Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 14./19. Februar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt ist und mit Bescheid des Arbeitsamtes B. vom 27. Mai 2003 rückwirkend zum 14. Januar 2003 gemäß
§ 2 Abs. 3 SGB IX eine Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten ausgesprochen wurde, steht unter dem Schutz der §§ 68
ff. SGB IX und §§ 85
ff. SGB IX. Danach bedarf die Beigeladene für die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers der vorhergehenden Zustimmung des Integrationsamtes. Nach
§ 91 Abs. 1 SGB IX gelten mit Ausnahme von
§ 86 SGB IX die §§ 85
ff. SGB IX, soweit sich aus den nachfolgenden Absätzen des § 91
SGB IX nichts Abweichendes ergibt. Nach § 91
Abs. 2
SGB IX kann die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung innerhalb von zwei Wochen beantragt werden. Die Frist gilt ab dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Nach § 91
Abs. 4 soll das Integrationsamt die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Im Übrigen stehe die Entscheidung über die Zustimmung
bzw. den Widerspruch gegen die Erteilung oder Versagung der Zustimmung im pflichtgemäßen Ermessen des Integrationsamtes
bzw. des Widerspruchsausschusses.
Die Vorschriften über das Verfahren bei der Zustimmung zur Kündigung (
§ 87 SGB IX) sind eingehalten. Dem Kläger wurde nach Eingang des Antrags auf Zustimmung zur Kündigung am 6. April 2004 schriftsätzlich und in der Kündigungsverhandlung vom 19. April 2004 auch mündlich Gelegenheit gegeben, umfassend zum Sach- und Streitstand Stellung zu nehmen. Das Recht des Klägers auf umfassende Anhörung wurde auch im Widerspruchsverfahren gewahrt. § 87
Abs. 2
SGB IX, der in der bis zum Ablauf des 30. April 2004 geltenden Gesetzesfassung auch noch die Anhörung des zuständigen Arbeitsamtes vorsah, ist Rechnung getragen. Dabei kann hier offen bleiben, welche Konsequenz die Gesetzesänderung ab dem 1. Mai 2004 - also während des laufenden Widerspruchsverfahrens - hat. Denn der Widerspruchsauschuss beim Integrationsamt des Landschaftsverbandes
S. hat hier der Agentur für Arbeit in L., als dem für den Sitz der Beigeladenen zuständigen Arbeitsamt, und der Agentur für Arbeit in B., als dem für den Wohnort des Klägers zuständigen Arbeitsamt, mit Schreiben jeweils vom 14. Mai 2005 Gelegenheit gegeben, aus ihrer Sicht zu dem Kündigungsbegehren der Beigeladenen Stellung zu nehmen. Dass die Arbeitsagenturen erst im Widerspruchsverfahren angeschrieben wurden, macht die Entscheidung nicht rechtswidrig,
vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. November 1999, -
5 C 23.99 -, BVerwGE 110, 67
ff. = NZA 2000, 146
ff. = Behindertenrecht 200, 85
ff.,
da dieser Mangel im Widerspruchsverfahren (
vgl. § 41
Abs. 2
SGB X i.V.m. § 41
Abs. 1
Nr. 5
SGB X) geheilt werden kann. Nach dieser höchstrichterlichen Entscheidung ist rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass der Widerspruchsausschuss ohne Eingang der Stellungnahme der angeschriebenen Arbeitsagenturen über den Widerspruch entschieden hat. Personalrat und Schwerbehindertenvertretung sind bei der Beigeladenen nicht vorhanden.
Der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist im Ergebnis auch in der Sache nicht zu beanstanden. Abweichend von der Entscheidung des Widerspruchsausschusses geht das erkennende Gericht davon aus, dass hier die Voraussetzungen des § 91
Abs. 4
SGB IX gegeben sind, also eine Konstellation, in der in der Regel die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung zu erteilen ist.
