Auf die Berufung der Beklagten wird das auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg abgeändert:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 14. September 2009 und des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2010 verpflichtet, dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 3.972,44 Euro zu zahlen und diesen Betrag mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 19. Juli 2010 zu verzinsen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Das Berufungsurteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt Schadensersatz sowie Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, weil er in einem Bewerbungsverfahren trotz seiner Schwerbehinderung nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen worden sei.
Der 1952 geborene Kläger trat 1974 zunächst als Angestellter in den Dienst der Beklagten. Er wurde am 28. November 1980 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Regierungsinspektor z.A. (Besoldungsgruppe A 9), am 20. November 1981 zum Beamten auf Lebenszeit und am 18. Mai 1983 zum Regierungsoberinspektor (Besoldungsgruppe A 10) ernannt. Seit dem 18. Januar 1988 ist er Regierungsamtmann (Besoldungsgruppe A 11). Der Kläger übte seit 1978 ununterbrochen Tätigkeiten in einer Fachbehörde aus und zwar zunächst im Amt für Arbeitsschutz, seit 1987 im Amt für Soziales und Rehabilitation und seit 2003 im Amt für Gesundheit und Verbraucherschutz. Seit dem 1. Dezember 2006 arbeitet der Kläger im Amt für Gesundheit. Der Kläger ist schwerbehindert. Bei seiner Einstellung in den Dienst der Beklagten bestand ein Grad der Erwerbsminderung von 50 v.H. Seit dem 7. Januar 1998 beträgt der Grad der Behinderung 100. Er ist seit dem 1. Dezember 2006 Vertrauensperson der Schwerbehinderten und in dieser Funktion mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von seinen anderen dienstlichen Aufgaben freigestellt. Er war in dieser Funktion vor allem mit rückkehrwilligen ehemaligen Bediensteten des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) und von Pflegen & Wohnen (P & W) befasst.
Die Beklagte (Personalamt - Personalmanagement) schrieb im Januar 2009 unter der Kennziffer 25856 eine unbefristete Vollzeitstelle für den gehobenen Dienst - Amtsrätin/Amtsrat
bzw. Angestellte/Angestellter, Besoldungsgruppe A 12 / EGr. 11 - mit dem Tätigkeitsbereich "Beratung und Vermittlung von Beschäftigten der Freien und Hansestadt Hamburg (Wiedereingliederungsmanagement", Bewerbungsschluss 20.2.2009) aus. Dabei handelte es sich um eine Stelle im Projekt Interner Arbeitsmarkt (PIA), das als zentrale Personalberatungs- und Vermittlungsagentur alle Beschäftigten unterstützte, die sich innerhalb der Freien und Hansestadt Hamburg beruflich verändern wollten oder dies aufgrund struktureller Maßnahmen mussten; dem PIA zugeordnet war zudem das überbehördliche Wiedereingliederungsmanagement (WilMa). Als Tätigkeitsschwerpunkte wurden in der Stellenbeschreibung u.a. genannt die Beratung und Vermittlung ehemaliger Beschäftigter der A. Kliniken Hamburg
GmbH, die
z.B. aufgrund der Art und Schwere ihrer Behinderung besondere Unterstützung im Integrationsprozess benötigen, aber auch die Beratung von Beschäftigten, die sich beruflich verändern wollen oder müssen, die Entwicklung von Qualifizierungsmaßnahmen im Einzelfall, die Teilnahme an Personalauswahlverfahren, die Implementierung und Pflege eines Netzwerkes zum vorhandenen Rat- und Hilfeangebot für den zu betreuenden Personenkreis, die Unterstützung von Personalverantwortlichen in Behörden und Ämtern, die Erschließung neuer (interner und externer) refinanzierbarer Aufgabenfelder und die Vertretung des PIA bei Personal- und Mitarbeiterversammlungen in Behörden, Ämtern und Landesbetrieben. Entsprechend der Ausschreibung wurde eine Laufbahnbefähigung für den gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienst erwartet. Weiter heißt es in der Ausschreibung:
"(..) Schwerbehinderte haben Vorrang vor gesetzlich nicht bevorrechtigten Bewerberinnen und Bewerbern gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. (...)
Neben umfassenden Kenntnissen von Struktur, Funktion, Aufgaben, Aufbau und Arbeitsweise der hamburgischen Verwaltung bringen Sie die Bereitschaft und Fähigkeit mit, sich mit personalrechtlichen Fragen auseinanderzusetzen. Falls Sie mit den aktuellen personalwirtschaftlichen Konzepten des Personalamtes und den sich daraus ergebenden Handlungsschwerpunkten noch nicht vertraut sind, sind Sie bereit, sich diese rasch anzueignen. (...)
Wir berücksichtigen in angemessener Weise, dass bei der Bewertung Ihrer Qualifikation auch durch Familienarbeit und ehrenamtliche Tätigkeiten erworbene Fähigkeiten und Kenntnisse einbezogen werden."
Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 16. Februar 2009 auf die ausgeschriebene Stelle und hob im Bewerbungsschreiben insbesondere hervor, dass seine Tätigkeit als Vertrauensperson der Schwerbehinderten im Amt für Gesundheit seit fast 2 ½ Jahren in hohem Maße durch das aktive Mitwirken bei und die Einbindung in Maßnahmen zur Personalbetreuung, Personalentwicklung und Personalförderung geprägt sei, die die Problematik der rückkehrwilligen ehemaligen Bediensteten des LBK und P & W eingeschlossen habe, zu denen auch übermäßig viele schwerbehinderte Personen zählten. Zugleich legte der Kläger eine Regelbeurteilung vom Juni 2008 vor, wonach seine Leistungen im Bereich "Denken und Urteilen" die Anforderungen übertrifft, in den übrigen Bereich den Anforderungen in vollem Umfang entspricht.
Auf die ausgeschriebene Stelle bewarben sich 54 Bewerberinnen und Bewerber, darunter 13 schwerbehinderte Menschen. Unter den 12 zu einem Vorstellungsgespräch am 7. und 8. April 2009 geladenen Bewerberinnen und Bewerbern war eine schwerbehinderte Bewerberin; der Kläger wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch geladen. Auf die vor dem Auswahlgespräch gefertigte Synopse der Bewerberinnen und Bewerber, sowie die von der Beklagten eingereichten Lebensläufe der 12 zum Vorstellungsgespräch geladenen Bewerberinnen und Bewerber wird Bezug genommen. Nach dem Auswahlvermerk vom 13. Mai 2009 wurde keiner der dort aufgeführten 9 Bewerber für die ausgeschriebene Position ausgewählt, das Auswahlverfahren sei gescheitert.
Mit Schreiben vom 28. Mai 2009 teilte das Personalamt dem Kläger mit, dass das Verfahren zur Besetzung der Stelle mittlerweile abgeschlossen sei, die Ausschreibung das Interesse einer Vielzahl qualifizierter Bewerberinnen und Bewerber gefunden habe, das Auswahlgremium sich aber nicht für ihn entschieden habe.
Mit Schreiben vom 24. Juli 2009 machte der Kläger Schadensersatz nach
§ 15 AGG in Höhe von insgesamt 14.641,62 Euro geltend.
Mit Schreiben vom 14. September 2009 teilte die Beklagte mit, dass das Auswahlverfahren für gescheitert erklärt und die Stelle erneut mit Bewerbungsschluss zum 31. August 2009 ausgeschrieben worden sei (Stellennummer 32218). Die Bewerbung des Klägers vom 16. Februar 2009 werde dabei berücksichtigt. Der Kläger teilte daraufhin der Beklagten mit, dass er sich auf die neu ausgeschriebene Stelle nicht beworben habe.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 11. November 2009 Widerspruch gegen das Schreiben vom 14. September 2009 und machte geltend, ihm stehe ein Anspruch auf Schadenersatz nach § 15
Abs. 1 und 2
AGG zu, da er wegen seiner Behinderung im Vergleich zu anderen Bewerbern ungleich behandelt und wegen seiner Behinderung bei der Stellenbesetzung nicht berücksichtigt und zudem im Auswahlverfahren - entgegen den Anforderungen aus
§§ 81,
82 SGB IX - nicht zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, obwohl er das Anforderungsprofil der Stellenausschreibung 25856 erfüllt habe. Die Höhe des Schadenersatzes ergebe sich aus der sechsmonatigen Differenz zwischen seinem jetzigen Einkommen und demjenigen, das er erzielt hätte, wenn er die ausgeschriebene Stelle bekommen hätte. Zudem sei der immaterielle Schaden in Höhe von drei Monatsgehältern zu zahlen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Schadensersatz nach § 15
Abs. 1
AGG bzw. Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG zu, da er im Verfahren um die Besetzung der unter der Stellennummer 25856 ausgeschriebenen Stelle nicht unmittelbar wegen seiner Behinderung benachteiligt worden sei. Die unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch verstoße nicht gegen § 82 Satz 2
SGB IX dar, da dem Kläger offensichtlich die fachliche Eignung für die Stelle fehle. Entsprechend der Stellenausschreibung gehöre zum Anforderungsprofil, dass der Beamte im Personalbereich
bzw. im Personalwesen tätig gewesen sein müsse. Die Tätigkeit als Vertrauensperson der Schwerbehinderten reiche insoweit nicht aus. Die Beklagte habe nicht gegen die sich aus § 81
Abs. 1 Satz 9
SGB IX ergebende Begründungspflicht verstoßen, da diese nur solche Arbeitgeber treffe, die die gesetzliche Beschäftigungsquote nach
§ 71 Abs. 1 SGB IX nicht erfüllt hätten; dies sei beim Personalamt nicht der Fall. Eine mittelbare Benachteiligung nach § 3
Abs. 2
AGG liege ebenfalls nicht vor. Darüber hinaus sei der geltend gemachte Schadenersatzanspruch nach § 15
Abs. 1
AGG auch deshalb nicht gegeben, weil es an der Kausalität zwischen einem etwaigen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot und dem geltend gemachten Vermögensschaden fehle. Die Differenz zwischen den Besoldungsgruppen A 11 und A 12 für die Dauer von 6 Monaten könne auch deshalb als Schadenersatz nicht beansprucht werden, da der Kläger schon nach der Vorauswahl als nicht geeignet angesehen worden sei. Ein Schadenersatz- oder Entschädigungsanspruch sei auch deshalb auszuschließen, weil Schadenersatz in Form der Naturalrestitution geleistet worden sei, indem der Kläger im Rahmen der erneuten Ausschreibung der Stelle zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei. Schließlich habe der Kläger es unterlassen, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die unterbliebene Einladung vorzugehen.
