Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. Die Klägerin hat gegenüber dem beklagten Land einen Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe; der insoweit ablehnende Bescheid vom 22.04.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113
Abs. 5 Satz 1
VwGO).
Gemäß
Art. 33
Abs. 2
GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Die Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis auf Probe steht nach den einfachgesetzlichen Vorschriften der §§ 9 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Er allein trifft die Entscheidung darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen er einen Bewerber in ein Beamtenverhältnis übernehmen will. Demgemäß hat die Klägerin grundsätzlich Anspruch darauf, dass das beklagte Land eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Verbeamtungsantrag trifft. Wenn allerdings keine andere Entscheidung als die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ermessensfehlerfrei ist, besteht ausnahmsweise ein unmittelbarer Anspruch auf Einstellung. So liegt der Fall hier.
Die ablehnende Entscheidung ist ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig. Nach
Art. 33
Abs. 2
GG und nach § 9 BeamtStG, der nach § 1 dieses Gesetzes für das Statusrecht der Landesbeamten unmittelbar gilt, sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Geeignet in diesem Sinne ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist,
BVerfG, Beschluss vom 21.02.1995 - 1 BvR 1397/93 - BVerfGE 92, 140 (151) = juris, Rn. 44.
Bei der von
Art. 33
Abs. 2
GG geforderten Eignungsbeurteilung hat der Dienstherr daher immer auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspricht,
BVerfG, Beschluss vom 10.12.2008 -
2 BvR 2571/07 - BVerfGK 14, 492 (496) = juris, Rn. 11.
Dabei ist ein - nicht behebbarer - Mangel der gesundheitlichen Eignung bereits bei der Berufung in das Verhältnis auf Probe zu berücksichtigen,
vgl. VG Ansbach, Urteil vom 11.04.2001 - AN 12 K 00.00664 -, juris.
Ist nach der körperlichen oder psychischen Konstitution eines Bewerbers die gesundheitliche Eignung nicht gegeben, kann er unabhängig von seiner fachlichen Eignung nicht verbeamtet werden. Er kann nicht in den Leistungsvergleich der Bewerber um die zur Vergabe stehenden Ämter einbezogen werden.
Zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 25.07.2013 Folgendes ausgeführt:
"Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung müssen die körperlichen und psychischen Veranlagungen des Bewerbers festgestellt und deren Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen bestimmt werden. Diese Beurteilungsvorgänge erfordern in aller Regel besondere medizinische Sachkunde, über die nur ein Arzt verfügt. Dementsprechend sieht § 9
Abs. 2
i.V.m. § 45
Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Beamtengesetzes vom 25. März 2009 - NBG - (Nds. GVBl
S. 72) in der Fassung des Gesetzes vom 12. Dezember 2012 (Nds. GVBl
S. 591) vor, dass die gesundheitliche Eignung aufgrund einer Untersuchung durch einen Amtsarzt oder einen beamteten Arzt festzustellen ist. Dieser muss gegebenenfalls einen Facharzt hinzuziehen. Die Notwendigkeit, einen Arzt hinzuzuziehen, bedeutet aber nicht, dass diesem die Entscheidungsverantwortung für das gesundheitliche Eignungsurteil übertragen werden darf. Vielmehr wird der Arzt als Sachverständiger tätig, auf dessen Hilfe der Dienstherr angewiesen ist, um die notwendigen Feststellungen treffen zu können. Der Dienstherr muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen nachvollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden (Urteil vom 21. Juni 2007 -
BVerwG 2 A 6.06 - Buchholz 11
Art. 33
Abs. 2
GG Nr. 35 Rn. 22 f.).