Der von der Beigeladenen geltend gemachte Kündigungsgrund - krankheitsbedingter Ausfall des Klägers mit ungünstiger Prognose für die Zukunft - steht nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Gerichts weder in unmittelbarem noch in mittelbarem Zusammenhang mit der anerkannten Behinderung des Klägers. Nach dem Bescheid des Versorgungsamtes Aachen vom 26. Oktober 1995 wurde ihm wegen Durchblutungsstörung beider Arme und Funktionseinschränkung der Wirbelsäule ein Grad der Behinderung von 30 v. H. zuerkannt. Auch wenn der Vortrag des Klägers zum Hintergrund des Kündigungsbegehrens der Beigeladenen unklar ist, spricht aus Sicht des Gerichts nichts dafür, dass seine krankheitsbedingten Ausfallzeiten mit diesen anerkannten Behinderungen unmittelbar oder mittelbar in Verbindung stehen.
Zum einen hat er im vorliegenden Klageverfahren vorgetragen, dass die Beigeladene das Arbeitsverhältnis beenden wolle, seit er eine Eingruppierung in eine höhere Gehaltsgruppe und die daraus folgenden Gehaltsansprüche gerichtlich einklage. Eine etwaige unzutreffende Eingruppierung durch den Arbeitgeber mag rechtswidrig sein, ist aber insoweit allein von den Arbeitsgerichten zu prüfen. Denn es fehlt an jeglichem Bezug zur anerkannten Behinderung. Zum anderen hat der Kläger zum Hintergrund der Kündigung auf das Gutachten des
L1. Zentrums für Arbeitsmedizin vom 1. Oktober 2003 verwiesen. In diesem - im Tatbestand ausführlich referierten Gutachten - hat der Kläger dem Gutachter eine psychische Konfliktsituation dargestellt, die beim ihm eine depressive Episode ausgelöst hat. Der Gutachter hielt diesen Vortrag für glaubwürdig und hat deshalb die Hauptfehlzeit auf diese psychische Erkrankung zurückgeführt. Soweit er diese Einschätzung substantiiert hat, hat er dies mit dem Verweis auf die Arbeitsbedingungen, den erheblichen Termindruck, die Kommunikationsstörung zwischen dem Kläger und der Betriebsleitung der Beigeladenen getan, nicht aber damit, dass dem Kläger körperliche Arbeiten abverlangt wurden, die er wegen seiner Behinderung nicht oder nur eingeschränkt erbringen konnte. Letztlich hat nach Auffassung des Gutachters die Nichtbearbeitung des Konflikts mit dem Arbeitgeber die psychische Erkrankung und damit die Arbeitsunfähigkeit des Klägers verursacht. Ein psychisches Leiden ist aber bislang vom Versorgungsamt nicht als ein eine Behinderung auslösendes Leiden anerkannt. Für die hier vertretene Auffassung spricht auch die fernmündliche Stellungnahme des behandelnden Arztes
Dr. Q. gegenüber dem Integrationsamt vom 19. April 2004. Auch dort wird die Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz wegen der psychischen Belastung - und nicht wegen eines der Orthopädie
bzw. der Inneren Medizin zuzuordnenden Leidens, das der Erbringung der Arbeitsleistung entgegensteht - auf absehbare Zeit ausgeschlossen.
Steht aber die außerordentliche Kündigung nicht mit der anerkannten Behinderung in Verbindung, hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts -
BVerwG -,
Urteil vom 2. Juli 1992 -
5 C 39.90 -, BVerwGE 90, 275
ff. und Urteil vom 10. September 1992 -
5 C 39.88 -, BVerwGE 91, 7
ff.das Integrationsamt im Regelfall die Zustimmung zu erteilen. Es ist insbesondere nicht seine Aufgabe zu überprüfen, ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 626
Abs. 1
BGB vorliegt. Diesen zu überprüfen ist - wie der vom Arbeitgeber angegebene arbeitsrechtliche Kündigungsgrund - allein Aufgabe der Arbeitsgerichte. Denn der Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte bringt im Vorfeld der Kündigung lediglich die spezifischen Interessen schwerbehinderter Arbeitnehmer zur Geltung. Er zielt nicht darauf ab, den von den Arbeitsgerichten nach erfolgter Kündigung zu gewährenden arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz zu ersetzen, einzuschränken oder gar überflüssig zu machen.