Mit der am 19. Juli 2010 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und sein Vorbringen wiederholt und vertieft: Die Beklagte habe die Vermutung, dass er wegen seiner Behinderung benachteiligt worden sei, nicht widerlegt. Die ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung des Personalamts nach
§§ 95 Abs. 2 i.V.m. 81
Abs. 1 Satz 6
SGB IX und die frühzeitige Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit gemäß § 81
Abs. 1 Satz 2
SGB IX, 82 Satz 1
SGB IX werde mit Nichtwissen bestritten.
Der Kläger hat beantragt,
den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 14. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 2.224,38 Euro Schadenersatz nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage als Ersatz für materielle Schäden und einen weiteren angemessenen Betrag als Ersatz für immaterielle Schäden, der mindestens 12.417,24 Euro betragen soll, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug und führt ergänzend aus: Der Kläger verfüge über keine Kenntnisse im Personalwesen. Soweit er behaupte, eine einschlägige Vorerfahrung im Personalwesen sei in der Stellenausschreibung nicht gefordert, verkenne er die beamtenrechtlich geprägte Rechtslage. Bei der Stellenausschreibung unter der Stellennummer 32218 handele es sich exakt um die Stelle, die Gegenstand der Ausschreibung unter der Stellennummer 25856 gewesen sei. Die ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ergebe sich aus dem Sachvorgang. Die frühzeitige Beteiligung der Agentur für Arbeit sei per Internet erfolgt.
Mit Urteil vom 21. Februar 2012 hat das Verwaltungsgericht der Klage teilweise stattgegeben. Dem Kläger stehe ein Entschädigungsanspruch nur aus § 15
Abs. 2
AGG zu, da die Beklagte gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen habe, indem sie den Kläger unter Verletzung von § 82 Satz 2 und 3
SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch geladen habe; dem Kläger fehle nicht offensichtlich die fachliche Eignung, da er das Anforderungsprofil erfülle. Die pflichtwidrig unterlassene Einladung zum Vorstellungsgespräch indiziere die Kausalität. Die Beklagte habe nicht bewiesen, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorgelegen habe. Die Verletzung sei nicht durch die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch im Bewerbungsverfahren mit der Stellennummer 32218 geheilt worden, da es sich um ein anderes Bewerbungsverfahren gehandelt habe. Unter Berücksichtigung aller Umstände sei die Höhe des immateriellen Schadens mit 1 ½ Monatsgehältern anzusetzen. In Regelfällen könne ein Monatsgehalt als Orientierungsgröße als Regelentschädigung angesehen werden. Erschwerend falle ins Gewicht, dass das Vorstellungsverfahren abgebrochen worden sei, weil kein geeigneter Bewerber habe gefunden werden können.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 27. Februar 2013 die Berufung zugelassen. Die Beklagte hat die Berufung mit Schriftsatz vom 28. März 2013 begründet. Sie trägt insbesondere vor:
Aus dem in der Ausschreibung beschriebenen Funktionsposten ergebe sich die Notwendigkeit von Vorerfahrungen im Personalbereich als Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle. Selbst bei Annahme eines Verstoßes gegen die Pflicht des § 82 Satz 2 und 3
SGB IX fehle es an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Behinderung und Benachteiligung. Die Indizwirkung des
§ 22 AGG werde durch ihren Vortrag widerlegt. Sie habe den Kläger nur deshalb nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, weil sie davon ausgegangen sei, dass sie in der Stellenausschreibung die Vorerfahrungen im Personalbereich als Anforderungsprofil festgelegt habe. Dieser Irrtum widerlege die Vermutung des § 22
AGG. Auch sei die Vermutung des Kausalzusammenhangs zwischen Behinderung und Benachteiligung dadurch widerlegt, dass sie eine andere schwerbehinderte Bewerberin zum Vorstellungsgespräch eingeladen und auch im unter der Stellennummer 25844 parallel laufenden Bewerbungsverfahren auf Anregung der Schwerbehindertenvertretung mehrere schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch geladen habe. Im Verfahren mit der Stellennummer 25856 sei die Schwerbehindertenvertretung beteiligt worden, habe jedoch nicht Stellung genommen. Die Schwerbehindertenvertretung habe hierzu auf interne Nachfrage mitgeteilt, dass dies bedeute, dass diese mit der Vorauswahl einverstanden sei. Jedenfalls sei ein Schadenersatzanspruch des Klägers nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen, da er sich nicht ernsthaft um die Stelle bemüht habe. Dies zeige sich darin, dass er die ihm angebotene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch für die Stelle 32218 ausgeschlagen habe, obwohl das Aufgabenprofil in großen Teilen mit der Stelle Nummer 25856 übereinstimme. Die vom Verwaltungsgericht angenommene Höhe der Entschädigung sei unangemessen.
Auf Nachfrage des Gerichts hat die Beklagte mitgeteilt, dass ihr von den nicht eingeladenen schwerbehinderten Bewerberinnen und Bewerbern neben dem Lebenslauf des Klägers nur noch der Lebenslauf des in der Synopse unter der Nummer 50 aufgeführten schwerbehinderten Bewerbers vorliege.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Februar 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen sowie die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil. Ergänzend führt er u.a. aus, das Verwaltungsgericht habe nicht rechtsfehlerhaft die Höhe der Entschädigungssumme mit mehr als einem Monatsgehalt bemessen, sondern rechtsfehlerfrei die maßgeblichen Umstände gewürdigt. In der mündlichen Verhandlung hat er zudem vorgetragen, dass er seit 25 Jahren nicht befördert worden sei, was er als belastend empfinde und für ihn auch in Zusammenhang mit seiner Schwerbehinderung und seinen damit im Zusammenhang stehenden Beeinträchtigungen stehe.
A.
Die zulässige Berufung hat hinsichtlich der Höhe des Entschädigungsanspruches teilweise Erfolg.
I.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG in Höhe eines Monatsgehalts (A 12 brutto, Endstufe, Stand Mai 2009, zuzüglich Familienzuschlag und allgemeiner Stellenzulage) zu (I.), der zu verzinsen ist (III.). Ein darüber hinausgehender Schadenersatzanspruch nach § 15
Abs. 1
AGG ist nicht gegeben (II.). Soweit dem Kläger ein Anspruch auf Entschädigung zusteht, ist die Berufung zurückzuweisen. Soweit das Verwaltungsgericht einen darüber hinausgehenden Entschädigungsanspruch angenommen hat, ist der Berufung stattzugeben und die Klage insoweit abzuweisen.
I.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG in Höhe eines Monatsgehalts (A 12 brutto, Endstufe, Stand Mai 2009, zuzüglich Familienzuschlag und allgemeiner Stellenzulage) zu. Gemäß § 15
Abs. 2
AGG kann ein Beschäftigter wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen, wenn der Arbeitgeber gegen das Benachteiligungsverbot aus
§ 7 Abs. 1 AGG verstoßen hat. Die Vorschrift findet auch auf Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Anwendung (
§ 6 Abs. 1 Satz 2 AGG) und gilt für Beamtinnen und Beamte entsprechend (
§ 24 Nr. 1 AGG).
1. Die Beklagte hat objektiv gegen das Benachteiligungsverbot aus § 7
Abs. 1
AGG verstoßen, indem sie den schwerbehinderten Kläger im Bewerbungsverfahren mit der Stellennummer 25856 entgegen der Verpflichtung aus § 82 Satz 2 und 3
SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch geladen hat, obwohl er die nach dem Anforderungsprofil geforderten fachlichen Qualifikationen erfüllte; der schwerbehinderte Kläger ist damit wegen seiner Behinderung im Bewerbungsverfahren im Sinne von
§§ 1, 7
AGG benachteiligt worden (
vgl. BVerwG, Urt. v. 3.3.2011, BVerwGE 139, 135, juris Rn. 15):
1.1. Gemäß § 82 Satz 2 und 3
SGB IX werden schwerbehinderte Menschen zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, es sei denn ihre fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle fehlt offensichtlich. Hiergegen hat die Beklagte verstoßen, da der Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist, obwohl er nach dem in der Stellenausschreibung zum Ausdruck kommenden Anforderungsprofil die fachlichen Anforderungen an die ausgeschriebene Stelle erfüllte und ihm daher die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle nicht offensichtlich fehlte (
vgl. allgemein:
BVerwG, Urt. v. 3.3.2011, juris Rn. 17 - 23).
Mit dem Anforderungsprofil beschreibt der Dienstherr diejenigen formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie außerfachlichen Kompetenzen, die eine Bewerberin oder ein Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigt. Insoweit wird mit dem Anforderungsprofil ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen. Nach dem in der Stellenausschreibung zum Ausdruck kommenden Anforderungsprofil sollen die Bewerberinnen und Bewerber die Bereitschaft und Fähigkeit mitbringen, sich mit personalrechtlichen Fragen auseinanderzusetzen. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger bereits deshalb, weil er im Hinblick auf seine zum Zeitpunkt der Bewerbung 2 ½-jährige Tätigkeit als Vertrauensmann der Schwerbehinderten die Fähigkeit mitbringt, sich mit personalrechtlichen Fragen auseinanderzusetzen. Es kann dahinstehen, ob sich - wie die Beklagte vorträgt - aus der Funktionsbeschreibung ergibt, dass die Bewerber über Erfahrungen im Personalbereich
bzw. im Personalwesen verfügen müssen. Denn jedenfalls kann der Stellenausschreibung nicht entnommen werden, dass die Tätigkeit als Vertrauensmann der Schwerbehinderten, durch welche der Kläger Erfahrungen im Personalbereich mitbringt, hierfür nicht ausreichend ist; dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass in der Ausschreibung darauf hingewiesen wird, dass bei der Bewertung der Qualifikation in angemessener Weise die durch Familienarbeit und ehrenamtliche Tätigkeit erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse berücksichtigt werden. Eine weitergehende Eingrenzung in dem Sinne, dass die Tätigkeit zwingend im Rahmen einer beruflichen Haupttätigkeit im Personalwesen erworben sein müsste, kann weder dem Wortlaut der Stellenausschreibung ("Fähigkeit, sich mit personalrechtlichen Fragen auseinanderzusetzen") noch der Funktionsbeschreibung entnommen werden.
