1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 01.03.2006 - 3 Ca 458/ 05 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Beklagte
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem schwerbehinderten Kläger durch die mit Schreiben vom 03.11.2005 fristlos und hilfsweise zum nächstmöglichen Termin ausgesprochene Kündigung fristlos beendet worden ist. Das Integrationsamt hat auf den Antrag des Beklagten vom 20.10.2005 (Blatt 20 d. A.) am 02.11.2005 die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung erklärt (Blatt 38. d. A.).
Der Beklagte stützt die Kündigung auf unentschuldigtes Fehlen des Klägers, insbesondere in der Woche vom 17. bis 21. Oktober 2005, für die zwischen den Parteien streitig ist, ob der Beklagte dem Kläger genehmigt hat, den ursprünglich für die Zeit vom 04. bis 14. Oktober bewilligten Urlaub im Anschluss an eine vom 15. September bis 07. Oktober währende Arbeitsunfähigkeit um eine Woche zu verlängern. Außerdem will der Beklagte die Kündigung auf eine eigenmächtige Benutzung des betriebseigenen Baggers durch den Kläger im Juli 2005 stützen, die ihm erst im Januar 2006 bekannt geworden sei.
Daneben macht der Kläger die Zahlung seines Gehaltes für den Oktober 2005 in Höhe von 2.076,00
EUR brutto sowie die Nachzahlung in den vorangegangenen Monaten einbehaltenen Lohnes in Höhe von 2.250,00
EUR netto geltend. Der Beklagte berühmt sich einer Gegenforderung in Höhe von 3.480,00
EUR, die der Kläger ihm als Entgelt für die Benutzung des Baggers im Jahre 2004 schulde.
Das Arbeitsgericht Stralsund hat mit seinem auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2005 ergangenen, am 01. März 2006 verkündeten Urteil für Recht erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 03.11.2005 beendet worden ist, sondern bis zum 15.12.2005 fortbestand.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.076,00
EUR brutto sowie 2.250,00
EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.12.2005 zu zahlen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Arbeitspapiere, bestehend aus der Arbeitsbescheinigung
gem. § 312 SGB III, der Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 2005, dem Sozialversicherungsnachweis sowie der Verdienstbescheinigung für die
AOK zur Berechnung des Krankengeldes, ausgefüllt herauszugeben.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
5. Der Streitwert wird auf 8.440,00
EUR festgesetzt.
Das Arbeitsgericht ist - nachdem der Kläger seine Klage bezüglich der Kündigung auf Einhaltung der Kündigungsfrist beschränkt hatte, davon ausgegangen, dass ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 626
Abs. 1
BGB nicht bestand. Unentschuldigtes Fehlen und eigenmächtige Urlaubsverlängerung könnten zwar einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abgeben. Hier komme eine außerordentliche Kündigung aber nicht in Betracht, weil der Beklagte den Kläger vor Ausspruch der Kündigung hätte zur Arbeit auffordern und gegebenenfalls abmahnen müssen. Eine Abmahnung sei nicht entbehrlich gewesen. Für die vom Beklagten behauptete mündliche Abmahnung vom 17. August 2005 fehle es an einem konkreten Tatsachenvortrag.
Soweit der Beklagte ein unentschuldigtes Fehlen des Klägers am 01. November 2005 behaupte, sei sein Vortrag widersprüchlich, denn der Kläger habe unstreitig eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 01. November (bis 22. November) vorgelegt. Dies sei am 02. November sogar noch rechtzeitig innerhalb der Frist des § 5 EFZG geschehen. Vorgeworfen werden könne dem Kläger allenfalls, dass er die Arbeitsunfähigkeit nicht unverzüglich am 01. November gemeldet habe, was aber eine Kündigung nicht rechtfertige.
Mit dem nachgeschobenen Kündigungsgrund der unbefugten Benutzung eines Baggers sei der Beklagte bereits
gem. § 626
Abs. 2
BGB ausgeschlossen, weil er nicht substantiiert dargelegt habe, dass er erst im Januar 2006 davon Kenntnis erlangt habe. Im Übrigen stelle das Verhalten des Klägers entgegen der Ansicht des Beklagten keine Straftat dar und habe einer vorherigen Abmahnung bedurft.