Es obliegt dem Dienstherrn, die körperlichen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn zu bestimmen. Hierbei steht ihm ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich der Ämter der Laufbahn zu orientieren hat. Diese Vorgaben bilden den Maßstab, an dem die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit der Bewerber zu messen ist (Urteil vom 21. Juni 2007 a.a.O.). Auf dieser Grundlage muss festgestellt werden, ob ein Bewerber, dessen Leistungsfähigkeit - etwa aufgrund eines chronischen Leidens - gemindert ist, den Anforderungen gewachsen ist, die die Ämter einer Laufbahn für die Dienstausübung stellen.
Die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers für das von ihm angestrebte öffentliche Amt bezieht sich nicht nur auf den gegenwärtigen Stand, sondern auch auf die künftige Amtstätigkeit und enthält eine Prognose, die eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Bewerbers verlangt (
BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 (296)). Die gesundheitliche Eignung eines im Zeitpunkt der Einstellungsuntersuchung dienstfähigen Beamtenbewerbers kann daher im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe oder eine chronische Erkrankung mit progredientem Verlauf verneint werden.
Die Prognose erfasst den Zeitraum bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze. Es kommt darauf an, ob der Beamtenbewerber voraussichtlich bis zu diesem Zeitpunkt Dienst leisten wird oder wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden muss.
Dieser Prognosezeitraum folgt aus den in
Art. 33
Abs. 5
GG verankerten hergebrachten Grundsätzen des Lebenszeit- und des Alimentationsprinzips. Diese Grundsätze verpflichten den Dienstherrn zur lebenslangen Versorgung der Ruhestandsbeamten. Daher verleihen sie dem Interesse des Dienstherrn an einem ausgewogenen zeitlichen Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit der Beamten einen verfassungsrechtlichen Stellenwert. Durch die Festlegung der Höchstaltersgrenze für die Verbeamtung und der Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand bringen Gesetz- und Verordnungsgeber zum Ausdruck, welche Lebensdienstzeit angemessen ist, um die Altersversorgung zu erdienen. Tritt der Beamte vor Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand, ist das Gleichgewicht zwischen Dienstzeit und Ruhestand verschoben, weil dem Dienstherrn die Arbeitskraft des Beamten zu früh verloren geht (Urteil vom 23. Februar 2012 -
BVerwG 2 C 76.10 - BVerwGE 142, 59 = Buchholz 11
Art. 33
Abs. 2
GG Nr. 54 jeweils Rn. 16 f.).
Der Ausschluss des Zugangs zum Beamtenverhältnis aus gesundheitlichen Gründen ungeachtet der fachlichen Eignung stellt eine Einschränkung der durch
Art. 33
Abs. 2
GG geschützten Zugangsmöglichkeit dar, die einer subjektiven Berufswahlschranke im Anwendungsbereich des
Art. 12
Abs. 1
GG entspricht (
vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 -
BVerwG 3 C 26.11 - NJW 2013, 1320 Rn. 15). Aufgrund dieser grundrechtlichen Bedeutung des Ausschlusses und des überaus langen, sich über Jahrzehnte erstreckenden Prognosezeitraums hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest, wonach der Eintritt der Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein muss (
vgl. Urteile vom 17. Mai 1962 -
BVerwG 2 C 87.59 - Buchholz 232 § 31 BBG
Nr. 6; vom 25. Februar 1993 -
BVerwG 2 C 27.90 - BVerwGE 92, 147 (149) und vom 18. Juli 2001 -
BVerwG 2 A 5.00 - Buchholz 232 § 31 BBG
Nr. 60
S. 2). Solange der Gesetzgeber keinen kürzeren Prognosezeitraum bestimmt, kann der Dienstherr die gesundheitliche Eignung aktuell dienstfähiger Bewerber nur verneinen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintreten wird.
