Urteil
Rechtswirksamkeit einer Versetzung in den Ruhestand
Gericht:
LAG Düsseldorf 5. Kammer
Aktenzeichen:
5 Sa 1356/12
Urteil vom:
19.12.2012
LAG Düsseldorf 5. Kammer
5 Sa 1356/12
19.12.2012
1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.05.2010 - 2 Ca 7428/09 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.
3) Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten über die Frage, ob die von der Beklagten verfügte Versetzung des Klägers in den Ruhestand rechtswirksam ist.
Der am 12.01.1953 geborene Kläger ist seit dem 28.07.1973 als Dienstordnungsangestellter bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Dem Anstellungsverhältnis der Parteien liegt ein Vertrag vom 18.09.1973 nebst Nachträgen zugrunde (vgl. hierzu Bl. 41 ff. d.A.). Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Regelungen der Dienstordnung der B. Rheinland/Hamburg (DO-B.) Anwendung. Der Kläger war zuletzt seit dem Jahre 2003 im Wege der Abordnung als Beitragsprüfer in dem Bereich Beiträge/Leistungen der Unternehmenssteuerung tätig. Seine Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 3.585,98 EUR.
Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 90.
Er ist seit dem 23.01.2008 durchgehend dienstunfähig erkrankt.
Mit Schreiben vom 14.11.2008 (Bl. 45 und 46 d.A.) sprach die Beklagte eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch aus, um dem Kläger in diesem Informationsgespräch Maßnahmen des betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements zu erläutern, das mit ihm durchgeführt werden sollte. Mit E-Mail vom 25.11.2008 lehnte der Kläger die Durchführung eines betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements ab und berief sich auf eine Rücksprache mit seinem Psychiater.
In einem weiteren Schreiben vom 10.12.2008 erläuterte er seine ablehnende Haltung gegenüber der Beklagten und unterstrich, dass er einer einvernehmlichen Versetzung in den einstweiligen Ruhestand seine Zustimmung versagen würde.
Ein weiteres Gespräch über die Gründe der Dienstunfähigkeit des Klägers, das die Beklagte mit Schreiben vom 18.12.2008 angeregt hatte, wurde vom Kläger zunächst positiv aufgenommen (Bl. 51 und 52 d.A.). Mit Schreiben vom 04.01.2009 (Bl. 53 d.A.) lehnte er alsdann das für den 07.01.2009 vorgesehene Gespräch endgültig ab. Die Beklagte hörte daraufhin die bei ihr bestehende Schwerbehindertenvertretung mit Schreiben vom 15.01.2009 zu einer beabsichtigten amtsärztlichen Begutachtung an. Unter dem 26.01.2009 teilte der Schwerbehindertenvertreter I. mit, dass gegen eine amtsärztliche Begutachtung keine Bedenken bestünden.
Am 04.03.2009 führte die zuständige Amtsärztin eine ärztliche Untersuchung des Klägers durch, die sie in einem Gutachten vom 09.04.2009 zusammenfasste. In diesem Gutachten (Bl. 11 ff. d.A.) heißt es u.a.:
"Nach dem zu erhebenden Befund erscheint es wahrscheinlich, dass die Dienstunfähigkeit in den kommenden drei Monaten beendet wird.
Aus hiesiger Sicht ist der Wunsch des Patienten, wieder im Bereich der Prüfung der Agenturen für Arbeit eingesetzt zu werden, zu unterstützen.
Für die Dauer eines Vierteljahres ist die Reduzierung der Arbeitszeit auf die Hälfte sinnvoll."
In der Folgezeit unterbreitete die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 17.04.2009 einen Vorschlag zur weiteren dienstlichen Verwendung. In dem Schreiben heißt es u.a. wie folgt:
"Sehr geehrter Herr C.,
Sie wurden am 04.03.2009 amtsärztlich untersucht. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass Sie wieder dienstfähig sein werden, wenn ein Einsatz ohne größere körperliche Belastung erfolgen kann. Die körperliche Belastung habe in der Vergangenheit darin bestanden, dass Sie bei wechselnden Firmen eingesetzt wurden.