Das Gehalt für den Oktober stehe dem Kläger in voller Höhe zu, weil die vom Kläger vorgetragene Gewährung von Urlaub vom Beklagten nicht konkret bestritten worden sei. Eine Aufrechnung gegen den Bruttolohnanspruch sei unzulässig. Im Übrigen habe der Beklagte auch die behauptete Vereinbarung über die Zahlung von 3.480,00
EUR durch den Kläger nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt, weshalb auch der bisherige Einbehalt unzulässig und die Nachforderung des Klägers begründet sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachstandes und Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund im Ganzen Bezug genommen.
Gegen das am 03. März 2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte - anwaltlich vertreten - am 03. April 2006 Berufung eingelegt und diese am 28. April 2006 begründet.
Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte vor: Der Beklagte habe für die am 17. August 2005 erteilte Abmahnung Beweis angetreten durch Benennung der Zeugin Petra M.-O.; die Beweisaufnahme sei im Berufungsverfahren nachzuholen. Deshalb habe es im Oktober keiner erneuten Abmahnung oder Arbeitsaufforderung mehr bedurft. Eine solche wäre ohnehin fehlgeschlagen, weil der Kläger sich in London aufgehalten habe und dem Beklagten seine Urlaubsanschrift nicht bekannt gewesen sei. Auch dafür, dass der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 17. bis 21. Oktober 2005 keinen Urlaub gewährt habe, habe er Beweis angetreten: Das darüber geführte Gespräch habe die besuchsweise anwesende Zeugin Katja B. mit angehört.
Im Schriftsatz vom 11.01.2006 habe der Beklagte auch vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Kläger im Juli 2005 nach der Frühstückspause seinen Arbeitsplatz verlassen habe, um seinem Vater beim Abtransport eines Traktors zu helfen. Zum Aufladen habe er einen Bagger des Beklagten für sich benutzt und gegenüber den Zeugen Eric M. und Burghardt St. wahrheitswidrig erklärt, dass der Beklagte ihm das gestattet habe. Diesen Vorgang hätten beide Zeugen dem Beklagten in einem Gespräch Anfang Januar 2006 geschildert. Soweit das Arbeitsgericht ausgeführt habe, der Beklagte habe eine Straftat des Klägers nicht dargelegt, werde auf den Schriftsatz vom 11.01.2006 Seite 4
Abs. 1 verwiesen (wo der Beklagte vorbringt, das Verhalten des Klägers stelle einen Verstoß gegen § 6
Abs. 1 PfL VersG
i.V.m. § 1
Abs. 1 StVG sowie einen Diebstahl dar.
Auf die Vergütung für Oktober habe der Kläger keine Anspruch, weil er vom 17. bis 21. des Monats unentschuldigt gefehlt habe. Im Übrigen werde gegen den Anspruch vorsorglich aufgerechnet. Nachdem dem Beklagten bekannt geworden sei, dass der Kläger den Bagger schon im Jahre 2004 mehrfach benutzt hatte, hätten sich die Parteien auf eine Entschädigungszahlung von 3. 480,00
EUR - in Raten zu 250,00
EUR - geeinigt. Dafür, dass eine solche Vereinbarung bestanden habe, spreche, dass der Kläger gegen die entsprechenden Lohneinbehaltungen keine Einwendungen erhoben und erst mit Schriftsatz vom 20.12.2005 die Nachzahlung eingefordert habe.
Der Beklagte beantragt:
Unter Aufhebung der Ziffern 1. und 2. des Urteils des Arbeitsgerichts Stralsund in Sachen Frank Z. ./. Robert A. O. - 3 Ca 458/05 - vom 25.01.2006 wird die Klage als unbegründet kostenpflichtig abgewiesen.
Soweit das Arbeitsgericht den Beklagten zur Herausgabe von Arbeitspapieren verurteilt hat (Ziffer 3. des Tenors) ist dies nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und das Berufungsvorbringen für nicht erheblich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszuge wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 28.04.2006 und die Berufungsbeantwortung vom 29.05.2006 Bezug genommen.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet.
