Der Ablehnungsbescheid der Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 13.08.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Senatorin für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 24.09.2019, soweit sich dieser auf den Ablehnungsbescheid bezieht, wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin begehrt die Neubescheidung ihres Antrags auf Ernennung als Beamtin auf Probe.
Die Klägerin wurde 1997 geboren und erwarb im Juni 2015 die allgemeine Hochschulreife. Im Anschluss bewarb sich die Klägerin erfolgreich beim Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen für einen Ausbildungsplatz als ...anwärterin. Mit Wirkung zum 01.10.2015 wurde die Klägerin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur ...anwärterin ernannt.
Seit Juni 2016 befand sich die Klägerin in psychotherapeutischer Behandlung. Laut der amtsärztlichen Zeugnisse des Gesundheitsamtes für den Landkreis Oldenburg (im Folgenden: Gesundheitsamt Oldenburg) vom 21.11.2017 und 12.06.2018, welche aufgrund einer von der Klägerin beantragten Schreibverlängerung ihrer Arbeit angefertigt wurden, leide die Klägerin an einem komplexen psychiatrischen Krankheitsbild, welches durch ausgeprägte Konzentrationsstörungen, Antriebsstörungen, Überforderungssymptomatik und diffuse Ängste gekennzeichnet sei. Vom 05.02.2018 bis 30.04.2018 war die Klägerin aufgrund dieser psychiatrischen Erkrankung dienstunfähig. Sie konnte mehrere Ausbildungsstationen nicht absolvieren. Die Klägerin befand sich bis zum 06.04.2018 in stationärer psychosomatischer Behandlung und anschließend in ambulanter Begleitung. Im Anschluss wurden auf Antrag der Klägerin die aufgrund der Dienstunfähigkeit nicht absolvierten Ausbildungsstationen von der Beurteilung ausgenommen. Am 24.09.2018 bestand die Klägerin prüfung mit der Abschlussnote "ausreichend" (6,32 Punkte). Das Beamtenverhältnis endete mit Ablauf des 30.09.2018.
Die Beklagte ernannte die Klägerin mit Wirkung zum 01.10.2018 befristet bis zum 30.09.2019 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf . Dies geschah laut Angaben der Beklagten vor dem Hintergrund der Erkrankung der Klägerin. Es erfolgte eine Zuweisung an das Amtsgericht Bremen. Der Klägerin wurde seitens der Beklagten mitgeteilt, dass eine Ernennung zur Beamtin auf Probe erst erfolgen könne, wenn die gesundheitliche Eignung durch einen Amtsarzt festgestellt werde.
Nachdem die Vorgesetzte der Klägerin am Amtsgericht Bremen aufgrund eines persönlichen Gesprächs mit der Klägerin und aus Sorge um deren gesundheitlichen Zustand eine Meldung an die Gerichtsleitung des Amtsgerichts sowie an das Oberlandesgericht machte, wurde die Klägerin in einem Gespräch am 18.12.2018 darum gebeten, ein Attest ihrer behandelnden Ärztin über ihre Dienstfähigkeit und mögliche Einschränkungen hinsichtlich der ihr übertragenen Aufgaben beizubringen. Die Klägerin legte daraufhin das ärztliche Attest ihrer behandelnden Ärztin vor, wonach die Klägerin uneingeschränkt dienstfähig sei. Mit Schreiben vom 09.01.2019 forderte die gemeinsame Personalstelle beim Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen die Klägerin auf, eine amtsärztliche Untersuchung über die Frage nach ihrer Eignung als Beamtin auf Lebenszeit zu veranlassen. In dem dazugehörigen Schreiben wurde in das Adressfeld "An das zuständige Gesundheitsamt für " eingetragen. Die Klägerin wohnte zu diesem Zeitpunkt in .
Mit Schreiben vom 04.03.2019 wurde durch Frau
Dr. eine mittelschwere, angstgefärbte depressive Episode mittlerer Ausprägung diagnostiziert. Die depressive Symptomatik sei rückläufig. Im amtsärztlichen Zeugnis des Gesundheitsamtes Oldenburg vom 12.03.2019, wobei fälschlicherweise der 26.02.2019 als Datum angegeben wurde, kamen Frau
Dr. und Herr
Dr. zu dem Ergebnis, dass eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht befürwortet werden könne. Im Zeugnis wurden folgende Erkrankungen als bekannt angegeben: Depressive Störung, Essstörung, chronischer Spannungskopfschmerz und generalisierte Angststörung. Hieraus ergebe sich ein komplexes psychiatrisches Krankheitsbild, welches durch ausgeprägte Konzentrationsstörungen, Antriebsstörungen, Überforderungssymptomatik und diffuse Ängste mit sozialem Rückzug gekennzeichnet sei. Ein solches Krankheitsbild zeige erfahrungsgemäß eine chronische Verlaufsform. Auch nach vorübergehender Stabilisierung komme es häufig in Phasen erhöhter Stressbelastung zu einer erneuten Krankheitsverschlechterung. Aus Sicht der Amtsärzte könne daher nicht mit dem notwendigen Maß an Sicherheit ein vorzeitiger Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit ausgeschlossen werden.
