Urteil
Rechtswirksamkeit einer Versetzung in den Ruhestand

Gericht:

LAG Düsseldorf 5. Kammer


Aktenzeichen:

5 Sa 1356/12


Urteil vom:

19.12.2012


Tenor:

1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.05.2010 - 2 Ca 7428/09 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.

3) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob die von der Beklagten verfügte Versetzung des Klägers in den Ruhestand rechtswirksam ist.

Der am 12.01.1953 geborene Kläger ist seit dem 28.07.1973 als Dienstordnungsangestellter bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Dem Anstellungsverhältnis der Parteien liegt ein Vertrag vom 18.09.1973 nebst Nachträgen zugrunde (vgl. hierzu Bl. 41 ff. d.A.). Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Regelungen der Dienstordnung der B. Rheinland/Hamburg (DO-B.) Anwendung. Der Kläger war zuletzt seit dem Jahre 2003 im Wege der Abordnung als Beitragsprüfer in dem Bereich Beiträge/Leistungen der Unternehmenssteuerung tätig. Seine Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 3.585,98 EUR.

Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 90.

Er ist seit dem 23.01.2008 durchgehend dienstunfähig erkrankt.

Mit Schreiben vom 14.11.2008 (Bl. 45 und 46 d.A.) sprach die Beklagte eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch aus, um dem Kläger in diesem Informationsgespräch Maßnahmen des betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements zu erläutern, das mit ihm durchgeführt werden sollte. Mit E-Mail vom 25.11.2008 lehnte der Kläger die Durchführung eines betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements ab und berief sich auf eine Rücksprache mit seinem Psychiater.

In einem weiteren Schreiben vom 10.12.2008 erläuterte er seine ablehnende Haltung gegenüber der Beklagten und unterstrich, dass er einer einvernehmlichen Versetzung in den einstweiligen Ruhestand seine Zustimmung versagen würde.

Ein weiteres Gespräch über die Gründe der Dienstunfähigkeit des Klägers, das die Beklagte mit Schreiben vom 18.12.2008 angeregt hatte, wurde vom Kläger zunächst positiv aufgenommen (Bl. 51 und 52 d.A.). Mit Schreiben vom 04.01.2009 (Bl. 53 d.A.) lehnte er alsdann das für den 07.01.2009 vorgesehene Gespräch endgültig ab. Die Beklagte hörte daraufhin die bei ihr bestehende Schwerbehindertenvertretung mit Schreiben vom 15.01.2009 zu einer beabsichtigten amtsärztlichen Begutachtung an. Unter dem 26.01.2009 teilte der Schwerbehindertenvertreter I. mit, dass gegen eine amtsärztliche Begutachtung keine Bedenken bestünden.

Am 04.03.2009 führte die zuständige Amtsärztin eine ärztliche Untersuchung des Klägers durch, die sie in einem Gutachten vom 09.04.2009 zusammenfasste. In diesem Gutachten (Bl. 11 ff. d.A.) heißt es u.a.:

"Nach dem zu erhebenden Befund erscheint es wahrscheinlich, dass die Dienstunfähigkeit in den kommenden drei Monaten beendet wird.

Aus hiesiger Sicht ist der Wunsch des Patienten, wieder im Bereich der Prüfung der Agenturen für Arbeit eingesetzt zu werden, zu unterstützen.

Für die Dauer eines Vierteljahres ist die Reduzierung der Arbeitszeit auf die Hälfte sinnvoll."

In der Folgezeit unterbreitete die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 17.04.2009 einen Vorschlag zur weiteren dienstlichen Verwendung. In dem Schreiben heißt es u.a. wie folgt:

"Sehr geehrter Herr C.,

Sie wurden am 04.03.2009 amtsärztlich untersucht. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass Sie wieder dienstfähig sein werden, wenn ein Einsatz ohne größere körperliche Belastung erfolgen kann. Die körperliche Belastung habe in der Vergangenheit darin bestanden, dass Sie bei wechselnden Firmen eingesetzt wurden.

Zwischenzeitlich haben sich die Rahmenbedingungen in Ihrem Arbeitsbereich verändert. Die Abordnungen der Mitarbeiter wurden beendet, sie wurden in die Unternehmenssteuerung Geschäftsbereich Beiträge/Leistungen versetzt. Als Dienstort für das Prüfgeschäft gilt der Wohnort.

In einer wohnortnahen Regionaldirektion steht dem einzelnen Prüfer ein Büro zur Verfügung, von dem aus die Prüfungen der RAG -Zahlstellen - zumindest einer Vielzahl davon - durchgeführt werden kann.

Die Prüfungen bei den Arbeitsagenturen finden dagegen nach wie vor vor Ort statt.

Wir gehen davon aus, dass Sie bei dieser Ausgestaltung der Tätigkeit keinerlei größeren körperlichen Belastungen mehr ausgesetzt sein werden.

Teilen Sie uns bitte bis zum 15.05.2009 mit, ob Sie Ihren Dienst wieder aufnehmen werden. Der Wiederbeginn Ihrer Tätigkeit könnte der 01.06.2009 sein."

Der Kläger antwortete am 20.04.2009 und formulierte seine Bedenken wie folgt:

"In diesem Zusammenhang ist mir jedoch zu Ohren gekommen, dass man wohl auch schon überlegt habe, mich ganz aus dem Prüfgeschäft der RAG-Zahlstellen herauszunehmen und nur noch bei den Arbeitsagenturen einzusetzen. Dies wäre eine Basis, über die man nachdenken sollte. Bedenken Sie hierbei bitte auch, dass ich mich ursprünglich zwar für eine Prüfertätigkeit bei den Arbeitsagenturen, nie jedoch für Prüfungen der RAG-Zahlstellen beworben hatte. Dies hätte ich auch sicherlich nie getan, weil mir bewusst ist, dass ich dem körperlich wohl kaum gewachsen bin.

Ich bitte um Nachricht, ob es möglicherweise beabsichtigt ist, mich nur noch mit Beitragsprüfungen bei den Arbeitsagenturen zu betreuen.

Bekanntlich leide ich unter einem Burnout-Syndrom. Bedenken Sie bitte, dass ich bezüglich meiner Dienstfähigkeit oder Dienstunfähigkeit keinerlei Entscheidungen ohne Rücksprache mit meinem Arzt und ohne dessen Zustimmungen treffen kann und werde. Bei einer psychischen Erkrankung ist man als Laie nämlich nicht in der Lage, selbst ein Urteil bezüglich der Erkrankung und damit auch der Dienstunfähigkeit, zu fällen."

Unter dem 21.04.2009 konkretisierte die Beklagte ihr Angebot und teilte dem Kläger folgendes mit:

"Sehr geehrter Herr C.,

Ihr Schreiben vom 20.04.2009 haben wir erhalten.

Mit dem Geschäftsbereich Beiträge/Leistungen haben wir vereinbart, dass Sie bei Wiederaufnahme des Dienstes nur noch solche RAG-Zahlstellen zu prüfen haben, in denen die Prüfung von der wohnortnahen Regionaldirektion aus möglich ist. Darüber hinaus sind Sie nach wie vor zuständig für die Prüfung bei den Arbeitsagenturen.

Teilen Sie uns bitte mit, ob Sie mit dieser Regelung einverstanden sind und eine Wiederaufnahme Ihrer Tätigkeit in absehbarer Zeit erfolgen kann."

Mit Schreiben vom 20.05.2009 informierte die Beklagte den Kläger über eine weitere amtsärztliche Untersuchung. In dem Schreiben heißt es:

"Sehr geehrter Herr C.,

mit Schreiben vom 17.04.2009 und 21.04.2009 hatten wir Ihnen mitgeteilt, dass wir die Anregungen des Amtsarztes im Gutachten vom 04.03.2009 umsetzen werden. Leider waren unsere Bemühungen, die weitere Vorgehensweise in einem persönlichen Gespräch mit Ihnen abzustimmen, erfolglos.

Das o.a. Gutachten sieht eine weitere amtsärztliche Untersuchung nach Ablauf von 3 Monaten vor, wenn bis dahin die dienstliche Tätigkeit nicht wieder aufgenommen wurde.

Aus diesem Grunde haben wir das Gesundheitsamt des Kreises E. gebeten, Sie zu einer erneuten Untersuchung einzuladen."