Der Beklagte kann die außerordentliche Kündigung nicht auf ein unentschuldigtes Fehlen des Klägers in der Zeit vom 17. bis 21. Oktober 2005 stützen. Sein Vortrag ist schon nicht geeignet, die - erstinstanzlich unter das Zeugnis der Frau Ilona Z. gestellte - Behauptung des Klägers zu widerlegen, ihm sei am 04. Oktober 2005 wegen der vorangegangenen Erkrankung die Verlängerung seines Urlaubes um eine Woche genehmigt worden. Die vom Beklagten benannte Zeugin Katja B. war nach dessen Vortrag offenbar nicht bei diesem Gespräch am 04. Oktober 2005 zugegen, sondern bei Rückkehr des Klägers aus dem Urlaub am 24. Oktober 2005, so dass sie dazu, ob dem Kläger die Verlängerung des Urlaubs genehmigt worden war, letztlich nichts sagen könnte. Die in ihr Wissen gestellte Äußerung des Klägers, er nehme Urlaub wann es ihm recht sei, widerlegt noch nicht die vom Kläger behauptete Gewährung des Urlaubes am 04. Oktober. Sogar wenn die Zeugin bekunden könnte, dass der Beklagte dem Kläger wegen verspäteten Wiederkommens Vorhaltungen gemacht hat, wäre vor dem Hintergrund der vom Beklagten selbst mit Schriftsatz vom 24.01.2006 eingereichten amtsärztlichen Bescheinigung (Blatt 88, 89 d. A.) nicht einmal auszuschließen, dass der Beklagte eine dem Kläger bewilligte Urlaubsverlängerung zwischenzeitlich vergessen hatte.
Aber selbst wenn zu Gunsten des Beklagten unterstellt wird, dass er dem Kläger die Verlängerung des Urlaubs nicht bewilligt hatte, führt dies - unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob dem Kläger im August schon eine Abmahnung erteilt worden war - nicht zur Wirksamkeit der Kündigung
gem. § 626
Abs. 1
BGB.
Dem Arbeitsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass unentschuldigtes Fehlen und eigenmächtige Urlaubsverlängerung grundsätzlich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abgeben können. Sie begründen eine außerordentliche Kündigung aber nicht stets ohne weiteres. Gemäß § 626
Abs. 1
BGB kommt es darauf an, ob dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die zunächst in Erwägung zu ziehende Reaktion des Arbeitgebers auf ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers ist auch in einem Arbeitsverhältnis, dass dem Kündigungsschutzgesetz nicht unterliegt, die ordentliche Kündigung. Nur wenn die Einhaltung der Kündigungsfrist unzumutbar ist, ist die außerordentliche, fristlose Kündigung berechtigt. Die Umstände, auf Grund derer die Einhaltung der Kündigungsfrist als unzumutbar erscheint, sind vom Kündigenden darzulegen. Der Vortrag des Beklagten hierzu erscheint nicht ausreichend. Gegen die Unzumutbarkeit der Einhaltung der Kündigungsfrist spricht im Besonderen, dass der Kläger bei Ausspruch der Kündigung die Arbeit längst wieder aufgenommen hatte; auch hat der Beklagte nicht dargelegt, dass ihm durch die verzögerte Wiederaufnahme der Arbeit irgendwelche besonderen betrieblichen Beeinträchtigungen widerfahren sind, zumal er den durch die Erkrankung teilweise nicht realisierten Urlaub des Klägers für das laufende Jahr 2005 ohnehin alsbald hätte nachgewähren müssen. Aber selbst wenn von einer Eigenmächtigkeit des Klägers bei der Urlaubsnahme ausgegangen wird, ist eine Wiederholungsgefahr während der Kündigungsfrist im Falle einer ordentlichen Kündigung nicht ohne weiteres ersichtlich. Auf Grund dieser Erwägungen bedurfte es auch weiterhin keiner Beweisaufnahme über die Frage, ob der Beklagte dem Kläger die Verlängerung des Urlaubes ausdrücklich genehmigt hatte.
Soweit der Beklagte erstinstanzlich und wiederum in seiner Berufungsbegründungsschrift vorgebracht hat, die Zeugin M.-O. könne bekunden, dass der Kläger am 05. Oktober 2005 an seinem Hause eine Fensterlaibung eingeputzt habe, vermag dies die Kündigung nicht zu begründen. Selbst unterstellt, dass diese Tätigkeit während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers geeignet war, seine Genesung zu beeinträchtigen, rechtfertigt dies keine außerordentliche anstelle einer ordentlichen Kündigung. Im Übrigen weist der Kläger in seiner Berufungsbeantwortung zu Recht darauf hin, dass der Beklagte insoweit die Einhaltung der Frist des § 626
Abs. 2
BGB nicht dargelegt hätte.
Das Arbeitsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine fristlose Kündigung nicht damit zu begründen ist, dass der Kläger die ab 01. November 2005 geltende neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst am 02. November vorgelegt hat, ohne seine erneute Erkrankung noch am 01. November mitzuteilen. Insoweit hat der Beklagte in seiner Berufungsbegründung keine Einwendungen erhoben. Angesichts dessen, dass der Beklagte in erster Instanz zwar den vom Kläger für den 01. November behaupteten Betriebsurlaub bestritten, andererseits aber eingeräumt hatte, dass alle anderen Arbeitnehmer an diesem Tag Urlaub genommen hatten, erschien auch insoweit die Einhaltung der Kündigungsfrist in der Tat nicht unzumutbar.