Am 27.03.2019 kam es zur Anhörung der Klägerin aufgrund des Ergebnisses des amtsärztlichen Zeugnisses und der sich daraus ergebenden Konsequenzen bezüglich einer Entlassung zum 30.09.2019. Hieran nahmen Frau als Frauenbeauftragte des Hanseatischen Oberlandesgerichts, Frau als Personalratsvorsitzende des Hanseatischen Oberlandesgerichts, Frau als Geschäftsleiterin des Amtsgerichts, Frau als persönliche Vertrauensperson und Herrn als Geschäftsleiter des Amtsgerichts teil. Im Rahmen der Anhörung erklärte die Klägerin, mit dem amtsärztlichen Zeugnis nicht einverstanden zu sein. Der Bitte der Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 22.03.2019 hinsichtlich der Entlassung der Klägerin zum Ende des Beamtenverhältnisses am 30.09.2019, stimmten die Frauenbeauftragte und die Vorsitzende des Personalrats des Oberlandesgerichts am 27.03.2019 zu.
Mit Schreiben vom 27.06.2019 erklärte die behandelnde Ärztin der Klägerin, dass in den letzten Monaten eine gute Stabilisierung der Klägerin erreicht worden sei, was man an den kaum vorhandenen Krankschreibungen erkennen könne. Es liege keine Chronifizierung des Krankheitsbildes vor. Aus ihrer Sicht sei eine Verlängerung der Verbeamtungszeit auf Probe für insgesamt 5 Jahre sinnvoll.
Mit Schreiben vom 04.07.2019, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 12.07.2019 zugestellt, widerrief die Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts das befristete Beamtenverhältnis der Klägerin zum 30.09.2019. Als Begründung wurde das amtsärztliche Zeugnis angeführt, wonach die notwendige gesundheitliche Eignung der Klägerin aufgrund ihrer psychiatrischen Erkrankung fehle.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 16.07.2019, beim Oberlandesgericht am 17.07.2019 eingegangen, Widerspruch ein und beantragte zugleich die Ernennung als Beamtin auf Probe. Zur Begründung trug die Klägerin vor, dass bereits die befristete Ernennung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf rechtswidrig gewesen sei. Das Beamtenverhältnis hätte nach der erfolgreichen Ausbildung zwingend als Beamtenverhältnis auf Probe geführt werden müssen. Darüber hinaus sei das amtsärztliche Gutachten nicht verwertbar aufgrund der fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Gesundheitsamtes Oldenburg. Es sei vielmehr der bremische Amtsarzt
gem. § 3
Abs. 1
Nr. 2 des Bremischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BremVwVfG) zuständig. Außerdem fehle der beauftragten Ärztin, Frau.
Dr. , die notwendige fachliche Qualifikation, da sie Fachärztin für Anästhesie und nicht für Psychiatrie und Psychotherapie sei. Die notwendige Beauftragung eines/r fachlich qualifizierten Arztes/Ärztin sei nicht erfolgt. Zudem nähmen die eingereichten fachärztlichen Berichte gerade keine Chronifizierung sondern eine Stabilisierung des Krankheitsbildes der Klägerin an.
Mit Schreiben vom 13.08.2019, welches an den Senator für Justiz und Verfassung adressiert war, erklärte die Präsidentin des Oberlandesgerichts, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werde und lehnte gleichzeitig den Antrag auf Ernennung in das Beamtenverhältnis auf Probe ab. Die Beklagte begründete dies damit, dass die Befristung bis zum 30.09.2019 ausdrücklich in Abstimmung mit der Klägerin erfolgt sei und der Klärung der Frage der gesundheitlichen Eignung der Klägerin gedient habe. Die Einholung eines notwendigen amtsärztlichen Gutachtens sei erst nach Absprache mit den behandelnden Ärzten der Klägerin geplant gewesen. Der Klägerin sei eine Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf beim Amtsgericht Bremen
gem. § 4
Abs. 4 Buchst. b.) des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) angeboten worden. Durch die Entgegennahme der Ernennungsurkunde habe die Klägerin dem Vorgehen vorbehaltlos zugestimmt. Zudem sei die Ernennung als Beamte auf Probe kein Automatismus. Eine Verbeamtung auf Probe sei aufgrund der durch den Klinikaufenthalt und die amtsärztlichen Zeugnisse entstandenen Zweifel an der gesundheitlichen Eignung der Klägerin vielmehr unzulässig gewesen. Auch ein Anspruch auf Umwandlung des Beamtenverhältnisses bestehe nicht mit Verweis auf § 7
Abs. 7 des Bremischen Beamtengesetzes (BremBG). Die Probezeit diene zudem lediglich der Bewährung der fachlichen und persönlichen Eignung, nicht aber bezüglich der Klärung von Fragen zur gesundheitlichen Eignung (§ 19 BremBG). Darüber hinaus handele es sich bei der Zuständigkeit des Gesundheitsamts Bremen nicht um eine ausschließliche Zuständigkeit, sodass auch das Gesundheitsamt am Wohnort der Bediensteten gleichberechtigt zuständig sei. Es bestünden auch keine gesetzlichen Unterschiede bezüglich der Prüfung der gesundheitlichen Eignung zwischen Niedersachsen und Bremen. Es habe auch keine Vorauswahl durch das Oberlandesgericht stattgefunden, das Gesundheitsamt für den Landkreis Oldenburg sei nicht von der Einstellungsbehörde beauftragt worden. Es sei ständige Praxis in Bremen, dass sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an das Gesundheitsamt des Wohnortes wenden müssen. Bezüglich der angemahnten Qualifikation der Amtsärzte wird ausgeführt, dass deren Kontrolle nicht Aufgabe des Oberlandesgerichts sei. Zudem habe Frau.
