II.
Der Antrag nach § 123
VwGO, über den das Verwaltungsgericht Ansbach als örtlich zuständiges Verwaltungsgericht zu entscheiden hat (§ 52
Nr. 4 Satz 2
VwGO;
vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11.6.1981 - 2 ER 401.81, Buchholz 310 § 52
VwGO Nr. 22 und vom 24.2.1988 - 2 ER 401.87, Buchholz 310 § 53
VwGO Nr. 15), bleibt ohne Erfolg.
Gemäß § 123
Abs. 1 und
Abs. 2 Satz 1
VwGO kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Nach Satz 2 des § 123
Abs. 1
VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern die Maßnahme unerlässlich erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Beide Arten einer vorläufigen Anordnung setzen ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse der Wahrung des behaupteten streitbefangenen Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123
Abs. 3
i. V. m. § 920
Abs. 2
ZPO), wobei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend sind.
Über den Erfolg des Antrags ist aufgrund einer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung zu entscheiden. Ergibt die überschlägige rechtliche Beurteilung auf der Grundlage der verfügbaren und vom Antragsteller glaubhaft zu machenden Tatsachenbasis, dass von überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache auszugehen ist, besteht regelmäßig ein Anordnungsanspruch. Ein Anordnungsgrund setzt voraus, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen unzumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Kopp/Schenke,
VwGO, 15. Auflage, § 123, Rn. 26 m. w. N.).
Vorliegend beantragt der Antragsteller die vorläufige Einstellung als Steuerinspektoranwärter in den Vorbereitungsdienst für die dritte Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen, fachlicher Schwerpunkt Steuer, unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf. Ein konkretes Einstellungsdatum wird in dem Antrag selbst nicht genannt. Aus der Begründung des Antrags und der Klagebegründung im Verfahren AN 1 K 12.01995 (dort gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung in den Stand des Verfahrens vor dem 1. Oktober 2012) lässt sich jedoch entnehmen, dass der Antragsteller so gestellt werden möchte, als wäre er zum 1. Oktober 2012 in den Vorbereitungsdienst aufgenommen worden.
Mit seinem Antrag begehrt der Antragsteller eine Regelungsanordnung i.
S. d. § 123
Abs. 1 Satz 2
VwGO, denn sein Antrag ist auf die "Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitigen Rechtsverhältnis" und damit auf eine Änderung des status quo gerichtet, nämlich auf die Verpflichtung des Antragsgegners zu der - einstweiligen - Berufung des Antragstellers in das Beamtenverhältnis auf Widerruf (
vgl. BayVGH, Beschlüsse vom 19.9.2011 - 3 CE 11.1823 und vom 17.9.2009 - 3 CE 09.1383; Eyermann/Happ,
VwGO, 12. Aufl. 2006, § 123, Rn. 23).
Der Antrag auf Aufnahme in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zielt - wenn auch zeitlich begrenzt bis zum Abschluss des sachgleichen gerichtlichen Hauptsacheverfahrens - auf eine Vorwegnahme der Hauptsache zu Lasten des Antragsgegners. Eine solche Vorwegnahme der Hauptsache ist in einem Eilverfahren in der Regel nicht zulässig. Allerdings kann eine derartige einstweilige Anordnung ausnahmsweise getroffen werden, wenn der Antragsteller eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rechtzeitig erwirken kann und sein Begehren schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten bei Anlegung eines strengen Maßstabs erkennbar Erfolg haben muss (BayVGH, Beschluss vom 19.9.2011 - 3 CE 11.1823;
BVerwG vom 13.8.1999 - 2
VR 1/99, DVBl 2000, 487).