Es ist weder vorgetragen noch für das Gericht ersichtlich, dass der Kläger in weiteren Punkten das Anforderungsprofil nicht erfüllt.
1.2. Der Kläger hat keine weiteren Benachteiligungen im Bewerbungsverfahren wegen seiner Behinderung nachgewiesen.
Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass der Vertreter der Schwerbehinderten beim Personalamt, Herr ..., nicht nach § 95
Abs. 2
i.V.m. 81
Abs. 1 Satz 6
SGB IX an dem Bewerbungsverfahren beteiligt worden ist. Vielmehr hat dieser entsprechend dem hierüber gefertigten Vermerk an dem Auswahlgespräch teilgenommen. Die nach §§ 81
Abs. 1 Satz 2, 82 Satz 1
SGB IX erforderliche frühzeitige Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit ist nach Stellungnahme der Beklagten per Internet erfolgt.
2. Zwischen der Behinderung des Klägers und seiner Benachteiligung im Bewerbungsverfahren besteht ein Kausalzusammenhang. Der pflichtwidrig unterlassenen Einladung zu einem Vorstellungsgespräch entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 82
SGB IX ist eine Indizwirkung im Sinne des § 22
AGG dahingehend beizumessen, dass vermutet wird, dass die Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes (vorliegend wegen der Schwerbehinderung) erfolgt ist (2.1.). Diese Vermutung ist von der Beklagten nicht widerlegt worden (2.2.).
2.1. Der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne des § 7
Abs. 1
AGG erfordert, dass die Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes - hier der Schwerbehinderung - erfolgt ist, wobei Mitursächlichkeit ausreicht. § 22
AGG senkt zu Gunsten des Betroffenen das Beweismaß, da dieser nur Indizien vortragen und beweisen muss, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes vermuten lassen (sog. Vermutungstatsachen). Dabei genügt die Überzeugung des Gerichts von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen Grund und Nachteil. Die Vorenthaltung des nach § 82
SGB IX gesetzlich eingeräumten Chancenvorteils ist Vermutungstatsache für die Kausalität. Zugleich liegt in ihr eine weniger günstige Behandlung (Benachteiligung, Diskriminierung). Die Indizwirkung ergibt sich daraus, dass der in Bezug auf das Bewerbungsverfahren gesetzlich eingeräumte Chancenvorteil - hier Einladung zu einem Vorstellungsgespräch - seine entscheidende Rechtfertigung in der Schwerbehinderung oder einer ihr gleichgestellten Behinderung findet. Wird der oder dem Beschäftigten die gerade wegen einer Behinderung zu gewährende verfahrensrechtliche Besserstellung pflichtwidrig vorenthalten, spricht zumindest der erste Anschein dafür, dass dieses Verhalten des öffentlichen Arbeitgebers gleichfalls seinen Grund in der Behinderung hat. Andernfalls würde der durch besondere verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu gewährende Schutz vor einer Benachteiligung weitgehend leerlaufen (
vgl. BVerwG, Urt. v. 3.3.2011, a.a.O., juris Rn. 26 f.).
2.2. Die Beklagte hat nicht widerlegen können, dass die Behinderung des Klägers (mit-) ursächlich für seine Benachteiligung war.
Im Falle der vermuteten Kausalität trägt der Arbeitgeber die volle Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Hierfür muss er Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich ergibt, dass die in § 1
AGG genannten Gründe sein benachteiligendes Verhalten tatsächlich weder als negatives noch als positives Kriterium allein oder neben anderen Gründen (mit)beeinflusst haben. Zu den Anforderungen an den Gegenbeweis hat das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Verletzung der Verpflichtung zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nach § 82
SGB IX ausgeführt (Urt. v. 3.3.2011, juris Rn. 29 f.):
"Die durch die Vorenthaltung des in § 82 Satz 2
SGB IX eingeräumten Chancenvorteils vermutete Kausalität kann nicht mit dem Hinweis darauf widerlegt werden, dass das Ergebnis des Bewerbungsverfahrens, d.h. die Auswahlentscheidung und die daraufhin erfolgte Einstellung, unter dem Aspekt der fachlichen Eignung rechtlich nicht zu beanstanden sind. Für den nach § 22
AGG möglichen Nachweis, dass für die Nichteinladung einer Bewerberin oder eines Bewerbers entgegen § 82 Satz 2
SGB IX ausschließlich andere Gründe als die Behinderung erheblich waren, können nur solche Gründe herangezogen werden, die nicht die fachliche Eignung betreffen. Hierfür enthält die in § 82 Satz 3
SGB IX geregelte Ausnahme mit dem Erfordernis der "offenkundigen" Nichteignung eine abschließende Regelung. Sie prägt auch die Anforderungen, die bei Verstößen im Bewerbungsverfahren bei auf die fachliche Eignung bezogenen Erwägungen für den Gegenbeweis zugrunde zu legen wären. Dies entspricht dem Schutzzweck des § 7
Abs. 1
AGG i.V.m. § 82 Satz 2