Dr. belegt, dass sie bereits seit sieben Jahren im Gesundheitsamt arbeite und regelmäßig Begutachtungen durchführe und darüber hinaus an der Akademie für öffentliches 6 Gesundheitswesen eine mehrwöchige Fortbildung für medizinische Begutachtung absolviert habe, die unter anderem auch die psychiatrische Begutachtung beinhaltet habe. Herr
Dr. habe zudem einen erheblichen Teil seiner Ausbildung in der Psychiatrie absolviert. Seit 10 Jahren sei er Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Gesundheitsamtes des Landkreises Oldenburg. Es seien darüber hinaus auch alle fachärztlichen Befunde berücksichtigt worden. Mit Schreiben vom 29.07. und 31.07.2019 seien beide Amtsärzte auch noch einmal um Stellungnahme gebeten worden, ob die Voraussetzungen der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich der fehlenden gesundheitlichen Eignung vorliegend erfüllt gewesen seien. Daraufhin bestätigten die Amtsärzte in einer E-Mail vom 12.08.2019, dass bei der Klägerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen sei. Depressionen seien eine schwere Erkrankung, welche sehr häufig in Phasen verlaufe. Innerhalb von zwei Jahren nach Ausheilung würden
ca. 40 % der monopolar depressiv Erkrankten ein Rezidiv erleiden, nach 5 Jahren 60 % und nach 10 Jahren 80 % laut einer Studie von Keller und Boland von 1998. Ungünstig seien im vorliegenden Fall zudem die psychiatrischen Zweiterkrankungen, insbesondere die Angst- und Zwangsstörungen sowie die diagnostizierte Essstörung. Die Befundlage sei bei der Klägerin so eindeutig, dass eine fachpsychiatrische Zusatzbegutachtung nicht notwendig gewesen sei. Zudem handele es sich bei der Einschätzung der Auswirkungen der Erkrankung auf die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe / Lebenszeit primär um eine amtsärztliche Fragestellung, für welche eine zusätzliche psychiatrische Begutachtung nicht notwendig sei.
Am 06.09.2019 legte die Klägerin gegen die Ablehnung des Antrags auf Ernennung zur Beamtin auf Probe Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie an, dass in ihrem Fall fälschlicherweise die Personalvertretung des Oberlandesgerichts Bremen beteiligt worden sei anstatt der Personalvertretung des Amtsgerichts Bremen. Die Klägerin sei nämlich am Amtsgericht tätig. Die Klägerin sei zudem entgegen der Vorhersagen des amtsärztlichen Zeugnisses nicht von der Tätigkeit überfordert gewesen und sei somit vom beschrieben Regelfall des Krankheitsbildes gerade nicht erfasst. Zudem liege auch kein beschriebener sozialer Rückzug vor, da die Klägerin in ihrer Kirchengemeinde sowie als Ausbilderin im Schwimmunterricht tätig sei. Das amtsärztliche Zeugnis sei zudem auch mangelhaft, da es lediglich auf einer 15-minütigen Besprechung basiere, bei welcher Herr
Dr. nicht anwesend gewesen sei. Es sei somit notwendig, ein weiteres amtsärztliches Gutachten einzuholen. Die Klägerin sei insbesondere bereit, sich einer erneuten amtsärztlichen Begutachtung durch Fachärzte für Psychiatrie und Psychologie zu unterziehen.
Am 10.09.2019 kam es zur Regelbeurteilung der Klägerin, wobei deren Leistung mit der Note "entspricht voll den Anforderungen" bewertet wurde. Im Rahmen der Bewertungskategorie "Belastbarkeit" wurde die Klägerin ebenfalls mit "entspricht voll den Anforderungen" bewertet. Sie verkrafte demnach auch vorübergehend höhere Belastungen und lasse regelmäßig keine Verzögerungen in der Aufgabenerledigung erkennen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2019, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 26.09.2019 zugestellt, wies die Senatorin für Justiz und Verfassung den Widerspruch der Klägerin zurück. Ergänzend zu den Begründungen der vorherigen Bescheide wurde vorgebracht, dass das Beamtenverhältnis auf Widerruf bereits kraft Gesetzes am 30.09.2019 ende und es demnach weder des Bescheids vom 04.07.2019 noch einer Beteiligung des Personalrates bedurft habe. Der Widerspruch gegen den erfolgten Widerruf des Beamtenverhältnisses gehe somit ins Leere. Bei der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe handele es sich um die Begründung eines neuen Beamtenverhältnisses. Die hierfür notwendige gesundheitliche Eignung liege nicht vor. Die amtsärztliche Untersuchung sei durch den zuständigen Amtsarzt erfolgt und das Gutachten habe unter Berücksichtigung aller Befunde aufgrund der chronischen Verlaufsform der Erkrankung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze angenommen. Es bestünden trotz der privatärztlichen Bescheinigung vom 27.06.2019 keine Zweifel an dem Ergebnis der amtsärztlichen Stellungnahme. Mangels Vorliegen einer personellen Maßnahme komme eine Beteiligung der Mitbestimmungsorgane nicht in Betracht.