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Der Antragsgegner weist zutreffend darauf hin, dass die begehrte Einstellung des Antragstellers zum ...2012 nicht mehr möglich ist. Der Antragsgegner bildet im Bereich der Finanzverwaltung (hier: Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen, fachlicher Schwerpunkt Steuer) bedarfsorientiert aus (
vgl. Art. 26 Abs 1 Satz 1 LlbG). Der Vorbereitungsdienst für Steuerinspektoranwärter dieser Fachlaufbahn (in der dritten Qualifikationsebene) ist keine allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne des
Art. 12
Abs. 1
GG und der
Art. 25 und 26
Abs. 1 LlbG. Allgemeine Ausbildungsstätte und damit in erster Linie nach den Maßstäben der Berufsfreiheit des
Art. 12
Abs. 1
GG einzurichten ist der Vorbereitungsdienst dann, wenn er und die ihn abschließende Prüfung auch für Berufe außerhalb des öffentlichen Dienstes vorgeschrieben ist oder - bei fehlender gesetzlicher Regelung - jedenfalls nach deren Berufsbild zur abgeschlossenen Berufsausbildung gehört (
vgl. BVerfGE 39, 334, 372). Dies ist beispielsweise bei Justizreferendaren wegen der Zulassungsbedingungen für Rechtsanwälte der Fall, ebenso bei Lehramtsanwärtern im Hinblick auf die alternative Tätigkeit als Privatschullehrer. Hier liegt es indessen anders. Die Ausbildung als Steueranwärter ist, auch wenn sie nur im öffentlichen Dienst auf der Grundlage des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes vom 29.10.1996 (BGBl. I,
S.1577, zuletzt geändert durch
Art. 22 des Gesetzes vom 8.12.2010, BGBl. I,
S. 1768) möglich ist, kein notwendiger Ausbildungsabschnitt für die Erlangung eines weiteren Abschlusses. Der Vorbereitungsdienst ist dazu darauf ausgerichtet, nach bestehender Laufbahnprüfung die Anwärter in eine sich anschließende Probezeit und schließlich als Beamte auf Lebenszeit zu übernehmen. Eine gleichwertige Ausbildung ist aber außerhalb des öffentlichen Dienstes beispielsweise bei einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe mit dem Ziel des Steuerfachangestellten möglich. Eine Prüfung auf der Grundlage der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Steuerbeamten (vom 29.10.1996, BGBl. I,
S. 1581) ist für Berufe außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht vorgeschrieben. Sie zählt auch nicht zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung für die steuerberatenden Berufe. Damit sind Beschränkungen der Kapazität für den Vorbereitungsdienst schon durch
Art. 33
GG gerechtfertigt (
VG Hannover, Beschluss vom 28.6.2010 - 2 B 2375/10).
Die für den Ausbildungsbeginn ab dem ...2012 bedarfsorientiert vorgesehenen Ausbildungsstellen sind bereits besetzt worden. Für die Kammer bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der entsprechende Sachvortrag des Antragsgegners im Schriftsatz vom 19. November 2012 nicht der Wahrheit entsprechen sollte.
Der auch einem Einstellungsbewerber nach
Art. 33
Abs. 2
GG zustehende Bewerbungsverfahrensanspruch (
vgl. BVerwG, Urteil vom 25.2.2010 - 2 C 22/09, BVerwGE 136, 140) unterliegt zeitlichen Einschränkungen. Werden - wie vorliegend - Stellen für Beamte zu regelmäßig wiederkehrenden Zeitpunkten ausgeschrieben und besetzt so erlischt der materielle Einstellungsanspruch mit dem Verstreichen des Einstellungszeitpunktes und der Besetzung der Stellen durch andere Bewerber (
BVerwG, a.a.O.). Der Antragsteller kann zudem auch aus Rechtsgründen nicht so gestellt werden, als ob er zum ... 2012 in das Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen worden wäre, da eine rückwirkende Ernennung gemäß § 8
Abs. 4 BeamtStG unzulässig ist.
Eine Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung, den Antragsteller mit Wirkung für die Zukunft als Steuerinspektoranwärter unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf einzustellen, kommt ebenfalls nicht in Betracht:
Gemäß § 14 Satz 2 der Verordnung zur Regelung der besonderen Auswahlverfahren für den Einstieg in der zweiten und dritten Qualifikationsebene im nichttechnischen Bereich der Leistungslaufbahn (Auswahlverfahrensordnung - AVfV) vom 8. Februar 2000, GVBl 2000, 48, hat das Auswahlverfahren grundsätzlich nur für das Einstellungsjahr Geltung. Das Auswahlverfahren für das Einstellungsjahr 2012 ist jedoch mit der Berufung der ausgewählten Bewerber in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum 1. Oktober 2012 bereits abgeschlossen worden.
