herrschender Auffassung bezieht sich die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nicht auf die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes, sondern nur auf dessen Vollziehbarkeit (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1961 - VIII C 398.59 - BVerwGE 13, 1 ff.). Daraus folgt, dass die auf Hemmung des Vollzuges gerichtete Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs - jedenfalls nach Ausspruch der Kündigung - rechtlich ins Leere ginge (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 10. Januar 2012 -12 S 3214.11 - juris Rn. 2 ff.; OVG Münster, Beschluss vom 29. Dezember 2003 - 12 B 957.03 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Januar 2006 - 19 L 2289.05 - juris; VG Göttingen, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - 2 B 236.08 - juris; ständige Rspr. der Kammer, vgl. Beschlüsse vom 12. Juni 2012 - VG 37 K 194.12 -, vom 11. Januar 2012 - VG 37 L 6.12 -, vom 8. Juli 2011 - VG 37 L 214.11 -, vom 22. Juni 2009 - VG 37 L 78.09 -, vom 10. Dezember 2008 - VG 37 A 201.08 - und vom 25. April 2008 - VG 37 A 98.08 -; offen gelassen vom OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 23. September 2011 - OVG 6 S 48.11 - und vom 11. Oktober 2012 - OVG 6 S 27.12 -). So sieht es auch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung: danach hindern Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung zur Kündigung nach § 9 MuSchG, in welchem eine dem § 88 Abs. 4 SGB IX vergleichbare Regelung fehlt, nicht den Ausspruch der Kündigung, da der Suspensiveffekt nicht den Eintritt der Wirksamkeit des Verwaltungsakt hindere (vgl. BAG, Urteil vom 17. Juni 2003 - 2 AZR 245.02 - juris).

Das Gericht vermag auch der Auffassung, eine stattgebende Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren würde generell die Erfolgsaussichten in einem arbeitsgerichtlichen Kündigungsstreit verbessern (so VGH München, Beschluss vom 17. Dezember 2009 - 12 CS 09.2691 - juris Rn. 17; OVG Hamburg, Beschluss vom 7. April 2008 - 4 Bs 208.07 - juris Rn. 28 ff.; OVG Bremen, Beschluss vom 7. August 2001 - 2 B 257.01 - juris; OVG Bautzen, Beschluss vom 25. August 2003 - 5 BS 107.03 - juris; OVG Brandenburg, Beschluss vom 17. Oktober 2003 - 4 B 59.03 - juris), nicht zu folgen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren hat die erteilte Zustimmung Tatbestandswirkung, eine Rechtmäßigkeitsprüfung findet nicht statt. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist in seiner Entscheidung vom 11. Januar 2006 (a.a.O., Rn. 36) zutreffend darauf hin, dass es für die Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses allein darauf ankomme, dass das Arbeitsgericht unabhängig von der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung nach kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen zu entscheiden habe. Eine nur vorläufige Suspendierung der Zustimmungserklärung bindet das Arbeitsgericht nicht. Es stützt sich bei der rechtlichen Beurteilung der Kündigung auf seine eigene Rechts- und Sachkunde.

Auch bei der Durchsetzung eines arbeitsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruchs reicht der Umstand, dass eine Aussetzungsentscheidung möglicherweise rein faktisch Einfluss auf die richterliche Willensbildung hat, nicht aus, ein allgemeines Rechtsschutzinteresse zu begründen, denn rein faktische Auswirkungen einer gerichtlichen Eilentscheidung besitzen keine rechtliche Bedeutung (vgl. VGH Mannheim, a.a.O., juris Rn. 4).

Nach Auffassung des Gerichts führt dies auch nicht zu einer unzulässigen Verkürzung des effektiven Rechtsschutzes auf Seiten des Arbeitnehmers gegen die Zustimmung zur Kündigung. Soweit im Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsmittelverfahren die Zustimmung endgültig aufgehoben wird, ist es für den Arbeitnehmer möglich, seine Weiterbeschäftigung sowie etwaige rückständige Lohnzahlungen durchzusetzen.

Der Antragsteller hat nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des nach § 188 VwGO gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Referenznummer:

R/R6003


Informationsstand: 20.01.2014