Die zuständige Amtsärztin erhielt ebenfalls ein Schreiben vom 20.05.2009, das wie folgt lautet:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

wir beziehen uns auf Ihr Gutachten vom 04.03.2009 und bitten Sie, Herrn C. zu einer erneuten amtsärztlichen Untersuchung einzuladen und insbesondere zur Frage der dauernden Dienstunfähigkeit Stellung zu nehmen.

Wir haben Herrn C. die in Ihrem Gutachten entsprechende Änderung seiner Tätigkeit in Aussicht gestellt, nämlich Prüfung der Arbeitsagenturen

- Als Dienstort gilt der Wohnort

- Die Prüfung der RAG-Zahlstellen findet in einem Büro statt,

- das wohnortnah in einer unserer Regionaldirektionen eingerichtet wird.

Unsere Versuche, die weitere Vorgehensweise mit Herrn C. in einem persönlichen Gespräch zu klären, sind leider erfolglos geblieben."

Unter dem 29.05.2009 teilte der Kläger der Beklagten u.a. folgendes mit:

"Solange ich dienstunfähig bin, ist es müßig, über meinen weiteren Einsatz zu reden. Im Übrigen gehe ich davon aus, dass ich der von Ihnen in Ihrem Schreiben vom 21.04.2009 geplanten Tätigkeit körperlich nicht gewachsen bin. Dies hätte man aber seitens des Dienstherrn schon längst durch Einschaltung der Schwerbehindertenvertretung abklären können; da Sie dem von mir zwei Mal geäußerten Wunsch, mir Kopien des diesbezüglichen Schriftwechsels mit der Schwerbehindertenvertretung zur Verfügung zu stellen, nicht nachgekommen sind, gehe ich mittlerweile nämlich davon aus, dass - trotz Zusage von Herrn S. W. die Schwerbehindertenvertretung bei der bisher nicht offiziellen Veränderung meines Aufgabengebietes im Jahr 2007 nicht eingeschaltet worden ist."

Am 15.06.2009 kam es alsdann zu der angekündigten erneuten amtsärztlichen Untersuchung. Im Gutachten der beauftragten Amtsärztin vom 19.06.2009 heißt es u.a.:

"Zum Zeitpunkt der Voruntersuchung schien der Unterzeichnerin noch die Möglichkeit gegeben zu sein, dass in einem Gespräch zwischen dem Patienten und der Dienststelle ein Weg der Wiedereingliederung gefunden wird. Zu diesem Gespräch war Herr C. aber offensichtlich nicht bereit oder vor dem Hintergrund seiner Persönlichkeitsstörung nicht imstande. Die Unterzeichnerin sieht nunmehr keine realisierbare Möglichkeit der beruflichen Wiedereingliederung, in diesem Sinne ist dauernde Dienstunfähigkeit festzustellen.

Herr C. ist subjektiv psychisch überfordert und aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur auch objektiv nicht imstande, zu einer konstruktiven Problembewältigung beizutragen.

Eine grundsätzliche Änderung der Persönlichkeitsstruktur ist auch mittelfristig nicht zu erwarten."

Im Übrigen wird wegen des weiteren Inhalts des Gutachtens auf Bl. 19 ff. d.A. verwiesen.

Mit Schreiben vom 10.08.2009 informierte die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung von der beabsichtigten Versetzung des Klägers in den Ruhestand. Die Schwerbehindertenvertretung teilte der Beklagten mit Schreiben vom 10.08.2009 mit, dass es ihr schwerfalle, der Versetzung zuzustimmen, da nach ihrer Auffassung nicht alle Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung aufgegriffen worden wären.

Mit Verfügung vom 21.09.2009 (Bl. 6 d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger gleichwohl die Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des Monats September 2009 mit.

Mit seiner am 09.10.2009 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der mit Schreiben vom 21.09.2009 erklärten Versetzung in den Ruhestand geltend gemacht.

Er hat dabei u.a. die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes gerügt und beantragt,

festzustellen, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 21.09.2009 erklärte Versetzung in den Ruhestand rechtsunwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich zur Begründung ihrer Entscheidung auf die amtsärztliche Untersuchung vom 15.06. und auf die im Gutachten vom 19.06.2009 bestätigte dauernde Dienstunfähigkeit des Klägers berufen. Sie hat zudem die Auffassung vertreten, dass es der Zustimmung des Integrationsamtes nicht bedurft hätte.