Der Antragsteller wäre deshalb gehalten gewesen, die von ihm behauptete Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs vor dem ... 2012 im Rahmen eines Antrags nach § 123
VwGO gerichtlich geltend zu machen. Dem Antragsteller war bereits seit Erhalt des Schreibens des Antragsgegners vom 14. Mai 2012 bekannt, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht zum ... 2012 als Steuerinspektoranwärter übernommen wird, so dass ausreichend Zeit bestanden hätte, zur Sicherung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
Obwohl nicht mehr entscheidungserheblich, wird darauf hingewiesen, dass der Bescheid des Antragsgegners vom 14. Mai 2012 und der Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2012 nicht rechtswidrig sind und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzten (§ 113
Abs. 1
VwGO).
Ein Anspruch auf eine Einstellung des Antragstellers unter gleichzeitiger Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf ergibt sich weder aus
Art. 33
Abs. 2
GG noch aus
Art. 12
Abs. 1
GG, da - wie bereits ausgeführt - der Vorbereitungsdienst für die dritte Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen mit dem fachlichen Schwerpunkt Steuer keine allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne dieser Vorschrift ist (
vgl. Art. 25 LlbG). Die Ausbildung in der dritten Qualifikationsebene ist auf die Bedürfnisse der bayerischen Finanzverwaltung zugeschnitten,
d. h. dass die Ausbildung nach dem vorhandenen Bedarf erfolgt.
Der bei Einstellungen in das Beamtenverhältnis zu beachtende Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers (
Art. 33
Abs. 2
GG, § 9 BeamtStG) beschränkt sich deshalb auf das formelle subjektive Recht auf eine sachgerechte Auswahl der Bewerber nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung und führt nicht zu einem Anspruch auf Einstellung. Die gilt auch für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst, soweit dieser keine allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne des
Art. 12
Abs. 1 Satz 1
GG ist (
Art. 25 LlbG).
Nur dann, wenn das hierbei dem Dienstherrn eröffnete Auswahlermessen (Beurteilungsspielraum) ausnahmsweise "auf Null reduziert" ist, könnte sich der Bewerbungsverfahrensanspruch zu einem Einstellungsanspruch verdichten. Voraussetzung dafür ist, dass angesichts der besonderen Umstände des zu entscheidenden konkreten Falls überhaupt nur eine einzige Entscheidung - nämlich die Einstellung - ermessensfehlerfrei sein könnte (
vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 8.11.2010 - 5 ME 225/10; BayVGH, Beschluss vom 17.9.2009 - 3 CE 09.1383; Kopp/Schenke,
VwGO, § 114, Rn. 6).
Dass der Antragsteller offensichtlich alle gesetzlichen Voraussetzungen für eine Einstellung erfüllt, hat er nicht glaubhaft machen können. Es ist ihm nicht gelungen darzulegen, dass die die Entscheidung des Antragsgegners tragende Begründung, wonach er nicht über die erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge, eindeutig nicht zutrifft.
Die gesundheitliche Eignung setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Möglichkeit künftiger Erkrankungen und des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (
vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08, juris). Zweck der Einstellungsuntersuchung ist - soweit es sich nicht um die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne des
Art. 12
Abs. 1 Satz 1
GG handelt - nicht nur die Feststellung des aktuellen gesundheitlichen Zustands, sondern eine Prognose über die gesundheitliche Eignung für die spätere Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit (Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, a.a.O., § 9 BeamtStG, Rn. 43;
vgl. BayVGH, Beschluss vom 9.6.2008 - 3 CS 08,1106). Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums umfassen das Lebenszeitprinzip; dies bedeutet auf Seiten des Beamten die grundsätzlich auf Lebenszeit angelegte Dienstverrichtung und auf Seiten des Dienstherrn die auf Lebenszeit angelegte Alimentierung - während der aktiven Zeit durch Besoldung und danach durch Versorgungsbezüge. Anders als im Bereich einer allgemeinen Ausbildungsstätte, die in erster Linie nach den Maßstäben der Berufsfreiheit einzurichten ist, reicht es deshalb nicht aus, dass der Bewerber für das Beamtenverhältnis auf Widerruf aller Voraussicht nach seine Ausbildungszeit ohne gesundheitliche Probleme wird absolvieren können. Da die Ausbildung des Antragsteller in einem Beamtenverhältnis mit dem Ziel der späteren Verwendung im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfolgt, ist die aufgrund der ärztlichen Untersuchung vom Dienstherrn anzustellende Prognose der vorzeitigen Dienstunfähigkeit auf die Zeit bis zum Eintritt in den Altersruhestand zu erstrecken. Der Antragsteller kann sich deshalb nicht zu seinen Gunsten darauf berufen, dass die Amtsärztin in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 26. April 2012 hinsichtlich einer Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Widerruf, also für die Zeit des Vorbereitungsdienstes, keine gesundheitlichen Bedenken geäußert hat.