Mit Schriftsatz vom 30.09.2019, am selben Tag bei Gericht eingegangen, hat die Klägerin Klage erhoben.
Zur Begründung führt die Klägerin im Wesentlichen die Argumente aus dem Widerspruchsverfahren an. Zum einen sei die Begründung des befristeten Beamtenverhältnisses auf Widerruf rechtswidrig gewesen. Insbesondere liege gerade keine nur vorübergehende Wahrnehmung von Aufgaben nach § 3
Abs. 2 BeamtStG bezüglich der Tätigkeit der Klägerin vor, sodass auch kein Fall des Beamtenverhältnisses auf Widerruf nach § 4
Abs. 4 Buchst. b) BeamStG gegeben sei. Dies sei bereits aufgrund der erfolgten Regelbeurteilung erkennbar. Die Vorschrift des § 3
Abs. 2 BeamtStG dürfe nicht zur Klärung von Gesundheitsfragen missbraucht werden. Zudem bedürfe auch die Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Probe entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten der Mitbestimmung. Darüber hinaus könne das amtsärztliche Zeugnis aufgrund diverser Mängel nicht als Grundlage der Entscheidung der Beklagten dienen. Das Gesundheitsamt Oldenburg sei
gem. § 3
Abs. 1
Nr. 2 BremVwVfG nicht zuständig gewesen. Die erfolgte Regelbeurteilung, nach der die Klägerin als belastbar bewertet wurde, widerspreche der amtsärztlichen Diagnose. Zudem sei die Essstörung aus der Studienzeit nicht mehr in der gleichen Form vorhanden wie damals und es lägen auch keine chronischen Spannungskopfschmerzen vor. Es sei fälschlicherweise nicht geprüft worden, ob die Klägerin von der erfahrungsgemäß chronischen Verlaufsform betroffen sei. Eine notwendige Berücksichtigung der sozialen verlaufsbeeinflussenden Faktoren (wie familiäre Einbindung, Ehrenämter, private Aktivitäten) habe nicht stattgefunden. Es sei auch nicht geprüft worden, ob überhaupt eine therapieresistente Depression vorliege. Es fehlten auch Aussagen zum Umfang der psychotherapeutischen Behandlung und Art der Medikamentierung sowie zum voraussichtlichen weiteren Behandlungsverlauf. Außerdem könne die in der E-Mail vom 12.08.2019 erwähnte Studie aus dem Jahr 1998 bereits aufgrund des Alters der Quelle keine hinreichenden Zweifel an der gesundheitlichen Eignung begründen. Demnach stehe die amtsärztliche Prognose der Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit auf einer nicht hinreichend sicheren Grundlage, welche den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht genüge. Lediglich bestehende Zweifel an der gesundheitlichen Eignung seien nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerade nicht ausreichend. Zudem verweist die Klägerin auf ein aktuelles fachärztliches Attest von Frau
Dr. vom 10.07.2020. Hiernach sei nicht zu erwarten, dass die Klägerin aufgrund des vorhandenen Krankheitsbildes "wahrscheinlich" vorzeitig in den Ruhestand versetzt werde. Sie sei aktuell voll dienstfähig und es liege auch keine Therapieresistenz vor. Vielmehr verlaufe die Therapie sehr erfolgreich.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24.09.2019, Az. 101, sowie den Ursprungsbescheid der Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 13.08.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid der Senatorin für Justiz und Verfassung vom 24.09.2019. Ergänzend hierzu wird vorgetragen, dass in Bezug auf die Frage der Zuständigkeit des Gesundheitsamtes die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beachtet werden müsse, wonach amtsärztliche Untersuchungen nicht isoliert anfechtbare Entscheidungen seien und demnach kein isolierter Rechtsschutz möglich sei (
BVerwG, Beschluss vom 14.03.2019 -
2 VR 5/18 -, BVerwGE 165, 65-82). Die bisherige Rechtsprechung zu dieser Thematik könne diesen Aspekt noch nicht berücksichtigt haben. Außerdem sei die fehlende örtliche Zuständigkeit selbst bei analoger Anwendung der Regelungen über einen Verwaltungsakt nach § 46 BremVwVfG ohne Auswirkungen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Gerichts durch Urteil ohne mündliche Verhandlung mit Schriftsätzen vom 06.01.2021 und vom 12.02.2021 zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Die Kammer kann
gem. § 101
Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten zugestimmt haben.
