Urteil
Zustimmung zur Kündigung einer Schwerbehinderten - Frist des SchwbG § 21 Abs 1 S 1 bei fehlender Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung

Gericht:

OVG Münster 24. Senat


Aktenzeichen:

24 A 3340/93


Urteil vom:

08.03.1996


Grundlage:

Leitsatz:

1. Fehlt es an einem Zusammenhang mit der Behinderung, so ist das der Hauptfürsorgestelle hinsichtlich der Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung nach §§ 15 ff Schwerbehindertengesetz zustehende Ermessen durch die Soll- Vorschrift des § 21 Abs 4 SchwbG in den Fällen der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung drastisch eingeschränkt. Nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Hauptfürsorgestelle nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.

2. Ob ein atypischer Fall anzunehmen ist, wenn die vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründe eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs 1 BGB offensichtlich nicht zu rechtfertigen vermögen, kann offenbleiben. Eine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung kann nämlich nur angenommen werden, wenn sie ohne jeden vernünftigen Zweifel und ohne Beweiserhebung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zutageliegt und sich jedem Kundigen geradezu aufdrängt.

Orientierungssatz:

Zur Heilung der unterbliebenen Anhörung des Schwerbehinderten durch die Hauptfürsorgestelle gemäß SGB 10 § 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 im Vorverfahren durch den Widerspruchsausschuss.

Fundstelle:

br 1997, 47-49 (ST)

Rechtszug:

vorgehend VG Düsseldorf 1993-07-27 17 K 5973/92

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

JURIS-GmbH
ZB 04/1996

Anmerkung: (ZB 4/96)

Gemäß § 21 Abs. 4 SchwbG soll die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) darf die Hauptfürsorgestelle von dieser im Regelfall vorgesehenen Zustimmung nur dann abweichen, wenn Umstände vorliegen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW) und andere Obergerichte haben in der Vergangenheit entschieden, daß atypische Besonderheiten dann vorliegen, wenn die vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründe eine außerordentliche Kündigung offensichtlich nicht zu rechtfertigen vermögen. Das BVerwG hat bisher offen gelassen, ob es dieser Rechtsprechung folgt. Allgemein anerkannt ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, daß die Hauptfürsorgestelle über das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht zu urteilen hat.

Das OVG NW hatte nun über einen Fall zu entscheiden, bei dem eine abschließende Klärung des komplexen Sachverhaltes nur unter Einvernahme weiterer Zeugen möglich wäre: Hieraus folgert das Gericht, daß schon in tatsächlicher Hinsicht keine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung angenommen werden kann. Da kein atypischer Fall vorlag, hatte die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung aufgrund ihres eingeschränkten Ermessens zu erteilen.

Referenznummer:

MWRE297007184


Informationsstand: 06.08.1997