Bezüglich der gesundheitlichen Eignung hat der Dienstherr eine Prognoseentscheidung zu treffen (
vgl. BVerwG, Urteil vom 21.6.2007 - 2 A 6/06, DokBer 2007, 312
ff.; Urteil vom 18.7.2001 - 2 A 5/00, NVwZ-RR 2002, 49 = ZBR 2002, 184; Urteil vom 25.2.1993 - 2 C 27/90, BVerwGE 92, 147), die im Rahmen des dem Dienstherrn zustehenden Beurteilungsspielraums sowohl am individuellen Gesundheitszustand des Bewerbers als auch an wissenschaftlich gesicherten allgemeinen Erkenntnissen und Erfahrungswerten festgemacht werden kann (
vgl. OVG Münster, Beschluss vom 12.3.2008 - 6 A 4819/05;
VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25.6.2008 -
1 K 3143/06, NVwZ-RR 2009, 252) und die sich - wie bereits ausgeführt - auf die Gesamtdauer eines späteren Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit erstreckt.
Die Beurteilung der (fachlichen und) persönlichen Eignung des Beamten, zu der auch die gesundheitliche Eignung gehört, durch den Dienstherrn ist gerichtlich nur eingeschränkt darauf hin überprüfbar, ob der Begriff der fehlenden Eignung und die gesetzliche Grenze des Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Tatbestand zu Grunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt wurden (
vgl. BayVGH, Beschluss vom 16.5.2002 - 3 CS 02.629;
BVerwG, Urteil vom 18.7.2001 - 2 A 5.00, ZBR 2002, 184).
Dies ist vorliegend nicht der Fall, insbesondere lag der Prognoseentscheidung des Antragsgegners kein unrichtiger Tatbestand (Sachverhalt) zu Grunde.
Der Antragsteller durfte seine Prognoseentscheidung auf die amtsärztlichen Stellungnahmen vom 26. April 2012 und vom 25. September 2012 stützen. Diese sind zu der Einschätzung gelangt, dass der weitere Krankheitsverlauf beim Kläger zum jetzigen Zeitpunkt nicht verlässlich diagnostiziert werden könne. Derzeit ließen sich deshalb weder häufige Fehlzeiten noch eine vorzeitige dauernde Dienstunfähigkeit mit hohem Grad an Wahrscheinlichkeit ausschließen.
Den Feststellungen des Amtsarztes kommt grundsätzlich Vorrang vor der medizinischen Beurteilung des Privatarztes zu. Hierfür sind die in der Regel besseren Kenntnisse des Amtsarztes hinsichtlich der Belange der öffentlichen Verwaltung und der von dem Beamten zu verrichtenden Tätigkeiten sowie seine größere Erfahrung bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit maßgebend (
vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.3.2001 - 1 DB 8.01, DVBl. 2001, 1079; Nds.
OVG, Beschluss vom 23.8.2007 - 5 ME 163/07). Dieser Vorrang im Konfliktfall hat seinen Grund auch in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nimmt der Amtsarzt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vor. Er steht Beamten und Dienststelle gleichermaßen fern (
vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2006 - 1 D 10/05; Urteil vom 9.10.2002 - 1 D 3.02).
Liegen indes dem amtsärztlichen Gutachten widersprechende, privatärztliche Stellungnahmen vor, kommt der Beurteilung des Amtsarztes dann, wenn seine medizinische Beurteilung hinsichtlich desselben Krankheitsbildes von der Beurteilung des behandelnden Privatarztes abweicht, nur unter den Voraussetzungen ein Vorrang zu, dass keine begründeten Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bestehen, die medizinischen Beurteilungen auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruhen sowie in sich stimmig und nachvollziehbar sind und der Amtsarzt auf die Erwägungen des Privatarztes, wenn dieser seinen medizinischen Befund näher erläutert hat, eingeht und nachvollziehbar darlegt, warum er ihnen nicht folgt (
vgl. BVerwG, Urteil vom 12.10.2006 - 1 D 2.05; Beschluss vom 8.3.2001 - 1 DB 8.01, DVBl. 2001, 1079).