Der von der Klägerin schriftlich formulierten Klageantrag bedarf der Auslegung. Nach § 88
VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Nach dem verfassungsrechtlichen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes als Auslegungshilfe ist das Begehren der Klägerin bei gebotener sachdienlicher Auslegung ihres Antrags dahingehend zu verstehen, dass sie eine Aufhebung des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 24.09.2019 nur insoweit erreichen möchte, als dass sich dieser auf den Ablehnungsbescheid vom 13.08.2019 bezieht. Denn nach dem erkennbaren Klageziel geht es der Klägerin in der Sache um die Neubescheidung ihres Antrags auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe und nicht um die Aufhebung des Widerrufsbescheids vom 04.07.2019. Letzteres würde nämlich nicht zur Rechtskreiserweiterung der Klägerin führen, da das Beamtenverhältnis aufgrund der Befristung ohnehin zum 30.09.2019 endete. Darüber hinaus begehrt die Klägerin gerade die Einstellung als Beamtin auf Probe und nicht eine Verlängerung oder Aufhebung der Befristung ihres vorherigen Beamtenverhältnisses auf Widerruf. Ob die erneute Ernennung der Klägerin nach Abschluss des Anwärterdienstverhältnisses in ein "befristetes" Beamtenverhältnis auf Widerruf rechtswidrig war, bedarf demnach keiner rechtlichen Klärung, obschon das Gericht hiervon ausgehen würde.
2. Die so verstandene Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 13.08.2019 und entsprechend gegen den Widerspruchsbescheid vom 24.09.2019 ist als Verpflichtungsklage gemäß §§ 42
Abs. 1 Alt. 2, 113
Abs. 5 Satz 2 der
VwGO im Sinne einer Bescheidungsklage zulässig.
3. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Neubescheidung. Die Ablehnung der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin
gem. § 113
Abs. 5 Satz 1 und 2
VwGO in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Probe ist
Art. 33
Abs. 2
GG i.V.m. § 9 BeamtStG. Danach sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnischer Herkunft, Behinderung, Religion, Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen. Die vom Kläger begehrte Einstellung setzt daher unter anderem die Eignung voraus, wozu auch die gesundheitliche Eignung gehört.
Es fehlt die gesundheitliche Eignung, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, der Beamte werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Die gesundheitliche Eignung fehlt auch, wenn der Beamte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen und deshalb eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen wird (
BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 -
2 C 12/11 -, juris, Rn. 16;
BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 -
2 C 16/12 - juris Rn. 26). Das Gericht hat hierbei über die gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern und Beamtenbewerberinnen zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche Wertungen des Dienstherrn gebunden zu sein. Bei der Bewertung der gesundheitlichen Eignung steht dem Dienstherrn insoweit kein Beurteilungsspielraum zu (
BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 - 2 C 12/11 -, juris, Rn. 24).
Die Beklagte hat die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Einstellung als Beamtin auf Probe zu Unrecht auf das amtsärztliche Gutachten des Gesundheitsamtes Oldenburg vom 12.03.2019 gestützt, da dieses für die Erstellung örtlich nicht zuständig war.
1. Für die Berufung in ein Beamtenverhältnis mit dem Ziel der späteren Verwendung auf Lebenszeit (Beamtenverhältnis auf Probe
gem. § 4
Abs. 3 lit. a BeamtStG) ist die Feststellung der gesundheitlichen Eignung
gem. § 10
Abs. 8 BremBG auf Grundlage eines ärztlichen Gutachtens notwendig. Das ärztliche Gutachten wird
gem. § 44
Abs. 1 und 2 BremBG von Amtsärztinnen und Amtsärzten ausgestellt. Hierbei handelt es sich um keinen eigenständigen Verwaltungsakt, sondern um eine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne von § 9 BremVwVfG, deren Rechtmäßigkeit
gem. § 44a
VwGO nur inzident durch das Verwaltungsgericht überprüft werden kann (
BVerwG, Beschluss vom 14.03.2019 - 2
VR 5/18 -, juris Rn. 18).
Für das Ausstellen von amtsärztlichen Gutachten im Rahmen des Einstellungsverfahrens von Beamtenbewerbern und -bewerberinnen in der Freien Hansestadt Bremen ist das Gesundheitsamt Bremen zuständig.
Die von den Beteiligten im Rahmen des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens geführte rechtliche Diskussion über das Verhältnis des Dienstortprinzips nach § 3
Abs. 1
Nr. 2 BremVwVfG und des Wohnortsprinzips nach § 3
Abs. 1
Nr. 3 lit. a) BremVwVfG ist für den hiesigen Rechtsstreit nicht einschlägig. Zentrale Frage ist hierbei nämlich, ob die beiden Zuständigkeitsprinzipien nebeneinanderstehen oder das Dienstortprinzip aufgrund der systematischen Stellung und des Wortlauts dem Wohnortsprinzip gegenüber vorrangig ist (
vgl. hierzu: Eine Vorrangigkeit des Dienstortprinzips annehmend:
VG Berlin, Beschluss vom 26.11.1997 - 5 A 283.97 -, juris; Loroch, Die örtliche Zuständigkeit des Amtsarztes, in: DÖD 2012, 97, 99; Eine Zuständigkeit nach § 3
Abs. 1
Nr. 3 VwVfG annehmend, wobei der grundsätzliche Vorrang von
Nr. 2 anerkannt wird, allerdings diese Variante inhaltlich nicht diskutiert wird:
VG Gelsenkirchen, Urteil vom 05.11.2003 - 1 K 500/00 -, juris; Lediglich vergleichende Darstellung beider Ansichten:
VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 03.12.2007 -
12 L 1113/07 -, juris, Rn. 16
ff.).
