Das Gericht konnte ohne weitere mündliche Verhandlung auf schriftlichem Wege entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 101
Abs. 2
VwGO).
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1
VwGO).
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt der fristgemäß erhobenen Anfechtungsklage nicht das Rechtsschutzinteresse. Das Rechtsschutzinteresse (Rechtsschutzbedürfnis) als Sachentscheidungsvoraussetzung trägt dem Umstand Rechnung, dass nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren - hier der Klage - ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, einen Anspruch auf gerichtliche Sachentscheidung hat. Bringt ein Obsiegen dem Kläger keinen rechtlichen Vorteil, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Zwar ist die Kündigungsschutzklage des Klägers gegen die vom Beigeladenen ausgesprochene Kündigung von den Arbeitsgerichten rechtskräftig zurückgewiesen worden. Für den Fall, dass die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung später rechtskräftig aufgehoben wird, steht dem Kläger jedoch der Weg einer Restitutionsklage beim Arbeitsgericht gemäß § 79
ArbGG i.V.m. § 580
Nr. 6
ZPO offen, mit der er die Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils erreichen kann (
BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2012 -
5 C 16.11 -, juris Rn.13
m.w.N.). Es ist auch nicht - wie der Beigeladene meint - schon jetzt offensichtlich ausgeschlossen, dass der Kläger im Fall der Aufhebung der Zustimmung des Integrationsamts mit einer solchen Restitutionsklage beim Arbeitsgericht erfolgreich sein könnte. Der Beigeladene verweist zwar zu Recht darauf hin, dass eine Restitutionsklage gemäß § 582
ZPO nur zulässig ist, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Unter Verweis auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Juni 1998 (2 AZR 519/97) ist er der Meinung, der Kläger hätte deshalb im arbeitsgerichtlichen Verfahren zumindest vorbringen müssen, dass der Zustimmungsbescheid des Integrationsamts von ihm angefochten war. Weil er dies nicht getan habe, könne er daher später nicht mehr zulässigerweise eine Restitutionsklage anbringen.
Diese Annahme des Beigeladenen trifft jedoch nicht zu. Der Kläger hat ausweislich der beigezogenen Akte des arbeitsgerichtlichen Verfahrens bereits in der dortigen Klageschrift darauf hingewiesen, dass er gegen die Zustimmung zur Kündigung Widerspruch eingelegt hat, der Bescheid also nicht bestandskräftig sei. In der Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ist die Frage der Bestandskraft dann nochmals thematisiert worden und der Kläger hat darauf hingewiesen, dass er davon ausgehe, dass gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid geklagt werde. Die Arbeitsgerichte hatten demnach die notwendige Information, dass die Zustimmungserteilung nicht bestandskräftig war, was
ggf. zu einer Aussetzung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens hätte führen können (die in der Regel jedoch nicht angezeigt ist,
vgl. BAG, Urteil vom 23. Mai 2013 -
2 AZR 991/11 - juris Rn. 28). Eine offensichtliche Unzulässigkeit einer späteren Restitutionsklage ist bei dieser Sachlage nicht anzunehmen.
2. Die Klage ist auch begründet.
Rechtsgrundlage für die Zustimmung zur Kündigung sind die
§§ 85 ff. des SGB IX.
Der Bescheid ist formell rechtmäßig ergangen. Der Kündigungszustimmungsantrag ist schriftlich, unter Angabe von Gründen gestellt worden (
§ 87 Abs. 1 SGB IX). Das Integrationsamt des Beklagten ist auch die örtlich zuständige Behörde für die Zustimmung zur Kündigung gewesen. Zuständig ist nach § 87
Abs. 1
SGB IX das für den Sitz des Betriebes - hier Berlin - zuständige Integrationsamt.
Der Bescheid ist jedoch materiell rechtswidrig. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist, da die Kündigung ein mit Zugang wirksam werdendes Gestaltungsrecht darstellt, der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (
vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. März 1991 -
5 B 114/89 -, juris Rn. 5). Das zur Akte des Arbeitsgerichts eingereichte Kündigungsschreiben des Beigeladenen trägt das Datum vom 5. November 2014. Da die Kündigungsschutzklage am 24. November 2014 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangen ist, ist dem Kläger die Kündigung spätestens zu diesem Zeitpunkt zugegangen.