Soweit der Beklagte als Kündigungsgrund die unbefugte Benutzung eines Baggers durch den Kläger im Juli 2005 nachschiebt, erscheint schon fraglich, ob ein solcher nachgeschobener Kündigungsgrund, der nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Integrationsamt war, im Arbeitsgerichtsprozess überhaupt noch verwertet werden kann. Diese Frage ist in Rechtsprechung und Schrifttum strittig. Teilweise wird davon ausgegangen, dass nach erteilter Zustimmung als rein formellem Akt die Kündigung im Kündigungsschutzprozess beliebig auch auf anderweitige Gründe gestützt werden könne
(z. B. LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.11.1999 -
3 Sa 164/99), teilweise wird vertreten, dass ein Nachschieben von Kündigungsgründen die nicht Gegenstand des Zustimmungsverfahrens waren, jedenfalls dann zulässig sei, wenn der nachgeschobene Kündigungsgrund offensichtlich nicht im Zusammenhang mit der Behinderung stehe (
BAG, Urteil vom 20.01.1984 -
7 AZR 143/82;
BAG, Urteil vom 19.12.1991 -
2 AZR 367/91; APS/Vossen Kündigungsrecht 2. Auflage § 91 StGB IX, Rn. 25).
Richtiger Weise wird davon auszugehen sein, dass ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die nicht Gegenstand des Zustimmungsverfahrens waren, unzulässig ist auf Grund des Schutzzweckes und der rechtlichen Konstruktion des Sonderkündigungsschutzes für Schwerbehinderte, "nach der die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle als öffentlich-rechtliches Wirksamkeitserfordernis nur erteilt wird für eine Kündigung aus den vom Arbeitgeber gegenüber der Hauptfürsorgestelle angegebenen (
vgl. § 21
Abs. 4
SchwbG) und der präventiven Kontrolle unterzogenen Gründen" (
BVerwG, Urteil vom 02.07.1992 -
5 C 39/90 - BVerwGE 90, 275
ff., dessen Erwägungen gleichermaßen für die mit
§ 21 Abs. 4 SGB IX wörtlich übereinstimmende Regelung des § 91
Abs. 4
SchwbG gilt; ebenso auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05. August 1996 ---
7 S 483/95;
ArbG Lüneburg, Urteil vom 18. Mai 2000 ---
2 Ca 726/00 - NZA-RR 2000, 530
ff.; Großmann in
GK -
SchwbG 2. Auflage § 21 Rn. 114).
Letztlich kommt es hierauf aber nicht an, weil nach Ansicht der Berufungskammer auch der nachgeschobene Kündigungsgrund - unterstellt, der Beklagte habe von dem Sachverhalt tatsächlich erst im Januar 2006 erfahren - nicht von solchem Gewicht ist, dass er anstelle einer ordentlichen Kündigung eine außerordentliche fristlose Kündigung zu begründen vermag. Der Versuch des Beklagten, den kurzfristigen eigenmächtigen Gebrauch des Baggers durch den Kläger als Diebstahl qualifizieren zu wollen um daraus die Unzumutbarkeit der Einhaltung der Kündigungsfrist herzuleiten, ist abwegig, denn dazu fehlt es schon von vornherein an einer Zueignungsabsicht seitens des Klägers.