Mit Urteil vom 10.05.2010 hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf 2 Ca 7428/09 dem Klagebegehren entsprochen. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht auf die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 92 Abs. 1 SGB IX analog verwiesen.

Die Beklagte hat das gegen ihr am 21.05.2010 zugestellte Urteil mit einem am 04.06.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 16.07.2010 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie hat beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.05.2010 - 2 Ca 7428/09 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Urteil vom 23.09.2010 hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf - 5 Sa 737/10 - die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und ebenfalls auf die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes verwiesen.

Im anschließenden Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 24.05.2012 - 6 AZR 679/10 - das landesarbeitsgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht die Auffassung vertreten, dass eine analoge Anwendung des § 92 Satz 1 SGB IX nicht geboten wäre und im Übrigen Feststellungen darüber fehlten, ob die Voraussetzungen für eine Dienstunfähigkeit des Klägers gegeben wären. Insbesondere sei aufzuklären, ob nicht eine anderweitige Verwendung des Klägers in Betracht gekommen wäre.

Die Beklagte vertritt nunmehr die Auffassung, dass sie alles ihr zumutbare getan hätte, um die Versetzung des Klägers in den Ruhestand zu vermeiden. So habe sie dem Kläger mit den Schreiben vom 17. und 21.04.2009 wiederholt angeboten, neben den Arbeitsagenturen nur noch solche RAG-Zahlstellen zu prüfen, bei denen er die Prüfung von der wohnortnahen Regionaldirektion aus hätte durchführen können. Auch dies hätte der Kläger mit Schreiben vom 29.05.2009 letztlich abgelehnt, sodass es zu der Feststellung der endgültigen Dienstunfähigkeit durch die Amtsärztin am 19.06.2009 gekommen wäre.

Dieses Gutachten, so die Beklagte weiter, sei auch nicht von falschen Voraussetzungen ausgegangen, wie der Kläger nunmehr meine. Es sei auch dem Kläger klar gewesen, dass er seine Tätigkeiten, soweit sie nicht die Arbeitsagenturen beträfen, in der Regionaldirektion ausführen sollte. Da er auch dies abgelehnt hätte, sei die Feststellung der Gutachterin, dass der Kläger überhaupt nicht mehr verwendet werden könnte, folgerichtig und konsequent und somit nicht zu beanstanden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.05.2010 - 2 Ca 7428/09 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger wiederholt seinen bisherigen Sachvortrag und hält an seiner Überzeugung fest, dass die Amtsärztin von der Beklagten mit dem Schreiben vom 20.05.2009 falsch unterrichtet worden sei. Während dem Kläger mit dem Schreiben der Beklagten vom 17.04.2009 und 21.04.2009 allenfalls mitgeteilt worden sei, dass er von der Regionaldirektion aus arbeiten sollte, hätte man die Ärztin dahingehend informiert, dass er in der Regionaldirektion arbeiten könnte.

Diese fehlerhafte Information hätte dann zu falschen Rückschlüssen hinsichtlich der Dienstfähigkeit des Klägers bei der Ärztin geführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Rechtsweg:

ArbG Düsseldorf, Urteil vom 10.05.2010 - 2 Ca 7428/09
LAG Düsseldorf, Urteil vom 23.09.2010 - 5 Sa 737/10
BAG, Urteil vom 24.05.2012 - 6 AZR 679/10
(zurückverwiesen)

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Auch in der Sache selbst hatte das Rechtsmittel Erfolg.

Das arbeitsgerichtliche Urteil war abzuändern, weil die mit Schreiben der Beklagten vom 21.09.2009 erklärte Versetzung des Klägers in den Ruhestand rechtmäßig gewesen ist.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist, da der Kläger als Dienstordnungsangestellter für die Beklagte tätig geworden ist, die Dienstordnung der B. Rheinland/Hamburg anzuwenden. Nach § 15 DO-B. steht der Dienstordnungsangestellte in einem Dienstverhältnis, das dem eines Landesbeamten auf Lebenszeit entspricht. § 20 DO-B. bestimmt darüber hinaus, dass die jeweiligen Vorschriften für Landesbeamte z.B. gelten für "Eintritt und Versetzung in den Ruhestand". Hiernach ist auf das Dienstverhältnis der Parteien u.a. das Landesbeamtengesetz NW und das Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) anzuwenden. Nach § 26 BeamtStG sind Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind.