Gemäß § 85
SGB IX entscheidet das Integrationsamt des Beklagten grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen über die Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber, das vom Verwaltungsgericht gemäß § 114 Satz 1
VwGO nur daraufhin zu überprüfen ist, ob das Integrationsamt bei seiner Entscheidung von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
Zu überprüfen ist hierbei auch, ob das Integrationsamt den der Ermessensentscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt zutreffend ermittelt und seiner Aufklärungspflicht aus § 20
SGB X genügt hat. Das Integrationsamt hat, anknüpfend an den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung, all das zu ermitteln und zu berücksichtigen, was erforderlich ist, um die Interessen des Arbeitgebers und des schwerbehinderten Arbeitnehmers gegeneinander abwägen zu können (
vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1995 -
BVerwG 5 C 24/93 -, juris, Rn. 15).
Hieran gemessen erweist sich der angegriffene Bescheid als rechtswidrig. Wenn wie hier ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aufgrund eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses wegen Pflichtverletzungen des schwerbehinderten Arbeitnehmers beenden will, hat das Integrationsamt zu klären und bei seiner Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen, ob die behaupteten Pflichtverstöße vorliegen und in wessen Verantwortungsbereich die Störung des Vertrauensverhältnisses demnach fällt. Andernfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, sich durch den bloßen Vorwurf arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen von dem schwerbehinderten Arbeitnehmer zu trennen, selbst wenn dieser - wie hier - die Vorwürfe bestreitet. Es läge für jeden Arbeitgeber insoweit nahe, eine Kündigung, die ihre tatsächliche Ursache in der Behinderung des Arbeitnehmers hat und deshalb nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist (
vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1995 -
BVerwG 5 C 24/93 -, juris, Rn. 16), durch die Behauptung angeblicher "behinderungsneutraler" Pflichtverletzungen zu verschleiern und dadurch zu erleichtern. Dies stünde mit dem Fürsorgegedanken des
SGB IX offensichtlich nicht in Einklang (
VG Magdeburg, Urteil vom 28. April 2015 -
6 A 30/15 - juris Rn. 19).
Aus der angegriffenen Entscheidung - maßgeblich ist insofern der Widerspruchsbescheid - wird jedoch nicht hinreichend deutlich, ob eine solche Überprüfung des der Kündigung zugrundeliegenden Sachverhalts, also der Vorwürfe des Beigeladenen gegenüber dem Kläger, durch den Beklagten überhaupt und in welchem Umfang stattgefunden hat und auf Grund welcher Sachverhaltsgrundlage letztlich die Entscheidung getroffen wurde. So stellt der Widerspruchsbescheid für die Ermessensentscheidung entscheidend darauf ab, dem Arbeitgeber sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten, weil das dem Kläger zur Last gelegte (Fehl-)Verhalten das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört habe (
S. 4 des Widerspruchsbescheids), so dass eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr zu erwarten sei. Nach den vorliegenden Unterlagen und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung träfen die Gründe zu, auf denen die Entscheidung des Integrationsamts beruhe. Hingegen heißt es auf
S. 5 oben des Widerspruchsbescheids, die Vorwürfe des Arbeitgebers und die Gegendarstellungen und Rechtfertigungen des Arbeitnehmers seien mit den Mitteln des
SGB IX nicht abschließend aufklärbar. Wenn der Beklagte für seine Abwägungsentscheidung wie hier maßgeblich auf ein - ausdrücklich bestrittenes - arbeitsvertragliches Fehlverhalten des schwerbehinderten Arbeitnehmers und die daraus folgende Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung abstellt, muss er den Sachverhalt ausermitteln und die Gründe für die gewonnene Überzeugung im Bescheid nachvollziehbar darlegen. Hieran fehlt es. Die Formulierung im Widerspruchsbescheid, die Vorwürfe seien nicht abschließend aufklärbar, lässt vieles offen und macht es für das Gericht letztlich unmöglich, die Ermessensentscheidung nachzuvollziehen.
Soweit der Beigeladene darauf verweist, die Aufklärungspflicht des Beklagten finde ihre Grenze in der Mitwirkungspflicht des behinderten Arbeitnehmers, so mag dies zwar grundsätzlich zutreffen. Hierauf stellt jedoch der Widerspruchsbescheid nicht ab, indem er etwa wegen unsubstantiierten Bestreitens einzelner Vorwürfe durch den Kläger von deren Erwiesensein ausgegangen wäre. Unklar bleibt nach dem Inhalt des Widerspruchsbescheids, ob sich der Beklagte überhaupt Beweismittel für die vorgetragenen Pflichtenverstöße hat zeigen lassen, etwa schriftliche Aufstellungen über die behaupteten Überstunden des Klägers. Aus dem Verwaltungsvorgang ergibt sich derartiges jedenfalls nicht. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte ohne Überprüfung lediglich eine Art Schlüssigkeitsprüfung der Behauptungen des Beigeladenen vorgenommen und die Frage der Richtigkeit oder Erweisbarkeit in der ausschließliche Überprüfungskompetenz des Arbeitsgerichts gesehen hat.