Der Beklagte trägt selbst vor, dass der Kläger gegenüber den Zeugen Eric M. und Burghardt St. erklärt habe, der Beklagte habe ihm den (kurzfristigen) Gebrauch des Baggers gestattet, woraus schon deutlich wird, dass der Kläger sich diesen nicht dauerhaft zueignen wollte. "Zueignen" bedeutet nämlich die Herstellung der eigentümerähnlichen Herrschaft über die fremde Sache, das Ausüben des Eigenbesitzes unter dauerndem Ausschluss des Berechtigten (
vgl. BGH, Großer Senat v. 7.12.1959, BGHSt 14
S. 38, 43
ff.). Davon kann auch nach dem Vortrag des Beklagten keine Rede sein. Daneben erscheint ein womöglich gegebener Verstoß gegen Pflichtversicherungsgesetz und Straßenverkehrsgesetz als nicht so gewichtig, dass er bei seiner Entdeckung mehrere Monate nach dem tatsächlichen Vorgang eine fristlose anstelle einer ordentlichen Kündigung zu begründen vermöchte, zumal der Beklagte selbst die zeitlich wesentlich umfangreichere eigenmächtige Benutzung des Baggers im Jahre 2004 nach eigenem Vortrag zwar zum Anlass einer Forderung nach finanzieller Entschädigung, nicht jedoch zum Anlass einer Abmahnung genommen hatte.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Kläger die Nachzahlung der vom Beklagten von den letzten neun Monatsgehältern einbehaltenen 2.250,00
EUR netto zuerkannt. Der Beklagte hat auch in zweiter Instanz die von ihm behauptete Vereinbarung über die Zahlung von 3.480,00
EUR durch den Kläger als Ausgleich für die Benutzung des Baggers im Jahre 2004 nicht unter Beweis gestellt. Wenn er darauf hinweist, es spreche für das Bestehen einer solchen Vereinbarung, dass der Kläger die Nachzahlung der einbehaltenen Raten erstmals mit Schriftsatz vom 20.12.2005 eingefordert habe, so reicht dies zum Beweis des Bestehens der vom Kläger bestrittenen Vereinbarung nicht aus.
Die neun Monate lange Untätigkeit des Klägers gegenüber der Einbehaltung der Raten von seinem Gehalt ist ein zu schwaches Indiz, als dass es den vollen Beweis für die Vereinbarung erbringen könnte, zumal sein abwartendes Verhalten selbst bei nicht bestehender Vereinbarung nicht einmal ungewöhnlich wäre. Es ist eine immer wiederkehrende Erfahrung der Gerichte, dass Arbeitnehmer sich mit selbst unbestreitbaren finanziellen Forderungen gegen ihre Arbeitgeber zum Teil erstaunlich lange und bis zu erstaunlicher Höhe zurückhalten, um ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis nicht zu belasten. Insofern ist es nicht ungewöhnlich, wenn auch dieser Kläger eine finanzielle Nachforderung aus dem Arbeitsverhältnis erst im Rahmen des ohnehin zu führenden Kündigungsprozesses geltend gemacht hat.
Dem Kläger steht auch das Gehalt für den Oktober 2005 zu. Soweit der Beklagte dies mit dem Hinweis auf die Fehlzeit des Klägers vom 17. bis 21. Oktober leugnet, verkennt er, dass selbst ein unentschuldigtes Fehlen des Klägers in dieser Zeit den Vergütungsanspruch nicht gänzlich entfallen ließe, sondern nur anteilig mindern würde. Es verbliebe immer noch ein anteiliger Anspruch von 1.529,70
EUR brutto, wohingegen dem Kläger der Differenzbetrag zum vollen Monatsgehalt in Höhe von 546,30
EUR brutto dann allerdings als Abgeltung für den bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht vollständig gewährten Urlaub zustünde. Schon deshalb bedarf es auch insoweit keiner Beweiserhebung darüber, ob der Beklagte dem Kläger nun entsprechend dessen Behauptung am 04.05.2005 die Verschiebung seines Urlaubs um eine Woche genehmigt hatte. Die vom Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung greift nicht durch. Zunächst hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend erkannt, dass die Aufrechnung gegen einen Bruttolohnanspruch schlechterdings unzulässig ist; eine Aufrechnung ist nur gegen den - zu diesem Zweck vom Arbeitgeber darzulegenden - Nettolohnanspruch möglich, in der Regel obendrein begrenzt auf den gemäß § 850 c
ZPO pfändbaren Teil des Nettolohnes. Gegen diese zutreffende Erkenntnis des Arbeitsgerichts hat der Beklagte in der Berufungsbegründung nichts eingewandt, weshalb es hier auch keiner Vertiefung bedarf. Darauf, dass der Beklagte das Entstehen der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt hat, kommt es deshalb in diesem Zusammenhang nicht einmal mehr an.
Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels hat der Beklagte gemäß § 97
ZPO zu tragen.
Gründe zur Zulassung der Revision bestehen nicht. Die einzige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, nämlich die nach der Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, die nicht Gegenstand des Zustimmungsverfahrens beim Integrationsamt waren, erweist sich als nicht allein entscheidungserheblich, weil die Kammer den nachgeschobenen Kündigungsgrund ohnehin als nicht hinreichend gewichtig zur Begründung einer außerordentlichen fristlosen Kündigung angesehen hat.