Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (
GmbH), wendet sich mit ihrer Klage gegen die Heranziehung zur Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz (
SchwbG) für das Jahr 1992 in Höhe von 2.400,00 DM. Im Jahr 1992 war der als schwerbehindert anerkannte Herr J. K. alleiniger Geschäftsführer der
GmbH und zugleich Mitgesellschafter mit einer Stammeinlage von 12.000,00 DM. Die Summe der Stammeinlagen betrug 50.000,00 DM.
Die Klägerin ist der Ansicht, daß Herr J. K. auf die Zahl der Pflichtplätze nach dem Schwerbehindertengesetz anzurechnen sei, so daß keine Ausgleichsabgabe für das Jahr 1992 anfalle.
Sie hat mit der Klage, die sie am 14. Dezember 1993 bei dem Verwaltungsgericht Darmstadt erhoben hat, sinngemäß beantragt,
den Bescheid des Beklagten - Hauptfürsorgestelle - vom 20. Juli 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 1993 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, Herrn J. K. als Schwerbehinderten im Sinne des Schwerbehindertengesetzes auf einen Pflichtplatz anzurechnen und die Ausgleichsabgabe neu festzusetzen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Gerichtsbescheid vom 15. September 1994 hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben und im übrigen die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Herr K. sei für das Jahr 1992 als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts anzusehen, obgleich er zugleich Geschäftsführer und Mitgesellschafter gewesen sei. Er sei nach dem Geschäftsführer- Dienstvertrag weisungsgebunden gewesen und habe als Gesellschafter keine Majorität besessen, weil er lediglich 24 % der Stammeinlagen gehalten habe. Da Herr K. als Arbeitnehmer zu behandeln sei, sei er gemäß § 9
Abs. 1
SchwbG auf den einen Pflichtplatz, der sich aus der Arbeitnehmerzahl ergeben habe, anzurechnen. Da damit keine Pflicht zu einer Ausgleichsabgabe bestanden habe, sei der angefochtene Bescheid aufzuheben, ohne daß es einer neuen Festsetzung bedürfe. Soweit die Neufestsetzung Gegenstand der Klage sei, sei die Klage deshalb abzuweisen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, der am 20. Oktober 1994 zugestellt worden ist, hat der Beklagte am 24. Oktober 1994 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt: Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei der Geschäftsführer der Klägerin kein Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts, so daß er nicht nach § 9
Abs. 1
SchwbG auf einen Pflichtplatz angerechnet werden könne.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 15. September 1994 - 6 E 2120/93 (3) - zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft die Ausführungen des Verwaltungsgerichts aus dem angefochtenen Gerichtsbescheid.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis erklärt, daß der Berichterstatter allein und ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheidet.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Anlagen zu diesen Schriftsätzen, den angefochtenen Gerichtsbescheid und den Inhalt der Behördenakte des Beklagten.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet; denn das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die Klage in dem Teil, in dem es ihr entsprochen hat, nicht begründet.
Der angefochtene Heranziehungsbescheid des Beklagten - Hauptfürsorgestelle - für das Jahr 1992 ist rechtmäßig; denn der schwerbehinderte Herr K., der im Jahre 1992 alleiniger Geschäftsführer und zugleich einer der Gesellschafter der Klägerin war, ist für dieses Jahr weder nach § 9
Abs. 1 noch nach § 9
Abs. 3
SchwbG auf einen Pflichtplatz anzurechnen.
Die Anrechnung nach § 9
Abs. 1 des Gesetzes setzt voraus, daß der Schwerbehinderte in dem maßgeblichen Zeitraum auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 7
Abs. 1 des Gesetzes beschäftigt war. Diese Voraussetzung war bei Herrn K. im Jahre 1992 nicht erfüllt. Er hatte keinen Arbeitsplatz im Sinne von § 7
Abs. 1
SchwbG inne.
Zwar hat der Geschäftsführer einer
GmbH neben seiner gesellschaftsrechtlichen Organ-Stellung, die in § 35 des
GmbH-Gesetzes normiert ist, noch eine weitere dienstvertragliche Rechtsstellung aus seinem Anstellungsvertrag mit der
GmbH. Dies macht ihn aber nicht zum Arbeitnehmer, weil auch Inhalt des Anstellungsvertrages die Verpflichtung ist, als Organ der Gesellschaft Arbeitgeberfunktionen auszuüben (so Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. Februar 1994 -
5 C 44.92 -, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 436.61 § 9
SchwbG Nr. 1).
Diese Arbeitgeberfunktionen schließen es aus, den Geschäftsführer als "auf einem Arbeitsplatz beschäftigt" anzusehen (ebenso einhellig die Kommentarliteratur zum Schwerbehindertengesetz;
vgl. Neumann/Pahlen, Schwerbehindertengesetz, Kommentar, 8. Auflage 1992, Rdnrn. 46 und 47 zu § 7
SchwbG; Cramer, Schwerbehindertengesetz, Kommentar, 4. Auflage 1992,
Rdnr. 17 zu § 7
SchwbG).
Soweit die Klägerin sich in ihrem Schriftsatz vom 29. Juni 1993 für ihre gegenteilige Ansicht auf die Entscheidung des
OVG Münster vom 16. Mai 1989 -
13 A 95/87 - (BB 1990, 1150 f.) berufen hat, ist auf folgendes hinzuweisen: In dem letzten Teil der Gründe dieser Entscheidung (BB 1990, 1151 [OLG München 29.01.1990 - 26 U 3650/89]) ist ausdrücklich ausgeführt, daß die Geschäftsführer der
GmbH der Arbeitgeber- und nicht der Arbeitnehmer-Seite zuzurechnen seien.
Eine andere Sicht im vorliegenden Verfahren auch nicht deshalb geboten, weil Herr K. als Gesellschafter der klagenden
GmbH lediglich eine Einlage von 24 % des Stammkapitals hielt. Denn Herr K. hatte trotz dieser Minderheitsbeteiligung wesentlichen Einfluß auf die Gesellschaft, weil er - zum einen - alleiniger Geschäftsführer der
GmbH war und weil - zum anderen - seine Einlage höher war als die Einzeleinlagen der anderen vier Gesellschafter, die jeweils 19 % des Stammkapitals als Einlage eingebracht hatten.
Obwohl Herr K. danach Arbeitgeberfunktionen hatte und der Arbeitgeberseite zuzurechnen war, war er nicht nach § 9
Abs. 3
SchwbG auf einen Pflichtplatz anzurechnen. Das Berufungsgericht folgt der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, daß Arbeitgeber im Sinne des § 9
Abs. 3 des Gesetzes nur (schwerbehinderte) Einzelunternehmer sind, nicht hingegen (schwerbehinderte) Personen, die als Organ einer juristischen Person Arbeitgeberfunktionen ausüben (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. Februar 1994,
a. a. O.).
Da die Klägerin unterlegen ist, hat sie nach § 154
Abs. 1
VwGO die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Diese Kosten bestehen nur aus den außergerichtlichen Kosten der Beteiligten, da nach § 188 Satz 2
VwGO in Verfahren aus dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts keine Gerichtskosten erhoben werden.
Die Revision ist nach § 132
Abs. 2
VwGO zugelassen worden, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der bereits erwähnten Entscheidung vom 24. Februar 1994 ausdrücklich die Frage offengelassen, ob Geschäftsführer einer
GmbH, die nicht zugleich Mehrheitsgesellschafter der
GmbH sind, nach § 9
Abs. 1 des Gesetzes anzurechnen sind.
Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten kann der Berichterstatter allein und ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheiden.