Urteil
Wirksame Auflösung eines Arbeitsvertrags nach TVÖD mangels Antrag auf Weiterbeschäftigung nach Erhalt des Rentenbescheides

Gericht:

LAG Köln 2. Kammer


Aktenzeichen:

2 Sa 633/09


Urteil vom:

09.11.2009


Grundlage:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.11.2008 abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob das seit dem 01.07.1981 bestehende Arbeitsverhältnis gemäß § 33 Abs. 2 TVöD mit dem 31.03.2008 geendet hat. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der TVöD anwendbar. Die 1950 geborene Klägerin war zunächst mit einem Grad von 50% schwerbehindert. Seit dem 01.11.2008 ist sie mit einem Grad von 60 % schwerbehindert. Sie ist ausgebildete Altenpflegerin und hat eine Weiterbildung zur Fachschwester für Gerontopsychiatrie absolviert. In dieser Funktion war sie zuletzt in der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie/Suchterkrankungen beschäftigt. Ihr Bruttoentgelt betrug als Vollzeitkraft zuletzt 2.300,00 EUR. Der Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.

Die Klägerin war seit dem 08.06.2005 arbeitsunfähig erkrankt und erhielt vom 01.01.2006 bis 30.06.2007 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Seit dem 01.07.2007 bezieht sie Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer mit einem Restleistungsvermögen von drei bis maximal sechs Stunden täglich. Der Bescheid über die Zubilligung der unbefristeten Teilerwerbsminderungsrente ging der Klägerin am Freitag, den 18.05.2007 zu. Erstmals am Montag, den 04.06.2007, suchte die Klägerin die Personalabteilung auf und legte den Rentenbescheid vor. Dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits den vollständigen Bescheid und insbesondere den Bescheid vom 16.05.2007 oder einen früheren Bescheid vorgelegt hat. Einen Antrag stellte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht. Der nach § 33 TVöD vorgesehene schriftliche Antrag auf Weiterbeschäftigung ging bei der Beklagten erst am 18.07.2007 ein.

Am 05.07.2007 stellte die Beklagte beim Integrationsamt den Antrag auf Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 92 SGB IX. Die Zustimmung wurde am 10.03.2008 mit der Maßgabe erteilt, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2008 endet. Der Zustimmungsbescheid ist derzeit nicht rechtskräftig.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung der Klägerin verurteilt. Es hat die Einhaltung der Frist des § 33 Abs. 2 TVöD zur schriftlichen Antragstellung als unstreitig behandelt, da die Parteien hierzu in erster Instanz nichts Näheres vorgetragen hatten. Eine Beschäftigungsmöglichkeit hat das Arbeitsgericht in der Nähstube gesehen und die Beklagte insoweit auch zur Weiterbeschäftigung verurteilt.

Hiergegen richtet sich die Beklagte mit der Berufung und beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.11.2008 abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Rechtsweg:

ArbG Köln Urteil vom 20.11.2008 - 11 Ca 2792/08

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat die formellen Voraussetzungen für das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses nach § 33 Abs. 2 TVöD nicht eingehalten. Sie hat nicht innerhalb der dort vorgesehenen Frist von 14 Tagen nach Zugang des Rentenbescheides schriftlich die Weiterbeschäftigung verlangt. Bei Zugang des Rentenbescheides am 18.05.2007 hätte die Klägerin bis längstens zum 01.06.2007 bei der Beklagten den Antrag auf Weiterbeschäftigung stellen müssen. Da die Klägerin aber erstmals am 04.06. das Personalbüro der Beklagten aufgesucht hat, braucht nicht einmal darüber entschieden zu werden, ob die Abgabe des Rentenbescheides zum Kopieren einen solchen schriftlichen Antrag ersetzen kann.

Die Rechtsfragen, die im Übrigen mit der Tarifvorschrift verbunden sind, insbesondere die Frage, ob die Schriftform des Weiterbeschäftigungsverlangens konstitutiv ist, hat das Bundesarbeitsgericht zu § 59 Abs. 1 i. V. m. Absatz 3 BAT bereits in seiner Entscheidung vom 01.12.2004 - 7 AZR 135/04 - entschieden. Das Gericht folgt den Ausführungen des BAG, die sich auf die gleichlautende Vorschrift des § 33 Abs. 2 TVöD übertragen lassen, voll umfänglich. Insbesondere erscheint auch die tarifvertraglich geregelte Frist von 14 Tagen nicht zu kurz, da ein Arbeitnehmer, anders als bei der dreiwöchigen Klagefrist für die Kündigungsschutzklage, bei Beantragung einer Erwerbsunfähigkeitsrente jederzeit damit rechnen muss, dass seinem Antrag auch entsprochen wird. Der Arbeitnehmer hat damit ausreichend Zeit, sich mit den Rechtsfolgen der Rentengewährung auseinanderzusetzen und Strategien zu entwickeln, wie er nach Erhalt eines Rentenbescheides vorgehen möchte. Hierin unterscheidet sich die tarifvertragliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Zugang des Rentenbescheides erheblich von dem Zugang einer Kündigung, die für den Arbeitnehmer in aller Regel überraschend kommt.

Die Unkenntnis der tariflichen Vorschrift kommt der Klägerin nicht zugute. Die Klägerin ist Gewerkschaftsmitglied. Deshalb wirkt der Tarifvertrag zwischen den Parteien aufgrund der eigenen Entscheidung der Klägerin, sich einer Arbeitnehmerorganisation anzuschließen. Hierdurch war sie noch stärker als bei einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung der Tarifgeltung gehalten, sich über die Konsequenzen ihres Gewerkschaftsbeitritts und die in diesem Falle anwendbaren Tarifinhalte zu informieren.

Das Gericht konnte auch, trotz der noch nicht eingetretenen Rechtskraft des Zustimmungsbescheides nach § 92 SGB IX über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses entscheiden. Der Widerspruch gegen den Zustimmungsbescheid hat keine aufschiebende Wirkung, sodass derzeit von einer gültigen Zustimmung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses auszugehen ist. Sollte die Klägerin rechtskräftig den Zustimmungsbescheid beseitigen können, steht ihr das Restitutionsverfahren gegen die vorliegende Entscheidung zur Verfügung.

Da das Arbeitsverhältnis durch die tarifliche Regelung geendet hat, war auch der Weiterbeschäftigungsantrag abzuweisen.

Die Rechtsbeschwerde wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Referenznummer:

R/R3383


Informationsstand: 14.01.2011