Jedenfalls die amtsärztliche Stellungnahme vom 25. September 2012 genügt diesen Anforderungen. Sie berücksichtigt sämtliche vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, insbesondere auch die medizinische Bewertung durch den den Antragsteller behandelnden Arzt ... vom 11. Juni 2012. Die Amtsärztin hat zudem am 21. September 2012 vorsorglich eine fachärztliche Zusatzbegutachtung anhand der vorliegenden Aktenlage durch Herrn
Dr. ..., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, durchführen lassen.
Die Amtsärztin hat in ihrer zweiten Stellungnahme
u. a. ausgeführt, die Wahrscheinlichkeit, dass sich in Zukunft eine Multiple Sklerose entwickle, sei nach Längsschnittuntersuchungen (
z.B. FISNIKU 2008, BREX 2002) etwa 80 %. Seien (wie beim Antragsteller) oligoklonale Banden im Liquor nachgewiesen, erhöhe sich hier das Risiko an einer Multiplen Sklerose zu erkranken, nochmals etwas (TINTORE 2008). Dieses Risiko sei offensichtlich auch vom behandelnden Facharzt als sehr hoch eingeschätzt worden, da nach dem Auftreten der neurologischen Krankheitssymptome und Feststellung der relativ hohen Läsionslast mittels MRT-Untersuchung eine dauerhafte immunmodulierende Therapie eingeleitet worden sei und weiterhin durchgeführt werde. Wie wahrscheinlich diese Multiple Sklerose dann zu Funktionsdefiziten führe, lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt prognostisch nicht beantworten. Es sei jedoch bekannt, dass in der Gesamtheit der Patienten, die an Multipler Sklerose erkrankt seien, ein größerer Teil früher aus dem Berufsleben ausscheide als dies in der Allgemeinbevölkerung der Fall sei. Da der weitere Krankheitsverlauf beim Antragsteller zum jetzigen Zeitpunkt nicht verlässlich prognostiziert werden könne, ließen sich derzeit weder häufige Fehlzeiten noch eine vorzeitige dauerhafte Dienstunfähigkeit mit hohem Grad an Wahrscheinlichkeit ausschließen.
Der Antragsteller konnte die medizinische Bewertung durch die Amtsärztin nicht substantiiert in Frage stellen. Der Verweis auf eine Studie aus dem Jahr 2008, die zudem nicht einmal näher präzisiert worden ist, reicht hierfür nicht aus. Demgegenüber hat die Amtsärztin ihre medizinische Prognose durch Nennung entsprechender Längschnittuntersuchungen (FISNIKU 2008, BREX 2002 und TINTORE 2008) untermauert, so dass für die Kammer keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der amtsärztlichen Bewertung bestehen.
Das in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument des Antragstellers, er dürfe nicht anders behandelt werden wie ein Bewerber, der an Adipositas leidet oder raucht, verfängt nicht, da es gerade auf den individuellen Gesundheitszustand des Antragstellers ankommt.
Ein abgemilderter Prognosemaßstab und eingeschränkter Ermessensspielraum des Dienstherrn besteht allein für schwerbehinderte Menschen, bei denen dem verfassungsrechtlichen Gebot des
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG zufolge die gesundheitliche Eignung nur verneint werden darf, wenn im Einzelfall zwingende Gründe für das Festhalten an dem allgemeinen Maßstab sprechen (
vgl. BVerwG, Urteil vom 21.6.2007,
a. a. O., unter Hinweis auf
BVerfG, Beschluss vom 8.10.1997 -
1 BvR 9/97, BVerfGE 96, 288
ff.; Beschluss vom 19.1.1999 - 1 BvR 2161/94, BVerfGE 99, 341
ff.) und der Forderung des § 128
Abs. 1
SGB IX entsprechend gemäß
Art. 21
Abs. 1 Satz 1 LlbG nur ein Mindestmaß an körperlicher Eignung verlangt werden kann (
bzw. darf) und bezüglich deren Ziffer
IV. 6. der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Angehöriger des öffentlichen Dienstes in Bayern vom 3. Dezember 2005 (FMBl 2005, 193
ff.) - Fürsorgerichtlinien 2005 - bestimmt, dass schwerbehinderte Menschen auch dann in ein Beamtenverhältnis berufen werden können (
bzw. dürfen), wenn aufgrund ihrer Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit denkbar ist und dass für die zukunftsbezogene Gesundheitsprognose die amtsärztliche Bestätigung einer Dienstfähigkeit von voraussichtlich noch wenigstens fünf Jahren genügt.