SGB IX, der das Recht schwerbehinderter Menschen und der ihnen gleichgestellten behinderten Menschen auf ein benachteiligungsfreies Bewerbungsverfahren schützt (
BAG, Urteile vom 21. Juli 2009 a.a.O. und vom 17. August 2010 a.a.O. Rn. 48). Dementsprechend knüpft der Entschädigungsanspruch des § 15
Abs. 2 Satz 1
AGG nicht an die behinderungsbedingte Nichteinstellung, sondern ausschließlich an Benachteiligungen im Bewerbungsverfahren an,
z.B. an einen Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 82 Satz 2
SGB IX. Die - als Ergebnis des Bewerbungs- und Auswahlverfahrens - nach Maßgabe des
Art. 33
Abs. 2
GG festgestellte bessere Eignung anderer Bewerberinnen und Bewerber rechtfertigt nur die Auswahlentscheidung und lässt nicht darauf schließen, dass auch das Bewerbungsverfahren tatsächlich ohne Benachteiligung einer Mitbewerberin oder eines Mitbewerbers durchgeführt worden ist. Wenn - wie durch § 82 Satz 3
SGB IX vorgegeben - die Frage der fachlichen Eignung bereits bei der Reichweite der verfahrensbezogenen Pflichten des Arbeitgebers zu prüfen ist, würde es das dort normierte Offensichtlichkeitserfordernis unterlaufen, wenn die fachliche Eignung auch für den Gegenbeweis herangezogen werden könnte; dieser ist auf andere Gesichtspunkte zu begrenzen. Nur dieses Verständnis entspricht § 15
Abs. 2 Satz 2
AGG, der eine Entschädigung in Fällen, in denen der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, gerade nicht ausschließt, sondern diese lediglich der Höhe nach begrenzt. Beruht auch das Auswahlergebnis auf der Benachteiligung, besteht Anspruch auf vollen Schadensersatz nach § 15
Abs. 1
AGG.
Die Widerlegung der infolge der Verletzung des § 82 Satz 2
SGB IX vermuteten Kausalität setzt daher den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung der Bewerberin oder des Bewerbers berühren. Letzteres folgt aus dem insoweit abschließenden Charakter des § 82 Satz 3
SGB IX."
Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass die Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung des Klägers berühren.
2.2.1. Soweit die Beklagte geltend macht, sie habe sich über die Bedeutung des Anforderungsprofils geirrt und angenommen, dass darin eine Vorerfahrung im Personalbereich
bzw. Personalwesen festgelegt sei, widerlegt dies nach den oben ausgeführten Maßstäben nicht die Vermutung der Kausalität, da dieser Einwand die fachliche Eignung des Klägers berührt (
vgl. auch:
BAG, Urt. v. 16.9.2008, BAGE 127, 367, juris Rn. 39; EuGH, Urt. v. 17.7.2008,
C-303/06, Coleman, Slg. 2008 I-05603, Rn. 52
ff., 55, 61 f.).
2.2.2. Dass die Beklagte eine schwerbehinderte Bewerberin (
Nr. 20) zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat, führt nicht den Nachweis, dass die Einladung des Klägers aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch seine fachliche Eignung berühren. Denn die Einladung der schwerbehinderten Bewerberin zum Vorstellungsgespräch erfolgte, weil diese nach ihrem Lebenslauf im Bereich der Personalvermittlung tätig war. Sie erfolgte damit im Hinblick auf deren fachlichen Qualifikation und führt gerade keinen Nachweis darüber, dass die Einladung des Klägers aufgrund von Umständen unterblieben ist, die keinen Bezug zu seiner fachlichen Eignung haben.
Entsprechendes gilt für den Hinweis der Beklagten, dass die Schwerbehindertenvertretung beteiligt worden sei, da deren Beteiligungsanspruch neben und unabhängig von dem Recht des Klägers auf Einladung zum Vorstellungsgespräch steht und möglicherweise auch die Schwerbehindertenvertretung fälschlicherweise davon ausgegangen ist, dass der Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen war, weil er keine reelle Chance hatte ausgewählt zu werden.
2.2.3. Soweit die Beklagte geltend macht, in einem anderen Bewerbungsverfahren (zur Stellennummer 32218) auf Wunsch der Schwerbehindertenvertretung weitere Bewerberinnen und Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch geladen zu haben, führt dieses Verhalten keinen Beweis darüber, dass im vorliegenden Bewerbungsverfahren die Benachteiligung aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung des Klägers berühren.
3. Der Entschädigungsanspruch ist vom Kläger innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung schriftlich geltend gemacht worden, § 15
Abs. 4
AGG: Das Personalamt hat dem Kläger mit Schreiben vom 28. Mai 2009 mitgeteilt, dass das Verfahren zur Besetzung der ausgeschriebenen Stelle mittlerweile abgeschlossen sei. Mit spätestens am 28. Juli 2009 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben des Klägers hat er einen Schadenersatz-
bzw. Entschädigungsanspruch nach § 15
Abs. 1 und 2
AGG geltend gemacht.