In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Beklagten ist auch die erkennende Berufungskammer zu der Feststellung gelangt, dass beim Kläger zum Zeitpunkt seiner Versetzung in den Ruhestand eine dauernde Dienstunfähigkeit vorlag, die die Beklagte zu der hier streitigen Maßnahme berechtigte.

2. Die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit setzt voraus, dass der Beamte zur Erfüllung der Dienstpflichten wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft außerstande ist. Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist nicht der Dienstposten, sondern das Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Die Verantwortung zur Feststellung der Dienstunfähigkeit hat die Behörde, nicht der Amtsarzt. Sie muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen inhaltlich nachvollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden. Das setzt voraus, dass sie die fachärztlichen Äußerungen, die der Stellungnahme des Amtsarztes zugrunde liegen, zur Kenntnis nimmt und würdigt. Dabei muss ein amtsärztliches Gutachten den von der Rechtsprechung formulierten Anforderungen genügen (BVerwG 06.03.2012 - 2 A 5/10 - juris).

2.1 Hiernach durfte und musste die Beklagte auf der Grundlage der amtsärztlichen Begutachtung aus dem Jahre 2009 davon ausgehen, dass der Kläger dauerhaft dienstunfähig ist.

2.2.1 Grundlage dieser Erkenntnis und damit Grundlage für die Urteilsbildung der Beklagten war zunächst das Gutachten, das die amtsärztliche Untersuchung vom 04.03.2009 zusammenfasst. Hiernach stellte die Amtsärztin zunächst die beim Kläger vorliegenden Krankheiten fest und attestierte, dass die seit Januar 2008 andauernde Dienstunfähigkeit auf einen Arbeitsplatzkonflikt zurückgehe, der nach Angabe des Klägers Ursache einer mit Ängsten und Depressionen einhergehenden psychischen Erkrankung sein sollte. Die Amtsärztin attestierte weiter, dass der Kläger aufgrund einer ebenfalls vorhandenen Wirbelsäulenerkrankung in der Fähigkeit beeinträchtigt wäre, längere Wegstrecken zu Fuß zurückzulegen und dabei schwere Lasten zu tragen. Sie attestierte ihm in psychischer Hinsicht eine verminderte Leistungsfähigkeit und anfallsweise auftretende Angst.

Hieraus schloss die Amtsärztin im Gutachten vom 09.04.2009, dass der Kläger zwar innerhalb der nächsten sechs Monate dienstunfähig krank sein würde, danach aber mit einer Wiederherstellung der uneingeschränkten Dienstfähigkeit zu rechnen sei. Sie empfahl, dem Wunsch des Klägers nachzukommen, wieder im Bereich der Prüfung der Agenturen für Arbeit eingesetzt zu werden und für die Dauer eines Vierteljahres nach Arbeitsbeginn eine Reduzierung der Arbeitszeit auf die Hälfte.

2.2.2 Auf der Basis der Begutachtung vom 09.04.2009 führte dieselbe Amtsärztin dann am 15.06.2009 eine weitere Untersuchung durch, die sie im Gutachten vom 19.06.2009 zusammenfasste. Angesichts der inzwischen eingetretenen Entwicklung und angesichts der Tatsache, dass der Kläger offensichtlich nicht bereit war, in Gesprächen die Frage seiner Dienstfähigkeit und die Frage einer möglichen weiteren Verwendung zu erörtern und Lösungswege zu finden, kommt die Gutachterin nunmehr zu der Erkenntnis, dass keine realisierbare Möglichkeit der beruflichen Wiedereingliederung besteht. Sie attestiert dem Kläger nunmehr eine Persönlichkeitsstörung, die u.a. mit einer vermehrten Kränkbarkeit einhergeht, sodass der Kläger auf den Arbeitsplatzkonflikt u.a. auch mit körperlichen und psychischen Symptomen reagiert. Die Gutachterin bestätigt dem Kläger, dass er subjektiv psychisch überfordert und aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur auch objektiv nicht im Stande zu einer konstruktiven Problembewältigung ist, dass er seit mehr als einem Jahr ohne nachhaltigen Erfolg ambulant psychiatrisch behandelt wird und eine tagesklinische Behandlung kurzfristig abgebrochen hat. Die Gutachterin folgert hieraus uneingeschränkt, dass eine grundsätzliche Änderung der Persönlichkeitsstruktur auch mittelfristig nicht zu erwarten ist und dass deshalb von einer dauernden Dienstunfähigkeit auszugehen ist.