Zwischenzeitlich haben sich die Rahmenbedingungen in Ihrem Arbeitsbereich verändert. Die Abordnungen der Mitarbeiter wurden beendet, sie wurden in die Unternehmenssteuerung Geschäftsbereich Beiträge/Leistungen versetzt. Als Dienstort für das Prüfgeschäft gilt der Wohnort.
In einer wohnortnahen Regionaldirektion steht dem einzelnen Prüfer ein Büro zur Verfügung, von dem aus die Prüfungen der RAG -Zahlstellen - zumindest einer Vielzahl davon - durchgeführt werden kann.
Die Prüfungen bei den Arbeitsagenturen finden dagegen nach wie vor vor Ort statt.
Wir gehen davon aus, dass Sie bei dieser Ausgestaltung der Tätigkeit keinerlei größeren körperlichen Belastungen mehr ausgesetzt sein werden.
Teilen Sie uns bitte bis zum 15.05.2009 mit, ob Sie Ihren Dienst wieder aufnehmen werden. Der Wiederbeginn Ihrer Tätigkeit könnte der 01.06.2009 sein."
Der Kläger antwortete am 20.04.2009 und formulierte seine Bedenken wie folgt:
"In diesem Zusammenhang ist mir jedoch zu Ohren gekommen, dass man wohl auch schon überlegt habe, mich ganz aus dem Prüfgeschäft der RAG-Zahlstellen herauszunehmen und nur noch bei den Arbeitsagenturen einzusetzen. Dies wäre eine Basis, über die man nachdenken sollte. Bedenken Sie hierbei bitte auch, dass ich mich ursprünglich zwar für eine Prüfertätigkeit bei den Arbeitsagenturen, nie jedoch für Prüfungen der RAG-Zahlstellen beworben hatte. Dies hätte ich auch sicherlich nie getan, weil mir bewusst ist, dass ich dem körperlich wohl kaum gewachsen bin.
Ich bitte um Nachricht, ob es möglicherweise beabsichtigt ist, mich nur noch mit Beitragsprüfungen bei den Arbeitsagenturen zu betreuen.
Bekanntlich leide ich unter einem Burnout-Syndrom. Bedenken Sie bitte, dass ich bezüglich meiner Dienstfähigkeit oder Dienstunfähigkeit keinerlei Entscheidungen ohne Rücksprache mit meinem Arzt und ohne dessen Zustimmungen treffen kann und werde. Bei einer psychischen Erkrankung ist man als Laie nämlich nicht in der Lage, selbst ein Urteil bezüglich der Erkrankung und damit auch der Dienstunfähigkeit, zu fällen."
Unter dem 21.04.2009 konkretisierte die Beklagte ihr Angebot und teilte dem Kläger folgendes mit:
"Sehr geehrter Herr C.,
Ihr Schreiben vom 20.04.2009 haben wir erhalten.
Mit dem Geschäftsbereich Beiträge/Leistungen haben wir vereinbart, dass Sie bei Wiederaufnahme des Dienstes nur noch solche RAG-Zahlstellen zu prüfen haben, in denen die Prüfung von der wohnortnahen Regionaldirektion aus möglich ist. Darüber hinaus sind Sie nach wie vor zuständig für die Prüfung bei den Arbeitsagenturen.
Teilen Sie uns bitte mit, ob Sie mit dieser Regelung einverstanden sind und eine Wiederaufnahme Ihrer Tätigkeit in absehbarer Zeit erfolgen kann."
Mit Schreiben vom 20.05.2009 informierte die Beklagte den Kläger über eine weitere amtsärztliche Untersuchung. In dem Schreiben heißt es:
"Sehr geehrter Herr C.,
mit Schreiben vom 17.04.2009 und 21.04.2009 hatten wir Ihnen mitgeteilt, dass wir die Anregungen des Amtsarztes im Gutachten vom 04.03.2009 umsetzen werden. Leider waren unsere Bemühungen, die weitere Vorgehensweise in einem persönlichen Gespräch mit Ihnen abzustimmen, erfolglos.