Die Abgrenzungsfrage zwischen Wohnortprinzip und Dienstortprinzip aus § 3 BremVwVfG gilt grundsätzlich nur für die Zuständigkeit verschiedener Gesundheitsämter innerhalb eines Bundeslandes, wie dies typischerweise bei Flächenstaaten der Fall ist. Denn nach § 1
Abs. 1 BremVwVfG ist das Bremische Verwaltungsverfahrensgesetz nur für öffentlichrechtliche Verwaltungstätigkeiten der Behörden des Landes, der Gemeinden und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts anwendbar. Die Regelung aus § 3 BremVwVfG kann sich demnach nicht auf eine Zuständigkeit des Gesundheitsamts Oldenburg beziehen.
Die nach §§ 10
Abs. 8, 44
Abs. 1 und 2 BremBG notwendige Feststellung der gesundheitlichen Eignung durch ein amtsärztliches Gutachten obliegt dem Gesundheitsamt Bremen
gem. §§ 2
Abs. 1
Nr. 11, 5
Abs. 1
Nr. 3, 23
Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst im Lande Bremen (ÖGDG). Nach §§ 2
Abs. 1
Nr. 11, 23
Abs. 1 ÖGDG ist das Erstellen von amtlichen Bescheinigungen, Zeugnissen und amtlichen Gutachten Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Die Aufgaben des Öffentlichen Gesundheitsdienstes werden
gem. § 5
Abs. 1
Nr. 3 ÖGDG vom Gesundheitsamt Bremen wahrgenommen (
vgl. OVG Bremen, Urteil vom 08.08.2019 - 2 B 91/19 -, juris Rn. 20).
Eine landesgesetzliche Regelung zur örtlichen Zuständigkeit von Gesundheitsämtern außerhalb der Landesgrenzen besteht nicht. Eine denkbare Regelung in Verwaltungsabkommen oder Staatsverträgen mit dem Bundesland Niedersachsen ist ebenfalls nicht vorhanden. Dass eine solche Regelung notwendig wäre, wenn der Gesetzgeber das Wohnortprinzip auch über die Landesgrenze hinaus anwenden möchte, zeigt ein Vergleich mit der entsprechenden Regelung in § 19
Abs. 2 des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (ÖGDG NRW). Hierbei handelt es sich um die vergleichbare Vorschrift über amtsärztliche Gutachten wie § 23 ÖGDG Bremen. In § 19
Abs. 2 ÖGDG NRW hat der Gesetzgeber in Nordrhein Westfalen - im Gegensatz zum bremischen Gesetzgeber - für die amtlichen Untersuchungen zur Ausstellung von gutachterlichen Stellungnahmen in beamtenrechtlichen Verfahren nach dem Landesbeamtengesetz NRW die untere Gesundheitsbehörde am Wohnort der zu begutachtenden Person für zuständig erklärt. Abweichend hiervon kann die Behörde oder Einrichtung, die das beamtenrechtliche Verfahren durchführt, die untere Gesundheitsbehörde am Dienstort der zu begutachtenden Person beauftragen. In der Gesetzesbegründung hierzu wird die Möglichkeit der Anwendung des Dienstortprinzips explizit als Ausnahme für den Fall vorgesehen, dass der Wohnort des Beamten oder Beamtenbewerbers sich außerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen befindet (
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.11.2013 - 6 B 975/13 -, juris; Gesetzesentwurf der Landesregierung NRW vom 29.10.2012, Landtagsdrucksache 16/1187, Seite 2). Hierdurch wird deutlich, dass auch der Landesgesetzgeber aus Nordrhein-Westfalen selbst trotz ausdrücklicher gesetzlicher Regelung des Wohnortprinzips davon ausgeht, dass dieses nur innerhalb der Landesgrenzen gelten kann.
Die Beklagte durfte die Annahme der fehlenden gesundheitlichen Eignung der Klägerin auch nicht aufgrund einer Amtshilfe nach § 4
Abs. 1 BremVwVfG auf das amtsärztliche Zeugnis des Gesundheitsamtes Oldenburg stützen. Die Voraussetzungen einer Amtshilfe liegen nicht vor. Zum einen bestehen bereits Zweifel an dem Vorliegen eines tauglichen Amtshilfeersuchens. Zwar ist ein Amtshilfeersuchen grundsätzlich eine behördliche Verfahrenshandlung, die keiner besonderen Form bedarf (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Auflage, § 4 Rn. 14). Jedoch ist das Schreiben der Beklagten vom 09.01.2019 nicht ausdrücklich an das Gesundheitsamt Oldenburg adressiert, sondern lediglich an das "zuständige Gesundheitsamt für ". Es bestehen Zweifel an der notwendigen Bestimmtheit des Amtshilfeersuchens in Hinblick auf die bereits ausgeführte rechtliche Problematik der örtlichen Zuständigkeit von Gesundheitsämtern und die offen formulierte Adressierung der zuständigen Behörde. Diese rechtliche Frage kann vorliegend aber dahinstehen, da die Amtshilfe
gem. § 4
Abs. 2
Nr. 2 BremVwVfG jedenfalls deshalb ausgeschlossen ist, da die Hilfeleistung in Form der Ausstellung eines amtsärztlichen Zeugnisses eine Handlung darstellt, die der ersuchten Behörde, dem Gesundheitsamt Oldenburg, als eigene Aufgabe obliegt. Darunter sind alle Aufgaben zu verstehen, die der betreffenden Behörde bereits spezialgesetzlich außerhalb der Amtshilferegelungen als Hilfeleistungen (auch) gegenüber anderen Behörden übertragen sind, für die sich also die Pflicht zur Hilfeleistung nicht erst auf Grund des Ersuchens der auf die Hilfe angewiesenen Behörde ergibt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Auflage, § 4 Rn. 17). Der Ausschlusstatbestand bezieht sich auf die Hilfeleistung selbst und greift somit nicht erst, wenn die ersuchte Behörde auch für die mit der Hilfeleistung unterstützte Hauptmaßnahme der ersuchenden Behörde zuständig ist (Schoch/Schneider, VwVfG, Juli 2020, § 4 Rn. 11).