Der bisherige Maßstab ist geeignet, Bewerber schon deshalb von dem Zugang zum Beamtenverhältnis auszuschließen, weil ihr gesundheitlicher Zustand vom Regelzustand abweicht. Dies gilt auch dann, wenn die Leistungsfähigkeit der Bewerber aktuell und auf absehbare Zeit nicht beeinträchtigt ist. Die negative Eignungsprognose ist in diesen Fällen bislang mit Typisierungen und statistischen Wahrscheinlichkeiten begründet worden, die weder einem Gegenbeweis noch einer nachträglichen Korrektur zugänglich sind (
vgl. hierzu Höfling/Stockter, ZBR 2008, 17).
Dies belegt der Fall des derzeit uneingeschränkt leistungsfähigen Klägers: Die Einschätzung, er werde vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze dienstunfähig, beruht ausschließlich auf der Annahme, dass eine bestimmte Personengruppe - hier die Multiple-Sklerose-Erkrankten - in ihrer Gesamtheit ein erhöhtes Risiko vorzeitiger Dienstunfähigkeit aufweist.
Angesichts des sich über Jahrzehnte erstreckenden Prognosezeitraums und der Komplexität der medizinischen Prognosen sind Entscheidungen über die gesundheitliche Eignung eines Beamtenbewerbers mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Einschätzung der gesundheitlichen Entwicklung, sondern auch im Hinblick auf den medizinischen Fortschritt. Künftige Präventions- oder Heilmethoden können heute noch nicht einbezogen werden. Vielfach ist auch die Wechselwirkung und damit Ursächlichkeit einzelner Faktoren für das Risiko schwerwiegender Symptombildungen noch nicht sicher erforscht. Belastbare Studien zur korrelationsstatistischen Beziehung einzelner Risikofaktoren zur Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit liegen nur sehr eingeschränkt vor.
Schließlich kann nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auch nicht davon ausgegangen werden, dass die vorzeitige Dienstunfähigkeit in nennenswertem Umfang auf Krankheiten zurückzuführen ist, die man zum Zeitpunkt der Einstellungsentscheidung hätte vorhersagen können (Nationaler Ethikrat, Prädiktive Gesundheitsinformationen bei Einstellungsuntersuchungen: Stellungnahme, 2005,
S. 59). Regelmäßig geht die vorzeitige Dienstunfähigkeit daher auf erst nachträglich eintretende Umstände zurück.
Eine entsprechende Prognosebeurteilung setzt eine hinreichende Tatsachenbasis voraus. Die gegenwärtig vorhandene gesundheitliche Eignung kann wegen künftiger Entwicklungen nur verneint werden, wenn durch tatsächliche Anhaltspunkte belegt werden kann, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist.
Daher muss in aller Regel ein Mediziner eine fundierte medizinische Tatsachenbasis für die Prognose auf der Grundlage allgemeiner medizinischer Erkenntnisse und der gesundheitlichen Verfassung des Bewerbers erstellen. Er muss das Ausmaß der Einschränkungen feststellen und deren voraussichtliche Bedeutung für die Leistungsfähigkeit und für die Erfüllung der beruflichen Anforderungen medizinisch fundiert einschätzen. Dabei hat er verfügbare Erkenntnisse über den voraussichtlichen Verlauf chronischer Krankheiten auszuwerten und in Bezug zum gesundheitlichen Zustand des Bewerbers zu setzen.
Die medizinische Diagnose muss daher Anknüpfungs- und Befundtatsachen darstellen, die Untersuchungsmethoden erläutern und ihre Hypothesen sowie deren Grundlage offenlegen. Auf dieser Grundlage hat sie unter Ausschöpfung der vorhandenen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand des Bewerbers eine Aussage über die voraussichtliche Entwicklung des Leistungsvermögens zu treffen, die den Dienstherrn in die Lage versetzt, die Rechtsfrage der gesundheitlichen Eignung im Sinne des
Art. 33
Abs. 2
GG eigenverantwortlich zu beantworten (
vgl. zur erforderlichen Prognosebasis auch
BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 - BVerfGE 109, 133 (165)).