Aus der Sollregelung des § 91
Abs. 4
SGB IX, der wortgleich mit dem früheren § 21
Abs. 4
SchwbG ist, schließt die ständige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, dass nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, die Hauptfürsorgestelle nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden darf. Ein atypischer Fall liegt vor, wenn die außerordentliche Kündigung den Schwerbehinderten in einer dem Schutzzwecke des
SGB IX berührenden Weise besonders hart trifft, ihm im Vergleich zu den der Gruppe der Schwerbehinderten im Falle der außerordentlichen Kündigung allgemein zugemuteten Belastungen ein Sonderopfer abverlangt. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht es in den genannten Entscheidungen offen gelassen, ob das Integrationsamt die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ausnahmsweise dann zu prüfen hat, wenn bei den im Zustimmungsverfahren vorzunehmenden Ermittlungen offenbar wird, dass die vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründe eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermögen. Solche Umstände können aber hier nicht festgestellt werden. Mittlerweile ist in der Rechtsprechung geklärt, dass eine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung in diesem Sinne nur dann angenommen werden kann, wenn sie ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegt, sich jedem Kundigen geradezu aufdrängt,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. September 1996 -
5 B 109/96 -, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 436.61, § 21
SchwbG Nr. 8; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Mai 2000 -
22 A 3145/98 - = NVWBl 2000, 390 f. und Urteil vom 8. März 1996 -
24 A 3340/93 -, Behindertenrecht 1997, 47
ff..
Solch ein atypischer Fall wird nur in seltenen Ausnahmekonstellationen in Betracht kommen.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist solch ein atypischer Fall hier nicht ersichtlich. Zwar rechtfertigt Krankheit nur ausnahmsweise den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung. Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung kann eine solche Ausnahme aber in den Fällen in Betracht kommen, in denen ein Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der Beschäftigungszeiten nicht mehr ordentlich gekündigt werden kann, nach längeren krankheitsbedingten Fehlzeiten aber keine Prognose möglich ist, dass der Arbeitnehmer in absehbarer Zeit oder nach einer konkreten Rehabilitationsmaßnahme auf seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Genau ein solcher Fall könnte hier vorliegen, was aber letztlich nicht hier, sondern von den Arbeitsgerichten zu klären ist. Andere Gründe, die für einen atypischen Fall sprechen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Es fehlt zur Überzeugung des erkennenden Gerichts auch ein "mittelbarer Zusammenhang" der Kündigung mit der anerkannten Schwerbehinderung.
Soweit man dieser Auffassung des Gerichts nicht folgen wollte und mit dem Widerspruchsausschuss beim Integrationssamt des Landschaftsverbandes
S. zwischen den erheblichen Fehlzeiten und den festgestellten Behinderungen einen zumindest "mittelbaren Zusammenhang" nicht ausschließen wollte, würde dies zwar zu einer freien Ermessensentscheidung des Integrationssamtes entsprechend dem ordentlichen Kündigungsschutzverfahren nach
§ 85 SGB IX, nicht aber zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis führen. Auf die zutreffenden Erwägungen des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses beim Integrationsamt vom 18. November 2004 wird insoweit Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe, denen das Gericht folgt unter Bezugnahme auf § 117
Abs. 5
VwGO abgesehen.
Nach alledem haben das Integrationsamt und der Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt im Ergebnis zu Recht die beantragte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Klägerin erteilt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154
Abs. 1, 162
Abs. 3, 188 Satz 2
VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und sich somit dem Kostenrisiko ausgesetzt hat (
vgl. § 154
Abs. 3
VwGO), entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären. Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167
VwGO i. V. m. §§ 708
Nr. 11, 711
ZPO.