Die gesetzlich vorgesehene Erteilung von amtsärztlichen Zeugnissen ist als eine solche Hilfeleistung
i.S.v. § 4
Abs. 2
Nr. 2 BremVwVfG zu verstehen (
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.11.1991 - 9 A 648/91 -, juris;
VG Berlin, Beschluss vom 26.11.1997 - 5 A 283.97 -, juris;
BGH, Urteil vom 21.06.2001 - III ZR 34/00 -, juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Auflage, § 4 Rn. 18a; Schoch/Schneider, VwVfG, Juli 2020, § 4 Rn. 11-15). Denn
gem. § 7
Abs. 1 Satz 1 des hier für das Gesundheitsamt Oldenburg maßgeblichen Niedersächsischen Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst (NGöGD) haben die Landkreise und kreisfreien Städte in Niedersachsen ärztliche Untersuchungen und Begutachtungen vorzunehmen und hierüber Gutachten, Zeugnisse und Bescheinigungen zu erstellen, wenn solche Tätigkeiten durch Gesetz oder Verordnung von einer Gesundheitsbehörde, einem Gesundheitsamt oder einer Amtsärztin oder einem Amtsarzt verlangt werden. Soweit solche Tätigkeiten im Auftrag einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts wahrgenommen werden, die deren Personal betreffen, handeln die Landkreise und kreisfreien Städte im übertragenen Wirkungskreis
gem. § 7
Abs. 1 Satz 2 NGöGD und somit
gem. § 4
Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Landeskreisordnung im Rahmen der Selbstverwaltung.
Die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften, welche die Erstellung eines Zeugnisses
i.S.v. § 7
Abs. 1 NGöGD verlangen, sind vorliegend § 10
Abs. 8
i.V.m. § 44 BremBG, wonach die gesundheitliche Eignung für das Beamtenverhältnis aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens nachzuweisen ist. Hierauf beruhte die Anforderung zur Vorlage eines amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses durch das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen vom 09.01.2019, welches seinerseits die Klägerin veranlasste, das Gesundheitsamt in Oldenburg aufzusuchen.
Dass mithin das Gesundheitsamt Oldenburg ein Gesundheitszeugnis erstellt hat, dessen Beibringung im Sinne des niedersächsischen Landesrechts verlangt war, kann nicht mit der Erwägung in Frage gestellt werden, bremisches Landesrecht könne seiner Natur nach andere Bundesländer nicht verpflichten. Der Gesetzgeber aus Niedersachsen ist seinerseits nämlich nicht daran gehindert, den Tatbestand einer (landes-) gesetzlich begründeten Verpflichtung bestimmter (Landes-)Behörden zum Handeln (hier: amtsärztliche Untersuchung und Begutachtung einer niedersächsischen Bürgerin) nach der jeweiligen Sachlage auch an einen durch Vorschriften eines anderen Bundeslandes ausgelösten "Handlungsbedarf” (hier: Notwendigkeit eines amtsärztlichen Attests im bremischen Beamteneinstellungsverfahren) anzuknüpfen. Hiervon ist zu unterscheiden, dass das bremische Landesrecht seiner Natur nach keine anderen Bundesländer verpflichten kann und die Zuständigkeit des Oldenburger Gesundheitsamtes nach dem bremischen Landesrecht selbst nicht vorlag (
BGH, Urteil vom 21.06.2001 - III ZR 34/00 - juris).
2. Die fehlende örtliche Zuständigkeit des Gesundheitsamtes Oldenburg führt auch zur Rechtswidrigkeit der Ablehnungsentscheidung, da das amtsärztliche Zeugnis Grundlage für die Annahme der fehlenden gesundheitlichen Eignung war.
Die Einwendung der Beklagten dahingehend, dass aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung inzwischen feststeht, dass es sich bei einem amtsärztlichen Zeugnis um keinen eigenständigen Verwaltungsakt handelt und somit eine fehlende örtliche Zuständigkeit auch nicht zur Rechtswidrigkeit des Widerspruchsbescheids führen könne, überzeugt nicht. Auch Verfahrensfehler bei Verfahrenshandlungen können zur Rechtswidrigkeit der Sachentscheidung führen (Posser, in: BeckOK
VwGO, 56.