2. Die Verwaltungsgerichte haben über die gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche Wertungen des Dienstherrn gebunden zu sein; diesem steht insoweit kein Beurteilungsspielraum zu. Auch insoweit hält der Senat an seiner früheren Rechtsprechung nicht fest (
vgl. Urteile 17. Mai 1962 -
BVerwG 2 C 87.59 - Buchholz 232 § 31 BBG
Nr. 6
S. 14 f. und vom 18. Juli 2001 -
BVerwG 2 A 5.00 - Buchholz 232 § 31 BBG
Nr. 60
S. 2).
Art. 19
Abs. 4 Satz 1
GG überträgt die Letztentscheidungsbefugnis für die Auslegung und Anwendung normativer Regelungen den Verwaltungsgerichten. Ein Beurteilungsspielraum der Verwaltung mit der Folge einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte muss zum einen normativ angelegt sein, d.h. sich durch Normauslegung ermitteln lassen. Zum anderen muss die Bestimmung des Bedeutungsgehalts einer Rechtsnorm so vage oder ihre fallbezogene Anwendung so schwierig sein, dass die gerichtliche Kontrolle wegen der hohen Komplexität oder der besonderen Dynamik der geregelten Materie an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt. Es reicht nicht aus, dass eine rechtliche Würdigung auf der Grundlage eines komplexen Sachverhalts zu treffen ist. Hinzu kommen muss, dass die Gerichte die Aufgabe, die entscheidungsrelevanten tatsächlichen Umstände festzustellen und rechtlich zu bewerten, selbst dann nicht bewältigen können, wenn sie im gebotenen Umfang auf die Sachkunde der Verwaltung zurückgreifen oder sich auf andere Weise sachverständiger Hilfe bedienen (
BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 (49 f.) und vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 (20 f.);
BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 -
BVerwG 2 C 33.08 - BVerwGE 134, 108 = Buchholz 240 § 58a
BBesG Nr. 2 jeweils Rn. 11).
Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die Prognose der gesundheitlichen Eignung von Beamtenbewerbern nicht erfüllt:
Der Spielraum des Dienstherrn bei der Bestimmung der gesundheitlichen Anforderungen für eine Laufbahn rechtfertigt keine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Beurteilung der daran anknüpfenden gesundheitlichen Eignung. Dabei ist der Gesundheitszustand des Beamtenbewerbers in Bezug zu den Anforderungen der Beamtenlaufbahn zu setzen. Es ist zu beurteilen, ob der Bewerber den Anforderungen genügt und ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich daran bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit überwiegender Wahrscheinlichkeit etwas ändert.
Wie dargestellt hat der Dienstherr die gesundheitliche Eignungsprognose auf der Grundlage einer fundierten medizinischen Tatsachengrundlage zu treffen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die Verwaltungsgerichte im Gegensatz zum Dienstherrn gehindert wären, sich auf dieser Grundlage ein eigenverantwortliches Urteil über die voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitszustandes und die Erfüllung der dienstlichen Anforderungen zu bilden. Dementsprechend ist anerkannt, dass dem Dienstherrn für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit als Voraussetzung für die vorzeitige Versetzung eines Beamten in den Ruhestand kein Beurteilungsspielraum zusteht (
vgl. nur Urteil vom 26. März 2009 -
BVerwG 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG
Nr. 25 jeweils Rn. 14 f.)."
Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer vollumfänglich an.
Ausgehend davon reicht die nicht näher belegte Einschätzung eines Mediziners über den voraussichtlichen Verlauf der bei einer Bewerberin bestehenden Erkrankung nicht aus. Sofern statistische Erkenntnisse über die gewöhnlich zu erwartende Entwicklung einer Erkrankung herangezogen werden sollen, sind diese nur verwertbar, wenn sie auf einer belastbaren Basis beruhen. Dafür muss über einen längeren Zeitraum hinweg eine signifikante Anzahl von Personen beobachtet worden sein. Zudem ist es bei der medizinischen Bewertung zu berücksichtigen, wenn der individuelle Krankheitsverlauf der Betroffenen Besonderheiten gegenüber den statistischen Erkenntnissen aufweist.