2.2.3 Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Feststellungen der Gutachterin nachvollziehbar, orientieren sich an den tatsächlichen Gegebenheiten und belegen die Schlussfolgerung über das Vorliegen einer uneingeschränkten Dienstunfähigkeit.

Die Gutachterin verweist zunächst zu Recht darauf, dass sich der Kläger bis zur Untersuchung am 15.06.2009 nachhaltig und wiederholt geweigert hatte, die von der Beklagten gemachten Vorschläge zu seiner Wiedereingliederung und zu der von ihm eigentlich gewünschten Verwendung abgelehnt hatte. So war der Kläger schon im Jahre 2008 mit eher fadenscheiniger Begründung nicht bereit gewesen, ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement zu durchlaufen. Das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement hätte Möglichkeiten aufgezeigt, wie schon zu diesem frühen Zeitpunkt eine anderweitige Verwendung des Klägers unter Berücksichtigung seiner Wünsche zu realisieren war.

Der Kläger hatte sich des Weiteren geweigert, ein Gespräch am 07.01.2009 wahrzunehmen, in dem es erneut um seine weitere Verwendung und Wiedereingliederung in den Arbeitsablauf gegangen wäre.

Auch im Schreiben vom 29.05.2009 führt der Kläger in aller Deutlichkeit aus, dass er selbst von seiner Dienstunfähigkeit ausgehe und dass es deshalb müßig sei, über seine weitere Verwendung nachzudenken. Wenn die Amtsärztin in Ansehung dieses Verhaltens zu dem Schluss kommt, dass der Kläger nicht bereit oder nicht in der Lage sei, ihm angebotene Gespräche zu führen und hieraus auf eine Persönlichkeitsstörung schließt, die eine weitere Verwendung überhaupt nicht zulässt, ist dies nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat im Übrigen sein stures und absolut unkooperatives Verhalten auch im Verlaufe des vorliegenden Rechtsstreits fortgesetzt. So hat er sowohl im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf vom 22.02.2010 erklärt, dass er mit einer vergleichsweisen Einigung über seine Reaktivierung nicht einverstanden wäre. Auch im Termin zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 19.12.2012 hat der Kläger diese Haltung nicht aufgegeben und auf Nachfrage des Vorsitzenden auch keine Verwendungsmöglichkeiten aufgezeigt, die für ihn noch in Frage kommen könnten. Dies untermauert letztlich die Einschätzung der Gutachterin, dass der Kläger in der Tat schon im September 2009 nicht mehr dienstfähig gewesen ist.

2.2.4 Unabhängig hiervon genügt das Gutachten aber auch den Anforderungen, die insbesondere die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung aufgestellt hat, wenn es um die Frage der Dienstunfähigkeit von Beamten geht. Nach Meinung des Bundesverwaltungsgerichts muss ein amtsärztliches Gutachten nicht nur das Untersuchungsergebnis mitteilen, sondern auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe. Dazu muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde enthalten als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, sein abstrakt - funktionelles Amt weiter auszuüben. Dabei ist es zulässig, auf an anderer Stelle erhobene Befunde bzw. formulierte Bewertungen zurückzugreifen, wenn deutlich wird, in welchem Umfang sich der Amtsarzt ihnen anschließt (BVerwG 20.01.2011 - 2 B 2/10 - juris).

Diesen Anforderungen genügen sowohl das teilweise in Bezug genommene Gutachten vom 09.04.2009 wie auch das abschließende Gutachten vom 19.06.2009. In beiden Gutachten wird nicht nur das Ergebnis des amtsärztlichen Gutachtens mitgeteilt. Vielmehr beschreibt die begutachtende Amtsärztin in beiden Gutachten, wie sie zu ihren Feststellungen gekommen ist und welche Gründe für das gefundene Ergebnis von Bedeutung waren. Sie hat hierzu die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt erhoben und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen, die sich aus medizinischer Sicht ergeben.