4. Der Entschädigungsanspruch des Klägers ist nicht ausnahmsweise nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242
BGB) unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs, insbesondere wegen mangelnder Ernsthaftigkeit der Bewerbung, ausgeschlossen. Mit Rücksicht auf die Gewährleistung eines tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutzes vor Benachteiligungen in Beschäftigung und Beruf ist an einen derartigen Anspruchsausschluss ein strenger Maßstab anzulegen (
BVerwG, Urt. v. 3.3.2011, a.a.O., juris Rn. 33).
Aus dem Umstand, dass der Kläger die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch im Rahmen des Bewerbungsverfahrens mit der Stellennummer 32218 abgelehnt hat, kann nicht die mangelnde Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung auf die Stelle mit der Stellennummer 25856 geschlossen werden. Denn in der Ausschreibung der Stelle 32218 ist - anders als in der Ausschreibung der Stelle 25856 - nicht erwähnt, dass zu den Klientinnen und Klienten von PIA vor allem Rückkehrerinnen und Rückkehrer aus der A. Kliniken Hamburg
GmbH zählen, die aufgrund Art und Schwere ihrer Behinderung besondere Unterstützung im Integrationsprozess benötigen. Gerade in Bezug auf dieses Klientel konnte der Kläger aber durch seine Tätigkeit als Schwerbehindertenvertreter Erfahrungen aufweisen, die es nachvollziehbar erscheinen lassen, sich nur auf diese Stelle, nicht aber auf die Stelle mit der Stellenummer 32218 zu bewerben. Zum Aufgabengebiet der unter der Stellennummer 3218 ausgeschriebenen Stelle zählte lediglich die Beratung und Vermittlung von Beschäftigten, die sich aus gesundheitlichen Gründen neu orientieren müssen; dies bedeutet nicht zwingend, dass diese eine Behinderung haben. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung dementsprechend vorgetragen, dass er sich auf jene Stelle nicht beworben habe, weil es dort nicht speziell um die Befassung mit schwerbehinderten Menschen gegangen sei.
5. Der Entschädigungsanspruch nach § 15
Abs. 2
AGG ist mit einem Monatsgehalt festzusetzen (5.1.) und bemisst sich nach dem Bruttomonatsgehalt A 12, Endstufe, mit Familienzuschlag und allgemeiner Stellenzulage Stand Mai 2009 (5.2.).
5.1. Gemäß § 15
Abs. 2 Satz 2
AGG darf die Entschädigung bei Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen. Die Vorschrift gilt nicht nur bei Einstellungen, sondern auch bei Beförderungen (
BAG, Urt. v. 17.8.2010, NJW 2011, 550, juris Rn. 61;
OVG Lüneburg, Urt. v. 10.1.2012, DÖD 2012, 88; Adomeit/Mohr,
AGG, 2. Aufl. 2011, § 15 Rn. 57; Palandt,
BGB, 72. Auflage 2013,
AGG 15 Rn. 7). Der gesetzliche Rahmen von bis zu drei Monatsgehältern gilt auch bei Beförderungsentscheidungen; insbesondere lässt sich die Entschädigungssumme im Fall einer Beförderungsentscheidung nicht von vorneherein auf die dreifache Vergütungsdifferenz beschränken, wenn der Beschäftigte die Stelle auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte (
BAG, Urt. v. 17.8.2010, a.a.O., juris Rn. 61; Belling in: Ermann,
BGB, 13. Auflage 2011, § 15
AGG Rn. 9; Palandt,
BGB, 72. Auflage 2013,
AGG 15 Rn. 7).
Die Bemessung des Entschädigungsanspruchs ist Aufgabe des Gerichts (
vgl. Adomeit/Mohr, a.a.O., § 15 Rn. 77; Bauer/Göpfert/Krieger,
AGG, 3. Aufl. 2011, § 15 Rn. 35;
BAG, Urt. v. 16.2.2012, NZA 2012, 667, juris Rn. 68 f.): Im Vordergrund steht der Ersatz des immateriellen Schadens, daneben sind bei der Bemessung der Entschädigungshöhe aber auch Aspekte der Verhaltenslenkung zu berücksichtigen. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Dazu zählen etwa Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und ihre Folgen und der Grad des Verschuldens. Zusätzlich ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen. Die Höhe ist auch danach zu bemessen, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist (
BAG Urt. v. 16.2.2012, a.a.O., juris Rn. 68
ff.). In "Regelfällen" einer Benachteiligung kann als Orientierungsgröße ein Monatsverdienst als "Regelentschädigung" herangezogen werden (
vgl. Adomeit/Mohr, a.a.O., § 15 Rn. 67, 71 m. w. N.;
LAG Hessen, Urt. v. 28.8.2009, 19/3 Sa 1636/08, juris;
vgl. insgesamt:
OVG Lüneburg, Urt. v. 10.1.2012, DÖD 2012, 88, juris Rn. 63). Da nach dem Wortlaut des § 15
Abs. 2 Satz 2
AGG drei Monatsgehälter die Obergrenze der Entschädigung bilden, die auch in extrem schwer wiegenden Fällen nicht überschritten werden darf, ist es nicht sachgerecht, im Regelfall die Entschädigung mit der Hälfte der Obergrenze und daher mit 1 ½ Monatsgehältern anzusetzen.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sieht das Gericht als Entschädigung ein Bruttomonatsgehalt der zu besetzenden Stelle als angemessen an; von der "Regelentschädigung" ist nicht abzuweichen: Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die aus der unterbliebenen Einladung zum Auswahlgespräch folgende Diskriminierung eine unmittelbare Benachteiligung des Klägers darstellt, welche regelmäßig schwerwiegender als eine mittelbare Diskriminierung zu werten ist (