BVerwG, Beschluss vom 13.12.2013 -
2 B 37/13 -, juris, Rn. 23.
2. a) Gemessen an diesem Maßstab ist die Weigerung des beklagten Landes, die Klägerin in das Probebeamtenverhältnis zu übernehmen, rechtswidrig. Die auf das amtsärztliche Gutachten vom 19.01.2015 gestützte, für die Versagung der Übernahme allein maßgebliche negative Prognoseentscheidung bezüglich ihrer gesundheitlichen Eignung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Der einer amtsärztlichen Begutachtung grundsätzlich zukommende Vorrang gegenüber einer privatärztlichen Bewertung,
vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15.09.1999 - 1 DB 40/98 -, juris, Rn. 12, vom 08.03.2001 - 1 DB 8.01 -, juris, Rn. 12;
OVG NRW, Beschluss vom 12.01.2006 - 6 B 2006/05 -, juris, Rn. 6,
war hier bereits deshalb in Zweifel zu ziehen, weil das Gutachten entgegen den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts letztlich lediglich die nicht näher belegte Einschätzung eines Mediziners über den voraussichtlichen Verlauf des gesundheitlichen Zustands der Klägerin darstellt. Dort heißt es lediglich, dass eine Adipositas - insbesondere diesen Ausmaßes - mit einer Vielzahl von Begleiterkrankungen und Komplikationen einhergehe. Das Risiko für die Entwicklung von Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems und des Stoffwechsels steige. Bei der Klägerin könne der vorliegende erhöhte Cholesterin-Wert als erster Hinweis in diese Richtung gesehen werden. Weder werden in dem Gutachten die mit einer Adipositas einhergehenden behaupteten Risiken durch wissenschaftlich fundierte Studien belegt, noch wird schlüssig dargelegt, dass möglicherweise auftretende körperliche Einschränkungen bei der Klägerin auch tatsächlich das Risiko des vorzeitigen Eintritts der Dienstunfähigkeit
bzw. hoher Fehlzeiten bergen. Allein das Auftreten von Beschwerden
bzw. die zu erwartende Abweichung der Verfassung der Klägerin vom gesundheitlichen Normalzustand reichen für die Verneinung der gesundheitlichen Eignung der Klägerin aber gerade nicht aus.
Nach der Einholung des gerichtlichen Sachverständigengutachtens steht fest, dass die Zweifel gegenüber dem amtsärztlichen Gutachten durchgreifen. Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen ist die Klägerin gesundheitlich geeignet für die Berufung in ein Beamtenverhältnis, weil gerade keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den vorzeitigen Eintritt der Dienstunfähigkeit oder häufiger Fehlzeiten besteht.