2.2.5 Schließlich basiert das Gutachten vom 19.06.2009 auch nicht auf falschen Informationen und damit auch nicht zu fehlerhaften Rückschlüssen bei der Gutachterin.

Die Beklagte hatte dem Kläger mit Schreiben vom 17.04.2009 mitgeteilt, dass in einer wohnortnahen Regionaldirektion ein Büro zur Verfügung steht, von dem aus die Prüfungen der RAG-Zahlstellen zumindest einer Vielzahl davon - durchgeführt werden könnten. Der Nachsatz, wonach die Prüfungen bei den Arbeitsagenturen dagegen nach wie vor vor Ort stattfinden, belegt in aller Deutlichkeit, dass der Kläger die übrigen Prüfungen in der Regionaldirektion selbst durchführen konnte. Dies hat die Beklagte dem Kläger im Übrigen mit dem weiteren Schreiben vom 21.04.2009 nochmals konkretisiert bestätigt. Die entsprechende Information im Schreiben an die Amtsärztin vom 20.09.2009 gibt damit nur das wieder, was auch dem Kläger mitgeteilt worden ist, der über seine weitere, angedachte Verwendung demnach eindeutig und vollständig informiert war. Wenn die Gutachterin aufgrund der mehrmals betonten und umfassenden Verweigerungshaltung dann zu dem Ergebnis kam, dass er insgesamt nicht mehr verwendbar war, so belegt dies erneut das gefundene Ergebnis der dauernden Dienstunfähigkeit.

3. Der Beklagten ist es auch nicht möglich gewesen, den Kläger an anderer Stelle und mit anderen Aufgaben weiterzubeschäftigen.

3.1 Bei der Frage einer anderweitigen Verwendung ist dem in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Grundsatz "Weiterverwendung vor Versorgung" Rechnung zu tragen. Die Suche nach einem anderen Amt muss diesem Grundsatz in effektiver Weise zur Umsetzung verhelfen. Die Suche muss sich regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn erstrecken; im Einzelfall kann sich insbesondere unter Fürsorgeaspekten eine räumliche Begrenzung ergeben. Außerdem muss die Suche nach einer anderweitigen Verwendung sich auf Dienstposten erstrecken, die in absehbarer Zeit neu zu besetzen sind. Die Suchpflicht darf sich nicht auf die Nachfrage beschränken, ob eine andere Behörde im Bereich des Dienstherrens bereit ist, den Beamten zu übernehmen. Vielmehr sind konkrete, gegebenenfalls auch dialogische Bemühungen erforderlich, den Beamten anderweitig zu verwenden. Schließlich ist dann, wenn die Suche nach einer anderweitigen Verwendung auch unter Beachtung der insoweit zu stellenden Anforderungen erfolglos geblieben ist, vor der Versetzung des Beamten in den Ruhestand zu prüfen, ob dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit übertragen werden kann und ob er auch ohne Zustimmung in ein Amt dieser Laufbahn mit geringerem Entgeltgrundgehalt versetzt werden kann (BVerwG 06.03.2012, a.a.O.).

3.2 Hiernach hat die Beklagte alles getan, was ihr - auch unter Beachtung der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - möglich und zumutbar war. Sie hatte zunächst, wie mehrfach aufgezeigt, versucht, dem Kläger möglichst nur noch solche Tätigkeiten zu übertragen, für die er nach dem Gutachten vom 09.04.2009 noch - eingeschränkt - dienstfähig war. Nachdem der Kläger auch diese Angebote, und zwar letztlich mit Schreiben vom 29.05.2009 abgelehnt hatte, kam eine anderweitige Verwendung auch im Rahmen von geringerwertigen Tätigkeiten nicht mehr in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 72 ArbGG zuzulassen. Die Kammer hat geprüft, ob Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG vorliegen, die eine Zulassung der Revision bedingt hätten. Das Vorliegen derartiger Zulassungsgründe ist insgesamt zu verneinen gewesen.

Referenznummer:

R/R6220


Informationsstand: 03.07.2014