BAG, Urt. v. 18.3.2010, NJW 2010, 2970, juris Rn. 43; Bauer/Göpfert/Krieger,
AGG, a.a.O., § 15 Rn. 36). Dabei ist zu berücksichtigen, dass, auch wenn die Stelle bei Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch voraussichtlich nicht mit ihm besetzt worden wäre, Ziel der gesetzlichen Regelung in § 82
SGB IX gerade die Gewährung einer verfahrensrechtlichen Chance des schwerbehinderten Bewerbers ist, sich und seine Fähigkeiten darzustellen. Dies gilt in besonderem Maß für den Kläger, der sich zwar aus einem gesicherten Arbeitsverhältnis beworben hat, für den die Bewerbung jedoch persönlich eine besondere Bedeutung hatte, da er seit 25 Jahren nicht befördert worden ist; der Kläger hat überzeugend in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass er diesen Umstand als belastend empfindet und auch einen Zusammenhang mit seiner Schwerbehinderung und seinen damit im Zusammenhang stehenden Beeinträchtigungen sieht. Auch glaubt das Gericht dem Kläger, dass für ihn die Wirkung der Diskriminierung dadurch verstärkt wurde, dass das Bewerbungsverfahren insgesamt abgebrochen wurde und ihm noch nicht einmal die Chance gegeben wurde, die Beklagte von seiner Eignung und seinen Fähigkeiten zu überzeugen, obwohl kein geeigneter Bewerber gefunden wurde. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Persönlichkeitsverletzung bei dieser Beförderungsentscheidung eine geringere Bedeutung aufweist, als bei einer erstmaligen Einstellung. Zu Gunsten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass sie nach ihren Einlassungen davon ausgegangen ist, das Anforderungsprofil sei nur erfüllt, wenn eine hauptberufliche Vorerfahrung im Personalbereich
bzw. Personalwesen gegeben sei. Allerdings wirkt sich in diesem Zusammenhang zu ihren Lasten aus, dass die Beklagte die Hausbewerberin aufgrund einer Vereinbarung mit dem Personalrat zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat, obwohl diese das Anforderungsprofil nach dem von der Beklagten beigemessenen Inhalt nicht erfüllte und daher kaum eine Chance hatte, für die ausgeschriebene Stelle ausgewählt zu werden.
5.2. Der anzusetzende monatliche Bruttoarbeitsverdienst bemisst sich nach dem Einkommen, das dem Kläger zugestanden hätte, wenn die Beförderung eingetreten wäre (
vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 10.1.2012, DÖD 2012, 88, juris Rn. 68; Palandt, a.a.O.,
AGG § 15 Rn. 7). Dies beträgt vorliegend - nach dem Stand der Besoldung im Mai 2009 - insgesamt 3.972,44 Euro und setzt sich aus dem Endgrundgehalt der Besoldungsstufe A 12 (3.786,11 Euro) nebst Familienzuschlag der Stufe 1 in Höhe von 111,58 Euro (§ 40
Abs. 1
BBesG i.V.m. Anlage V zum
BBesG) und der allgemeinen Stellenzulage in Höhe von 74,75 Euro zusammen.
II.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf einen weitergehenden Schadenersatz gemäß § 15
Abs. 1
AGG zu. Danach ist der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet, den hierdurch entstandenen materiellen Schaden zu ersetzen. Ein weitergehender materieller Schaden ist vom Kläger nicht nachgewiesen. Er hat insbesondere nicht nachgewiesen, dass er nach einem Vorstellungsgespräch auf die ausgeschriebene Stelle befördert worden wäre. Er hat den Vortrag der Beklagten, sie habe nur solche Bewerber einstellen wollen, die über eine Vorerfahrung im Personalwesen verfügten, nicht widerlegt.
III.
Die Verzinsung des Anspruchs von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an findet ihre Grundlage in §§ 291, 288
BGB in entsprechender Anwendung; die Klage ist am 19. Juli 2010 vor dem Verwaltungsgericht erhoben worden, wodurch die Rechtshängigkeit eingetreten ist, § 90
VwGO.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155
Abs. 1
VwGO; danach trägt jeder Beteiligte die Kosten verhältnismäßig soweit er unterlegen ist. Das Rechtsmittelgericht ist dabei zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung von Amts wegen in vollem Umfang befugt (BVerwGE, Urt. v. 23.5.1962, BVerwGE 14, 171;
OVG Berlin, Beschl. v. 27.6.1989, NVwZ 1990, 681). Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Berufungsurteils folgt aus § 167
Abs. 1 und 2
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 10, 711
ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132
Abs. 2
VwGO, § 127 BRRG nicht vorliegen.