Der Antragsteller ist nicht als Schwerbehinderter gemäß
§ 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt worden, er hat nach Aktenlage nicht einmal einen solchen Antrag gestellt. Die vom Vertreter zitierten Empfehlungen des Nationalen Ethikrates binden den Antragsgegner nicht.
Soweit § 9 BeamtStG in Anlehnung an das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz -
AGG - ausdrücklich vorschreibt, dass Ernennungen ohne Rücksicht auf eine Behinderung vorzunehmen sind, vermag auch dies dem Begehren des Antragstellers nicht zum Erfolg zu verhelfen. Unabhängig davon, dass eine Behinderung des Antragstellers bisher weder behauptet noch festgestellt worden ist, wäre eine "Benachteiligung" wegen der Besonderheiten des beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses gerechtfertigt (so auch bereits
VG Bayreuth, U. v. 29.5.2009, B 5 K 08.173, juris). Denn § 8
Abs. 1
AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung von Personen ausdrücklich dann zu, wenn die auszuübende Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung verlangen und diese Anforderung einen rechtmäßigen Zweck verfolgt und angemessen ist. Solange eine gesundheitliche Einschränkung nicht die Tragweite einer Schwerbehinderung erreicht, ist demnach eine nachteilige Behandlung gesundheitlich beeinträchtigter Bewerber durch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (
Art. 33
Abs. 5
GG), zu denen neben dem Lebenszeitprinzip insbesondere die Pflicht des Dienstherrn zur amtsangemessenen Alimentation während des aktiven Dienstes wie auch nach erfolgter Ruhestandsversetzung zu zählen ist, zu rechtfertigen. Die besonderen Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern schützen vor einer übermäßigen finanziellen Belastung des Dienstherrn und letztlich der Allgemeinheit, die mit ihren Steuerzahlungen die Mittel für die Besoldung aufbringt (
vgl. VG Ansbach, Urteil vom 10.8.2012 - AN 1 E 12.01106;
VG Hannover, Urteil vom 27.5.2009 -
2 A 1621/08).
Während des aktiven Dienstes soll der krankheitsbedingte Ausfall der Arbeitskraft eines Beamten möglichst auf ein Minimum reduziert sein, denn das Alimentationsprinzip verpflichtet zur Vollalimentation eines Beamten selbst bei einer längerfristigen Erkrankung. Das Erfordernis einer hohen Wahrscheinlichkeit des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze dient darüber hinaus der Vermeidung vorzeitiger Ruhestandsversetzungen wegen Dienstunfähigkeit und damit einer gleichgewichtigen Verteilung zwischen aktiver Dienst- und Versorgungszeit. Dass dieser Aspekt einen angemessenen Differenzierungsgrund darstellen kann, folgt bereits aus der Regelung des § 10
Abs. 3
AGG, wonach Höchstaltersgrenzen für die Einstellung im Hinblick auf eine Benachteiligung wegen Alters ausdrücklich zugelassen werden , um eine angemessene Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand erreichen zu können.
Soweit das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in dem vom Antragsteller herangezogen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09, DÖD 2011, 113
ff. = ZBR 2011, 263
ff. den Begriff der gesundheitlichen Eignung eines Beamtenbewerbers, der behindert, aber nicht schwerbehindert ist, dahingehend modifiziert, dass derjenige Bewerber für die Übernahme in das Beamtenverhältnis als gesundheitlich geeignet anzusehen sei, bei dem sich nach der prognostischen Einschätzung des Dienstherrn künftige Erkrankungen des Bewerbers und dauernde vorzeitige Dienstunfähigkeit (nicht mit einem hohen, jedenfalls aber) mit einem überwiegenden Grad an Wahrscheinlichkeit, also mit mehr als 50 vom Hundert, ausschließen lassen, vermag auch dies eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen, da sich den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen entsprechende Anhaltspunkte für eine Behinderung des Antragstellers nicht entnehmen lassen, das Vorliegen einer Behinderung vom Antragsteller sogar selbst nicht einmal behauptet wird.
Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung war demnach insgesamt mit der Kostenfolge aus § 161
Abs. 1, § 154
Abs. 1
VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung (987,97
EUR x 6,5) beruht auf §§ 53
Abs. 3
Nr. 1, 52
Abs. 1 GKG
i. V. m.
Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Stand 2004.