Hintergrund dieser Überlegung könnte der Umstand gewesen sein, dass nach Einschätzung des Widerspruchsausschusses ein Zusammenhang der Kündigungsgründe mit der Schwerbehinderung nicht erkennbar war. Zwar gewinnt der Schwerbehindertenschutz an Gewicht, wenn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründe gestützt wird, die in der Behinderung selbst ihre Ursache haben. Nach der Rechtsprechung sind in einem solchen Fall an die im Rahmen der interessenabwägenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigende Zumutbarkeitsgrenze für den Arbeitgeber besonders hohe Anforderungen zu stellen, um auch den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck kommenden Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können. Aber auch für den Fall des Antrages auf Zustimmung zu einer nicht behinderungsbedingten Kündigung besteht ein grundlegender besonderer Kündigungsschutz für Schwerbehinderte, bei dem das Integrationsamt eine Ermessensentscheidung in Abwägung der betroffenen Interessen des Schwerbehinderten und des Arbeitgebers zu treffen hat, wobei gegenüber einer behinderungsbedingten Kündigung den Belangen des betroffenen Arbeitnehmers hierbei allerdings ein gemindertes Gewicht zukommt (
vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 10. März 2004 - 15 A 269/03 - juris Rn. 38). Dementsprechend war für den Beklagten der Umstand, dass kein erkennbarer Zusammenhang der Kündigung mit der Behinderung besteht, richtigerweise auch nicht allein maßgeblich für die erteilte Zustimmung. Auch die Aufklärungspflicht gemäß § 20
SGB X hinsichtlich des maßgeblichen Sachverhalts für die Kündigung wird allein durch die geringere Schutzwürdigkeitsgrenze des Schwerbehinderten nicht berührt. Erst auf Grundlage eines ausermittelten Sachverhalts - soweit er für die Ermessensentscheidung von Bedeutung ist - könnte bei der abschließenden Abwägung der Interessen der geringere Schutz des schwerbehinderten Arbeitnehmers den Ausschlag für die Erteilung der Zustimmung geben; d.h. aber dass der geringere Schutz nicht schon zuvor zu einer unsorgfältigen Sachverhaltsaufklärung führen darf.
Unabhängig von der mangelnden Aufklärung der Vorwürfe fehlt es vorliegend im Rahmen der "Entscheidungsgründe" des Widerspruchsbescheids auch schon an der klaren Benennung der Vorwürfe. Angesichts der im "Sachverhalt" des Widerspruchsbescheids ausführlich geschilderten Vorkorrespondenz der Beteiligten, bei der Vorwürfe und Gegenvorwürfe sowie z.T. auch neue Gesichtspunkte vorgetragen worden sind, hätte der Beklagte im Rahmen der "Entscheidungsgründe" diese Gesichtspunkte ordnen und klar herausarbeiten und benennen müssen, von welchen - im Zeitpunkt der Kündigung schon maßgeblichen - Vorwürfen er überhaupt ausgeht, welche hiervon aus seiner Sicht entscheidungstragend für den angenommenen Vertrauensbruch waren und welche
ggf. nicht. Schon an dieser notwendigen Strukturierung und Benennung fehlt es, da die Ausführungen im Rahmen der "Entscheidungsgründe" im Widerspruchsbescheid zu abstrakt bleiben.
Es liegt auch entgegen der Auffassung des Beigeladenen kein Fall einer Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf die Ausübung seines freien Mandats als Abgeordneter (
Art. 38
Abs. 1
GG) vor. Die grundgesetzlich geschützte Freiheit der Mandatsausübung entbindet den Abgeordneten nicht von seinen allgemeinen Pflichten im Rechtsverkehr, so als Arbeitgeber gegenüber schwerbehinderten Arbeitnehmern seines Büros. Die Auffassung des Beigeladenen würde ansonsten dazu führen, dass Bundestagsabgeordnete, soweit sie eine Arbeitgeberstellung innehaben, befreit wären von der Beachtung des für die bei ihnen Beschäftigten geltenden Arbeitnehmerschutzes. Dies ist jedoch weder Inhalt noch Sinn der Freiheit des Mandats, das ohnehin nicht schrankenlos gewährleistet ist und durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang begrenzt werden kann (
BVerfG, Urteil vom 4. Juli 2007 - 2 BvE 1/06 - juris Rn. 208).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154
Abs. 1
i. V. m. § 154
Abs. 3, § 159 Satz 1
VwGO, § 100
Abs. 1
ZPO. Der Ausspruch wegen der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167
VwGO i. V. m. §§ 708
Nr. 11, 711
ZPO.