Das o.a. Gutachten sieht eine weitere amtsärztliche Untersuchung nach Ablauf von 3 Monaten vor, wenn bis dahin die dienstliche Tätigkeit nicht wieder aufgenommen wurde.
Aus diesem Grunde haben wir das Gesundheitsamt des Kreises E. gebeten, Sie zu einer erneuten Untersuchung einzuladen."
Die zuständige Amtsärztin erhielt ebenfalls ein Schreiben vom 20.05.2009, das wie folgt lautet:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
wir beziehen uns auf Ihr Gutachten vom 04.03.2009 und bitten Sie, Herrn C. zu einer erneuten amtsärztlichen Untersuchung einzuladen und insbesondere zur Frage der dauernden Dienstunfähigkeit Stellung zu nehmen.
Wir haben Herrn C. die in Ihrem Gutachten entsprechende Änderung seiner Tätigkeit in Aussicht gestellt, nämlich Prüfung der Arbeitsagenturen
- Als Dienstort gilt der Wohnort
- Die Prüfung der RAG-Zahlstellen findet in einem Büro statt,
- das wohnortnah in einer unserer Regionaldirektionen eingerichtet wird.
Unsere Versuche, die weitere Vorgehensweise mit Herrn C. in einem persönlichen Gespräch zu klären, sind leider erfolglos geblieben."
Unter dem 29.05.2009 teilte der Kläger der Beklagten u.a. folgendes mit:
"Solange ich dienstunfähig bin, ist es müßig, über meinen weiteren Einsatz zu reden. Im Übrigen gehe ich davon aus, dass ich der von Ihnen in Ihrem Schreiben vom 21.04.2009 geplanten Tätigkeit körperlich nicht gewachsen bin. Dies hätte man aber seitens des Dienstherrn schon längst durch Einschaltung der Schwerbehindertenvertretung abklären können; da Sie dem von mir zwei Mal geäußerten Wunsch, mir Kopien des diesbezüglichen Schriftwechsels mit der Schwerbehindertenvertretung zur Verfügung zu stellen, nicht nachgekommen sind, gehe ich mittlerweile nämlich davon aus, dass - trotz Zusage von Herrn S. W. die Schwerbehindertenvertretung bei der bisher nicht offiziellen Veränderung meines Aufgabengebietes im Jahr 2007 nicht eingeschaltet worden ist."
Am 15.06.2009 kam es alsdann zu der angekündigten erneuten amtsärztlichen Untersuchung. Im Gutachten der beauftragten Amtsärztin vom 19.06.2009 heißt es u.a.:
"Zum Zeitpunkt der Voruntersuchung schien der Unterzeichnerin noch die Möglichkeit gegeben zu sein, dass in einem Gespräch zwischen dem Patienten und der Dienststelle ein Weg der Wiedereingliederung gefunden wird. Zu diesem Gespräch war Herr C. aber offensichtlich nicht bereit oder vor dem Hintergrund seiner Persönlichkeitsstörung nicht imstande. Die Unterzeichnerin sieht nunmehr keine realisierbare Möglichkeit der beruflichen Wiedereingliederung, in diesem Sinne ist dauernde Dienstunfähigkeit festzustellen.
Herr C. ist subjektiv psychisch überfordert und aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur auch objektiv nicht imstande, zu einer konstruktiven Problembewältigung beizutragen.
Eine grundsätzliche Änderung der Persönlichkeitsstruktur ist auch mittelfristig nicht zu erwarten."
Im Übrigen wird wegen des weiteren Inhalts des Gutachtens auf Bl. 19 ff. d.A. verwiesen.
Mit Schreiben vom 10.08.2009 informierte die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung von der beabsichtigten Versetzung des Klägers in den Ruhestand. Die Schwerbehindertenvertretung teilte der Beklagten mit Schreiben vom 10.08.2009 mit, dass es ihr schwerfalle, der Versetzung zuzustimmen, da nach ihrer Auffassung nicht alle Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung aufgegriffen worden wären.
Mit Verfügung vom 21.09.2009 (Bl. 6 d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger gleichwohl die Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des Monats September 2009 mit.