Das Gutachten von
Prof. Dr. C. vom 19.08.2016 gelangt in seiner zusammenfassenden Antwort auf die Fragen des Beweisbeschluss vom 10.12.2015 ausdrücklich zu den vorgenannten Feststellungen. Das Gutachten überzeugt durch seine Grundlagen, seine Verfahrensweise und die Herleitung der abschließenden Feststellungen. Es beruht auf einer eingehenden Anamnese und Untersuchung der Klägerin. Dazu zählte neben einer körperlichen Untersuchung eine laborchemische Blutuntersuchung, die Durchführung einer Echokardiographie, eines Ruhe-EKG, einer Bodyplethysmographie/Spirometrie, sowie einer Langzeit-Blutdruckmessung. All diese Untersuchungen ergaben nach den Feststellungen des Sachverständigen keinerlei Auffälligkeiten, abgesehen von einer leichten Dyslipidämie, die der Sachverständige als nicht medikamentös behandlungsbedürftig einstuft. Das Gutachten enthält darüber hinaus eine Übersicht der mit Adipositas einhergehenden, durch Studien belegten erhöhten Risiken. Diese bestehen ganz überwiegend im Bereich des Herz-Kreislaufsystems. Unter Berücksichtigung dieser Studienlage sowie des konkreten Zustands der Klägerin hat der Sachverständige eine positive Prognose hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung abgegeben. Er hat dazu in der mündlichen Verhandlung für die Kammer nachvollziehbar und schlüssig erläutert, dass für Prognosen hinsichtlich einer längerfristigen Entwicklungen sog. Scores eingesetzt würden, die - unter Berücksichtigung zahlreicher Kriterien - das individuelle statistische kardiovaskuläre Risiko ausdrückten. Diese hätten bei der Klägerin die Zugehörigkeit zu einer Niedrig-Risiko-Gruppe ergeben (Wahrscheinlichkeit von (4% für ein tödliches oder nicht-tödliches kardiovaskuläres Ereignis). Der Sachverständige hat dazu erläutert, dass zu den in die Scores einfließenden Kriterien nicht das Gewicht zähle, weil es nicht zu den maßgeblichen Risikofaktoren gehöre. Gleichwohl könne man, basierend auf der Studienlage, von einem 2 bis 3-fach erhöhtem Risiko bei einer Adipositas mit einem
BMI von über 40
kg/qm, wie sie bei der Klägerin gegeben ist, ausgehen. Berücksichtige man diesen Faktor, ergebe sich möglicherweise ein Risiko von etwa 10%. Dies bedeute nicht die überwiegende Wahrscheinlichkeit des vorzeitigen Eintritts der Dienstunfähigkeit. Der Sachverständige hat ferner erläutert, dass die herangezogenen Scores zwar nur die Risiken bezogen auf einen 10-Jahres-Zeitraum ausdrücken und für einen längeren Zeitraum keine exakten Berechnungen möglich seien. Er hat aber weiter dargelegt, dass auch bei einer weiteren Erhöhung des Risikos unter Annahme etwa eines Zeitraums von 30 Jahren aus seiner Sicht immer noch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den vorzeitigen Eintritt der Dienstunfähigkeit vorliege. Dies hat er insbesondere mit dem vergleichsweise niedrigen Risiko von 10% für den 10-Jahreszeitraum begründet. Er hat ferner darauf abgestellt, dass in Bezug auf Erkrankungen, die erst in mehr als zehn Jahren auftreten, der zu erwartende medizinische Fortschritt zu berücksichtigen sei. Derr Sachverständige hatte schließlich auch die - neben den Herz-Kreislauf-Erkrankungen - weiteren erhöhten Risiken einer Adipositas im Blick. Dies betrifft namentlich das Risiko einer Diabetes, das nach seiner Einschätzung zwar erhöht sei, aber jedenfalls selbst im Falle der Verwirklichung gut behandelbar sei und deshalb nicht den damit einhergehenden Eintritt der Dienstunfähigkeit erwarten lasse.
Nach den in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Erläuterungen des Sachverständigen, der auch die von der Klägerin in der Vergangenheit durchgeführte ambulante psychotherapeutische Behandlung eher als günstigen Faktor wertete, bestand angesichts der auch vom behandelnden Psychotherapeuten schriftlich abgegebenen positiven Prognose vom 01.02.2015 für die Kammer keine Veranlassung zu weiterer Aufklärung hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung der Klägerin.
Ist danach vom Vorliegen der gesundheitlichen Eignung der Klägerin auszugehen, so erfüllt sie alle weiteren Voraussetzungen für die Berufung ins Probebeamtenverhältnis, namentlich die Laufbahnbefähigung, die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sowie das Unterschreiten der Höchstaltersgrenze. Mangels Vorliegen eines Ablehnungsgrundes ist das Ermessen des beklagten Landes auf Null reduziert, die Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154
Abs. 1
VwGO.