Ed. 01.01.2021, § 44a Rn. 5). Die dargelegten Erwägungen des Gerichts zur fehlenden 15 örtlichen Zuständigkeit des Gesundheitsamtes Oldenburg sowie die zugrunde gelegte Rechtsprechung gelten unabhängig von der Rechtsnatur des amtsärztlichen Zeugnisses. Darüber hinaus liegen entgegen dem Vorbringen der Beklagten auch die Voraussetzungen des § 46 BremVwVfG nicht vor. Hiernach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 BremVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Im vorliegenden Fall ist es aus Sicht des Gerichts nicht offensichtlich, dass die dargelegte Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit die Entscheidung nicht beeinflusst hat. Hiervon ist nur dann auszugehen, wenn von vornherein und nach jeder Betrachtungsweise feststeht, dass die Sachentscheidung auch bei ordnungsgemäßen Verfahren nicht anders ausgefallen wäre (
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.03.2012 - 6 B 1362/11 -, juris, Rn. 22).
Vorliegend steht aufgrund mehrerer Aspekte nicht fest, dass ein amtsärztliches Zeugnis des Gesundheitsamtes Bremen nicht zu einer anderen Sachentscheidung geführt hätte. Zum einen sprechen die vorgelegten privatärztlichen Gutachten dafür, dass eine andere medizinische Diagnose bezüglich der Frage der gesundheitlichen Eignung der Klägerin jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Zwar sind privatärztliche Diagnosen, Einschätzungen und Atteste nicht mit einem amtsärztlichen Gutachten vergleichbar. Die von der Klägerin vorgelegten positiven privatärztlichen Diagnosen durch ihre behandelnden Ärztinnen machen jedoch deutlich, dass eine andere medizinische Einschätzung jedenfalls im Sinne des § 46 BremVwVfG nicht ausgeschlossen ist. Aus Sicht des Gerichts bestehen keine Anhaltspunkte dafür, die privatärztlichen Diagnosen der behandelnden Ärztinnen als fachlich unvertretbar anzusehen. Da die Beklagte den Ablehnungs- und Widerspruchsbescheid auch im Wesentlichen auf das amtsärztliche Gutachten stützt, hätte eine andere amtsärztliche Einschätzung durch das Gesundheitsamt Bremen auch Einfluss auf die Entscheidung der Beklagten. Darüber hinaus zeigt auch die Benotung der Klägerin ("entspricht voll den Anforderungen") im Rahmen ihrer Regelbeurteilung vom 10.09.2019, insbesondere im Bereich der Belastbarkeit, dass die Klägerin jedenfalls zu diesem Zeitpunkt den Anforderungen der Tätigkeit gerecht wurde und demnach eine andere Einschätzung bezüglich der gesundheitlichen Eignung in Hinblick auf den aktuellen Zustand der Klägerin jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint.
Darüber hinaus liegt bereits deshalb kein Fall offensichtlich fehlender Beeinflussung vor, da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass im Falle der Ausstellung eines gesundheitlichen Zeugnisses durch das zuständige Gesundheitsamt Bremen die inhaltlichen Anforderungen an ein amtsärztliches Zeugnis im Gegensatz zum streitgegenständlichen Zeugnis eingehalten worden wären. Letzteres versetzt den Dienstherrn
bzw. das Gericht nämlich gerade nicht in die Lage, die Rechtsfrage der gesundheitlichen Eignung eigenverantwortlich zu beantworten (
vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 - 2 C 16/12 -, juris Rn. 31; Urteil vom 25.07.2013 - 2 C 12/11 -, juris Rn. 23). Es fehlt an einer hinreichenden und nachvollziehbaren Begründung (
OVG Bremen, Urteil vom 30.07.2014 - 2 A 281/12 -, juris Rn. 38). Entscheidungsmaßstab und Entscheidungsgrundlage wurden erst auf Nachfrage der Beklagten korrigiert
bzw. ergänzt und eine Studie von Keller und Boland aus dem Jahr 1998 genannt. Im amtsärztlichen Zeugnis selbst wurde keine Entscheidungsgrundlage für die Meinungsbildung der Amtsärzte genannt. Mit Bezug auf die Studie wurde in der Erklärung der Amtsärzte auf den Phasenverlauf von Depressionen verwiesen, wonach innerhalb von zwei Jahren nach Ausheilung
ca. 40 % der monopolar depressiv Erkrankten ein Rezidiv erleiden würden, nach 5 Jahren 60 % und nach 10 Jahren 80 %. Ungünstig seien im vorliegenden Fall zudem die psychiatrischen Zweiterkrankungen, insbesondere Angst- und Zwangsstörungen sowie die diagnostizierte Essstörung. Die genannten Phasenverläufe sowie die Komplexität der psychiatrischen Erkrankung der Klägerin mögen zwar grundsätzlich eine plausible Erklärung für die Annahme der fehlenden gesundheitlichen Eignung darstellen. Es fehlen allerdings notwendige Aussagen wie ein Rückfall typischerweise aussieht und ob es sich hierbei um Phasen einer kurzfristigen und vorübergehenden oder längerfristigen
bzw. dauerhaften Dienstunfähigkeit handelt. Außerdem fehlen sämtliche Angaben zur Einschätzung der bisher erfolgten Therapien sowie verabreichten Medikation
bzw. welche Therapie- und Medikationsmöglichkeiten noch bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154
Abs. 1
VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 11, 711, 709 Satz 2
ZPO.