Mit seiner am 09.10.2009 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der mit Schreiben vom 21.09.2009 erklärten Versetzung in den Ruhestand geltend gemacht.
Er hat dabei u.a. die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes gerügt und beantragt,
festzustellen, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 21.09.2009 erklärte Versetzung in den Ruhestand rechtsunwirksam ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich zur Begründung ihrer Entscheidung auf die amtsärztliche Untersuchung vom 15.06. und auf die im Gutachten vom 19.06.2009 bestätigte dauernde Dienstunfähigkeit des Klägers berufen. Sie hat zudem die Auffassung vertreten, dass es der Zustimmung des Integrationsamtes nicht bedurft hätte.
Mit Urteil vom 10.05.2010 hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf 2 Ca 7428/09 dem Klagebegehren entsprochen. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht auf die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 92 Abs. 1 SGB IX analog verwiesen.
Die Beklagte hat das gegen ihr am 21.05.2010 zugestellte Urteil mit einem am 04.06.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 16.07.2010 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Sie hat beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.05.2010 - 2 Ca 7428/09 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Urteil vom 23.09.2010 hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf - 5 Sa 737/10 - die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und ebenfalls auf die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes verwiesen.
Im anschließenden Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 24.05.2012 - 6 AZR 679/10 - das landesarbeitsgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht die Auffassung vertreten, dass eine analoge Anwendung des § 92 Satz 1 SGB IX nicht geboten wäre und im Übrigen Feststellungen darüber fehlten, ob die Voraussetzungen für eine Dienstunfähigkeit des Klägers gegeben wären. Insbesondere sei aufzuklären, ob nicht eine anderweitige Verwendung des Klägers in Betracht gekommen wäre.
Die Beklagte vertritt nunmehr die Auffassung, dass sie alles ihr zumutbare getan hätte, um die Versetzung des Klägers in den Ruhestand zu vermeiden. So habe sie dem Kläger mit den Schreiben vom 17. und 21.04.2009 wiederholt angeboten, neben den Arbeitsagenturen nur noch solche RAG-Zahlstellen zu prüfen, bei denen er die Prüfung von der wohnortnahen Regionaldirektion aus hätte durchführen können. Auch dies hätte der Kläger mit Schreiben vom 29.05.2009 letztlich abgelehnt, sodass es zu der Feststellung der endgültigen Dienstunfähigkeit durch die Amtsärztin am 19.06.2009 gekommen wäre.
Dieses Gutachten, so die Beklagte weiter, sei auch nicht von falschen Voraussetzungen ausgegangen, wie der Kläger nunmehr meine. Es sei auch dem Kläger klar gewesen, dass er seine Tätigkeiten, soweit sie nicht die Arbeitsagenturen beträfen, in der Regionaldirektion ausführen sollte. Da er auch dies abgelehnt hätte, sei die Feststellung der Gutachterin, dass der Kläger überhaupt nicht mehr verwendet werden könnte, folgerichtig und konsequent und somit nicht zu beanstanden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.05.2010 - 2 Ca 7428/09 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger wiederholt seinen bisherigen Sachvortrag und hält an seiner Überzeugung fest, dass die Amtsärztin von der Beklagten mit dem Schreiben vom 20.05.2009 falsch unterrichtet worden sei. Während dem Kläger mit dem Schreiben der Beklagten vom 17.04.2009 und 21.04.2009 allenfalls mitgeteilt worden sei, dass er von der Regionaldirektion aus arbeiten sollte, hätte man die Ärztin dahingehend informiert, dass er in der Regionaldirektion arbeiten könnte.
Diese fehlerhafte Information hätte dann zu falschen Rückschlüssen hinsichtlich der Dienstfähigkeit des Klägers bei der Ärztin geführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
ArbG Düsseldorf, Urteil vom 10.05.2010 - 2 Ca 7428/09
LAG Düsseldorf, Urteil vom 23.09.2010 - 5 Sa 737/10
BAG, Urteil vom 24.05.2012 - 6 AZR 679/10
(zurückverwiesen)
R/R6220
Informationsstand: 03.07.2014